TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/30 W184 2243375-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.06.2021
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Entscheidungsdatum

30.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4

Spruch


W184 2243375-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2021, Zl. 281475705/200940655, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 10, 57 AsylG 2005, §§ 52, 53, 55 FPG und § 9 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der beschwerdeführenden Partei, einem männlichen Staatsangehörigen des Kosovo, wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 03.06.2020, Sich40-35590, der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot- Karte plus“ entzogen. Begründend wurde ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei von der Republik Ungarn wegen des Tatbestandes der Schlepperei als Mittäter zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Aufgrund dieser Verurteilung sei gegen die beschwerdeführende Partei ein Einreise- und Aufenthaltsverbot im Schengen-Gebiet verhängt worden. Einer derartigen strafbaren Handlung sei bei der Beurteilung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein besonderes Gewicht beizumessen.

Gegen den Bescheid wurde von der beschwerdeführenden Partei fristgerecht Beschwerde erhoben. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts XXXX vom 31.08.2020, LVwG-750854/3/MZ/MAH, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die privaten Interessen der beschwerdeführenden Partei in Hinblick auf den Aufenthalt in Österreich seit nunmehr 16 Jahren und das bestehende Familienleben mit seiner Gattin und den vier minderjährigen Kindern sehr berücksichtigungswürdig seien. Der Entzug des Aufenthaltstitels greife zweifellos in das Familien- und Privatleben der beschwerdeführenden Partei ein. Wie sich aus dem Urteil des ungarischen Amtsgerichts ergebe, sei die beschwerdeführende Partei wegen Mittäterschaft zur Schlepperei zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt worden. Die beschwerdeführende Partei habe durch die Tat, die als besonders verwerflich anzusehen sei, einen materiellen Gewinn erzielen wollen. Des Weiteren sei die beschwerdeführende Partei während der Geschehnisse mit erhöhter Geschwindigkeit gefahren, um einer Kontrolle durch die Polizei zu entgehen. Die Art und Schwere der begangenen Straftat seien erheblich und hätten damit das Leben und die Gesundheit sämtlicher Verkehrsteilnehmer gefährdet. Damit werde festgestellt, dass die öffentlichen Interessen des Art. 8 Abs. 2 EMRK die privaten Interessen der beschwerdeführenden Partei überwiegen würden. Dem Argument der beschwerdeführenden Partei, er müsse den Lebensunterhalt seiner Familie sicherstellen, könne entgegnet werden, dass er auch aus dem Kosovo finanzielle Mittel für die Familie zur Verfügung stellen könne.

Aus einem Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 01.10.2020 geht hervor, dass der Aufenthaltstitel der beschwerdeführenden Partei sichergestellt und dem BFA übermittelt worden sei.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurde der beschwerdeführenden Partei am 23.11.2020 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mitgeteilt, dass er laut Aktenlage und Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft XXXX ohne Aufenthaltstitel oder sonstige Aufenthaltsberechtigung in Österreich aufhältig sei, da der beschwerdeführenden Partei mit rechtskräftigem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 31.08.2020, GZ: LVwG-750854/3/MZ/MAH, der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ entzogen worden sei, weshalb ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme geprüft werde. Der beschwerdeführenden Partei wurde im Rahmen des Parteiengehörs die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung dieser Verständigung einen angeschlossenen Fragenkatalog zu beantworten und entsprechende Belege/Unterlagen/Beweismittel vorzulegen.

In einer Stellungnahme vom 03.12.2020, beim BFA am 10.12.2020 eingelangt, wurde vom bevollmächtigten Vertreter der beschwerdeführenden Partei ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei seit Juni 2003 durchgehend in Österreich aufhältig sei und derzeit beim AMS als arbeitssuchend gemeldet sei. Der Hauptzweck des Aufenthalts in Österreich stelle sein Familienleben in Österreich dar. In Österreich würden die Ehegattin und vier Kinder der beschwerdeführenden Partei wohnen und die Familie lebe gemeinsam mit dem Vater der beschwerdeführenden Partei zusammen, der bereits österreichischer Staatsbürger sei. In Österreich würden noch zwei Cousins der beschwerdeführenden Partei leben, zu denen laufender Kontakt bestehe. Die beschwerdeführende Partei sei im Hinblick auf den langjährigen Aufenthalt in Österreich auch sozial integriert und verfüge über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Die beschwerdeführende Partei habe sich mehr als zwei Jahre nicht mehr im Kosovo aufgehalten. Eine Rückkehrentscheidung bzw. ein Einreiseverbot würden daher im gegenständlichen Fall eine massive Beeinträchtigung des Familien- und Privatlebens im Sinne des Art. 8 EMRK bedeuten. Der Stellungnahme wurden das Urteil des Gerichts in Ungarn vom 18.09.2018 in ungarischer und deutscher Sprache, eine Bestätigung über die Übermittlung der Einbringung eines Antrages auf Arbeitslosengeld vom 26.11.2020, ein „Mariage Certificate“ der Republik Kosovo, ein Versicherungsdatenauszug mit Stand vom 02.12.2020 und Kopien der Aufenthaltstitel der Ehefrau und der Kinder der beschwerdeführenden Partei angeschlossen.

Am 19.01.2021 wurde die beschwerdeführende Partei vom BFA niederschriftlich einvernommen, und er führte dabei aus, dass er gesund sei. Auf Vorhalt, dass ihm mit rechtskräftigem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes vom 31.08.2020 der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ entzogen worden sei und ein anderes Aufenthaltsrecht nicht ersichtlich sei, weshalb sein Aufenthalt somit unrechtmäßig sei, brachte die beschwerdeführende Partei vor, dass er wisse, dass er derzeit keinen Aufenthaltstitel habe, dass aber in Österreich seine Ehefrau und seine vier Kinder wohnen würden. Zur Frage, seit wann er durchgehend in Österreich aufhältig gewesen sei, entgegnete die beschwerdeführende Partei, dass er seit Ende 2003 in Österreich wohnhaft sei, da sein Vater damals schon österreichischer Staatsbürger gewesen sei und er als Familienangehöriger nachgezogen sei. Er sei seit 2008 verheiratet und seine Ehefrau sei seit dem Jahr 2009 in Österreich. Überdies habe die beschwerdeführende Partei in Österreich familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner beiden Cousins. Aktuell wohne er mit seiner Ehefrau, seinen vier Kindern und seinem Vater zusammen. Sein Vater sei der Mieter dieser Wohnung und sie würden sich die Kosten dafür teilen. Die Frage, ob er von in Österreich lebenden Verwandten unterstützt werde, wurde von der beschwerdeführenden Partei verneint. Befragt, ob er derzeit außer den in Österreich lebenden Verwandten noch weitere Bezugspersonen habe, erklärte die beschwerdeführende Partei, dass er Freunde habe. Zudem sei er von 2013-2018 bei der Freiwilligen Feuerwehr gewesen. Da er nunmehr jedoch nicht mehr viel Kontakt zu ehemaligen Arbeitskollegen habe, sei er nicht mehr ehrenamtlich tätig. Derzeit sei er beim AMS als arbeitslos gemeldet und erhalte ungefähr 1.300,- Euro im Monat. Seine Ehefrau sei als Reinigungskraft tätig und bekomme monatlich ca. 1.000,- Euro. Überdies würden sie Familienbeihilfe beziehen. Im Kosovo würden nach wie vor ein Bruder sowie ein Cousin der beschwerdeführenden Partei leben. Bei einem Aufenthalt im Kosovo könne die beschwerdeführende Partei bei seinem Bruder wohnen. Das letzte Mal habe sich die beschwerdeführende Partei vor zwei Jahren im Juli 2019 im Kosovo aufgehalten. Zum Vorhalt, dass er von einem Amtsgericht in Ungarn wegen Menschenhandels (Schlepperei) zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden sei und über ihn ein fünfjähriges Einreiseverbot verhängt worden sei, weshalb das diesbezügliche Verhalten der beschwerdeführenden Partei den Schluss zulasse, dass sein Verhalten eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, führte die beschwerdeführende Partei an, dass sein Verhalten ein Fehler gewesen sei, den er nie mehr wiederholen werde. Nachgefragt, wie lange er in Ungarn inhaftiert gewesen sei, replizierte die beschwerdeführende Partei, dass es sich um etwa drei Wochen gehandelt habe und er dann freigelassen worden sei, woraufhin er nach Österreich zurückgekehrt sei, von wo er dann im Zuge einer Verhandlung im September 2018 wieder nach Ungarn gereist sei und eine Gefängnisstrafe erhalten habe, die jedoch auf Bewährung ausgesetzt worden sei. Auf die Frage, welche Kurse oder Ausbildungen er in Österreich absolviert habe, entgegnete die beschwerdeführende Partei, dass er keine Ausbildungen oder Kurse abgeschlossen habe. Deutsch habe er sich selbst beigebracht. Seine Ehefrau gehe in Vollzeit ihrer Erwerbstätigkeit nach und um die gemeinsamen Kinder kümmere sich oftmals sein Vater. Die Frage, ob sein Vater hilfsbedürftig sei, wurde von der beschwerdeführenden Partei verneint. Befragt, welchen Beruf er erlernt und ausgeübt habe, replizierte die beschwerdeführende Partei, dass er Automechaniker ohne Abschluss gelernt habe und zuvor im Kosovo 11 Jahre in die Schule gegangen sei. Der niederschriftlichen Einvernahme wurden eine Kopie des Reisepasses sowie ein Auszug aus dem Sozialversicherungsregister angeschlossen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde folgende Entscheidung getroffen:

„I. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

II. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen.

III. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig ist.

IV. Gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 1 FPG wird ein auf die Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen.

V. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden im angefochtenen Bescheid folgendermaßen zusammengefasst:

Die beschwerdeführende Partei habe erstmals am 01.06.2004 in Österreich einen Aufenthaltstitel erhalten. Seine Aufenthaltstitel seien durchgehend verlängert worden, zuletzt von der Bezirkshauptmannschaft XXXX am 09.10.2019, wobei die beschwerdeführende Partei eine „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ erhalten habe. Mit rechtskräftigem Urteil eines ungarischen Amtsgerichts vom 18.09.2018 sei die beschwerdeführende Partei wegen Menschenhandels (bzw. Schlepperei) zu einer zweijährigen bedingten Gefängnisstrafe verurteilt worden und es sei über ihn ein fünfjähriges Einreiseverbot verhängt worden. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 03.02.2020 sei der beschwerdeführenden Partei der am 09.10.2019 ausgestellte Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ entzogen worden. Die beschwerdeführende Partei habe dagegen rechtzeitig Beschwerde eingebracht. Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 31.08.2020 sei die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei abgewiesen worden und sei ihm der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ rechtskräftig entzogen worden. Der Aufenthalt der beschwerdeführenden Partei sei seit dem 31.08.2020 unrechtmäßig. Die beschwerdeführende Partei habe die Notlage von Personen, die nicht die Berechtigung zu Reisen im Schengen-Raum besessen hätten, ausgenutzt, um sich einen materiellen Vorteil zu verschaffen. Insgesamt habe die beschwerdeführende Partei durch die begangene Straftat Umstände verwirklicht, die eine erhebliche Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würden.

Es folgten im angefochtenen Bescheid die Sachverhaltsfeststellungen, die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass es zwar richtig sei, dass die beschwerdeführende Partei zu einer zweijährigen bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei und auch ein fünfjähriges Einreiseverbot für Ungarn verhängt worden sei. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass die Strafe bedingt ausgesprochen worden sei, die Straftat bereits im November 2017 begangen worden sei, er diese zutiefst bereue und es sich um die bislang einzige Verurteilung der beschwerdeführenden Partei handle. Seine gesamte Kernfamilie befinde sich in Österreich und er sei im Bundesgebiet bestens integriert. Im Kosovo lebe zwar sein Bruder, jedoch habe dieser keine Möglichkeit, ihn aufzunehmen, da dieser für seine Familie sorgen müsse. Vor dem Hintergrund seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts von über 17 Jahren, seiner sozialen und familiären Bindungen in Österreich und der fehlenden Bindungen zum Herkunftsstaat greife die Rückkehrentscheidung auch unter Berücksichtigung der von der beschwerdeführenden Partei begangenen Straftat unzulässig in das Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Partei ein. Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit könne vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Straftat bereits fast vier Jahre zurückliege und er sich seitdem wohlverhalten habe, nicht angenommen werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person und zur Rückkehrsituation der beschwerdeführenden Partei wird festgestellt:

Die beschwerdeführende Partei ist bereits seit dem Jahr 2003 in Österreich wohnhaft. Der beschwerdeführenden Partei wurde am 09.10.2019 eine von 09.10.2019-09.10.2022 gültige Rot-Weiß-Rot Karte plus erteilt, die ihm jedoch mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 03.06.2020 aufgrund einer Verurteilung eines ungarischen Amtsgerichts wegen des Tatbestandes der Schlepperei als Mittäter entzogen wurde. Gegen den Bescheid wurde von der beschwerdeführenden Partei fristgerecht Beschwerde erhoben. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes XXXX vom 31.08.2020, LVwG-750854/3/MZ/MAH, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Identität der beschwerdeführenden Partei steht fest.

Der Aufenthalt der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet ist infolge der Überschreitung der erlaubten Aufenthaltsdauer infolge der Rechtskraft des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes XXXX vom 31.08.2020 nicht mehr rechtmäßig. Dieser Umstand war der beschwerdeführenden Partei bewusst.

Die beschwerdeführende Partei ist 37 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig, sodass er im Herkunftsstaat zumindest durch einfache Arbeit das nötige Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.

Die beschwerdeführende Partei hat im Herkunftsstaat einen Bruder sowie einen Cousin, die ihn unterstützen können. Die beschwerdeführende Partei hat im Herkunftsstaat 11 Jahre die Schule besucht und den Beruf des Automechanikers (ohne Abschluss) erlernt. Die beschwerdeführende Partei hat sich zuletzt im Juli 2019 im Herkunftsstaat aufgehalten und während seines Aufenthalts bei seinem Bruder gewohnt.

Es können keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in seinen Herkunftsstaat Kosovo unzulässig wäre. Kosovo ist als sicherer Herkunftsstaat zu qualifizieren.

Der beschwerdeführenden Partei droht im Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung. Insbesondere ist im Herkunftsstaat die Sicherheitslage ausreichend und die Versorgung mit Nahrungsmitteln gewährleistet, sodass es der beschwerdeführenden Partei möglich ist, dort Fuß zu fassen und ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Zum Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Partei wird festgestellt:

Die beschwerdeführende Partei hat in Österreich familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Ehefrau, seiner vier minderjährigen Kinder und seines Vaters, die allesamt legal im Bundesgebiet aufhältig sind und mit denen die beschwerdeführende Partei im gemeinsamen Haushalt wohnt. Die beschwerdeführende Partei war in Österreich vom 02.05.2005-16.09.2005, 21.03.2006-16.06.2006, 13.06.2006-13.06.2008, 02.07.2008-07.08.2008, 01.09.2009-18.12.2008, 20.04.2009-27.11.2009, 08.12.2009-07.02.2010, 02.03.2010-19.04.2010, 19.04.2010-14.06.2010, 23.06.2010-22.07.2010, 21.07.2010-20.08.2010, 17.08.2010-15.09.2010, 29.09.2010-30.11.2010, 21.02.2011-19.08.2011, 22.08.2011-31.10.2011, 11.06.2012-30.08.2012, 01.10.2012-16.11.2012, 04.12.2012-21.12.2012, 23.01.2013-14.03.2013, 03.04.2013-05.04.2013, 22.04.2013-21.06.2013, 01.07.2013-07.12.2018 sowie vom 18.02.2019-06.11.2020 bzw. seit dem 07.04.2021 als Arbeiter tätig. Er bezog vom 14.06.2008-01.07.2008, 19.08.2008-31.08.2008, 09.01.2009-30.01.2009, 05.02.2009-26.02.2009, 03.03.2009-19.04.2009, 08.02.2010-01.03.2010, 01.12.2010-20.02.2011, 05.12.2011-04.03.2012, 21.11.2012-03.12.2012, 22.12.2012-22.01.2013, 15.03.2013-02.04.2013, 06.04.2013-21.04.2013, 10.12.2018-17.02.2019, 12.11.2020-03.03.2021 und vom 15.03.2021-06.04.2021 Arbeitslosengeld. Überdies bezog die beschwerdeführende Partei vom 31.01.2009-04.02.2009 sowie vom 27.02.2009-02.03.2009 Krankengeld.

Die beschwerdeführende Partei weist in Österreich keine relevanten Integrationsschritte auf. Die beschwerdeführende Partei war von 2013-2018 bei der Freiwilligen Feuerwehr ehrenamtlich tätig. Die beschwerdeführende Partei hat in Österreich keine Ausbildungen oder Kurse absolviert.

Die beschwerdeführende Partei ist strafgerichtlich nicht unbescholten. Er wurde von einem ungarischen Amtsgericht in XXXX als Beteiligter bei der Straftat Schlepperei zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, die in eine Bewährungsstrafe umgewandelt wurde. Überdies wurde über die beschwerdeführende Partei ein fünfjähriges Einreiseverbot verhängt.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Zur Lage im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die am 15. Juni 2008 in Kraft getretene Verfassung sieht eine parlamentarische Demokratie mit Gewaltenteilung vor. Die politische Macht konzentriert sich beim Ministerpräsidenten. Ein umfassender Schutz der anerkannten Minderheiten ist gewährleistet (AA 19.4.2020). Durch die Verfassung als ethnische Minderheit anerkannt sind Serben, Roma, Ashkali, Ägypter, Türken, Bosniaken und Gorani (CIA 7.4.2020; vgl. GIZ 3.2020b). Im Parlament stehen diesen 20 von 120 Sitzen zu, wobei 10 Sitze für Repräsentanten der serbischen Minderheit reserviert sind (GIZ 3.2020a). Die Republik Kosovo ist international von mehr als 110 Staaten anerkannt, nicht jedoch von Serbien. Das ungeklärte Verhältnis zu Serbien behindert die Annäherung des Kosovo an EU und NATO. Seit 2011 vermittelt die EU einen politischen Dialog zwischen den beiden Ländern mit dem Ziel einer ehestmöglichen und umfassenden Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen. Inzwischen wurden mehrere wichtige Vereinbarungen erzielt, die zu einer deutlichen Entspannung geführt haben. Im Kosovo sind einige internationale Missionen tätig: Die NATO-Mission KFOR mit ca. 3500 Soldaten, die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission (EULEX), die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen (UNMIK) sowie die OSZE-Mission (OmiK) (AA 19.4.2020).

Generell werden die Konsolidierung der Demokratie im Kosovo sowie deren Effizienz und Reaktionsfähigkeit im politischen Prozess durch eine Reihe von Faktoren, wie beispielsweise eine mangelnde Rechenschaftspflicht der politischen Klasse, untergraben. Die demokratischen Institutionen werden oftmals als undurchsichtig und wenig kooperativ in der Zusammenarbeit wahrgenommen. Trotzdem ist etwa ein Drittel der Bevölkerung mit Regierung und Parlament zufrieden. In den letzten vier Jahren konnte - wenngleich von einem niedrigen Niveau ausgehend - doch eine deutliche Verbesserung verzeichnet werden. Eine Umfrage der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) aus dem Jahr 2010 ergab, dass 75% der Kosovaren eine positive Einstellung zur Demokratie haben. Die hohe Zustimmung zur Demokratie hat unter den sozioökonomischen Veränderungen, dem Versöhnungsprozess der Regierung mit Serbien und den serbischen Gemeinden im Kosovo und den 2015 von der Opposition organisierten Straßenprotesten gelitten (BS 2020).

Am 5.10.2019 fanden im Kosovo vorgezogene Parlamentswahlen statt. Diese Wahl war erforderlich geworden, weil der amtierende Ministerpräsident und ehemalige UCK-Kommandeur Ramush Haradinaj wegen einer Vorladung zum Sondertribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag vom Amt als Regierungschef zurückgetreten war (DS 7.10.2019; NZZ 7.10.2019). Die Wahlen wurden – bei einer Wahlbeteiligung von 44% - von den bisherigen Oppositionsparteien gewonnen. Den Kampf um den ersten Platz und damit um den Regierungsauftrag entschied mit knapp 25,6% der Stimmen die groß-albanische, nationalistische und EU-kritische Oppositionspartei Vetëvendosje (Selbstbestimmung) mit ihrem Spitzenkandidaten Albin Kurti für sich. Dicht dahinter folgte mit 24,9% der Stimmen die moderat-konservative Demokratische Liga des Kosovo (LDK) mit ihrer Spitzenkandidatin Vjosa Osmani. Den dritten Platz belegte mit 21,1% die – von Staatspräsident Hashim Thaci dominierte - Demokratische Partei des Kosovo (PDK). Die Allianz für die Zukunft des Kosovo (AAK) des nur zwei Jahre amtierenden Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj kam auf 11,6% der Stimmen (NZZ 7.10.2019; vgl. DP 7.10.2019; GIZ 3.2020a).

Der Wahlausgang wurde als Signal gegen Korruption und Stillstand gewertet und bedeutete zunächst das Ende der langjährigen Dominanz der PDK von Staatspräsident Hashim Thaci über die kosovarische Politik (ORF 6.10.2019). Mehr als die Hälfte aller Stimmen konnten zwei Politiker auf sich vereinen, deren Karriere nicht in der UCK begann und die für einen klaren Bruch mit dem Klientelsystem des politischen Establishments stehen (NZZ 7.10.2019). Wie von Beobachtern erwartet, kam es zu einem Regierungsbündnis zwischen den nunmehr siegreichen bisherigen Oppositionsparteien unter Führung von Kurti und Osmani. Beide kündigten an, die grassierende Korruption bekämpfen und den Rechtsstaat stärken zu wollen (Spiegel 9.2.2020; vgl. DP 7.10.2019).

Nach nur etwa 50 Tagen im Amt wurde die Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti per Misstrauensvotum gestürzt. Hintergrund war ein Streit um Verhandlungen mit Serbien, das die Unabhängigkeit des Kosovo bis heute nicht anerkennt (Standard 2.5.2020). Während Kurti baldige Neuwahlen favorisierte, forderte Präsident Hashim Thaci die Bildung einer Einheitsregierung; dies hätte zu einer Regierungsbeteiligung der oppositionellen Demokratischen Partei des Kosovo, der PDK, führen können, jener Partei, die Thaci bis zur Übernahme der Präsidentschaft vor vier Jahren geleitet hatte (AA – 6.4.2020, vgl. BBC 26.3.2020).

Ein vorläufiges Dekret von Präsident Thaci, mit dem ein Politiker der Mitte-Rechts-Partei LDK den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hatte, wurde jedoch vom Verfassungsgericht ausgesetzt, womit die Regierungsbildung bis zu einer endgültigen Gerichtsentscheidung nunmehr auf Eis liegt (Standard 2.5.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (19.4.2020): Außen- und Europapolitik, Kosovo. Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kosovonode/politisches-portraet/207468?openAccordionId=item-207450-0-panel, Zugriff4.5.2020

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 3.4.2020

- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.4.2020): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027827/briefingnotes-kw15-2020.pdf, Zugriff 3.4.2020

- BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kosovo, https://www.btiproject.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_RKS.pdf, Zugriff 17.4.2020

- BBC (26.3.2020): Coronavirus row helps topple Kosovo government, https://www.bbc.com/news/world-europe-52044136, Zugriff 7.4.2020

- CIA – Central Intelligence Agency (7.4.2020): The Worlöd Factbook. Europe. Kosovo, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/kv.html, Zugriff 17.4.2020

- DS - Der Standard (7.10.2019): Riskante Wachablöse im Kosovo, https://www.derstandard.at/story/2000109598474/riskante-wachabloese-im-kosovo, Zugriff 6.4.2020

- DP - Die Presse (7.10.2019): Kosovos Rebell greift nach der Macht, https://www.diepresse.com/5702091/kosovos-rebell-greift-nach-der-macht, Zugriff 8.10.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Kosovo -Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/, Zugriff 4.5.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/, Zugriff 4.5.2020

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (7.10.2019): Wahlerfolg der Opposition: In Kosovo weht ein neuer Wind, https://www.nzz.ch/international/wahlen-im-kosovo-bisherigeoppositionsparteien-liegen-vorn-ld.1513769, Zugriff 3.4.2020

- ORF - Österreichischer Rundfunk (6.10.2019): Opposition gewinnt Parlamentswahl im Kosovo, https://orf.at/stories/3139956/, Zugriff 8.10.2019

- Spiegel (9.2.2020): Kurti stellt die Systemfrage, https://www.spiegel.de/politik/ausland/kosovo-albin-kurti-will-als-premier-alles-andersmachen-a-9cbb96a8-c191-4366-ae0d-66a0e9b8ac0d, Zugriff 7.4.2020

- Standard (2.5.2020): Verfassungsgericht im Kosovo stoppt Bildung einer neuen Regierung, https://www.derstandard.at/story/2000117242247/verfassungsgericht-imkosovo-stoppt-bildung-einer-neuen-regierung, Zugriff 7.4.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 11.5.2020

Ethische Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit. Zu differenzieren sind dabei die Beziehungen zu den im Norden in einem zusammenhängenden Gebiet lebenden Serben und jenen Serben, die im restlichen Kosovo in kleineren versprengten Gemeinden wohnen. Letztere unterhalten relativ gute Beziehungen zu den kosovo-albanischen Autoritäten und beteiligen sich an der gesellschaftspolitischen Ausgestaltung im Rahmen der kosovarischen Institutionen. Ganz anders ist hingegen die Situation im Nordkosovo. Die hier lebenden Serben weigern sich, die Unabhängigkeit des Kosovo und zum Teil die Institutionen des neu geschaffenen Staates anzuerkennen. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit. Besonders problematisch sind speziell Fragen der Grenze zwischen dem Kosovo und Serbien, zumal diese von den im Norden lebenden Serben nicht anerkannt wird (GIZ 9.2018a).

Somit bleibt die Lage im Norden des Kosovo (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch künftig zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt, die die allgemeine Bewegungsfreiheit einschränken (AA 2.5.2020). Mit der Ausnahme des Nordkosovo gilt die Sicherheitslage allgemein als entspannt. Allerdings kann es zu punktuellen Spannungen kommen (GIZ 9.2018a).

In Pristina und anderen Städten des Landes kann es gelegentlich zu Demonstrationen und damit zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit kommen. In allen anderen Landesteilen Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil. Teilweise gewalttätige Protestaktionen der Opposition gegen die Regierung haben sich seit dem ersten Halbjahr 2016 nicht mehr ereignet, das Potential für solche Proteste besteht aber weiterhin (AA 2.5.2020).

Eine Studie des angesehenen Kosovo Center for Security Studies zum Sicherheitsgefühl der Kosovaren aus dem Jahr 2018 ergab, dass sich 85,5% der Befragten in ihrem Zuhause (Wohnung, Haus), 78,8% in ihrer Stadt und 52,4% im Kosovo sicher fühlten. Albanische und nicht-serbische Minderheitenangehörige fühlen sich im Kosovo sicherer als Serben (KCSS 7.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (2.5.2020): Kosovo: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/kosovosicherheit/207442, Zugriff 4.5.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2018a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/, Zugriff 23.12.2019

- KCSS - Kosovo Center for Security Studies (7.2019): Kosovo Security Barometer – Trends of Citizens’ Perceptions on Public safety in Kosovo (2016 – 2018), https://www.academia.edu/40117450/REPORT_BY_KCSS_TRENDS_OF_CITIZENS_PERCEPTIONS_ON_PUBLIC_SAFETY_IN_KOSOVO, Zugriff 23.12.2019

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht auf drei Komponenten: der Kosovo Polizei (KP), den unterstützenden internationalen EULEX-Polizeikräften (EU-Rechtstaatlichkeitsmission, Anm.) und den KFOR-Truppen (mit 3.500 Soldaten) (AA 21.3.2019). Als eine ihrer Operationslinien unterstützt die KFOR Aufbau und Training der multiethnischen und zivil kontrollierten, leicht bewaffneten Sicherheitskräfte „Kosovo Security Force“ (KSF), die nach dem bisherigen Gesetzesrahmen nicht mehr als 2.500 Mitglieder und maximal 800 Reservisten hatten. Die KSF übernimmt derzeit primär zivile Aufgaben wie Krisenreaktion, Sprengmittelbeseitigung und Zivilschutz. Das am 14.12.2018 mit überwältigender parlamentarischer Mehrheit verabschiedete Gesetzespaket zur Transition in reguläre, defensiv ausgerichtete Streitkräfte unterwirft die KSF einem 10-jährigen Übergangsprozess, an dessen Ende ca. 5.000 leicht bewaffnete Defensivkräfte stehen sollen. Die kosovarische Regierung hat der NATO gegenüber schriftlich die volle Transparenz des Prozesses, die Bewahrung des multiethnischen Charakters der KSF sowie das Festhalten an den Bedingungen von UNSCR 1244 und dem KFOR-Mandat bekundet (AA 21.3.2019).

Die Polizei (Kosovo Police, KP) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen. Der Frauenanteil in der KP beträgt 14%; der Anteil der Angehörigen von Minderheiten liegt bei 16%. EULEX-Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Für die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitskräfte ist im Parlament der Ausschuss für Inneres, Sicherheitsfragen und Überwachung der KSF zuständig (AA 21.3.2019). Weiterhin sollen die Polizeistrukturen im Kosovo vereinheitlicht und Mitglieder serbischer Sicherheitskräfte in die kosovarische Polizei integriert werden. Die Polizeikräfte im serbischen Norden sollen die Bevölkerungsverhältnisse widerspiegeln und unter Führung eines kosovo-serbischen Regionalkommandanten stehen (GIZ 3.2020a). Es gibt 436 Polizeibeamte (Angehörige der KP) pro 100.000 Einwohner. Dies übertrifft den EU-Durchschnitt, der sich im Jahr 2016 gemäß Eurostat auf 318 Beamte belief. Die Polizei ist relativ gut ausgebildet und ausgerüstet. Sie verfügt über moderne IT-Infrastruktur. Die „Kosovo Academy for Public Safety“ gewährleistet eine gute Ausbildung für Polizeibeamte und andere Angehörige des Sicherheitsapparats (Zollbeamte, Beamte des Strafvollzugs) sowohl im Bereich der Grundausbildung als auch im Bereich der berufsbegleitenden Weiterbildung. Die Kapazität der Polizei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist gut, jedoch unterliegt die Polizei immer noch Korruption und politischem Druck (EC 29.5.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 10.4.2020

- EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo 2019 Report, S33 u. S35, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovoreport.pdf, Zugriff 27.11.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/, Zugriff 5.5.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2018a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/, Zugriff 23.12.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 11.5.2020

Das Verbot der Folter sowie der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe wird im Artikel 27 der kosovarischen Verfassung verankert. Artikel 199 des Strafgesetzbuches kriminalisiert Folter in voller Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsnormen (AA 21.3.2019). Die Gesetze werden aber uneinheitlich umgesetzt und es gab anhaltende Vorwürfe, dass Gefangene von der Polizei und in geringerem Maße auch vom Personal des Strafvollzugsdienstes gefoltert und misshandelt wurden (UDOS 11.3.2020). Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nahm in seinem letzten Bericht über den Besuch in Serbien und Kosovo mit großer Besorgnis zahlreiche Anschuldigungen wegen Folter und Misshandlungen durch die Polizei zur Kenntnis (AA 21.3.2019; vgl. UN 25.1.2019). In erwähntem Papier wird über Misshandlungen von Gefangenen sowie verbale und psychologische Drohungen berichtet. Auch besteht ein Mangel an Aufsicht in der Untersuchungs- und Verhörphase der Inhaftierung, was angeblich zu erzwungenen Geständnissen führt (USDOS 11.3.2020).

Die Ombudsperson des Kosovo (KOI) verfügt in ihrer Eigenschaft als Nationaler Präventionsmechanismus gegen Folter (National Preventive Mechanism against Torture – NPMT) über sieben Mitarbeiter. Darunter sind ein Arzt, ein Psychiater, ein Sozialarbeiter und zwei Anwälte, die sich hauptberuflich mit der Verhütung von Folter befassen. Im Jahr 2018 unterzog sich der NPMT einem intensiven, vom Europarat finanzierten Schulungsprogramm, um seine Kapazitäten zu verbessern. Auch führte er in Gefängnissen, Haftanstalten, psychiatrischen Einrichtungen und Polizeistationen Inspektionen durch. Gefangene und Inhaftierte können den NPMT über Rechtsanwälte, Familienangehörige, internationale Organisationen, direkte Telefonanrufe oder über Briefkästen in Haftanstalten, die nur für Mitarbeiter der KOI zugänglich sind, kontaktieren. Die KOI berichtete zwar über Beschwerden gegen die Polizei und den Strafvollzugsdienst; darunter Vorwürfe der körperlichen Misshandlung von Gefangenen, aber keine Folterhandlungen (USDOS 11.3.2020).

Das Kosovo-Rehabilitationszentrum für Folteropfer (KRCT), die führende NGO des Landes in Fragen der Folter, gab ebenfalls an, im Laufe des Jahres keine glaubwürdigen Berichte über Folterungen erhalten zu haben, obwohl die Misshandlung von Gefangenen nach wie vor ein Problem darstellt (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, - 30/72 –BE-0311-415 https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 30.3.2020

- UNHRC – United Nations Human Rights Council (25.1.2019): Visit to Serbia and Kosovo. Report of the Special Rapporteur on torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment, https://atlas-oftorture.org/api/files/1552483246133hd6yw6vl38u.pdf, Zugriff 31.3.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html, Zugriff 21.4.2020

Korruption

Letzte Änderung: 11.5.2020

Laut Gesetz steht Korruption von Beamten unter Strafe, aber die Regierung setzt diese Vorgaben nicht effektiv um. Korruption bei Beamten bleibt gelegentlich ungesühnt. Das Fehlen einer wirksamen Justizaufsicht und eine allgemeine Schwäche der Rechtsstaatlichkeit tragen zu diesem Problem bei. Gegen Korruptionsfälle wird routinemäßig wiederholt Berufung eingelegt, und das Justizsystem lässt oft Verjährungsfristen auslaufen, ohne die Fälle vor Gericht zu bringen. Die Antikorruptionsbehörde (ACA) und das Nationale Rechnungsprüfungsamt tragen gemeinsam die Verantwortung für die Bekämpfung staatlicher Korruption. Verurteilungen wegen Korruptionsvorwürfen machen weiterhin nur einen geringen Teil der untersuchten und angeklagten Fälle aus. NGOs berichten, dass Anklageerhebungen oft fehlschlagen, weil Staatsanwälte falsche Anklagen erheben oder Verfahrensfehler machen (USDOS 11.3.2020).

Die institutionellen Rahmenbedingungen zur Korruptionsbekämpfung sind schwach. Die Zuständigkeitsbereiche der vier primären Korruptionsbekämpfungsbehörden überlappen sich, was eine effiziente Koordinierung der Bemühungen erschwert. Die Behörden zeigen nur wenig Anstrengung, hochrangige Korruptionsfälle zu untersuchen, und wenn hochrangige Beamte doch verfolgt werden, so kommt es selten zu Verurteilungen. Ende 2018 waren vier Minister, denen Korruption bzw. Interessenskonflikte vorgeworfen wurden, trotz entsprechender Anklagen weiterhin im Amt. Staatsanwälte und Gerichte sind nach wie vor anfällig für politische Einmischung und Korruption durch mächtige politische und geschäftliche Eliten, wodurch ordnungsgemäße Verfahren untergraben werden (FH 4.2.2019). Auch die Ergebnisse der EULEX-Anti-Korruptionsbemühungen waren minimal. Besonders hochrangige Korruptionsfälle wurden nicht einmal untersucht, was einen weit verbreiteten Eindruck der Straflosigkeit hervorrief. Es schien, als sollte wichtigen Persönlichkeiten der politischen Elite des Kosovo eine Untersuchung oder gar ein Gerichtsverfahren erspart bleiben, im höheren Interesse der Aufrechterhaltung des kosovarischen Staatsbildungsprojekts (BS 2020).

Zentrale Bereiche der Korruption sind neben dem Gesundheits- und Bildungswesen die Justiz, in der es regelmäßig zu politischer Einflussnahme kommt, außerdem die öffentliche Verwaltung, in der Nepotismus, Beschäftigung nach Parteibuch wie die Manipulation öffentlicher Ausschreibungsverfahren weit verbreitet sind. Politische Korruption, etwa bei der Besetzung von Aufsichtsräten herrscht auch bei öffentlichen Unternehmen vor. Die kosovarische Presse berichtet regelmäßig von Korruptionsskandalen, in die hochkarätige Partei- oder Regierungsvertreter verwickelt sein sollen. Zur Anklage kommt bisher jedoch nur ein kleiner Teil davon und zu Verurteilungen kommt es ganz selten. So wurde der frühere Minister Fatmir Limaj diverse Male, unter anderem von EULEX-Richtern, wegen Korruption angeklagt, zu einer Verurteilung kam es nie. Auch sein Bruder, Florim Limaj, der im Innenministerium mit der Bekämpfung von Korruption betraut war, wurde wegen Korruption angeklagt. Ähnlich gelagert war der Fall des Staatsanwalts Nazim Mustafi. Der mit der Bekämpfung von Korruption beauftragte Staatsanwalt wurde 2013 von einem EULEX-Gericht selbst zu fünf Jahren Haft verurteilt - wegen Bestechlichkeit. Nicht nur lokalen Richtern, Staatsanwälten und Polizei fehlt die politische Unabhängigkeit zur Verfolgung politisch sensibler Korruptionsfälle – selbst die EU-Rechtsstaatsmission EULEX erwies sich als außerordentlich ineffizient, hochkarätige Fälle politischer Korruption abzuurteilen. 2017 wurden laut offiziellen Statistiken von den Staatsanwaltschaften im Kosovo knapp 1.800 Personen wegen Korruption angeklagt, 90% davon waren Behördenvertreter. 2015 wurde eine behördenübergreifende Task Force gegen politisch sensible Korruption und organisierte Kriminalität geschaffen. Bis einschließlich 2018 kamen allerdings lediglich 27 Fälle zur Anklage, ganze 9 Personen wurden verurteilt. Nicht zuletzt wegen der ineffizienten Korruptionsbekämpfung haben zwei Drittel der Bevölkerung im Kosovo kein Vertrauen in die Justiz bzw. den Rechtsstaat (GIZ 3.2020a).

Diese Auffassung vertritt auch der Direktor der albanischen Antikorruptionsbehörde, Shaip Havolli und rief die Justizbehörden auf, keine Angst zu haben, auch hochrangige Personen wegen Korruption anzuklagen. Er betonte, dass niedrige Strafen und Freilassungen ein negatives Signal für die Entwicklung des Kosovo und seine Integration in die internationalen Strukturen seien (CoE o.D.a; vgl. Telegrafi 25.5.2019). Das Kosovo Law Institute beklagte 2019, dass das Ausmaß der Nichtbestrafung von Korruption besorgniserregend sei. Die Korruption auf hoher Ebene bleibe ein ernstes Problem. Der britische Botschafter im Kosovo zeigte sich beunruhigt, dass trotz aller Investitionen der internationalen Gemeinschaft ein hoher Prozentsatz von in Korruption verwickelten hohen Beamten nicht bestraft wird (CoE o.D.b).

Transparency International listet den Kosovo in seinem „Corruption Perceptions Index“ 2019 auf Platz 101 von insgesamt 180 bewerteten Staaten. Dies entspricht einer Verschlechterung um acht Plätze gegenüber 2018 (TI 1.2020; vgl. TI 30.1.2019). Im regionalen Vergleich zu seinen Nachbarländern liegt das Kosovo hinsichtlich des Ausmaßes an Korruption im Mittelfeld GIZ 3.2020a).

Quellen:

- BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kosovo, https://www.btiproject.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_RKS.pdf, Zugriff 14.4.2020

- CoE – Council of Europe (o.D.a): Action against economic crime and corruption. KLI: The Justice System has failed to treat targeted cases, https://www.coe.int/en/web/corruption/anti-corruption-digest/kosovo, Zugriff 14.4.2020

- CoE – Council of Europe (o.D.b): Action against economic crime and corruption. Kosovo Law Institute: corruption remains unpunished in the country, https://www.coe.int/en/web/corruption/anti-corruption-digest/kosovo, Zugriff 17.4.2020

- FH - Freedon House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Kosovo, https://www.ecoi.net/en/document/2015997.html, Zugriff 27.11.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/, Zugriff 5.5.2020

- Telegrafi.com (25.5.2019): Havolli kërkon dënime të larta për korrupsion, fton prokurorët e gjyqtarët të mos frikësohen, https://telegrafi.com/havolli-kerkon-denime-te-larta-perkorrupsion-fton-prokuroret-e-gjyqtaret-te-mos-frikesohen/, Zugriff 5.5.2020

- TI – Transparency International (1.2020): Corruptions Perceptions Index 2019, https://www.transparency.org/whatwedo/publication/corruption_perceptions_index_2019, Zugriff 5.5.2020

- TI – Transparency International (30.1.2019): Corruptions Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, Zugriff 5.5.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html, Zugriff 3.4.2020

Haftbedingungen

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die Situation in kosovarischen Haftanstalten ist unzureichend, und trotz Verbesserungen (insbesondere in Hinblick auf schwere Menschenrechtsverletzungen) werden internationale Standards verfehlt (GIZ 3.2020a). Probleme stellen insbesondere Gewalt zwischen den Häftlingen, Korruption, Kontakt mit radikalen religiösen oder politischen Ansichten sowie eine unterdurchschnittliche medizinische Versorgung dar. In einigen Teilen des überfüllten Gefängnisses von Dubrava sind die physischen Bedingungen nach wie vor minderwertig. Im Laufe des Jahres 2019 gingen beim KRCT („Kosovo Rehabilitation Center for Torture Victims“) Beschwerden von Häftlingen ein, die behaupteten, Opfer von Belästigung bzw. körperlicher Misshandlung durch Vollzugsbeamte geworden zu sein, vor allem in den Gefängnissen von Dubrava und Lipjan/Lipljan. Auch haben sich mehrere Häftlinge Verletzungen zugefügt, um auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen (USDOS 11.3.2020). Aufgrund mangelhafter Ausbildung und unzureichender Personalausstattung üben die Behörden nicht immer die Kontrolle über Einrichtungen oder Häftlinge aus. Ungefähr 30% der Insassen kommen mit einer Drogenabhängigkeit ins Gefängnis. Es gab keine Drogenbehandlungsprogramme innerhalb des Strafvollzugssystems, und das KRCT berichtet, dass regelmäßig illegale Drogen in die Einrichtungen geschmuggelt werden. Das KRCT dokumentierte Verzögerungen und Fehler bei der medizinischen Versorgung der Gefangenen sowie einen Mangel an spezialisierter Behandlung. Häufig sehen sich Gefangene gezwungen, benötigte Medikamente aus privaten Quellen zu beschaffen. Das KRCT beobachtete Lücken im Gesundheitsversorgungssystem des Gefängnisses in der Einrichtung in Dubrava und berichtet über eine unzureichende Zahl von psychiatrischen Fachkräften. Anwälte beschuldigen die Regierung, regelmäßig Untersuchungshäftlinge mit diagnostizierter geistiger Behinderung zusammen mit anderen Untersuchungshäftlingen unterzubringen. Die Untersuchungshäftlinge werden getrennt von den verurteilten Häftlingen untergebracht. Das Gesetz schreibt jedoch vor, dass verurteilte Kriminelle mit nachgewiesenen psychischen Problemen in Einrichtungen für psychische Gesundheitsfürsorge inhaftiert werden müssen. Aufgrund der Überbelegung solcher Einrichtungen ist dies oftmals nicht möglich. Betroffene erhalten Medikamente und können regelmäßige Konsultationen bei einem Psychiater wahrnehmen, bekommen aber darüber hinaus keinerlei Unterstützung und Behandlung (USDOS 11.3.2020).

Die Behörden führen nicht immer ordnungsgemäße Untersuchungen von Misshandlungsvorwürfen durch. Außerdem funktioniert der gesetzlich vorgeschriebene interne Beschwerdemechanismus nicht, da die Häftlinge Misshandlungen oft aus Mangel an Vertraulichkeit und aus Angst vor Vergeltung nicht melden. Das KRCT stellt auch fest, dass die Behörden keine schriftlichen Entscheidungen zur Rechtfertigung der Einzelhaft vorlegen. Die Regierung gestattet Besuche unabhängiger Menschenrechtsbeobachter, aber nur die nationale Institution der Ombudsperson und EULEX hatten das ganze Jahr über kontinuierlichen und ungehinderten Zugang zu den Haftanstalten. Das KRCT und das Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte und Freiheiten sind verpflichtet, Besuche 24 Stunden im Voraus anzukündigen. Zu den Verbesserungen, die 2019 vorgenommen wurden, gehören die Einstellung von 120 neuen Vollzugsbeamten, die teilweise Eröffnung des neuen Haftzentrums in Pristina, die Durchführung eines Pilotprogramms für Bewertungs- und Klassifizierungseinheiten und ein Verfahren, das es einigen Häftlingen ermöglicht, über Skype mit ihren Familien zu kommunizieren (USDOS 11.3.2020). Die Lebensbedingungen in den Gefängnissen gelten insgesamt als sehr schlecht. Der Informationsgrad unter Häftlingen über deren Rechte ist gering (GIZ 3.2020a).

Quellen:

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/, Zugriff 8.5.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html, Zugriff 8.5.2020

Grundversorgung

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Das Warenangebot entspricht in der Auswahl (nicht immer in der Qualität) westeuropäischen Standards. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die im Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Im Jahr 2017 erhielten 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen Sozialhilfe (AA 21.3.2019).

Obwohl das Wirtschaftswachstum des Kosovo in den letzten zehn Jahren besser war als das seiner Nachbarn und weitgehend integrativ, reichte es nicht aus, um genügend formelle Arbeitsplätze, insbesondere für Frauen und Jugendliche, bereitzustellen oder die hohen Arbeitslosenquoten deutlich zu senken. Das Wachstumsmodell stützt sich in hohem Maße auf Überweisungen, um den Binnenkonsum anzukurbeln, hat sich aber in jüngster Zeit auf ein stärker investitions- und exportgetriebenes Wachstum verlagert (WB o.D.).

Die kosovarische Wirtschaft wuchs in der Zeit nach der globalen Finanzkrise beständig über dem Durchschnitt des Westbalkans, wenn auch von einer niedrigen Basis aus. Das Pro-Kopf-BIP stieg von 1.088 US-Dollar im Jahr 2000 auf 4.458 US-Dollar im Jahr 2019. Trotz dieses Anstiegs des Pro-Kopf-Einkommens in den letzten 20 Jahren ist das Kosovo gemessen am Pro-Kopf-BIP nach wie vor das drittteuerste Land in Europa. Das jährliche Wachstum wird auf vier Prozent geschätzt, angetrieben durch den Konsum, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, und durch Dienstleistungsexporte. Das Leistungsbilanzdefizit fiel von 7,6% des BIP im Jahr 2018 auf 5,5% im Jahr 2019, da sich das Importwachstum verlangsamte. Die Erwerbsbeteiligung ist mit durchschnittlich 40,5% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2019 nach wie vor chronisch niedrig. Die Arbeitslosenquote sank um 3,9 Prozentpunkte auf 25,7%. Die Staatsverschuldung ist gering, hat aber in den letzten Jahren rasch zugenommen. Die öffentliche und staatlich garantierte Verschuldung wird für Ende 2019 auf 17,7% des BIP geschätzt und ist damit die niedrigste auf dem Westbalkan, was dem Land Raum für die Aufnahme von Krediten zu Vorzugsbedingungen für produktive Investitionen mit einer hohen Rendite bietet. Der von den Banken dominierte Finanzsektor im Kosovo ist gesund und solide. Sowohl Kredite als auch Einlagen nahmen weiter zu (WB 2020).

Die kosovarische Wirtschaft leidet an einer unzureichenden Infrastruktur. Während es in den letzten Jahren zwar deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur, v. a. beim Ausbau des Autobahnnetzes, gegeben, hat, stellt die instabile Energieversorgung weiterhin ein schwerwiegendes Entwicklungsproblem dar. Problematisch ist auch die politische Instabilität mit häufigen Regierungswechseln und fehlender entwicklungsorientierter Wirtschaftspolitik. Das Wirtschaftssystem weist klare Charakteristika politischer Patronage auf, mit der Dominanz des öffentlichen Sektors. Dazu gehören einerseits die öffentliche Verwaltung, in der - basierend auf einer parteipolitisch motivierten Personalpolitik - extrem hohe Gehälter bezahlt werden, und andererseits ineffiziente, politisch kontrollierte öffentliche Unternehmen bei gleichzeitig schleppend voranschreitender Privatisierung. Hinzu kommt ein schwacher Rechtsstaat mit einer schwachen und politisierten Justiz und Polizei, teils kriegsbedingt noch immer unklaren Eigentumsverhältnissen, der mangelnden auch wirtschaftlichen Kontrolle über Teile des kosovarischen Territoriums, in erster Linie der vier mehrheitlich serbisch bewohnten Gemeinden im Norden, sowie das Problem grassierender, systematischer Korruption (GIZ 3.2020c).

Vor diesem Hintergrund blüht weiterhin ein substantieller informeller Wirtschaftssektor, der marktwirtschaftliche Regeln unterläuft, Arbeiterrechte und den Sozialstaat aushöhlt. Die EU-Kommission schätzte 2019 den Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttosozialprodukt auf 30%. Das extreme Handelsbilanzdefizit macht Kosovo in hohem Maße von ausländischer Hilfe und Überweisungen abhängig. Der Anteil der informellen Wirtschaftsleistung ist immens – schätzungsweise zwischen 27% und 45%. Weitere Probleme sind die unzureichende Infrastruktur (Energie, Wasser und Verkehr), ungelöste rechtliche Verhältnisse, mangelnde Transparenz, Korruption, Kriminalität, etc. (GIZ 3.2020c).

Kosovos Arbeitslosenquote belief sich laut nationalem Statistikamt im Jahr 2019 auf 25,70% (gegenüber 29,60% im Jahr 2018). Dies ist der geringste Wert, der seit zwanzig Jahren gemessen wurde (CEIC 2.4.2020; vgl. WB 2020). Trotzdem bleibt die Arbeitslosigkeit mit einer Zahl von ca. 130.000 Unbeschäftigten Ende 2019 eines der zentralen Probleme. Der Arbeitsmarkt im Kosovo ist geprägt durch eine niedrige Erwerbsbeteiligung (Beschäftigungsqoute Ende 2019: 30,7%), ein hohes Maß an langfristiger Arbeitslosigkeit (über 70% aller Arbeitslosen) und Jugendarbeitslosigkeit (Jugendarbeitslosigkeitsquote 2019, Q4: 49,1%) sowie durch erhebliche Genderdisparitäten (Frauenbeschäftigungsquote 2016, Q4: 22,4%, gegenüber einer Männerbeschäftigungsquote von 60,2%). Im Kosovo existiert allerdings ein sehr ausgedehnter informeller, nicht von der Statistik erfasster Sektor, welcher z. B. einen Großteil der Frauen umfasst, die in Subsistenzwirtschaften Leistungen im Agrarsektor erbringen. Folgen der Informalität sind Einnahmeeinbußen bei den Sozialabgaben sowie ein Mangel an sozialer und arbeitsrechtlicher Absicherung der Arbeitnehmer. Eine staatliche Arbeitslosenversicherung existiert im Kosovo nicht. Jährlich drängen ungefähr 36.000 junge Arbeitssuchende neu auf den Arbeitsmarkt, von denen nur ein geringer Teil absorbiert werden kann. Für die überwiegende Mehrheit bleibt daher eine der folgenden Optionen: (weiterführende) Aus- und Weiterbildung, Studium, Arbeitslosigkeit, informelle Beschäftigung oder Migration. Etwa ein Drittel aller jungen Kosovaren geht weder einer Schulbildung, Ausbildung oder Beschäftigung nach. Die Arbeitgeber bemängeln, dass der Ausbildungsstand der jungen Kosovaren nicht den Bedürfnissen der Unternehmen nach qualifizierten Arbeitskräften entspricht. Hieraus resultiert das Paradoxon der Gleichzeitigkeit von hoher Arbeitslosigkeit und unbesetzten Arbeitsstellen. Ein weiteres Problem ist, dass die ökonomischen und sozialen Statistikdaten immer noch unvollständig und teils von mangelnder Qualität sind, was sowohl die Bewertung der effektiven Wirtschaftsentwicklung beeinträchtigt als auch die wirtschafts- und sozialpolitische Planung (GIZ 3.2020c).

Etwa 18% der kosovarischen Bevölkerung leben in absoluter Armut (täglich verfügbares Einkommen geringer als € 1,72) und 5,2% in extremer Armut (€ 1,20). Obwohl die einzelnen Studien und Armutsberichte nicht direkt vergleichbar sind, gibt es Hinweise dafür, dass sich das Ausmaß der Armut im Kosovo in den letzten zehn Jahren leicht reduziert hat. Armutsgefährdung korreliert stark mit Ethnizität (insbesondere die Gruppen der RAE (Roma, Ashkali, Ägypter)-Minderheiten sind von Armut überproportional stark betroffen), Alter (Kinder), Bildung (Geringqualifizierte), Geographie und Haushaltsgröße (große Familien sowie Familien mit weiblichem Haushaltsvorstand). Der Lebensstandard ist im Kosovo sehr ungleich verteilt, mit Unterschieden in der durchschnittlichen Lebenserwartung von bis zu 10 Jahren zwischen einzelnen Gemeinden. Ein konsistentes geographisches Muster lässt sich jedoch nicht feststellen. Ein bedeutender Teil der Gesellschaft ist als mehrdimensional arm zu bezeichnen: Neben dem Mangel an pekuniären Ressourcen ist der Zugang zu sozialer Infrastruktur bzw. die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse, wie z. B. fließendes Wasser, für viele Menschen begrenzt. Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel und der Ausgaben für Wohnraum an den gesamten Konsumausgaben eines Haushalts liegt im Kosovo im Durchschnitt bei 73%, die Ausgaben für Bildung und Gesundheit entsprechen 4% der gesamten Konsumausgaben. Der Human Development Index für Kosovo liegt laut dem Human Development Report Kosovo 2016 bei 0.741 (2015), was eine deutliche Steigerung gegenüber 2011 (0.713) bedeutet, jedoch einen der niedrigsten Werte in der Region darstellt (GIZ 3.2020b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 6.4.2020

- CEIC-Data – (2.4.2020): Kosovo. Arbeitslosenquote, https://www.ceicdata.com/de/indicator/kosovo/unemployment-rate, Zugriff 10.4.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/, Zugriff 5.5.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Kosovo – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/kosovo/wirtschaft-entwicklung/,Zugriff 5.5.2020

- WB – Weltbank (o.D.): The World Bank in Kosovo, https://www.worldbank.org/en/country/kosovo/overview, Zugriff 5.5.2020

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die Leistungsgewährung von staatlichen Sozialhilfeleistungen für bedürftige Personen erfolgt auf Grundlage des Gesetzes No. 2003/15. Jede Gemeinde verfügt über ein Zentrum für Soziales. Angehörige der Minderheiten werden zusätzlich von den in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (Municipal Office for Communities and Return, MOCR) betreut. Die Freizügigkeit wird für Sozialhilfeempfänger nicht eingeschränkt. Für den weiteren Sozialhilfebezug ist in der Kommune des neuen Wohnortes ein entsprechender Antrag zu stellen. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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