Entscheidungsdatum
05.07.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L514 2150691-2/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.12.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, sunnitischer Moslem und der Volksgruppe der Araber angehörig, reiste spätestens am XXXX 2014 illegal in Österreich ein und stellte am selben Tage einen Antrag auf internationalen Schutz. Zur Begründung seines Antrags führte der Beschwerdeführer aus, dass in seiner Heimat Krieg herrsche und die Lebensumstände sehr schlecht seien; er wolle jedoch als freier Mensch leben. Seine Eltern hätte ihn aufgefordert keinen Alkohol mehr zu trinken; nachdem er dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, wäre es immer wieder zu Streitigkeiten gekommen. Dann sei seine Heimatstadt XXXX von IS Kämpfern erobert worden. Bereits vorher sei es durch die irakischen Streitkräfte zu wahllosen Verhaftungen und Folterungen gekommen. Die IS Kämpfer hätten die Bevölkerung aufgefordert, dass sich aus jeder Familie eine Person dem IS anschließen solle und sie hätten die jungen Leute aufgefordert sich in die Moscheen zu begeben. Der Beschwerdeführer sei nie persönlich bedroht worden, aber er hätte Angst vor dem Terror gehabt und sei deswegen geflüchtet.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 16.02.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Allerdings wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 16.02.2018 erteilt (Spruchpunkte II. und III.).
Begründend wurde vom BFA ausgeführt, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer im Irak einer individuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätte. Der Beschwerdeführer habe, ebenso wie viele andere, den Irak aufgrund der aktuellen Bürgerkriegssituation verlassen, dies sei jedoch kein Fluchtgrund gemäß der Genfer Konvention. Die Bedrohungen, die sich durch Anwesenheit mehrerer Konfliktparteien ergeben würden, wären ein Ergebnis der derzeitigen allgemeinen Situation im Irak, welche im Rahmen der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten berücksichtigt werden würden. Diesbezüglich führte die belangte Behörde auch aus, dass dem Beschwerdeführer als Zivilperson bei einer Rückkehr eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen könnte, weshalb ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei.
Gegen Spruchpunkt I. dieses, dem Beschwerdeführer ordnungsgemäß zugestellten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.04.2017, Zl. L507 2150691-1/2E, wurde die Beschwerde gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass nicht festgestellt werde könne, das dem Beschwerdeführer im Irak eine asylrelevante – oder sonstige – Verfolgung drohe.
3. Mit Bescheid des BFA vom 27.02.2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung zum ersten Mal, bis zum 16.02.2020, verlängert. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen bzw. dem Antrag des Beschwerdeführers das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden könne.
4. Im April 2018 wurde die belangte Behörde von einer Anklageerhebung wider den Beschwerdeführer gemäß § 223 Abs. 2 StGB seitens der Staatsanwaltschaft XXXX in Kenntnis gesetzt und wurde daraufhin ein Aberkennungsverfahren eingeleitet.
Aus diesem Grund fand am 12.07.2018 vor dem BFA eine niederschriftliche Einvernahme statt. Auf Nachfrage brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine gesamte Familie im Irak leben würde und er jeden 2. Monat Kontakt mit ihnen hätte. Im Falle einer Rückkehr in den Irak sei sein Leben bzw. seine Zukunft gefährdet. Auf Vorhalt, dass laut irakischer Regierung der IS besiegt worden sei, brachte der Beschwerdeführer vor, dass es vom IS noch Schläfer in Bagdad und in XXXX gäbe, diese hätten sich unter den Zivilisten versteckt. Die Lage im Irak sei noch nicht stabil.
In Österreich habe der Beschwerdeführer bereits sechs Monate aufgrund eines befristeten Vertrages bei der Post gearbeitet. Er hätte einen Deutschkurs A2 absolviert und sich nunmehr für einen Kurs B1 angemeldet.
Weiters sei er gesund und würde sich in keiner ärztlichen Behandlung befinden.
Anschließend setzte das BFA den Beschwerdeführer darüber in Kenntnis, dass ihm eine Rückkehr in den Irak aus heutiger Sicht zumutbar sei. Dazu wurden ihm Auszüge aus dem aktuellen Länderinformationsblatt vorgehalten und ihm eine Übersetzung angeboten; der Beschwerdeführer lehnte dies jedoch ab.
5. Mit gegenständlich in Beschwerde gezogenem Bescheid des BFA vom 11.12.2018, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG vom Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die mit Bescheid vom 27.02.2018 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das BFA aus, dass sich aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erschließe, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Rückkehrbefürchtungen, in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht begründet seien. Er habe in seiner Einvernahme vom 12.07.2018 oberflächlich angegeben, dass die allgemeine Lage im Irak schlecht sei und dass Sunniten u.a. wegen des IS in Zukunft verfolgt werden könnten. Aufgrund seiner religiösen Konfession als Sunnit hätte der Beschwerdeführer jedoch keine Verfolgung im Irak zu befürchten. Mittlerweile habe sich auch die Sicherheitslage in Bagdad und in anderen Teilen des Iraks verbessert. Damit stehe dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.
Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Angehörigen, keine nennenswerten privaten Anknüpfungspunkte und bestünden auch sonst keine Abhängigkeiten.
Der Beschwerdeführer sei Angehöriger der arabischen Volksgruppe und gehöre der muslimischen Glaubensgemeinschaft der Sunniten an. Es sei festzuhalten, dass Sunniten als solche im Irak im Verhältnis zu den Schiiten zwar in der Minderheit seien, eine systematische Verfolgung und Diskriminierung der Sunniten im Irak durch staatlichen Stellen oder Privatpersonen im Lichte der vorliegenden aktuellen Länderberichte könne jedoch nicht festgestellt werden. Die belangte Behörde verkenne die angespannte politische Situation im Irak nicht, jedoch habe der Beschwerdeführer in seiner Befragung vom 12.07.2018 – befragt zu seinen Rückkehrbefürchtungen – keine asylrelevante Verfolgung gegen seine Person angeben können da er selbst einräumte, dass er im Irak nicht verfolgt werde. Der Beschwerdeführer hätte angegeben, dass die Lage im Irak noch immer nicht stabil sei; dem sei entgegenzuhalten, dass seine gesamte Familie noch im Irak aufhältig sei.
Die Sicherheitslage im Irak habe sich gegen Ende des Jahres 2017 und Anfang des Jahres 2018 stabilisiert. Es gäbe diesbezüglich jedoch große Unterschiede zwischen den Regionen und könne die Lage im Irak nicht für alle Provinzen einheitlich beurteilt werden. Die Stadt XXXX sei Anfang 2017 vom IS befreit worden.
Betreffend einer innerstaatlichen Fluchtalternative wurde darauf verwiesen, dass auch im schiitisch dominierten Südirak eine große Anzahl von Sunniten leben und arbeiten würden und dass im Lichte der einschlägigen Länderberichte eine systematische Verfolgung oder Diskriminierung von Sunniten auszuschließen sei. Auch im Nordirak wäre der Beschwerdeführer als Sunnite keiner entsprechenden individuellen Gefahr ausgesetzt; auch in Bagdad gäbe es sunnitisch geprägte Viertel.
Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers wurde in der rechtlichen Beurteilung festgehalten, dass ihm als gesunde, erwachsene Person die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben möglich sei; er verfüge über mehrere Jahre Arbeitserfahrung. Er spreche die Landessprache und könne von einer entsprechenden Unterstützung seitens seiner, nach wie vor im Irak aufhältigen Familie ausgegangen werden.
Zur Rückkehrentscheidung wurde festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer erst seit einem kurzen Zeitraum in Österreich aufhalte, er über keine nennenswerten familiären bzw. privaten Bindungen verfüge und auch keine außergewöhnlichen Integrationsbemühungen vorgebracht habe.
Mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei auch gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung zulässig sei und diese positive Feststellung ergäbe sich daraus, dass bereits zur Aberkennung in Spruchpunkt I. dargelegt wurde, dass keine reale Gefahr der Verletzung von Art 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention, bestünde.
Mit Verfahrensanordnung vom 12.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß
§ 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zu Seite gestellt.
6. Gegen diesen, am 17.12.2018 durch Hinterlegung ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer vertreten durch seinen Rechtsberater mit Schriftsatz vom 08.01.2019 fristgerecht Beschwerde.
Darin wurde die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht. Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde ihre Feststellungen auf unvollständige Länderberichte gestützt habe. Aus diesen gehe vielmehr hervor, dass es zu keiner Verbesserung im Irak gekommen sei und es staatlichen Stellen nicht möglich sei, dass Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Mit einem Verweis auf die aktuelle UNHCR-Position zur Rückkehr in den Irak wurde weiters festgehalten, dass UNHCR die Staaten nachdrücklich aufgefordert habe, von einer zwangsweisen Rückführung von Irakern abzusehen, wenn die Betroffenen aus irakischen Gebieten stammen würden, die von militärischen Operationen betroffen oder ehemals von ISIS kontrolliert worden seien und nach der Rückeroberung weiterhin fragil und unsicher seien oder weiterhin unter der Kontrolle von ISIS stehen würden. Der Beschwerdeführer stamme aus XXXX , somit aus einem Gebiet, welches lange Zeit unter Kontrolle des IS gestanden sei.
Hinsichtlich der Beweiswürdigung der belangten Behörde wird moniert, dass sich diese mit der Zitierung von Länderberichten, ohne diese in einen Zusammenhang mit dem konkreten Sachverhalt zu stellen, beschränkt habe. Ferner hätte die belangte Behörde darauf verwiesen, dass sich die Sicherheitslage im Irak gegen Ende des Jahres 2017 und Anfang des Jahres 2018 stabilisiert habe; diese Ereignisse lägen jedoch vor der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung im Februar 2018 und sei daher in keinster Weise nachvollziehbar inwiefern sich die Situation seit der letzten Entscheidung der belangten Behörde geändert habe und führe diese die belangte Behörde im Bescheid auch nicht aus.
Mit Verweis auf die Judikatur wird zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit nochmals darauf hingewiesen, dass die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden dürfe. Ferner dürfe § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG nicht dazu dienen, dass die Asylbehörde in eine bereits rechtskräftig entschiedene Sache jederzeitig, systematisch oder willkürlich eingreifen dürfe.
Beantragt werde daher die Behebung des angefochtenen Bescheides zur Gänze und die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG weiterhin die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 16.02.2020 zukomme; in eventu die Behebung des angefochtenen Bescheides zur Gänze und die Zurückverweisung an die belangte Behörde zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung; in eventu die Rückkehrentscheidung zu beheben und festzustellen, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen sei. Ferner wurde noch der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gestellt.
7. Mit Bescheid des BFA vom 26.11.2019 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung neuerlich bis zum 16.02.2022 verlängert. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen bzw. dem Antrag des Beschwerdeführers das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden könne.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
1.1. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer heißt XXXX und ist am XXXX in XXXX im Irak geboren, wo er auch bis zu seiner Ausreise im Jahr 2014 aufhältig war. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, er gehört dem sunnitischen Glauben und der Volksgruppe der Araber an.
Der Beschwerdeführer hat im Irak die Schule besucht und war bis zu seiner Ausreise als Fahrer beschäftigt. Im Irak leben weiterhin seine Eltern, seine zwei Schwestern, ein Bruder sowie weitere Verwandte. Mit der Familie besteht regelmäßiger Kontakt.
In Österreich war der Beschwerdeführer in den letzten Jahren immer wieder kurzzeitig als Arbeiter beschäftigt. Er hat zuletzt im Jahr 2020 Leistungen aus der Grundversorgung bezogen.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner chronischen sowie schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung.
1.2. Der Beschwerdeführer ist spätestens am XXXX 2014 illegal nach Österreich eingereist und stellte an diesem Tage einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom 16.02.2017, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Asylstatus wurde hingegen abgewiesen. Eine gegen diese Abweisung gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.04.2017, Zl. L507 2150691-1/2E, als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid des BFA vom 27.02.2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung zum ersten Mal, bis zum 16.02.2020, verlängert. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen bzw. dem Antrag des Beschwerdeführers das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden könne.
Mit Bescheid des BFA vom 11.12.2018, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG vom Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die mit Bescheid vom 27.02.2018 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Mit Bescheid des BFA vom 26.11.2019 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung – trotz anhängigem Aberkennungsverfahrens – bis zum 16.02.2022 verlängert. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen bzw. dem Antrag des Beschwerdeführers das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden könne.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang und zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakt des BFA.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers konnte aufgrund der Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente, irakischer Reisepass und Personalausweis, festgestellt werden. Die Feststellungen zur Abstammung, zur Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf in diesen Punkten gleichbleibenden und glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers während des gesamten Verfahrens.
Feststellungen zur Einreise und zur Antragstellung auf internationalen Schutz sowie zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes und zum Aberkennungsverfahrens ergeben sich aus dem Akteninhalt. Die Feststellung zur neuerlichen Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung ergibt sich aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 26.11.2019.
Die Feststellungen zu den Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem entsprechenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem; die Feststellungen zur bisherigen Erwerbstätigkeit ergeben sich wiederum aus Einsichtnahme in das AJ-WEB.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.
der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.
die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben hat, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.
Gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG kann das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.
Gemäß § 28 Abs. 8 VwGVG tritt durch die Aufhebung der angefochtenen Weisung jener Rechtszustand ein, der vor der Erlassung der Weisung bestanden hat; infolge der Weisung aufgehobene Verordnungen treten jedoch dadurch nicht wieder in Kraft. Die Behörde ist verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
3.2. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht (1. Fall) oder nicht mehr (2. Fall) vorliegen. Dabei betrifft § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall Asyl jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153; 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). Gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 und 3 leg. cit. sind weitere Aberkennungsgründe, wenn der Fremde den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die belangte Behörde stützt sich in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides lediglich auf § 9 Abs. 1 AsylG, ohne explizit erkennen zu geben, auf welchen konkreten Aberkennungstatbestand sie Bezug nimmt. Aus der Begründung ergibt sich eindeutig, dass sich die belangte Behörde auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG stützt.
Die Heranziehung dieses Tatbestands setzt allerdings voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN).
Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich dabei auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0381, mwN).
Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (vgl. VwGH 30.4.2020, Ra 2019/19/0309).
3.2.1. Das BFA begründete in seiner Entscheidung die „maßgeblichen Änderungen“ wie folgt:
„Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erschließt sich, dass Ihre behaupteten Rückkehrbefürchtungen, in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht begründet sind. Sie haben in der Einvernahme vom 12.07.2018 oberflächlich angegeben, dass die allgemeine Lage im Irak schlecht ist und dass Sunniten u.a. aufgrund vom IS in Zukunft verfolgt werden könnten.
Aufgrund Ihrer religiösen Konfession (Sunnitentum) haben Sie im Irak keine Verfolgung zu befürchten. Mittlerweile hat sich auch die Sicherheitslage in Bagdad und in anderen Teilen des Iraks verbessert. Damit steht Ihnen eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Festgestellt werden kann, dass Sie selbst keine asylrelevante Verfolgung angegeben haben.“
In ihrer Beweiswürdigung hält die belangte Behörde unter anderem wie folgt fest:
„Die Sicherheitslage im Irak hat sich gegen Ende des Jahres 2017 und Anfang des Jahres 2018 stabilisiert, doch gibt ist es diesbezügliche große Unterschiede zwischen den Regionen.“
„Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte, sowie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen, als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften. Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer
Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und seit 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen.
Die belangte Behörde hat sich durchaus mit den Umständen im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und hat mehrere innerstaatlichen Fluchtalternativen geprüft, allerdings ist aus der Begründung des BFA ersichtlich, dass dieses von der unrichtigen Rechtsansicht ausging, die Änderung der Voraussetzungen im Sinn von § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG seien ausschließlich im Vergleich zu jenem Bescheid, mit dem dem Beschwerdeführer erstmals subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, zu beurteilen, während der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 27.02.2018 zu Unrecht keine Beachtung geschenkt wurde. Das ergibt sich bereits in Hinblick auf die beiden zuvor dargestellten Textpassagen. Die belangte Behörde spricht von einer verbesserten Sicherheitslage zum Jahreswechsel 2017/2018; diese wäre dann aber auch schon zum Zeitpunkt der Verlängerung, Ende Februar 2018 vorgelegen. Weiters wird die Sicherheitslage im, als innerstaatliche Fluchtalternative möglichen, Südirak seit 2014 als stabil eingestuft; auch dieser Umstand war daher entsprechend den Ausführungen des BFA bereits im Februar 2018 gegeben. Der Entscheidung gelingt es daher nicht darzulegen inwiefern sich die Situation seit ihrer letzten Entscheidung wesentlich und nachhaltig gebessert hätte.
Bezogen auf die Begründung der belangten Behörde im bekämpften Bescheid erweist sich schon die zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung, es sei in der vorliegenden Konstellation ausschließlich auf jene Entscheidung abzustellen, mit der dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten erteilt worden sei, aus den oben dargelegten Erwägungen als inhaltlich verfehlt (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).
3.3. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Zu den Voraussetzungen der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und damit auch ihrer Dauer ergibt sich somit (arg.: "im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen"), dass die Verlängerung auf Antrag des Betroffenen und nach Maßgabe des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den subsidiären Schutz zu erfolgen hat. Dies entspricht auch Art. 16 der Status-RL, wonach ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter ist, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist (Abs. 1 leg.cit.). Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Abs. 2 leg.cit.). Dieses Erforderlichkeitskalkül ist auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und der Bestimmung ihrer Dauer anzulegen (VwGH 31.03.2010, 2007/01/1216).
3.3.1. Gegenständlich hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 26.11.2019 erneut eine befristete Aufenthaltsberechtigung – trotz anhängigem Abrechnungsverfahren – bis zum 16.02.2022 erteilt. Dies begründet sie mit den Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in Verbindung mit seinem Vorbringen bzw. seinem Antrag. Die belangte Behörde selbst ist daher ein Jahr nach ihrer verfahrensgegenständlichen Entscheidung auf Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Erlassung einer Rückkehrentscheidung davon ausgegangen, dass sich die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers entweder „wieder“ oder „doch nicht“ geändert hat. Jedenfalls kann damit – bezogen auf Entscheidungszeitpunkt des bekämpften Bescheides – keine dauerhafte und nachhaltige Änderung bzw. Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat mehr argumentiert werden, vielmehr hat die Behörde zum Ausdruck gebracht, dass dem Beschwerdeführer als Zivilperson bei einer Rückkehr eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes nach wie vor drohen könnte. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, betont, bringt die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen durch die (im vorliegenden Fall mehrfach) getroffene Entscheidung, die befristete Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern, zum Ausdruck, dass sie davon ausgeht, es seien im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, mit der sie die Verlängerung bewilligt (damit zuletzt am 26.11.2019), weiterhin jene Umstände gegeben, die für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich seien.
3.4. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies Folgendes:
Die Voraussetzungen zur Aberkennung des subsidiären Schutzes gem. § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG liegen nicht vor, da – entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – eine maßgebliche Änderung unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) nur dann vorliegt, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (vgl. E 30.4.2020, Ra 2019/19/0309). Dadurch, dass die belangte Behörde mit Bescheid vom 26.11.2019 die befristete Aufenthaltsberechtigung bis 16.02.2022 verlängert hat, hat sie zum Ausdruck gebracht, dass der Beschwerdeführer nach wie vor Anspruch auf subsidiären Schutz hat.
Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheides in Form eines Erkenntnisses.
Es war daher der Beschwerde stattzugeben und der Bescheid zur Gänze zu beheben.
3.5. Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389 [GRC] entgegenstehen.
Da im vorliegenden Fall der Bescheid des BFA zu beheben war, konnte von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht weiters hervor, dass das erkennende Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgeht. Darüber hinaus wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Änderung maßgeblicher Umstände befristete Aufenthaltsberechtigung ersatzlose Behebung Rückkehrentscheidung behoben VerlängerungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L514.2150691.2.00Im RIS seit
03.01.2022Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022