Entscheidungsdatum
20.07.2021Norm
AsylG 2005 §8Spruch
L514 1429817-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die BBU GmbH - Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.04.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine irakische Staatsangehörige, sunnitische Muslima und der Volksgruppe der Araber angehörig, reiste am XXXX 2012 gemeinsam mit ihrem Ehegatten und den beiden minderjährigen Kindern illegal in Österreich ein und stellte am selben Tage einen Antrag auf internationalen Schutz. Zur Begründung ihres Antrags führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie erstmalig im Jahr 2008 den Irak verlassen habe, nachdem ihr Haus ohne Begründung enteignet worden sei. Sie habe in den Niederlanden subsidiären Schutz erhalten. Ende 2011 seien sie und ihre Familie von den niederländischen Behörden abgeschoben worden, da sich die Lage im Irak gebessert habe. Nunmehr habe sie den Irak verlassen, weil ihr Ehegatte Schiite und sie selbst Sunnitin sei; ihre Heimatgegend sei von Milizen beherrscht und in ihr Haus habe sie auch nicht zurückkehren können. Eigene Fluchtgründe habe sie allerdings nicht; sie beziehe sich auf das Vorbringen ihres Ehegatten.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (im Folgenden: BAA) vom 27.09.2012,
Zl. 12 06.365-BAG, wurde der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Allerdings wurde der Beschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 26.09.2013 erteilt (Spruchpunkte II. und III.).
Begründend wurde vom BAA ausgeführt, dass nicht festgestellt werden konnte, dass die Beschwerdeführerin im Irak einer individuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre oder ihr Herkunftsland aus wohlbegründeter Furcht verlassen habe. Gegenständlich liege ein Familienverfahren der Beschwerdeführerin, ihres Ehegatten sowie der beiden minderjährigen Kinder vor. Nachdem ihren Angehörigen subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei, werde auch der Beschwerdeführerin subsidiärer Schutz gewährt.
Gegen diesen, der Beschwerdeführerin ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob diese fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.10.2012, Zl. E5 429.817-1/2012-5E, wurde die Beschwerde gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.
3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 05.09.2013 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 26.09.2014 verlängert. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen bzw. dem Antrag der Beschwerdeführerin das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden könne.
Mit Bescheiden des BFA vom 05.09.2014, vom 19.09.2016 sowie vom 26.09.2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 4 AsylG jeweils um ein Jahr bzw. um zwei Jahre verlängert. Begründend wurde – sofern für das gegenständliche Verfahren relevant – ausgeführt, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen bzw. dem Antrag des Beschwerdeführers das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden könne. Gleichzeitig mit dem letzten Verlängerungsbescheid wurde die Beschwerdeführerin über die Möglichkeit des Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ in Kenntnis gesetzt.
4. Am 15.07.2020 stellte die Beschwerdeführerin erneut einen Antrag auf Verlängerung der subsidiären Schutzberechtigung gemäß § 8 AsylG.
In der Folge wurde die Beschwerdeführerin zur Überprüfung des subsidiären Schutzes am 12.03.2021 vor dem BFA einvernommen. Auf Nachfrage brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihren beiden Söhnen in XXXX lebe und als Reinigungskraft arbeite. Die Söhne gingen ins Gymnasium und seien sehr gut in der Schule. Der Ehegatte sei in Österreich am Herzen operiert worden, nunmehr aber gesund und arbeite als Produktionsmitarbeiter. Auf Vorhalt, dass dem Ehegatten und den Söhnen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten bereits aberkannt worden sei und diese nunmehr über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügen würden brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie zwar die Deutsch-Prüfung B1 beim ÖSD abgelegt habe, jedoch die Prüfung beim ÖIF bereits zweimal nicht bestanden habe. ÖSD-Kurse würden seit 2018 aber nicht mehr anerkannt werden und wäre ein Umstieg ins NAG daher nicht möglich.
Anschließend setzte das BFA die Beschwerdeführerin darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihr eine Rückkehr in den Irak aus heutiger Sicht zumutbar sei. Dazu wurden ihr Auszüge aus dem aktuellen Länderinformationsblatt vorgehalten und die Möglichkeit einer Stellungnahme angeboten; die Beschwerdeführerin verzichtete auf diese Möglichkeit und meinte, die Lage in Österreich interessiere sie mehr als die im Irak.
5. Mit gegenständlich in Beschwerde gezogenem Bescheid des BFA vom 14.04.2021, Zl. XXXX , wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlängerung ihrer befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 15.07.2020 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr der mit Bescheid vom 27.09.2012, Zl. 12 06.365-BAG, zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG vom Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt II.) und die mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 27.09.2012, Zl. 12 06.365-BAG, erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt III.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt und der Beschwerdeführerin gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG iVm § 55 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG erteilt (Spruchpunkt V.).
Begründend führte das BFA aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen würden. Im Asylverfahren habe die Beschwerdeführerin keine eigenen Gründe geltend gemacht, sondern sich lediglich auf jene ihres Ehegatten bezogen. Diesem sei mit rechtskräftigem Bescheid des BFA vom 26.11.2018, Zl. XXXX , der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt und die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen worden. Zum heutigen Zeitpunkt bestünde für die Beschwerdeführerin als gesunde und arbeitsfähige Frau die Möglichkeit einer Rückkehr in ihr Heimatland Irak gemeinsam mit ihrer Familie. Sie habe sich in Österreich Kenntnisse aneignen können, welche ihr bei ihrer Rückkehr von Vorteil sein könnten. Die Hauptstadt XXXX sei über den Luftweg gut und zudem sicher und legal erreichbar. Aufgrund der aktuellen Länderinformationen zum Irak könne aktuell nicht festgestellt werden, dass die Sicherheitslage für Angehörige der Schiiten – der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei Schiit – dermaßen prekär sei, dass die Beschwerdeführerin in der Stadt XXXX einer individuellen Bedrohung im Fall ihrer Rückkehr ausgesetzt wäre. Die Beschwerdeführerin und ihre Familie würden zudem über Angehörige in XXXX verfügen. Weiters könne nicht festgestellt werden, dass ihr im Fall ihrer Rückkehr in den Irak in die Heimatstadt XXXX ein Eingriff in ihr körperliche Unversehrtheit drohen würde. Darüber hinaus könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr eine Gefährdung durch die Polizei, staatliche Organe oder den Behörden drohe oder eine wie auch immer geartete, sonstige besondere Gefährdung ihrer Person. Auch könne weder eine wirtschaftliche noch eine finanziell ausweglose Lage im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin sei daher durch eine Rückkehr in den Irak keiner realen Gefahr mehr ausgesetzt, die eine Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde. Ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohe im Herkunftsstaat aufgrund der COVID-19-Pandemie ebenfalls nicht.
Ferner wurde festgestellt, dass im gegenständlichen Verfahren nicht über die Rückkehrentscheidung aus dem österreichischen Bundesgebiet entschieden worden sei, zumal der Beschwerdeführerin mit dem vorliegenden Bescheid auch ein Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt worden sei.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiären Schutz lägen nicht mehr vor, da dem Ehegatten der Beschwerdeführerin aufgrund der geänderten Lage im Herkunftsland der Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig aberkannt worden sei. Da die Beschwerdeführerin selbst zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens eigene Gründe geäußert, sondern sich lediglich auf die Gründe ihrer Bezugsperson, sprich ihres Ehegatten bezogen habe, sei der subsidiäre Schutz abzuerkennen gewesen. Auf die Frage nach einer Rückkehrgefährdung habe die Beschwerdeführerin das Fluchtvorbringen ihres Ehegatten wiederholt und auf die allgemein schlechte Lage im Irak verwiesen. Die Fluchtgründe des Ehegatten seien sowohl vom BFA, als auch vom Bundesverwaltungsgericht als unglaubwürdig erachtet worden. Die Sicherheitslage im Irak habe sich in den letzten Jahren deutlich verbessert.
Da die Umstände, die zur Zuerkennung geführt hätten, weggefallen seien und der Bezugsperson der Beschwerdeführerin der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits aberkannt worden sei, war auch ihr selbst der Status der subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen.
Mit Verfahrensanordnung vom 19.04.2021 wurde der Beschwerdeführerin gemäß
§ 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zu Seite gestellt.
6. Gegen diesen, am 21.04.2021 durch Hinterlegung ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin vertreten durch ihren Rechtsberater mit Schriftsatz vom 07.05.2021 fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkte I. bis III. des bekämpften Bescheides.
Darin wurde die inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren mangelhaft geführt habe, so sei die Prüfung, ob die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, genauso falsch wie die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ihren Status einer subsidiär Schutzberechtigten lediglich von ihrem Ehegatten abgeleitet und damit nicht originär zuerkannt bekommen habe. Selbst wenn der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens abzuerkennen wäre, so hätte die belangte Behörde die Rückkehrsituation der Beschwerdeführerin neuerlich zu überprüfen gehabt. Derartige Ermittlungen habe die Behörde nicht ausreichend geführt. Mit Verweis und teilweiser Zitierung der Länderberichte wird weiters moniert, dass die behauptete nachhaltige und massive Verbesserung der aktuellen Sicherheitslage seit der letzten Verlängerung am 26.09.2018 gerade nicht eingetreten sei.
Ferner wird moniert, dass die belangte Behörde in ihrem Bescheid nicht explizit konkretisiert habe, welcher Fall des § 9 Abs. Z 1 AsylG zur Anwendung gekommen sei und leide der Bescheid daher auch an einer Verletzung der Begründungspflicht.
Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung wird mit Verweis auf den Verfassungsgerichtshof festgehalten, dass im Hinblick auf Begründungsanforderungen in Aberkennungsbescheiden als Grundsatz gelte, dass ein rechtskräftig entschiedener Sachverhalt nicht grundlos neuerlich untersucht und anders entschieden werden dürfe. Um den grundlegenden Begründungsanforderungen gerecht zu werden, hätte das BFA darzulegen gehabt, inwiefern sich die Situation der Beschwerdeführerin bezogen auf die Gründe, die am 27.09.2012 zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. zuletzt am 26.09.2018 zur Verlängerung gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 geführt haben, konkret geändert hätten. Dabei ginge es um eine wesentliche und dauerhafte Änderung der Umstände, die regelmäßig nicht alleine auf dem Eintritt eines Ereignisses gründen. Lediglich eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts vermag die Aberkennung eines rechtkräftig zuerkannten subsidiären Schutzes nicht zu rechtfertigen. Tatsächlich habe sich die persönliche Situation der Beschwerdeführerin, abgesehen von der Aberkennung des subsidiären Schutzes ihrer in Österreich lebenden Familienangehörigen und ihrer Integrationsverfestigung in Österreich, nicht verändert. Der Beschwerdeführerin drohe im Falle ihrer Rückkehr jedenfalls eine Verletzung ihrer in Art. 2 und 3 EMRK garantierten Rechte. Zusammenfassend sei es daher weder zu einer (wesentlichen) Verbesserung der Situation im Herkunftsstaat noch zu einer Änderung der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin gekommen, welche die Aberkennung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.
Beantragt werde daher die Behebung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. und die Feststellung, dass die Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten zu Unrecht erfolgt sei; in eventu dem Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung zu entsprechen und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für weitere zwei Jahre auszustellen; in eventu die Behebung des angefochtenen Bescheides zur Gänze und die Zurückverweisung an die belangte Behörde zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung. Ferner wurde noch der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gestellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
1.1. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Die Beschwerdeführerin heißt XXXX und ist am XXXX in XXXX im Irak geboren, wo sie auch bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2012 gemeinsam mit ihrem Ehegatten und den beiden Söhnen aufhältig war. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige des Irak, sie gehört dem sunnitischen Glauben und der Volksgruppe der Araber an.
Der Beschwerdeführerin hat im Irak die Schule besucht und Biologie studiert. Sie ist seit dem Jahr 2006 mit XXXX verheiratet, gemeinsam haben sie die Söhne XXXX und XXXX . Bis auf einen Bruder, leben ihre Angehörigen im Irak. Mit den Eltern, der Schwester und dem Irak lebenden Bruder besteht regelmäßiger Kontakt; die Beschwerdeführerin hat ihre Verwandten seit neun Jahren nicht mehr gesehen.
In Österreich lebt die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihren beiden Söhnen in einer Mietwohnung. Die Beschwerdeführerin ist als Reinigungskraft beschäftigt. Sie hat zum letzten Mal im Jahr 2017 Leistungen aus der Grundversorgung bezogen. Ihre Söhne gehen ins Gymnasium. Der Ehegatte ist als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Die Beschwerdeführerin hat in Österreich einen Werte- und Integrationskurs absolviert und Deutschkurse besucht. Zuletzt hat sie beim ÖIF die Deutschprüfung Niveau B1 bestanden. Die Beschwerdeführerin und ihre Familie haben sich in Österreich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut.
Die Beschwerdeführerin leidet an keiner chronischen sowie schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung.
Dem Ehegatten der Beschwerdeführerin, XXXX , geb. XXXX (IFA: XXXX ) wurde mit Bescheid vom 26.11.2018 der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt; auch den beiden Söhne XXXX , XXXX (IFA: XXXX ), und XXXX , geb. XXXX (IFA: XXXX ) wurde dieser Status aberkannt. Der Ehegatte verfügt seit 04.07.2018, die beiden Söhne je seit 05.09.2018, über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“.
1.2. Die Beschwerdeführerin ist gemeinsam mit ihrem Ehegatten und den beiden Söhnen am XXXX 2012 illegal nach Österreich eingereist und stellte an diesem Tage einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BAA vom 27.09.2012, Zl. 12 06.365-BAG, wurde der Beschwerdeführerin subsidiärer Schutz im Rahmen des Familienverfahrens zuerkannt, wobei sie ihr Recht als Angehörige des XXXX ableitete. Der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Asylstatus wurde abgewiesen. Eine gegen diese Abweisung gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.10.2012, Zl. E5 429.817-1/2012-5E, als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid des BFA vom 05.09.2013 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung vom 27.09.2012 zum ersten Mal um ein Jahr, bis zum 26.09.2014 verlängert. Mit Bescheiden vom 05.09.2014, 19.09.2016 und 26.09.2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 4 AsylG jeweils für zwei Jahre, letztmalig bis zum 26.09.2020, verlängert. Begründet wurde dies jeweils damit, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen bzw. dem Antrag der Beschwerdeführerin das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden könne.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang und zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakt des BFA.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Identität der Beschwerdeführerin konnte aufgrund der Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente – irakischer Personalausweis und Staatsbürgerschaftsnachweis – festgestellt werden. Die Feststellungen zur Abstammung, zur Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen der Beschwerdeführerin gründen sich auf in diesen Punkten gleichbleibenden und glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin während des gesamten Verfahrens.
Feststellungen zur Einreise und zur Antragstellung auf internationalen Schutz sowie zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes und zum Aberkennungsverfahrens ergeben sich aus dem Akteninhalt. Die Feststellung zur neuerlichen Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung ergibt sich aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 26.09.2018.
Die Feststellungen zum Aberkennungsverfahren und zum Aufenthaltstitel des Ehegatten und der beiden Söhne der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Akteninhalt und durch Einsichtnahme in das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister sowie die Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 31.12.2012, Zl. E5 429.816-1/2011-7E, hinsichtlich des Ehegatten der Beschwerdeführerin.
Die Feststellungen zu den Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem entsprechenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem; die Feststellungen zur bisherigen Erwerbstätigkeit ergeben sich aus dem dahingehend glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdeführerin und der im Verfahren vor der belangten Behörde in Vorlage gebrachten Urkunden.
Zuletzt hat die Beschwerdeführerin im Verfahren ein Zeugnis über die bestandene Sprachniveauprüfung B1 beim ÖIF vom 07.05.2021 in Vorlage gebracht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.
der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.
die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben hat, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.
Gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG kann das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.
Gemäß § 28 Abs. 8 VwGVG tritt durch die Aufhebung der angefochtenen Weisung jener Rechtszustand ein, der vor der Erlassung der Weisung bestanden hat; infolge der Weisung aufgehobene Verordnungen treten jedoch dadurch nicht wieder in Kraft. Die Behörde ist verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
3.2. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht (1. Fall) oder nicht mehr (2. Fall) vorliegen. Dabei betrifft § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall Asyl jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153; 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). Gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 und 3 leg. cit. sind weitere Aberkennungsgründe, wenn der Fremde den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die belangte Behörde stützt sich in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides lediglich auf § 9 Abs. 1 Z. 1 AsylG, ohne explizit erkennen zu geben, auf welchen konkreten Aberkennungstatbestand sie Bezug nimmt. Aus der Begründung ergibt sich eindeutig, dass sich die belangte Behörde auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG stützt.
Die Heranziehung dieses Tatbestands setzt allerdings voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN).
Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich dabei auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0381, mwN).
Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (vgl. VwGH 30.4.2020, Ra 2019/19/0309).
3.2.1. Das BFA begründete in seiner Entscheidung die „maßgeblichen Änderungen“ wie folgt:
„Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten liegen nicht mehr vor.
Sie haben im Asylverfahren keine eigenen Gründe geltend gemacht, sondern bezogen sich lediglich auf jene Ihres Ehemannes, Herrn XXXX . Diesem wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.11.2018, IFA: XXXX , der Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 9, Absatz 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt und die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen. Diese
Entscheidung ist mit 28.12.2018 in Rechtskraft erwachsen.
Zum heutigen Zeitpunkt besteht für Sie als gesunde und arbeitsfähige Frau die Möglichkeit einer Rückkehr in Ihr Heimatland Irak gemeinsam mit Ihrer Familie. Sie haben sich in Österreich Kenntnisse aneignen können, welche Ihnen bei Ihrer Rückkehr von Vorteil sein können.
Auch ist die Hauptstadt XXXX aufgrund des vorhandenen Flughafens eine über den Luftweg gut erreichbare Stadt.
Aufgrund der aktuellen Länderinformationen zum Irak kann aktuell nicht festgestellt werden, dass die Sicherheitslage für Angehörige der Schiiten – Ihr Ehemann ist Schiit - dermaßen prekär wäre, dass Sie in der Stadt XXXX einer individuellen Bedrohung im Fall Ihrer Rückkehr ausgesetzt wären.
Sie und Ihre Familie verfügen über Angehörige in XXXX .
Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass Ihnen im Fall Ihrer Rückkehr in den Irak in Ihre Heimatstadt XXXX ein Eingriff in Ihre körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Festgestellt wird, dass eine sichere und legale Erreichbarkeit in Ihre Heimatstadt XXXX gegeben ist.
Darüber hinaus konnte nicht festgestellt werden, dass Ihnen bei Ihrer Rückkehr eine Gefährdung durch die Polizei, staatliche Organe oder den Behörden droht. Weiters kann keine wie auch immer geartete, sonstige besondere Gefährdung Ihrer Person bei einer Rückkehr in den Irak festgestellt werden. Auch konnte weder eine wirtschaftlich noch eine finanzielle ausweglose Lage im Falle Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland festgestellt werden.
Sie sind durch eine Rückkehr in den Irak keiner realen Gefahr mehr ausgesetzt, die eine Verletzung von Art 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würden.
Sie sind gesund und arbeitsfähig.
Ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK droht Ihnen in Ihrem Herkunftsstaat auch aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht.
Ferner wird festgestellt, dass im gegenständlichen Verfahren nicht über die Rückkehrentscheidung aus dem österreichischen Bundesgebiet entschieden wird, zumal Ihnen mit dem vorliegenden Bescheid auch ein Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt wird.“
In ihrer Beweiswürdigung hält die belangte Behörde unter anderem wie folgt fest:
„Da Sie selbst zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens eigenen Gründe geäußert haben, sondern sich lediglich auf die Gründe Ihres Ehemannes bezogen, war auch Ihnen, nachdem auch die Gründe Ihrer Bezugsperson nunmehr weggefallen sind, der subsidiäre Schutz abzuerkennen.
Auf die Frage nach einer Rückkehrgefährdung wiederholten Sie das Fluchtvorbringen Ihres Ehemannes und bezogen sich auf die allgemein schlechte Lage im Irak. Dazu ist anzumerken, dass die Fluchtgründe Ihres Ehemannes sowohl vom Bundesasylamt, als auch vom BVwG als unglaubwürdig erachtet wurden. Entgegen Ihren Behauptungen vor dem BFA ist festzuhalten, dass sich auch die Sicherheitslage im Irak in den letzten Jahren deutlich verbessert hat.“
„Laut der Grafik und der Tabelle mit den Zahlen der zivilen Opfer lässt sich in den Jahren seit 2018 bis inklusive 2020 ein signifikanter Rückgang der Zahlen an zivilen Opfern feststellen. Wenn Ihnen auch subsidiärer Schutz lediglich im Familienverfahren zuerkannt wurde, so wird ergänzend angeführt, dass diese Zahlen auch wesentlich niedriger sind, als die Zahlen, die zum Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiären Schutz an Sie und Ihre Familie im September 2012 bzw. auch zum Zeitpunkt der letzten Zuerkennung von Subschutz an Sie im September 2018 dokumentiert wurden.“
„Sie haben während Ihres Aufenthalts im Bundesgebiet vieles gelernt und konnten sich in Österreich auch Kenntnisse aneignen, die Ihnen in der Heimat von Nutzen sein können. Daher hat sich auch Ihre persönliche Lage geändert und verbessert. Außerdem konnte Ihre Familie auch einen großen Betrag für Ihre Schleppung aufbringen. Es ist daher davon auszugehen, dass Sie auch vor Ihrer Ausreise aus dem Irak gut versorgt waren.
Die Behörde sieht daher keinen Grund, warum gerade Sie nicht dorthin zurückkehren können. Sie sprechen die Landessprache, sind mit den kulturellen Gepflogenheiten Ihres Herkunftsstaates vertraut und haben die Möglichkeit, sich wieder im Herkunftsland anzusiedeln. Ihnen steht es zudem auch frei, Rückkehrhilfe als Startkapital für die Fortsetzung Ihres bisherigen Lebens in der Heimat in Anspruch zu nehmen, wodurch Sie Unterstützung für die Existenzgründung bei einer Rückkehr erlangen können. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zuhause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen.“
„Da sich die Lage in Ihrer Heimat im Gegensatz zu jener bei Zuerkennung maßgeblich verändert hat und sich auch Ihre persönliche Lage durch den Erwerb von Kenntnissen im Bundesgebiet seit Zuerkennung verbessert hat, ist Ihnen die Rückkehr in Ihre Heimatstadt XXXX zuzumuten.“
„In einer Gesamtbetrachtung ist Ihnen zum heutigen Zeitpunkt eine Rückkehr in Ihr Heimatland zumutbar und würden bei einer Rückkehr in keine ausweglose Situation gelangen. Sie sind durch eine Rückkehr in den Irak keiner realen Gefahr ausgesetzt, die eine Verletzung von Art 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würden.
Da die Umstände, die zur Zuerkennung geführt haben, weggefallen sind – Ihrer Bezugsperson wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits aberkannt, war auch Ihnen der Status der subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen.“
3.2.2. Das BFA hat sich grundsätzlich mit den Umständen im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt. Allerdings ist aus der Begründung des BFA ersichtlich, dass dieses von der unrichtigen Rechtsansicht ausging, die Änderung der Voraussetzungen im Sinn von § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG seien ausschließlich im Vergleich zu jenem Bescheid, mit dem der Beschwerdeführerin erstmals subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, zu beurteilen, während der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung mit Bescheiden vom 05.09.2013, 05.09.2014, 19.09.2016 und 26.09.2018 zu Unrecht keine Beachtung geschenkt wurde. Daran ändert auch der Nebensatz in der Beweiswürdigung „bzw. auch zum Zeitpunkt der letzten Zuerkennung von Subschutz an Sie im September 2018“ nichts, da sich dieser lediglich auf die Sicherheitslage bzw. auf die Zahl der zivilen Opfer im Irak bezieht. Selbst in diesem Punkt ist die Begründung der Behörde aber nicht vollständig, da es gerade an Zahlen für das gesamte Jahr 2020 mangelt und ergeben sich aus den Grafiken für 2018 wiederum kaum Unterschiede zur Lage im Jahr 2012.
Rein aus dieser Begründung erweist sich schon die zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung, es sei in der vorliegenden Konstellation ausschließlich auf jene Entscheidung abzustellen, mit der der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt bzw. erstmals eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte erteilt worden sei, aus den oben dargelegten Erwägungen als inhaltlich verfehlt (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung auch ausgesprochen, dass bei einer Beurteilung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen sind, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153).
Im vorliegenden Fall wurde vom BFA nicht dargetan, dass seit der letzten Verlängerung maßgebliche Umstände hinzugetreten wären, die unter Berücksichtigung der davor eingetretenen Umstände eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen würden. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Ermittlungspflichten der Behörde bei Prüfung eines Antrages auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht überspannt werden dürfen, allerdings kann aus der vorliegenden Begründung des Bescheides der belangten Behörde vom 26.09.2018,
überhaupt kein Vergleichsmaßstab erkannt werden. Es heißt darin lediglich „aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage in Ihrem Herkunftsstaat in Verbindung mit Ihrem Vorbringen bzw. Ihrem Antrag konnte das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden“. Welche Umstände über die allgemeine Lage im Irak zum damaligen Entscheidungszeitpunkt zugrunde gelegt wurden erschließt sich allerdings nicht.
Zu den Umständen die in der Person der Beschwerdeführerin liegen hat die belangte Behörde zwar Feststellungen getroffen, allerdings ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine verfahrensrelevante Änderung der Lage eingetreten. Wenn auf familiäre Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführerin im Irak verwiesen wird, so haben diese sowohl zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, als auch zum Zeitpunkt der Aberkennung des Schutzstatus faktisch gleichermaßen bestanden, realita haben sich diese durch den langjährigen Aufenthalt in Österreich eher abgeschwächt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich auf ein tragfähiges Netzwerk im Irak zurückgreifen könnte, sind nicht erkennbar, vielmehr befindet sich das tragfähige Netzwerk der Beschwerdeführerin in Österreich. Ihr Ehegatte und die beiden Söhne, ihre Kernfamilie, verfügen nämlich seit 2018 über einen unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“. Auch hinsichtlich der Berufserfahrung und der „in Österreich erworbenen Kenntnisse“ kann keine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts erkannt werden.
3.3. Gegenständlich liegt noch die Besonderheit vor, dass die Beschwerdeführerin den Status der subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren erhalten hat und diese Zuerkennung lediglich an die Familienangehörigeneigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG und gerade nicht an die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG anknüpft. Die Aberkennungstatbestände des § 9 AsylG gehen aber von einem originär erteilten Status des subsidiär Schutzberechtigten aus.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist Zweck der Regelungen über das Familienverfahren nach dem AsylG 2005, Familienangehörigen die Fortsetzung des Familienlebens mit einer Bezugsperson in Österreich zu ermöglichen. Bestehen jene Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr, und kann es die Bezugsperson daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz ihres Heimatstaates zu stellen, besteht weder nach dem Zweck des internationalen Flüchtlingsschutzes noch nach jenem des Familienverfahrens nach dem AsylG 2005 eine Rechtfertigung dafür, den Asylstatus des Familienangehörigen, der diesen Status von der Bezugsperson nur abgeleitet hat, aufrecht zu erhalten (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0059 zu § 7 AsylG).
In Bezug auf den subsidiären Schutz gilt grundsätzlich nichts Anderes. Da § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG vorsieht, dass subsidiärer Schutz abzuerkennen ist, wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG nicht oder nicht mehr vorliegen, kann dieser Aberkennungstatbestand herangezogen werden, sofern die Voraussetzungen für die Bezugsperson und alle Familienangehörigen nicht (mehr) gegeben sind (vgl. Nedwed, Familienverfahren - Schutz des Einzelnen oder des Kollektivs, in Filzwieser/Taucher, Asyl- und Fremdenrecht. Jahrbuch 2019 (2019), 207, 232). Spätestens im Fall der Aberkennung des Schutzstatus der Bezugsperson oder im Fall des Wegfalles der Familienangehörigeneigenschaft (zB durch Scheidung) ist eine "originäre" Prüfung eigener Zuerkennungsgründe vorzunehmen.
Das Bundesasylamt stützte die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten beim Ehegatten der Beschwerdeführerin (Bezugsperson) maßgeblich auf die „allgemein schwierige Sicherheitslage im Irak“. Am 26.11.2018 wurden der Bezugsperson, wie auch in Folge den beiden minderjährigen Söhnen der Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund Lageänderung aberkannt. Mit Bescheid vom 26.09.2018 – also lediglich zwei Monate davor - wurde der Beschwerdeführerin neuerlich eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Durch die Entscheidung, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, brachte die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen aber zum Ausdruck, dass sie davon ausging, es seien im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, mit der sie die Verlängerung bewilligt, weiterhin jene Umstände gegeben, die für Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich seien (VwGH in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Ra 2020/20/0413, 03.02.2021). Konkret hat sich die Behörde vor allem auf die Sicherheitslage bezogen und verwundert es, wie sich die allgemeine Sicherheitslage binnen zwei Monaten derartig nachhaltig verbessert haben soll, dass der Bezugsperson der Beschwerdeführerin der subsidiäre Schutz aberkannt wurde, der Beschwerdeführerin selbst aber nicht.
Das erkennende Gericht ist sich über die sich rasch ändernden Verhältnisse im Irak sehr wohl bewusst, gerade bei einer Aberkennung gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 2. Fall AsylG geht es aber doch beweiswürdigend darum festzustellen, dass sich die Umstände derart maßgeblich und nachhaltig gebessert hätten, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr Gefahr läuft, im Falle einer Rückführung einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Der Aberkennung des Schutzstatus steht daher im Ergebnis auch die Rechtskraft des zuletzt mit Verlängerungsbescheid vom 26.09.2018 angenommenen Sachverhalts entgegen bzw. steht er im Widerspruch zur Aberkennung des Schutzstatus der Bezugsperson.
3.4. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies Folgendes:
Die Voraussetzungen zur Aberkennung des subsidiären Schutzes gem. § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG liegen nicht vor, da – entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – eine maßgebliche Änderung unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) nur dann vorliegt, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (vgl. E 30.4.2020, Ra 2019/19/0309).
Die belangte Behörde vermochte es im konkreten Fall, wie oben dargestellt, nicht, diese maßgebliche Änderung der Umstände aufzuzeigen, vielmehr steht ihre Entscheidung in Widerspruch zum letzten Verlängerungsbescheid vom 26.09.2018 bzw. der Aberkennung des Schutzstatus der Bezugsperson vom 26.11.2018.
Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheides in Form eines Erkenntnisses.
Es war daher der Beschwerde stattzugeben und der Bescheid zur Gänze zu beheben.
3.5. Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389 [GRC] entgegenstehen.
Da im vorliegenden Fall der Bescheid des BFA zu beheben war, konnte von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht weiters hervor, dass das erkennende Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgeht. Darüber hinaus wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Änderung maßgeblicher Umstände ersatzlose Behebung Familienverfahren VergleichsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L514.1429817.2.00Im RIS seit
03.01.2022Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022