TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/10 L525 2165592-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.2021
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Entscheidungsdatum

10.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §60
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch



L525 2165592-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin – eine pakistanische Staatsbürgerin – stellte nach legaler Einreise in das Bundesgebiet am 4.7.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die legale Einreise erfolgte über ein Schengen Visum C, welches vom 21.4.2015 bis zum 4.7.2015 gültig war.

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.6.2017 als unbegründet abgewiesen und wurde eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin erlassen und eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise erlassen. Die Beschwerdeführerin erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche mit hg Erkenntnis vom 9.12.2020, Zl. L512 2165592-1 als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin kam ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb weiterhin im Bundesgebiet.

Die Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 8.2.2021 die Verleihung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, sie sei im Juli 2015 mit ihrer Mutter und zwei Brüdern nach Österreich gekommen und habe einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei mit Erkenntnis vom 1.12.2020 (offenbar gemeint: 9.12.2020) als unbegründet abgewiesen worden. Die Mutter habe Österreich mittlerweile verlassen und sei zu ihrem ältesten Sohn nach England gezogen. Die Beschwerdeführerin habe sich während ihres fünf jährigen Aufenthalt ausgezeichnet integrieren können. Sie spreche Deutsch auf B1-Niveau, lebe mit ihren Brüdern in der eigenen Wohnung und habe nie Leistungen aus der Grundversorgung bezogen. Die Beschwerdeführerin sei eine selbständige Frau, die sich den Konventionen in Pakistan, nie habe unterordnen wollen. Sie wolle ihr Leben in Österreich selbst gestalten. Sie verbringe ihre Freizeit mit einer näher genannten österreichischen Familie. Die Beschwerdeführerin sei bei der ÖGK selbst versichert und könne umgehend nach Erhalt einer Aufenthaltsberechtigung eine Arbeit beginnen. Bis dato komme ihr Onkel, welcher die österreichische Staatsbürgerschaft besitze für ihren Unterhalt auf. Neben ihren Brüdern würden insgesamt drei Onkeln und eine Tante in Österreich leben, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen würden. Zu ihnen bestünde ein intensiver familiärer Kontakt. Der Onkel sei auch bereit die Beschwerdeführerin in seinen Betrieb als kaufmännische Angestellte anzustellen, was auch der Ausbildung der Beschwerdeführerin entsprechen würde. Die Beschwerdeführerin habe sich während ihres Aufenthaltes in Österreich einen großen Freundeskreis aufbauen können, sie arbeite seit März 2019 freiwillige beim ÖRK. Die Beschwerdeführer sei immer bemüht gewesen ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, ihr Lehrverhältnis sei aufgrund wirtschaftlicher Probleme des Arbeitgebers aufgelöst worden. Neben dem Antragsformular legte die Beschwerdeführerin ein Unterstützungsschreiben der Familie XXXX , einen Arbeitsvorvertrag samt Einstellungsbestätigung, einen Versicherungsdatenauszug, ein Unterstützungsschreiben des Onkels, eine Wohnrechtsbestätigung samt Mietvertrag, einen Lehrvertrag, eine Geburtsurkunde, Bestätigungen über diverse Deutschkurse inklusive B1, eine Reisepasskopie, Ausbildungsunterlagen, eine Bestätigung des Marktgemeindeamtes XXXX , eine Bestätigung der Caritas, ein Jahreszeugnis der Landesberufsschule XXXX , Integrationsprüfungen B1, A2, A1 und eine Bestätigung des ÖRK vor.

Mit Schreiben vom 2.3.2021 wurde die Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde zur Beantwortung von insgesamt 38 näher bezeichneten Fragen aufgefordert und aufgefordert die Fragen mittels Beweismittel zu beantworten.

Mit Schreiben vom 15.3.2021 übermittelte die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Stellungnahme. Begründend führte die Beschwerdeführerin zunächst aus, sie habe bereits am 12.3.2021 weitere Unteralgen, nämlich die originale Geburtsurkunde, eine aktuelle Strafregisterbescheinigung sowie insgesamt 16 Unterstützungsschreiben vorgelegt. Die Stellungnahme führte weiters – zusammengefasst – aus, die Beschwerdeführerin sei ledig, sie verfügte in Österreich über näher bezeichnete familiäre Anknüpfungspunkte, darunter ihr Onkel und ihre Tante, welche beide die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, sowie ihre beiden Brüder, welche sich im aufrechten Asylverfahren befinden würden. Die Beschwerdeführerin habe bis 2018 eine Lehre als Hotel- und Gastgewerbeassistentin gemacht. Entsprechende Lohnzettel seien bereits vorgelegt worden. Das Lehrverhältnis sei aufgrund wirtschaftlicher Probleme des Arbeitgebers aufgelöst worden. Hinsichtlich ihrer finanziellen Situation legte die Beschwerdeführerin einen aktuellen KSV-Auszug vom 12.3.2021 vor. Ebenso werde auf den bereits vorgelegten Arbeitsvorvertrag einer näher bezeichneten Firma verwiesen. Nach Auflösung ihres Lehrverhältnisses sei der Onkel für den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin aufgekommen. Nunmehr würden ihre Brüder für die Beschwerdeführerin sorgen, welche sich mit einem Paketzustelldienst selbständig gemacht hätten. Die Beschwerdeführerin habe keinerlei Schulden und nie Grundversorgung bezogen. Die Beschwerdeführerin sei bei der Österreichischen Gesundheitskassa selbstversichert. Die Beschwerdeführerin könnte bei Stattgebung des Antrages bei einer näher bezeichneten Firma als kaufmännische Angestellte arbeiten. Auf diese Weise wäre ein Versicherungsschutz gewährleistet. Die beiden Brüder könnten die Beschwerdeführerin außerdem weiter finanzieren. Die Beschwerdeführerin wohne in der von ihren Brüdern gemieteten Wohnung gemeinsam mit den Brüdern. Sie könne auch hinkünftig in der Wohnung bleiben, es werde auf das Schreiben der Brüder verwiesen, dass ihr ein unbefristetes und unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt werde. Mit den in Österreich aufhältigen Verwandten bestünde ein intensiver und regelmäßiger Kontakt. Die Beschwerdeführerin habe einen B1 Kurs absolviert und spreche sehr gut Deutsch. Die Beschwerdeführerhin habe sich einen großen Freundeskreis in Österreich aufbauen können. Es werde abermals auf die vorgelegten Unterstützungsschreiben verwiesen. Die Beschwerdeführerin betreue im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit beim Roten Kreuz eine näher bezeichnete Frau. Ihre Freizeit verbringe die Beschwerdeführerin mit Radfahren, Kochen und dem Knüpfen neuer Kontakte. Die Beschwerdeführerin spreche Deutsch, Urdu, Punjabi und Englisch. Im Herkunftsstaat würden noch näher angeführte Verwandte leben. Das Verhältnis gestalte sich als schwierig und habe die Beschwerdeführerin seit ihrer Ankunft in Österreich keinen Kontakt mehr. Die Beschwerdeführerin sei außerdem unbescholten.

Mit dem nunmehr gegenständlichen Bescheid wies das BFA den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG ab (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG werden gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.). Es werde gemäß § 52 Abs. 9 festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und betrage die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA zu Spruchpunkt I. aus, die Beschwerdeführerin erfülle die gemäß § 56 AsylG notwendige Mindestaufenthaltsdauer, die halte sich über fünf Jahre im Bundesgebiet auf, davon mehr als drei Jahre rechtmäßig. Die Beschwerdeführerin habe einen Krankenversicherungsschutz nachweisen können, da sie selbstversichert sei. Sie habe jedoch keinen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nachweisen können, da sie selbst kein Mieter einer Wohnung sei, sondern in der durch ihre Brüder gemieteten Wohnung leben würde. Gegen die beiden Brüder bestünde eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung, es sei daher nicht gewiss, dass die Beschwerdeführer weiterhin in dieser Wohnung leben könne. Einen rechtlichen Anspruch auf Verbleib in der Wohnung habe die Beschwerdeführerin nicht. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass der weitere Aufenthalt nicht zu einer Belastung einer Gebietskörperschaft führen würde. Die Beschwerdeführerin verfüge weder über ein Einkommen, noch über Ersparnisse. Eine Patenschaftserklärung sei nicht abgegeben worden. Einen Rechtsanspruch gegen ihre beiden Brüder auf finanzielle Leistungen bestünde ebenso nicht und da diese mittlerweile auch nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig seien, sei ohnhin nicht gewiss, dass die finanzielle Unterstützung andauern werde. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel seien daher nicht erfüllt. Darüber hinaus stellte die Beschwerdeführerin auch keinen besonders berücksichtigungswürdigen Fall dar. Die Beschwerdeführerin habe zwar ein Lehrverhältnis begonnen, welches aber aufgelöst worden sei. Die Beschwerdeführerin halte sich seit dem 11.12.2020 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sie könne daher auch keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Eine Integration auf den Arbeitsmarkt habe daher nicht stattgefunden. Während des sechsjährigen Aufenthalts in Österreich habe die Beschwerdeführer sich Deutschkenntnisse auf B1 Niveau angeeignet, was aber noch keine außergewöhnliche Integration darstelle. In Bezug auf die Aus- und Weiterbildung könne nicht erkannt werden, dass die Beschwerdeführerin besonders intensive Integrationsbemühungen gezeigt habe. Zum Familienleben sei festgehalten, dass die Beschwerdeführerin mit ihren beiden Brüdern in einer Wohnung lebe, gegen beide Brüder würden rechtskräftige Rückkehrentscheidungen bestehen. Besondere Integrationsbemühungen habe die Beschwerdeführer aus Sicht des BFA nicht gezeigt. Zur Rückkehrentscheidung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin verfüge über drei Onkel und eine Tante im Bundesgebiet zu welchen auch Kontakt bestehen würde. Der Kontakt würde sich aber nicht derart gestalten, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet dafür erforderlich sei. Die Beschwerdeführerin halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und hätte die Beschwerdeführerin bereits bei der Antragstellung auf internationalen Schutz wissen müssen, dass ihre Angaben nicht glaubhaft seien. Das Privatleben der Beschwerdeführerin sei daher in während eines unsicheren Aufenthalts entstanden. Die Beschwerdeführerin sei zwar bemüht gewesen, dass sie in Österreich Fuß fasse, was sich bereits aus den Bemühungen zur Erlernung der deutschen Sprache und ihrer begonnenen Lehre ergebe. Derzeit gehe die Beschwerdeführerin allerdings keiner Arbeit nach und sei nicht rechtmäßig aufhältig. Die Beschwerdeführerin verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan und habe den überwiegenden Teil ihres Lebens dort verbracht. Außerdem sei nicht erkennbar, dass sich das Privat- oder Familienleben seit Erlassung des rechtskräftigen Erkenntnisses vom 9.12.2020, Zl. L512 2165592-1 wesentlich geändert hätte; auch dort sei bereits im Rahmen der Rückkehrentscheidung das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin ausführlich geprüft worden.

Mit Schriftsatz vom 30.4.2021 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte die Beschwerde aus, entgegen der Ansicht der belangten Behörde liege sehr wohl eine gelungene Integration vor. Richtig sei, dass das Lehrverhältnis aufgelöst worden sei, die Beschwerdeführerin habe sich aber auch danach weiterhin um eine Beschäftigung bemüht, was sich aus den vorgelegten Schreiben der Caritas Grundversorgung vom 22.4.2020 ergebe. Daraus gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin bemüht sei ein selbständiges Leben zu führen. Schließlich habe die Beschwerdeführerin auch einen berufsbezogenen Deutschkurs für Asylwerbende – Gastronomie besucht. Ebenso ignoriert sei das Vorbringen worden, wonach die Beschwerdeführerin bei einer näher bezeichneten Firma als kaufmännische Angestellte arbeiten könne, wenn sie einen Aufenthaltstitel erhalte. Zum Nachweis der Selbsterhaltungsfähigkeit diene auch ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag. Die Beschwerdeführerin würde daher nicht zu einer Belastung einer Gebietskörperschaft werden. Hinsichtlich der Wohnsituation werde nunmehr eine Wohnrechtsvereinbarung mit dem Onkel vorgelegt, wonach die Beschwerdeführerin in der Wohnung des Onkels wohnen könne. Die Beschwerdeführerin habe eine positiv absolvierte Integrationsprüfung B1 absolviert. Allein dies stelle schon eine herausragende Integration dar. Außerdem leiste die Beschwerdeführerin eine ehrenamtliche Tätigkeit beim Roten Kreuz, wonach die Beschwerdeführerin einmal wöchentlich eine näher bezeichnete Frau besuche und mit ihr Brettspiele spiele, ihr vorlese oder die Ereignisse der Woche bespreche. Auch dadurch leiste die Beschwerdeführerin einen wichtigen Beitrag zur österreichischen Gesellschaft. Die Beschwerdeführerin verfüge über einen großen Freundeskreis, sie sei beispielsweise mit der Buchhalterin ihres Onkels und deren Familie gut befreundet. Ebenso bestünde zu ihrer ehemaligen Nachbarin ein freundschaftliches Verhältnis, ebenso kenne sie den Bürgermeister von XXXX . Zu ihrer in Österreich lebenden Familie habe sie beinahe täglich Kontakt. Aus diesem Grund habe auch der Onkel sich bereit erklärt, dass er die Beschwerdeführerin im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützen werde. Die ausgeprägten Sozialkontakte, die familiären Bindungen und die außerordentlich gute Integration sei nicht ausreichend gewürdigt worden und sei nicht erkennbar, warum kein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliege. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung habe die belangte Behörde die Deutschkenntnisse, die begonnene Lehre, die ehrenamtliche Tätigkeit beim Roten Kreuz und die zahlreichen Kontakte und das schützenswerte Familienleben nicht berücksichtigt. Ebenso wurde der arbeitsrechtliche Vorvertrag nicht berücksichtigt. Die Beschwerdeführerin legte anlässlich der Beschwerde einen Mietvertrag des Onkels aus dem Jahr 2002 und eine Wohnrechtsvereinbarung zwischen dem Onkel der Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführerin, wonach der Beschwerdeführerin ein unbefristetes und unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt werde, vor.

II.


Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Ihre Identität steht fest. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehöriger von Pakistan und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Die Beschwerdeführerin verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan und hat in Pakistan das College mit dem akademischen Grad Bachelor abgeschlossen. Die Beschwerdeführerin spricht Punjabi als Muttersprache sowie Urdu, weiters Englisch und Deutsch auf B1-Niveau. Die Beschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet, der legale Aufenthalt dauerte mehr als drei Jahre. Seit Dezember 2020 verfügt die Beschwerdeführerin über keinen legalen Aufenthalt in Österreich. Das Asylverfahren der Beschwerdeführerin wurde mit hg. Erkenntnis vom 9.12.2020, Zl. L512 2165592-1 rechtskräftig negativ abgeschlossen und wurde die Rückkehrentscheidung der belangten Behörde bestätigt. Die Beschwerdeführerin kam dem Ausreiseauftrag nicht nach.

Die Beschwerdeführerin lebt mit ihren Brüdern an der Adresse XXXX . Als Hauptmieter der Wohnung treten die Brüder der Beschwerdeführerin auf, die Beschwerdeführerin wird im Mietvertrag nicht erwähnt. Der Mietvertrag ist auf drei Jahre befristet. Die beiden Brüder bestätigen im Schreiben vom 4.2.2021, dass sie der Beschwerdeführerin ein unbefristetes und unentgeltliches Wohnrecht einräumen. Die Asylverfahren der Brüder der Beschwerdeführerin wurden mit den hg. Erkenntnissen vom jeweils 8.4.2021, Zl. L525 2165591-1 bzw. L525 2165595-1 als unbegründet abgeschlossen. Der Verfassungsgerichtshof erkannte in beiden Verfahren den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zu. Der Onkel der Beschwerdeführerin legte erstmals mit der Beschwerde ein Schreiben vor, wonach er der Beschwerdeführerin an der Adresse Liliengasse 3 (offenbar gemeint: in 5020 Salzburg) ein unbefristetes und unentgeltliches Wohnrecht einräumt (AS 245). Der mit 1.7.2002 datierte Mietvertrag wurde befristet abgeschlossen.

Die Beschwerdeführerin geht keiner legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach, erzielt kein Einkommen und verfügt über keine Ersparnisse. Die Beschwerdeführerin hat keine Schulden. Die Beschwerdeführerin bestreitet ihren Lebensunterhalt durch Zuwendungen ihrer Brüder und ihres Onkels, XXXX . Die Beschwerdeführerin absolvierte vom 22.11.2017 bis zum 30.7.2018 eine Lehre als Hotel- und Gastgewerbeassistentin und war vom 2.2.2019 bis zum 11.2.2019 bei einer näher bezeichneten Firma angestellt. Die Beschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2017/2018 die Landesberufsschule XXXX , absolvierte das Schuljahr aber nicht positiv. Die Beschwerdeführerin bestand am 10.10.2020 eine Integrationsprüfung auf B1 Niveau. Neben Deutschkursen hat die Beschwerdeführerin am 5.4.2018 am Erlebnisworkshop "Sicher auf 2 Rädern" und vom 16.10.2017 bis zum 21.11.2017 am Kurs "Berufsbezogene Deutschkurse für Asylwerbende – Gastronomie" teilgenommen. Die Beschwerdeführerin engagiert sich seit dem 11.3.2019 ehrenamtlich beim Roten Kreuz und besucht im Rahmen eines Besuchsdienstes einmal wöchentlich eine Dame, um sich mit ihr zu unterhalten und um Brettspiele zu spielen. Die Beschwerdeführerin wird dabei als verantwortungsvolle und zuverlässige Person beschrieben. Die Beschwerdeführerin hat beim Roten Kreuz vom 4.4.2018 bis zum 18.4.2018 einen Erste Hilfe Grundkurs besucht. Die Beschwerdeführerin unterhält Kontakt zur Familie XXXX . Mit dem Ehepaar hat sich die Beschwerdeführerin vor den Beschränkungen in den Jahren 2020 und 2021 mindestens zwei Mal wöchentlich getroffen und wurden dabei Gespräche geführt über die Kultur und über Traditionen. Auch wurden gemeinsame Ausflüge im ganzen Land unternommen, wie zB die Besichtigung des Domes in Salzburg oder eine Fahrt mit der Zahnradbahn auf den Schafberg, sowie ein Besuch im Salzbergwerk in Hallein. Die Beschwerdeführerin verfügt über einen "Arbeitsvertrag unter aufschiebender Bedingung" vom 4.2.2021 als Angestellte. Die Beschwerdeführerin ist seit dem 1.6.2019 selbstversichert gemäß § 16 Abs. 1 ASVG. Die Beschwerdeführerin pflegt einen sehr engen familiären Kontakt zur Familie ihres Onkels und ist in die Familie sehr gut integriert. Die Beschwerdeführerin ist nicht Mitglied in einem Verein. Es bestehen soziale Kontakte in die österreichische Gesellschaft. Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

1.4. Länderfeststellungen:

Länderspezifische Anmerkungen

Letzte Änderung: 29.01.2021

Covid-19

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die epidemiologische Situation in Pakistan ist weiterhin angespannt. In Pakistan wurden bisher mehr als 457.288 Infektionen mit dem Covid-19-Virus sowie mehr als 9.330 Todesfälle bestätigt (Stand 21.12.2020; Einwohnerzahl: 220 Millionen). Nach Angaben des National Command and Operation Center (NCOC) stieg die Zahl der durch das Coronavirus verursachten Todesfälle zum ersten Mal seit fünf Monaten um mehr als 100 innerhalb eines Tages. Die Positiv-Rate aller durchgeführten Testungen liegt in verschiedenen pakistanischen Großstädten bei etwa 7 bis 8%, während sie in der Millionenmetropole Karatschi etwa 19% beträgt. Landesweit wird weiterhin auf „Smart Lockdowns“ gesetzt, wobei zuletzt in Bezirken Peshawars und Karatschis Ausgangssperren verhängt wurden. Die Landesregierungen von Sindh und Khyber Pakhtunkhwa haben zudem angeordnet, alle religiösen Seminare („Madrassas“) wegen der Covid-19-Pandemie zu schließen. Laut Angaben des Sonderassistenten des pakistanischen Premierministers werde geplant, dass der Impfstoff – sofern verfügbar – der pakistanischen Bevölkerung kostenlos zur Verfügung gestellt werde. Wie gering die Impfbereitschaft der Pakistanis zeigt der Umgang mit der Polio-Impfung für Kinder im Land (ÖB 21.12.2020). Gleichzeitig geraten Krankenhäuser angesichts gestiegener Corona-Neuinfektionen landesweit an ihre Kapazitätsgrenzen. Mindestens sieben Patienten starben laut Medienberichten in der Nacht zum 6. Dezember 2020 in einem öffentlichen Krankenhaus in der nordwestlichen Stadt Peshawar (Khyber Pakhtunkhwa), weil der Sauerstoffnachschub ausging (BAMF 7.12.2020).

Als Folge des COVID-19-Schocks verschlechterte sich die wirtschaftliche Aktivität deutlich, wobei das Wirtschaftswachstum 2020 wird vorläufig auf -0,4% geschätzt. Um die zweite Welle abzumildern, wurden Lockdownmaßnahmen wieder eingeführt. Hinsichtlich anstehender Impfungen hat die Regierung bei der COVAX-Organisation der UN um Unterstützung angesucht. Diese wird die Impfung von vorrangig zu impfenden Gruppen - etwa 20% der Bevölkerung - abdecken. Die Regierung führt außerdem Gespräche mit mehreren Impfstoffherstellern und mit Gebern (Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank) über die Beschaffung zusätzlicher Impfstoffe, die mit einem Budget von 250 Millionen US-Dollar finanziert werden sollen. Der Start der Impfkampagne wird für das zweite Quartal des Jahres 2021 erwartet (IMF 8.1.2021).

Am 24. März 2020 wurde von der Bundesregierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen PKR (ca. 6,2 Milliarden Euro) angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische Notfallausrüstung (kürzlich bis Dezember 2020 verlängert); Bargeldtransfers an 6,2 Millionen Tagelöhner (75 Mrd. PKR); Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache Familien (150 Mrd. PKR); Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form von Aufschub der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sah außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. PKR), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. PKR), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise (mit einem geschätzten Nutzen für die Endverbraucher in Höhe von 70 Mrd. PKR), Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. PKR), Erleichterungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. PKR), einen Notfallfonds (100 Mrd. PKR) und eine Überweisung an die National Disaster Management Authority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. PKR) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wird auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das "COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program" (70 Mrd. PKR), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. PKR) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und Zementunternehmen), die im Rahmen der zweiten Welle bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden (IMF 8.1.2021).

Quellen:

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.12.2020): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041897/briefingnotes-kw50-2020.pdf, Zugriff 28.12.2020

?        IMF – International Monetary Fund (8.1.2021): Policy Responses to COVID-19, Pakistan, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#P, Zugriff 28.1.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Bangkok [Österreich] (21.12.2020): Asylländerbericht Pakistan, per E-Mail

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020).

Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und der mit ihnen verbundenen HQN [Anm.: the Haqqani Network], sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT [Anm.: Lashkar-e Taiba] und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM [Anm.: Jaish-e Muhammad], von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020). Andererseits führen Armee und Polizei auch weiterhin Kampagnen gegen militante und terroristische Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 29.9.2020). Die Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs, die 2017 begonnen wurde, wurde das ganze Jahr 2019 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Antiterrorismuskampagne mit dem Ziel, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-2017) zu konsolidieren, mit der ausländische und einheimische Terroristen in den ehemaligen FATA bekämpft wurden. Die Sicherheitsbehörden schwächen terroristische Gruppen auch, indem sie mutmaßliche Terroristen und Bandenmitglieder festnehmen, welche den Militanten angeblich logistische Unterstützung leisten (USDOS 11.3.2020).

Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch (nicht)-staatliche Akteure tragen zu Menschenrechtsproblemen bei. Angriffe von militanten und terroristischen Gruppen, darunter die pakistanischen Taliban (TTP; Tehrik-e-Taliban Pakistan), Lashkar-e-Jhangvi und die Provinz Chorasan im islamischen Staat (ISIS-K), richten sich gegen Zivilisten, Journalisten, Gemeindeführer, Sicherheitskräfte, Vollzugsbeamte und Schulen. Hunderte von Menschen wurden 2019 durch Sprengsätze, Selbstmordattentate und andere Formen der Gewalt getötet oder verletzt. Angriffe der genannten Gruppen richten sich häufig gegen religiöse Minderheiten (USDOS 11.3.2020).

Tatsächlich ist seit 2009 ein allmählicher Rückgang der Terroranschläge und der Zahl der Opfer zu verzeichnen. Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen, diesen rückläufigen Trend ab 2013 aufrechtzuerhalten (USDOS 24.6.2020). Auch 2019 war das Maß an Gewalt geringer, als in den vergangenen Jahren. Dies steht mit einem allgemeinen Rückgang der terroristischen Aktivitäten in Zusammenhang (USDOS 11.3.2020). Die Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle ist also weiter rückläufig, bei gleichzeitiger Stagnation in einigen Landesteilen. Laut dem Think Tank Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) gab es im Jahr 2019 insgesamt 229 Terroranschläge in Pakistan (13% weniger verglichen mit 2018), bei denen 357 Personen ums Leben gekommen sind (40% weniger als 2018). Größte Unruheherde bleiben die ehemaligen Stammesgebiete (besonders Nordwaziristan) und Belutschistan. Die aktivsten gegen den pakistanischen Staat gerichteten Terrorgruppen sind die TTP sowie belutschische Separatisten (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 24.6.2020). Beide verübten in den vergangenen Monaten eine Serie von tödlichen Anschlägen auf Sicherheitskräfte (AA 29.9.2020). Auch ISIS-K ist aktiv. Separatistische militante Gruppen führen Terroranschläge gegen verschiedene Ziele in den Provinzen Belutschistan und Sindh durch (USDOS 24.6.2020). Gewisse Teile von Belutschistan und dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet sind weiter nicht gänzlich unter staatlicher Kontrolle. Dies begünstigt neben dem Terrorismus auch den Schmuggel sowie Menschen- und Drogenhandel (AA 29.9.2020).

Insgesamt dokumentierte PIPS im Jahr 2019 433 Vorfälle von Gewalt. Die Gesamtzahl der Gewaltvorfälle führte zu 588 Todesopfer und 1.030 Verletzte. Mehr als die Hälfte der Gewaltvorfälle (229 Vorfälle) wurden laut PIPS als terroristische Angriffe bezeichnet. Im Vergleich zu 2018 ist die Zahl der gewalttätigen Vorfälle um etwa 15 % zurückgegangen (EASO 10.2020).

Es besteht jedoch weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Rawalpindi, Lahore, Karachi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der TTP sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen, insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur sowie gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) (AA 27.10.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Die Regierung betreibt fünf De-Radikalisierungslager, wo religiöse Erziehung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie angeboten wird. Eine pakistanische NGO verwaltet das auf Jugendliche ausgerichtete Sabaoon Rehabilitation Center im Swat-Tal, das sie in Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Militär gegründet hatte (USDOS 24.6.2020).

Anzahl der Anschläge von 1.1.2020-31.7.2020 (EASO 10.2020)

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2020): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Stand 21.12.2020), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_1, Zugriff 21.12.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 21.12.2020

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 21.12.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html, Zugriff 21.12.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/pakistan/, Zugriff 21.12.2020

Relevante Terrorgruppen

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die pakistanische Regierung setzt die Umsetzung des Antiterrorism Act von 1997, des National Counterterterrorism Authority (NACTA) Act, des Investigation for Fair Trial Act von 2014 und der Änderungen des Antiterrorism Act (ATA) von 2014 fort, die allen Strafverfolgungsbehörden, Staatsanwälten und Gerichten erweiterte Befugnisse in Terrorismusfällen einräumen. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten in ganz Pakistan CT-Operationen gegen staatsfeindliche Kämpfer durch. Das pakistanische Recht erlaubt präventive Inhaftierung, lässt die Todesstrafe für terroristische Straftaten zu und ermächtigt spezielle Anti-Terrorismus-Gerichte, über Terrorismusfälle zu verhandeln (USDOS 24.6.2020).

Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP): Die TTP (auch pakistanische Taliban genannt) wurde 2007 von Baitullah Mehsud gegründet, der 2009 durch einen US-Drohnenangriff getötet wurde. Die ursprünglichen Ziele der Organisation waren die Umsetzung der Scharia und die Vertreibung der Koalitionstruppen aus Afghanistan. Die TTP ist eine Dachorganisation, die aus 13 verschiedenen pakistanischen Taliban-Fraktionen gebildet wird - ungefähr die Hälfte aller pakistanischen Taliban-Fraktionen. Die TTP besteht aus ca. 3.000 bis 5.000 aktiven Kämpfern in Afghanistan. Während die TTP auf der anderen Seite der Grenze im Osten Afghanistans Zufluchtsorte unterhält, hat sie Schläferzellen und Sympathisanten in Pakistan zurückgelassen. Afghanistan ist die Operationsbasis, aber die Gruppe führt im Allgemeinen keine Angriffe in Afghanistan durch. Die TTP konzentriert sich auf den Kampf gegen die pakistanische Regierung (EASO 10.2020).

Jamaat-ul Ahrar (JuA): Jamaatul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Ziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Im August 2020 schloss sich JuA wieder der TTP an. Das Pakistan Institute for Peace Studies dokumentierte, dass die JuA im Jahr 2019 an einem Terroranschlag beteiligt war, verglichen mit 15 im Jahr 2018 (EASO 10.2020).

Islamic State Khorasan Province (ISKP): Die ersten Berichte über den ISKP (auch ISIS, ISIL, IS oder Daesh genannt) in Pakistan gehen auf Anfang 2015 zurück. Der ISKP sah eine weltweite Expansion des Kalifats vor und bezeichnete die Region Afghanistan, Pakistan, Iran und die zentralasiatischen Republiken als Wilayat Khorasan (ISKP - Islamischer Staat Provinz Khorasan). Im Mai 2019 kündigte der islamische Staat die Gründung des "Wilayat Pakistan" (Islamischer Staat - Provinz Pakistan, ISPP) an, nachdem er mehrere Angriffe in der Provinz Belutschistan für sich beansprucht hatte. Der ISKP hatte es geschafft, seinen Einfluss zu vergrößern, indem er taktische Bündnisse mit ähnlichen lokalen militanten Gruppen eingegangen war. Einem Bericht vom Januar 2020 zufolge ist der ISKP hauptsächlich in der Provinz Belutschistan präsent. Laut dem jährlichen Sicherheitslagebericht von PIPS 2019 haben die Sicherheitsbehörden mehrere Operationen in Belutschistan gegen den ISKP durchgeführt. PIPS dokumentierte im Jahr 2019 einen Terroranschlag des ISKP, im Vergleich zu fünf im Jahr 2018. Der ISKP ist für einige der tödlichsten Anschläge in Pakistan in den vergangenen zwei Jahren verantwortlich, darunter ein Anschlag auf eine Wahlkundgebung in Mastung, bei dem im Juli 2018 mehr als 130 Menschen getötet und 300 verletzt wurden (EASO 10.2020).

Lashkar-e Jhangvi (LeJ): Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen. Laut PIPS war LeJ im Jahr 2019 für acht terroristische Angriffe in Pakistan verantwortlich, verglichen mit sieben solcher Angriffe im Jahr 2018. Fünf dieser Angriffe fanden in Karachi und drei in Belutschistan statt. In seinem jährlichen Sicherheitsbericht für 2019 erwähnte PIPS, dass mehrere Berichte darauf hindeuten, dass sich LeJ wieder auf Karachi konzentriert (EASO 10.2020).

Nationale Bewegungen in Beluchistan: Der PIPS-Jahresbericht 2019 zur Sicherheitslage gab an, dass etwa sieben belutschische nationalistische Bewegungen in Belutschistan aktiv sind. Die operativen Fähigkeiten dieser Gruppen unterscheiden sich. Die Balochistan Liberation Army (BLA) ist eine bewaffnete nationalistische Bewegung der Belutschen. Ihr Ziel ist ein unabhängiges Belutschistan, frei von pakistanischer und iranischer Herrschaft. Wegen ihrer gewalttätigen Methoden, wie z.B. Bombenanschläge, wurde sie im April 2006 in Pakistan verboten. PIPS gab an, dass die BLA im Jahr 2019 27 terroristische Angriffe in Belutschistan durchführte, was eine leichte Steigerung im Vergleich zu 2018 darstellt, als sie 25 Angriffe durchführte. Im Juli 2019 wurde die Gruppe vom US-Außenministerium als terroristische Vereinigung eingestuft. Die Baloch Liberation Front (BLF) ist vor allem im so genannten Makran-Gürtel (Küstenregion von Beluchistan, Anm.) aktiv. Im Jahr 2010 wurde die Gruppe verboten. Laut PIPS hat sich die Führung der BLF in die Nachbarländer verlagert, was sich negativ auf ihre operativen Fähigkeiten auswirkt. Im Jahr 2019 übernahm die BLF die Verantwortung für 11 Terroranschläge im Vergleich zu 22 im Jahr 2018. Weitere belutschische Gruppen sind die Baloch Republican Army (BRA), die United Baloch Army (UBA) und die Baloch Raji Ajoi Sangar (BRAS) (EASO 10.2020).

Quellen:

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 16.12.2020

?        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

?        USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html, Zugriff 19.10.2020

Punjab und Islamabad

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d; vgl. EASO 10.2020). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Beim einzigen 2019 aus Islamabad gemeldeten Terroranschlag wurden zwei Polizisten getötet und ein weiterer bei einem Angriff auf eine Sicherheitsposten verletzt (PIPS 2020).

Im südlichen Punjab sind militante Netzwerke und Extremisten präsent, Lashkar-e Taiba (LeT) und JeM haben dort ihre Hauptquartiere und unterhalten religiösen Einrichtungen. Die Abteilung für Terrorismusbekämpfung im Punjab (CTD) hat 2019 und im ersten Halbjahr 2020 ihre Operationen gegen Militante fortgesetzt. Es kam dabei zu Festnahmen und zur Tötung von (mutmaßlichen) Kämpfern der TTP, HuA, LeJ und ISKP. Vom 1. Jänner bis 31. Juli 2020 zählte PIPS neun Vorfälle im Punjab, fünf davon wurden als Terroranschläge erfasst (EASO 10.2020; vgl. PIPS 2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2020): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), Stand (22.12.2020), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_1, Zugriff 22.12.2020

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 22.12.2020

?        PBS – Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (2017d): Province wise Provisional Results of Census – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 22.12.2020

?        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (2020): Pakistan Security Report 2019, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2020/03/sr2019full.pdf, Zugriff 22.12.2020

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 29.01.2021

Generell ist der Schutz der Menschenrechte in der pakistanischen Verfassung verankert und die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Darunter fallen Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (AA 29.9.2020).

Die Regierung von Premierminister Imran Khan hat jedoch seit dem Amtsantritt im Juli 2018 die Beschränkungen für Medien, die politische Opposition und NGOs sowie das harte Vorgehen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verschärft (HRW 14.1.2020; vgl. AI 30.1.2020). Das Militär verschärfte seine Kontrolle über die Wirtschaft, die Außenpolitik und die nationale Sicherheit und mehrere Mitglieder der politischen Opposition wurden wegen angeblich politisch motivierter Anschuldigungen inhaftiert (AI 30.1.2020).

Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen gilt als weit verbreitet [siehe Kapitel Folter und unmenschliche Behandlung], bei 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden [siehe Kapitel Todesstrafe]. Verschwindenlassen zählt zu den drängendsten und eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan – auch weil der Staat (v. a. Militär/Nachrichtendienste, insb. ISI) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird. Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form von polizeilichen Auseinandersetzungen vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Als Beispiel hierfür dienen die Blasphemie-Fälle [siehe Kapitel Blasphemiegesetze] (AA 29.9.2020). Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche Akteure tragen ebenfalls zu den Menschenrechtsproblemen bei. Einige Mitarbeiter von Geheimdiensten, Polizei und anderen Sicherheitskräften halten Gefangene in Isolationshaft und weigern sich, deren Aufenthaltsort preiszugeben. Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen berichten über Fälle von Personen, die im Polizeigewahrsam starben, angeblich aufgrund von Folter (USDOS 11.3.2020).

Das Verschwindenlassen von Personen wird in Pakistan häufig als Instrument benutzt, um abweichende Meinungen und Kritik an militärischen Maßnahmen zu unterdrücken. Zu den Einzelpersonen und Gruppen, die Opfer des Verschwindenlassens werden, gehören Sindhis, Belutschen, Paschtunen, Schiiten, politische Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger, Mitglieder und Unterstützer religiöser und nationalistischer Gruppen, mutmaßliche Mitglieder bewaffneter Gruppen und Angehörige von in Pakistan verbotenen religiösen und politischen Organisationen (AI 21.5.2020; vgl. HRCP 4.2020). Der vom Innenministerium eingesetzten Kommission zur Ermittlung erzwungenen Verschwindens (COIOED) wurden bis 31.12.2019 6.506 Fälle zur Kenntnis gebracht, wovon 4.365 Fälle abgeschlossen werden konnten (COIOED 1.1.2020).

Der Senat und die ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten halten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte ab. Per Gesetz von 2012 wurde 2015 die Nationale Kommission für Menschenrechte als unabhängiges Komitee eingerichtet. Im November 2015 wurde wieder ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte eingerichtet. Doch nur selten bestrafen Behörden Regierungsbeamte für Menschenrechtsverletzungen (USDOS 11.3.2020).

Die derzeitige Regierung setzt das von ihrem Vorgänger im Jahr 2015 begonnene harte Vorgehen gegen in- und ausländische NGOs fort. Im Jänner 2019 waren nur 74 von 141 internationalen NGOs, die seit 2015 einen Antrag auf Registrierung gestellt hatten, zugelassen worden (FH 4.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf Zugriff 11.12.2020

?        AI – Amnesty International (21.5.2020): Menschenrechtsverteidiger seit November 2019 vermisst, https://www.amnesty.de/sites/default/files/2020-05/159-2_2019_DE_Pakistan.pdf, Zugriff 11.12.2020

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023879.html, Zugriff 11.12.2020

?        COIOED – Commission of Inquiry on Enforced Disappearances, Pakistan (1.1.2020): Monthly Progress on Cases of Alleged Enforced Disappearances – Dezember 2019, http://coioed.pk/wp-content/uploads/2020/01/MONTHLY-SUMMARY-DECEMBER-2019.pdf, Zugriff 19.10.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030906.html, Zugriff 11.12.2020

?        HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf, Zugriff 19.10.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022680.html, Zugriff 11.12.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html, Zugriff 19.9.2020

Frauen

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Rolle der Frau in Pakistan wird in erster Linie von einer islamischen Gesellschaft geprägt, in der weite Teile einer sehr konservativen Denkweise anhängen. Dem setzen sich vor allem Frauen aus der wirtschaftlichen Oberschicht entgegen, denen es z.T. gelingt, wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft zu erringen (AA 29.9.2020). Das Gesetz verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, aber die Behörden setzen diese Bestimmung nicht durch. Frauen sind mit Diskriminierung im Beruf, Erb-, Familien- und Eigentumsrecht sowie im Justizsystem konfrontiert (USDOS 11.3.2020). Dies gilt unter anderem aufgrund der Anwendung der Scharia, die in Teilen des materiellen und prozessualen Rechts vorrangig zur Anwendung kommt (AA 29.9.2020). Das Familienrecht gibt klare Richtlinien mit Bezug auf Schutz für Frauen im Falle einer Scheidung, Unterhaltsleistungen, sowie das Sorgerecht für minderjährige Kinder vor (USDOS 11.3.2020). Rechtliche Bestimmungen, die Frauen benachteiligen, finden sich u. a. im pakistanischen Strafgesetz, dem Staatsangehörigkeitsrecht und in der Gesetzgebung zum Schutz der Frau (AA 29.9.2020).

Frauen nehmen als Mitglieder politischer Parteien aktiv am politischen Geschehen teil. In ländlichen Gebieten halten kulturelle und traditionelle Barrieren Frauen oft davon ab, zu wählen. Gemäß dem 2017 verabschiedeten neuen Wahlgesetz müssen Frauen mindestens 5 % der Kandidatenplätze einer Partei bekommen. Wenn weniger als 10 % der Frauen ihre Stimme abgeben, wird davon ausgegangen, dass die Frauenstimmen unterdrückt wurden, wobei dann das Ergebnis für den betreffenden Wahlkreis annulliert wird (USDOS 11.3.2020).

Der Strafrahmen für Vergewaltigung reicht von 10 bis 25 Jahren Haft sowie einer Geldstrafe bis hin zur Todesstrafe. Das Gesetz stellt Vergewaltigung in der Ehe nicht ausdrücklich unter Strafe. Im Jahr 2016 wurde die gesetzliche Definition von Vergewaltigung, die bis dahin den Geschlechtsverkehr mit einem Mädchen unter 16 Jahren umfasste, auch auf Buben erweitert. Obwohl Vergewaltigungen häufig vorkommen, werden sie nur selten angezeigt, und bei Anzeigen sind Strafverfolgungen selten. Die Polizei nimmt manchmal Bestechungsgelder von Tätern an, missbraucht oder bedroht Opfer. Manchmal wird von Opfern verlangt, die Anzeige fallen zu lassen - insbesondere wenn es sich bei den mutmaßlichen Tätern um einflussreiche Gemeindeführer handelt. Darüber hinaus werden Vergewaltigungsvorwürfe oft durch außergerichtliche Maßnahmen gelöst, wobei das Opfer gezwungen wird, den Täter zu heiraten. Im Jahr 2016 verabschiedete das Parlament ein neues Anti-Vergewaltigungsgesetz, das die Abnahme von DNS, den Datenschutz des Opfers und das Recht auf rechtliche Vertretung vorsieht. Die Zahl an medizinischen Tests nach einer Vergewaltigung nimmt zu, in vielen Gebieten ist das medizinische Personal jedoch dazu nicht ausreichend geschult (USDOS 11.3.2020). Bei Vergewaltigung kann sowohl nach pakistanischem Strafgesetzbuch als auch nach den „Hudood“-Verordnungen durch eine Anzeige und unter Beiziehung forensischer und medizinischer Indizien das Gerichtsverfahren eröffnet werden. Über die Anklage entscheidet ein Richter (AA 29.9.2020).

Ehebruch wurde aus den Hudood-Verordnungen (diese Gesetze von 1979 sehen die Anwendung von Körperstrafen des islamischen Strafrechts für eine Reihe von Straftaten vor, z.B. Diebstahl) entfernt und als "Unzucht" in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Ehebruch wird mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und Geldstrafe geahndet, die hierfür vorgesehene Todesstrafe wird nicht mehr verhängt. Für eine Anzeige werden hohe verfahrensrechtliche Hürden aufgestellt. Eine Verhaftung kann nur auf richterliche Anordnung erfolgen; Freilassung auf Kaution ist möglich (AA 29.9.2020).

Das Gesetz schreibt vor, dass alle Provinzen über Ombudsmänner auf Provinzebene verfügen müssen. Die Provinzen Sindh, Punjab, Khyber Pakhtunkhwa, Gilgit-Baltistan und Belutschistan haben Ombudsmänner ernannt (USDOS 11.3.2020).

Kein spezifisches Bundesgesetz verbietet häusliche Gewalt, die weit verbreitet ist. Die Polizei kann Taten häuslicher Gewalt gemäß den allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches zu Körperverletzung als Straftat anklagen. Streit um die Mitgift oder andere Familienstreitigkeiten führen manchmal zum Tod oder zur Verstümmelung durch Verbrennung oder Säure (USDOS 11.3.2020). Frauen sind ernsten Schwierigkeiten ausgesetzt, Misshandlungen anzuzeigen. Polizei und Gerichte sind abgeneigt, Fälle häuslicher Gewalt zu verfolgen, da diese als Familienprobleme angesehen werden. Statt Anzeigen aufzunehmen, ermutigt die Polizei die Streitparteien, sich zu versöhnen und schickt Missbrauchsopfer regelmäßig zu den sie misshandelnden Familienangehörigen zurück. Um den sozialen Normen entgegenzuwirken, die Opfer davon abhalten, geschlechtsspezifische Gewalt anzuzeigen, wurden Frauenpolizeistationen mit weiblichen Angestellten eingerichtet. Sie sollen Frauen einen sicheren Zufluchtsort für Anzeigen bieten. Den Einrichtungen mangelt es aber an Personal und Ausstattung (USDOS 11.3.2020). Im Juni kündigte der Oberste Richter des Obersten Gerichtshofs die Einrichtung von 1.016 Gerichten an, die Fälle häuslicher Gewalt verhandeln sollen (AI 2019). In den Provinzen Sindh (2013), Belutschistan (2014) und Punjab (2016) wurden Gesetze gegen häusliche Gewalt verabschiedet (Dawn 13.2.2019).

Die Regierung unterhält ein Krisenzentrum für Frauen in Notlagen, das misshandelte Frauen an NGOs zur Unterstützung weitervermittelt. Weiters gibt es zahlreiche staatliche Shaheed-Benazir-Bhutto-Frauenschutzzentren, die temporären Schutz, rechtliche Hilfe sowie medizinische und psychologische Betreuung bieten. Von diesen werden die Frauen in eines von landesweit mehreren hundert, von den Provinzen verwalteten Dar-ul-Aman (Frauen- und Kinderzentren) weitergeleitet. Dort wird Unterkunft und medizinische Versorgung gewährt, allerdings gibt es keine rechtliche oder psychologische Beratung. Viele der staatlichen Zentren sind überfüllt und nicht ausreichend mit Ressourcen und Personal ausgestattet. Es gibt Fälle, in denen Frauen in staatlichen Schutzhäusern missbraucht, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder gedrängt wurden, zu ihren Misshandlern zurückzukehren. Manchmal wurde Frauen in Zentren zur Prostitution gezwungen (USDOS 11.3.2020).

NGOs gewähren nicht nur Schutz in Frauenhäusern, sondern leisten auch Rechtsbeistand, engagieren sich für eine Ausbildung der Frauen und versuchen, eine gütliche Verhandlungslösung herbeizuführen und in weiterer Folge eine Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen (ÖB 5.2020). Z.B. bietet die private Edhi Foundation Unterstützung in vielen sozialen Bereichen - u.a. auch Unterkunft für Frauen, die häuslicher Gewalt entkommen sind. In landesweit 18 sogenannten Edhi Homes sind 8.500 Personen untergebracht (Edhi o.D.).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 5.10.2020

AI – Amnesty International (30.1.2020): Pakistan 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023879.html, Zugriff 18.11.2020

Dawn – (13.2.2019): Domestic violence, https://www.dawn.com/news/1463533, Zugriff 5.10.2020

Edhi Foundation – (o.D.): Edhi Homes & Orphanage Centres, https://edhi.org/edhi-homes-orphanage-centres/, Zugriff 27.3.2019

ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (5.2020): Asylländerbericht Pakistan

USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Reports on Human Rights Practices for 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026342.html, Zugriff 5.10.2020

Grundversorgung

Letzte Änderung: 29.01.2021

Derzeit macht der landwirtschaftliche Sektor ca. ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, der industrielle Sektor trägt zu einem Viertel des BIP bei und der größte Sektor für Handel und Dienstleistung trägt bis zu über 50 % des BIP bei. Trotz des geringsten Anteils am BIP ist der landwirtschaftliche Sektor immer noch sehr wichtig, weil mehr als 40 % der Bevölkerung in diesem Sektor direkt beschäftigt sind und die Existenz von mehr als 60 % der ländlichen Bevölkerung direkt oder indirekt von diesem Sektor abhängt. Neben den verheerenden Wettereinflüssen, wie Flut auf der einen und Dürre auf der anderen Seite, führt u.a. der Mangel an modern-technologischem Feldmanagement und Weiterverarbeitungsmöglichkeiten zu einer verhältnismäßig niedrigen Produktivität in diesem Sektor. Gepaart mit anderen soziopolitischen Faktoren führt dies zudem zu einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung im Land (GIZ 9.2020).

Die Arbeitslosigkeit lag mit Stand 2017 offiziell bei etwa 7,8 % (CIA 24.9.2020). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Eine hohe Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen - vor allem auf dem Land - führte zur verstärkten Arbeitsmigration in große Städte und traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5 % des BIP (GIZ 9.2020).

Das Tameer-e-Pakistan-Programm ist eine Armutsbekämpfungsmaßnahme, um Einkommensquellen für Arme zu verbessern und Arbeitsplätze im Land zu schaffen (IOM 2019). Das Kamyab Jawan Programm, eine Kooperation des Jugendprogramms des Premierministers und der Small and Medium Enterprises Development Authority (SMEDA), soll durch Bildungsprogramme für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 die Chancen am Arbeitsmarkt verbessern (Dawn 11.2.2019).

Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert, doch sind diese weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben betragen 0,92 % des Bruttoinlandsprodukts (GIZ 9.2020). Am Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) für 2019, der 189 Staaten umfasst und Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Einkommen im internationalen Vergleich misst, hat sich Pakistan gegenüber den Vorjahren auf Rang 152 verschlechtert (AA 29.9.2020).

Gemäß dem Global Education Monitoring Report 2017/18 der UNESCO stellen sich die Bildungserfolge Pakistans relativ schwach dar. Die Einschulungs- und Alphabetisierungsrate Pakistans zählt zu den niedrigsten der Welt, lediglich rund 60 % der Bevölkerung (Frauen: 46 %) können lesen und schreiben. Nur etwas über 2 % des Bruttosozialprodukts werden in Bildung investiert. Weiterhin bleiben große Diskrepanzen in der Alphabetisierungs- und Bildungspolitik zwischen Provinzen sowie zwischen ländlichen und städtischen Gebieten bestehen. Das pakistanische Bildungssystem spiegelt die anhaltende soziale Ungleichheit in der Gesellschaft wider (GIZ 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 10.10.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.9.2020): World Factbook - Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 10.10.2020

?        Dawn (11.2.2019): Govt aims to create a million jobs for youth under Kamyab Jawan Programme, https://www.dawn.com/news/1463174, Zugriff 15.10.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (9.2020): Pakistan, https://www.liportal.de/pakistan/wirtschaft-entwicklung/#c39827, Zugriff 11.11.2020

?        IOM – International Organization for Migration (2019): Länderinformationsblatt Pakistan 2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_Pakistan_DE.pdf, Zugriff 15.10.2020

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 29.01.2021

Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU) und Rural Health Centers mit einem Einzugsbereich von 25.000 bis 100.000 Menschen. Die Sekundärversorgung erfolgt in Tehsil Head Quarters und District Head Quarters mit einem Einzugsbereich von 500.000 bis 3 Millionen Menschen. Diese Einrichtungen bieten eine große Zahl ambulanter und stationärer Behandlungen an. Der tertiäre Sektor bietet eine hoch spezialisierte stationäre Versorgung (IJARP 10.2017). Im Verhältnis gibt es einen Arzt für 957 Personen, ein Krankenhausbett für 1.500-1.600 Personen und einen Zahnarzt für 9.730 Personen. Das relative Verhältnis des medizinischen Personals zur Bevölkerungszahl hat sich in den vergangenen Jahren leicht verbessert (HRCP 3.2019; vgl. HRCP 18.4.2018).

Trotz gegebener Verbesserungen (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Etwa 73 % der Bevölkerung sind ohne staatliche Krankenversicherung; 57 % in den Städten und 83 % am Land (ILO 2017). Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019). Zugänglichkeit und Leistbarkeit für Gesundheitsdienste sind insbesondere für die ländliche Bevölkerung problematisch, da es einen ernsten Mangel an qualifiziertem Gesundheitspersonal und unzureichende Finanzierung der primären Versorgungsebene gibt (IJARP 10.2017).

In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen. Die

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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