TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/26 LVwG-AV-1809/001-2021

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Veröffentlicht am 26.11.2021
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Entscheidungsdatum

26.11.2021

Norm

BAO §212a
BAO §279

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde des Herrn A, ***, ***, vom 11. Oktober 2021 gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde *** vom 9. September 2021, AZ.: ***, mit welchem über eine Berufung gegen einen Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde *** vom 3. März 2020, AZ.: ***, betreffend Aussetzung der Einhebung einer vorgeschriebenen Wasserbezugsgebühr, entschieden wurde, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.   Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Sachverhalt und verwaltungsbehördliches Verfahren:

Mit Abgabenbescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde *** vom 21. September 2020, AZ.: ***, wurde Herrn A (in der Folge: Beschwerdeführer) für die Liegenschaft *** in *** für die Jahre 2015 bis 2020 eine Wasserbezugsgebühr im Gesamtbetrag von € 4.825,51 (inklusive 10 % Umsatzsteuer) festgesetzt.

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2020 erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen diesen Bescheid vom 21. September 2020. Beantragt wurde die ersatzlose Aufhebung des Abgabenbescheides wegen behaupteter Rechtswidrigkeit. Beantragt wurde – unter anderem – die Einbringung der vorgeschriebenen Abgabe bis zur rechtskräftigen Entscheidung auszusetzen.

Über diesen in der Berufung gestellten Antrag auf Aussetzung der Einhebung der mit dem Abgabenbescheid vom 21. September 2020, AZ.: ***, vorgeschrieben Wasserbezugsgebühr wurde von der Bürgermeisterin der Gemeinde *** mit Bescheid vom 3. März 2020, AZ.: ***, gesondert abgesprochen. Dem Antrag wurde nicht stattgegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Antrag wegen Aussichtslosigkeit der gegen die Abgabenvorschreibung erhobenen Berufung nicht stattzugeben sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29. März 2021 fristgerecht das ordentliche Rechtsmittel der Berufung. Er beantragte, dem Antrag auf Aussetzung der Einbringung stattzugeben. Die behauptete Aussichtslosigkeit der Berufung sei nicht begründet worden.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde *** vom 9. September 2021, AZ.: ***, wurde über diese Berufung gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde *** vom 3. März 2020, AZ.: ***, betreffend Aussetzung der Einhebung einer vorgeschriebenen Wasserbezugsgebühr, entschieden.

Im Spruch wurde dem „Antrag auf Aussetzung des Abgabenverfahrens“ bis zur gerichtlichen Klärung des behaupteten Gratiswasserbezuges nicht stattgegeben.

Umfangreich wurde begründet, dass sich die Liegenschaft im Versorgungsbereich der öffentlichen Wasserleitung befinde. Eine gültige Vereinbarung über einen kostenlosen Wasserbezug bestehe nicht. Der Wasserbezug habe über Wasserzähler zu erfolgen, eine Befreiung von der Wasserbezugsgebühr bestehe nicht. Der Wasserzähler sei aber wegen bisher nicht eingebaut worden, weshalb die Wasserbezugsgebühr gemäß § 11 Abs. 4 NÖ GWLG vorzuschreiben sei. Bei der Frage, ob eine privatrechtliche Vereinbarung zum behaupteten Gratiswasserbezug bestehe, handle es sich nicht um eine für dieses Abgabenverfahren relevante Vorfrage.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2021 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründete diese umfangreich. Beantragt wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen behaupteter Gesetzwidrigkeit.

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2021 legte die Bürgermeisterin der Gemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Akt der Gemeinde ***.

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 212a. (1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,

a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder

b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder

c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

(…)

§ 271. (1) Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Beschwerde anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78) entgegenstehen. Dies hat vor Vorlage der Beschwerde durch Bescheid der Abgabenbehörde, nach Vorlage der Beschwerde durch Beschluss des Verwaltungsgerichtes zu erfolgen. (…)

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

2.2. Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG:

Artikel 133.

(…)

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (…)

2.3. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(…)

3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Gemäß § 263 Abs. 1 iVm 288 Abs. 1 BAO ist die Berufungsbehörde berechtigt, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung abzuweisen.

Diese Änderungsbefugnis („nach jeder Richtung“) ist durch die Sache begrenzt. "Sache" des Berufungsverfahrens ist jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des Bescheides der Abgabenbehörde gebildet hat (vgl. VwGH 2009/15/0152, 2010/16/0032; 2012/15/0161).

Sache des Berufungsverfahrens ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides gebildet hat (z.B. VwGH 2009/15/0152; 2010/16/0032; 2012/15/0161).

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid wurde über einen Antrag auf Aussetzung einer Wasserbezugsgebühr gemäß § 212a BAO entschieden.

Die Berufungsbehörde hätte daher im Instanzenzug zu beurteilen, ob die Abweisung dieses Antrages auf Aussetzung der Einhebung der vorgeschriebenen Abgabe (somit die Nichtbewilligung eines Zahlungsaufschubes) zu Recht erfolgt ist.

Über diese Frage wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid allerdings nicht abgesprochen.

Stattdessen hat der Gemeindevorstand im angefochtenen Bescheid über einen anderen Antrag – einen Antrag auf Aussetzung des zugrundeliegenden Abgabenverfahrens – entschieden. Der belangten Behörde war es jedoch verwehrt, im Berufungsverfahren den Verfahrensgegenstand auszutauschen, war doch dieser Antrag nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens.

Der Gemeindevorstand – dem in diesem Verfahren lediglich die Funktion der Berufungsbehörde zukommt – war dafür funktionell unzuständig. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs. 1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Wasserbezugsgebühr; Aussetzung; Sache des Verfahrens; Unzuständigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1809.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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