Entscheidungsdatum
05.08.2021Norm
BDG 1979 §118 Abs1 Z2Spruch
W116 2228641-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch RA Mag. Michael RAFFASEDER, gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz vom 02.12.2019, Zl 104 Ds 8/17b, betreffend die Verhängung der Disziplinarstrafe Geldbuße nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.07.2021 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG stattgegeben, der beschwerdegegenständliche Bescheid behoben und der Beschwerdeführer von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe am 11.3.2017 im Zuge einer Amtshandlung (Absonderung) im Forensischen Zentrum XXXX die gemäß § 21 Abs. 2 StGB untergebrachte XXXX am Körper misshandelt, indem er der Genannten einen Schlag in das Gesicht versetzte, gemäß §§ 118 Abs. 1 Z 2 und 126 Abs. 2 BDG 1979 im Zweifel freigesprochen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer steht als Justizwachebeamter der Verwendungsgruppe E 2a, Funktionsgruppe 2, Gehaltsstufe 15, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und hat in der Justizanstalt XXXX einen Arbeitsplatz als „Betriebsleiter Betrieb Kunst“ inne. Seitens der Anstaltsleitung der Justizanstalt Linz wird er auch zu Nachtdiensten im Forensischen Zentrum XXXX eingeteilt.
2. Mit beschwerdegegenständlichem Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz (DK) vom 02.12.2019 wurde der Beschwerdeführer nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung schuldig gesprochen, (im Original, anonymisiert)
„er hat am 11.3.2017 im Zuge einer Amtshandlung (Absonderung) im Forensischen Zentrum A die gemäß § 21 Abs. 2 StGB untergebrachte XXXX (in der Folge F) am Körper misshandelt, indem er der Genannten einen Schlag in das Gesicht versetzte.
(Der Beschwerdeführer) hat hiedurch gegen seine Dienstpflichten, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§43 Abs. 1 BDG 1979) und in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§43 Abs. 2 BDG 1979), schuldhaft verstoßen und damit Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen.
Über (den Beschwerdeführer) wird hiefür gemäß § 126 Abs 2 BDG 1979 iVm § 92 Abs 1 Z 2 BDG 1979 unter Anwendung des § 93 Abs. 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von EUR 800,-- (Euro achthundert) verhängt. Gemäß § 117 Abs 2 BDG 1979 hat (der Beschwerdeführer) einen Teil der Kosten des Verfahrens in Höhe von EUR 200,- zu ersetzen.“
In der Begründung hat die DK folgenden Sachverhalt festgestellt (im Original, anonymisiert):
„Am 11.3.2017 versah (der Beschwerdeführer) Nachtdienst im Forensischen Zentrum A. Gegen 18.15 Uhr wurde im Obergeschoß (Wohnbereich 2) Alarm ausgelöst, woraufhin sich (der Beschwerdeführer) mit RI XXXX (in der Folge K) und einem weiteren Justizwachebeamten in den betreffenden Bereich begab. Die gemäß § 21 Abs. 2 StGB Untergebrachte F war mit einer anderen Untergebrachten in Streit geraten, in dessen Verlauf sich beide Frauen lautstark anschrien.
F wurde vom Disziplinarbeschuldigten, K und dem weiteren Justizwachebeamten in eine besonders gesicherte Zelle gebracht, wo sie um sich schlug und trat und ihren Kopf gegen die Wand schlug. Aus diesen Gründen wurden ihr am Rücken Handfesseln angelegt. (Der Beschwerdeführer) führte sodann mit der auf dem Bett sitzenden F ein Gespräch, um beruhigend auf sie einzuwirken. Dabei versetzte der Disziplinarbeschuldigte der F unvermittelt und ohne erkennbaren äußeren Anlass mit der flachen Hand einen leichten Schlag ins Gesicht. Zu diesem Zeitpunkt schlug F weder ihren Kopf gegen die Wand noch setzte sie Angriffshandlungen gegen (den Beschwerdeführer). Es ist aber nicht auszuschließen, dass F den Disziplinarbeschuldigten beschimpfte und allenfalls auch anspuckte. Bei dem Schlag handelte sich nicht um einen Griff des Disziplinarbeschuldigten an den Hinterkopf der F, um diese davon abzuhalten, ihren Kopf gegen die Wand zu schlagen. Eine körperliche Verletzung oder Schmerzen der F wurden durch diesen Schlag nicht verursacht. Schließlich nahm F ihre Bedarfsmedikation ein und ging in ihr Zimmer.
Das gegen (den Beschwerdeführer) wegen des Verdachts der Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung und wegen Quälens oder Vernachlässigens eines Gefangenen nach §§ 83, 313, 312 StGB zu 4 St 141/17m geführte Ermittlungsverfahren wurde seitens der Staatsanwaltschaft Steyr gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt, weil eine Tatbegehung durch den Beschuldigten nicht nachgewiesen werden konnte (Benachrichtigung vom 20.7.2017 ON 1 AS 15).
Nach dem von der Oberstaatsanwaltschaft Linz der Dienstbehörde übermittelten Bericht der Staatsanwaltschaft Steyr über die Enderledigung der Strafsache gegen (den Beschwerdeführer) wegen §§83, 313; 312 StGB erfolgte die Einstellung des Strafverfahrens, weil eine für die Tatbestände des § 83 Abs 1 und Abs 2 StGB bzw §312 StGB erforderliche Verletzung am Körper oder Schädigung der Gesundheit bzw körperliche und/oder seelische Qualen nicht nachweisbar verursacht wurden und der Schlag durch (den Beschwerdeführer) daher allenfalls unter den Tatbestand des Privatanklagedeliktes der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB zu subsumieren wäre (ON 1 AS 3).
Mit Schreiben vom 18.11.2019 kündigte der Landeshauptmann von Oberösterreich die Überreichung einer Dank- und Anerkennungsurkunde verbunden mit einer Geldbelohnung an (der Beschwerdeführer) für dessen sehr wesentlichen Beitrag zu einer Brandbekämpfung am 14.6.2019 in der Justizanstalt XXXX und zur Rettung vieler Menschenleben durch sein rasches und zielsicheres Handeln an (in der Verhandlung vorgelegtes Schreiben vom 18.11.2019 samt Anlage).“
Zur Beweiswürdigung wurde ausgeführt (im Original, anonymisiert):
(Der Beschwerdeführer) bestritt den Vorwurf. Er gab im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren an, dass er aufgrund eines Alarms zur betreffenden Abteilung gelaufen sei. Dort habe er eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen F und einer weiteren untergebrachten Person wahrgenommen und sei vom Pflegepersonal aufgefordert worden, die Untergebrachte F zu isolieren. Dagegen habe sich diese mit massiver Körperkraft gewehrt und sei daher in der Isolierzelle mit Handfesseln am Rücken geschlossen worden. Dennoch habe F weiter mit den Füßen gegen ihn getreten und zudem ihren Kopf gegen die Wand geschlagen, wodurch sie sich selbst gefährdet habe. Glaublich habe sie ihn auch angespuckt. Da F durch Zureden nicht davon abzubringen gewesen sei, mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen, habe er mit einer Hand zu ihrem Hinterkopf gelangt, um weitere Kopfstöße hintanzuhalten. Dabei sei es zu einer Berührung zwischen seiner Hand und dem Kopf der F gekommen, keinesfalls jedoch zu einer „Watsche“. F habe sich in weiterer Folge beruhigen lassen. Erst etwa 6 Wochen später sei erstmals eine Meldung über sein angebliches Fehlverhalten erstattet worden. Er gehe davon aus, korrekt gehandelt und keine Misshandlung oder dergleichen begangen zu haben. Der Griff an den Hinterkopf sei das gelindeste Mittel gewesen, bei einer Ohrfeige handle es sich um kein gelinderes Mittel.
Die Zeuginnen XXXX (in der Folge N) - deren niederschriftliche Einvernahme in der Disziplinarverhandlung mit Einverständnis des Disziplinaranwaltes, des Disziplinarbeschuldigten und seines Verteidigers verlesen wurde - sowie XXXX (in der Folge M) und XXXX (in der Folge V) führten in ihren Amtsvermerken und in den niederschriftlichen Aussagen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren übereinstimmend an, sie hätten am 11.3.2017 nach Auslösung des Alarms und Vergewisserung, dass Justizwachebeamte bereits vor Ort seien, auf ihrem Stützpunkt über die Übertragung der Bilder der Überwachungskamera des überwachten Haftraumes gesehen, dass ein Beamter vor der auf dem Bett sitzenden F gestanden, ein Gespräch mit ihr geführt und ihr plötzlich einen Schlag ins Gesicht versetzt habe.
In der Verhandlung bestätigten die Zeuginnen M und V die Richtigkeit ihrer niederschriftlichen Aussagen. Sie schilderten den Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht der F wie aus einem Affekt heraus versetzten Schlag durch (den Beschwerdeführer), wobei F in dieser Situation ruhig am Bett gesessen und ihren Kopf auch nicht gegen die Wand geschlagen habe. Beide Zeuginnen beschrieben den Schlag als außergewöhnlich (ZV M) bzw. schockierend (ZV V).
Der Zeuge XXXX (in der Folge B) schilderte, er habe seine Arbeit verrichtet und ab und zu auf den Überwachungsbildschirm geschaut. Dabei habe er wahrgenommen, dass (der Beschwerdeführer) der F mit der rechten Hand eine Ohrfeige versetzt habe. Er habe nicht gesehen, dass F mit dem Kopf geschlagen oder mit den Füßen getreten habe. Zudem habe es nicht so ausgesehen, dass der Disziplinarbeschuldigte die Untergebrachte F nur hinten am Kopf gehalten habe. Der Zeuge habe nichts wahrgenommen, das einen solchen Angriff rechtfertige.
Die Zeugen M, V und B waren sichtlich um wahrheitsgemäße Angaben bemüht und unterschieden klar zwischen dem, was sie noch wussten, und dem, woran sie sich nicht mehr erinnerten. Sie belasteten den Disziplinarbeschuldigten auch nicht über Gebühr, sondern betonten, es habe sich um einen leichten Schlag gehandelt. Sie gaben aber auch deutlich an, es habe sich nicht um einen Griff an den Hinterkopf der F, sondern klar um einen Schlag ins Gesicht gehandelt. Ein Grund für eine falsche Belastung des (Beschwerdeführers) ist nicht ersichtlich. Insbesondere die Zeugen V und B hinterließen bei der mündlichen Verhandlung einen ehrlichen, sachlichen und sehr glaubwürdigen Eindruck.
Wenn der Disziplinarbeschuldigte auf Konflikte zwischen dem Pflegepersonal und den Justizwachebeamten verweist, so wurde von den einvernommenen Zeugen zwar bestätigt, dass es Meinungsdiskrepanzen betreffend den Umgang mit untergebrachten Personen gebe. Daraus ist aber keinesfalls abzuleiten, dass die Zeugen wegen derartiger unterschiedlicher Auffassungen den Disziplinarbeschuldigten zu Unrecht belasten und eine falsche Zeugenaussage ablegen. Vielmehr ist damit die Erklärung der Zeugin V, warum nicht sofort Meldung durch das Pflegepersonal erstattet wurde, nachvollziehbar und lebensnah. Diese gab nämlich an, über ihren Vorschlag, den Vorfall sofort aufzuschreiben, sei eine Diskussion entstanden. Das Pflegepersonal sei sich unsicher gewesen, weil man aufgrund von Diskrepanzen mit den Justizwachebeamten - der Zeugen K gab dazu an, diese würden sich aus den unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben für die jeweiligen Aufgaben ergeben - nicht so dastehen wollte, als würde man sich gegen die Justizwachebeamten wenden. Dass diese Befürchtung ihre Berechtigung hatte, zeigt sich in der Stellungnahme des Stützpunktkoordinators W (ON 1 AS 83), wonach der Disziplinarbeschuldigte habe wissen wollen, wer ihn bezüglich der Absonderung der F „verwampst“ hätte, was man unter Kollegen nicht machen würde. Diese Unterhaltung wurde vom Disziplinarbeschuldigten über Vorhalt dieser Stellungnahme nicht in Abrede gestellt.
Widersprüchlichkeiten hinsichtlich der Positionierung der Bildschirme und der Anzahl und Anbringung der Kameras in der Isolationszelle beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht, zumal der Vorfall bereits geraume Zeit zurückliegt, alle Zeugen jeweils unterschiedliche Angaben über die Anbringung der Bildschirme und der Kameras sowie deren Anzahl in der Isolationszelle machten und der Zeuge K angab, in manchen Zellen würden sich zwei Kameras befinden, in anderen nur eine. Auch die Aussagen über die Qualität der auf den Bildschirmen ersichtlichen Bilder unterschieden sich. Während die Zeugen M und B angaben, die Qualität sei schlecht, Gesichter seien nicht bzw schwierig zu erkennen, berichtete die Zeugin V, die Meinungen über die Qualität der Bilder gingen auseinander, sie selbst habe die Qualität als gut empfunden. Der Zeuge B schließlich führte aus, die Qualität habe sich im Laufe der Zeit verschlechtert, damals habe man die Vorgänge erkennen können. Dies stimmt mit der Aussage der Zeugin V, die seit zwei Jahren nicht mehr in der Einrichtung in XXXX tätig ist, überein.
Insbesondere schilderten aber alle Zeugen, die den Vorfall über die Bildschirme beobachteten, die von ihnen geschilderte Handlung des Disziplinarbeschuldigten zweifelsfrei gesehen zu haben. Von der Richtigkeit dieser Aussagen ist auszugehen, zumal eine Überwachung mit Bildschirmen, auf denen Handlungen überwachter Personen nicht erkennbar wären, keinen Sinn machen würde.
Auch F bestätigte in ihrer niederschriftlichen Einvernahme als Zeugin noch, sie habe sich gegen die Verbringung in die Isolierzelle gewehrt. In der Zelle habe sie sich dann auf das Bett gesetzt und einen Beamten beschimpft. Dieser habe ihr „eine ganz leichte Watsche“ versetzt. Sie habe keine Schmerzen verspürt. In der Verhandlung gab die Zeugin F dagegen nunmehr an, sie habe noch nie eine Ohrfeige bekommen, daran könne sie sich nicht erinnern. Die Justizwachebeamten würden so etwas nicht machen. Der Disziplinarbeschuldigte habe ihr damals nur die Hand auf den Hinterkopf gehalten, damit sie sich nicht weh tue. Sie könne sich nicht erinnern, dass er ihr etwas getan habe. Dieser nahezu wortgleich mit der Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten übereinstimmenden Aussage kann keine Glaubwürdigkeit zugebilligt werden, erfolgte sie doch mehr als zweieinhalb Jahre nach dem gegenständlichen Vorfall und nach zwischenzeitlich von den vernommenen Justizwachebeamten einhellig bestätigten zahlreichen ähnlichen Vorfällen, bei welchen F üblicherweise ebenfalls ihren Kopf gegen die Wand geschlagen habe, wobei es durchaus auch vorkam - wie der Zeuge RI H schilderte -, dass Verletzungen durch Festhalten des Kopfes der Untergebrachten zu verhindern versucht wurden. Hinzu kommt, dass die Zeugin F in der Verhandlung einmal angab, den Disziplinarbeschuldigten zu kennen, dann wieder, ihn nicht zu kennen. Aufgrund mangelnder Verlässlichkeit kann die Aussage der Zeugin F den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden.
Aus der Gesamtschau der Aussagen, wonach derjenige, der vor F gestanden sei und mit ihr gesprochen habe, dieser einen Schlag ins Gesicht versetzt habe, und (der Beschwerdeführer) selbst schilderte, dass er beruhigend auf XXXX eingeredet habe, ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass es der Disziplinarbeschuldigte war, der F den gegenständlichen Schlag versetzt hat. Die das Geschehen am Bildschirm beobachtenden Zeugen schilderten das Versetzen dieses Schlages einhellig in jeder ihrer Aussagen. Davon, dass der Beamte nur auf den Hinterkopf der Untergebrachten gegriffen habe, war keine Rede. Insbesondere unterscheidet sich ein Schlag ins Gesicht von einem derartigen Griff an den Hinterkopf deutlich. Zudem wurde die Beschuldigung auch nicht übertrieben, sondern vielmehr betont, es habe sich um einen ganz leichten Schlag, einen „Klaps“ (ZV M ON 1 AS 71) bzw. ein „Tapperl“ (ZV F ON 1 AS 75) gehandelt, der laut der niederschriftlichen Aussage der Zeugin F auch keine Schmerzen verursacht habe.
Abgerundet wird diese Betrachtung durch die Aussage der Zeugin XXXX (in der Folge Z), nach welcher der Disziplinarbeschuldigte bei einem Gespräch am 7.4.2017 zu ihr gesagt habe, er habe nicht gewusst, dass die Isolationszelle videoüberwacht sei, weil er „der F eine aufgelegt habe“, und er sei froh, dass die Videoaufzeichnungen gelöscht worden seien. Wenn (der Beschwerdeführer) angibt, dies mache keinen Sinn, weil ihm die Videoüberwachung bekannt sei, so ist es durchaus möglich, dass er gegenüber der Zeugin anderes angab oder zwischenzeitlich von der Überwachung erfahren hatte, weil unter dem Personal über den Vorfall gesprochen wurde. Dass er davon sprach, „der F eine aufgelegt“ zu haben, ergibt sich eindeutig aus der Aussage der Zeugin Z, die zudem angab, (den Beschwerdeführer) zuvor kaum gekannt und kein Problem mit ihm gehabt zu haben. Probleme mit der Zeugin werden auch von (dem Beschwerdeführer), der die Zeugin laut seiner Aussage dem Namen nach nicht kannte und erklärte, sich an ein Gespräch mit ihr nicht erinnern zu können, nicht behauptet. Es gibt daher keinen nachvollziehbaren Grund, warum die Zeugin Z die Unwahrheit sagen sollte.
Den Aussagen der Zeugen M, V, F, B und Z stehen die Angaben der Zeugen XXXX (in der Folge K), XXXX (in der Folge H) und XXXX (in der Folge J) nicht entgegen. Die Zeugen K und H konnten sich an den Vorfall nicht mehr erinnern. Der H gab an, sich auch nicht an einen nicht ordnungsgemäß abgehandelten Vorfall erinnern zu können. Laut Angaben des K anlässlich der polizeilichen Befragung habe er einen Schlag in das Gesicht der F nicht wahrgenommen, konnte sich aber schon dazumal nur vage an den konkreten Einsatz erinnern. So konnte dieser Zeuge auch bei seiner niederschriftlichen Aussage am 11.6.2017, sohin drei Monate nach der gegenständlichen Amtshandlung, nicht mehr deren Anlass oder den Umstand, ob Alarm ausgelöst worden sei, bzw wer der dritte Kollege bei der Verbringung der F in die Isolierzelle gewesen sei, angeben. Die fehlende konkrete Erinnerung ist nachvollziehbar, zumal sowohl K als auch H glaubhaft angaben, betreffend F habe es schon viele derartige Einsätze gegeben. Dass die Untergebrachte ihren Kopf gegen die Wand schlage, sei eine Standardreaktion; es sei allgemein bekannt, dass die Untergebrachte selbst- und fremdgefährdend sei. F höre laut dem Zeugen K mit dem Schlagen ihres Kopfes gegen die Wand auch nicht so schnell auf, wenn sie in diesem Zustand sei. ln diesen Fällen würden die Beamten mit ihr schimpfen und sodann Bettzeug hinter ihren Kopf stopfen oder ihren Kopf festhalten.
Der Zeuge J konnte sich an den Vorfall dagegen erinnern. Er verfasste auch die Meldung vom 11.3.2017 (ON 1 AS 175), worin von einem Schlag nicht die Rede ist. Der Zeuge gab an, keine Ohrfeige wahrgenommen zu haben. Der Disziplinarbeschuldigte habe F nur durch gutes Zureden beruhigt. Allerdings könne es sein, dass er, J, die Bedarfsmedikation geholt und sich daher nicht immer in der Zelle aufgehalten habe. Laut Aussagen der Zeugen M, V, F und B trug sich der Schlag ins Gesicht aber zu, als die Untergebrachte bereits auf dem Bett saß, ohne ihren Kopf gegen die Wand zu schlagen. Wenn der Zeuge J angibt, seiner Ansicht nach hätte sich F nicht beruhigt, wenn sie eine Ohrfeige erhalten hätte, ist darauf hinzuweisen, dass die Untergebrachte laut Meldung dieses Zeugen vom 11.3.2017 (ON 1 AS 175) nach Einnahme der Bedarfsmedikation auch nur kurz ruhig blieb.
Mangels konkreter Erinnerung der Zeugen K und H und mangels ständiger Anwesenheit des J ist aus deren Aussagen zur Aufklärung des Versetzen eines Schlages nichts zu gewinnen.
Ein vom Disziplinarbeschuldigten beschriebener einmaliger Griff an den Hinterkopf ist weder ein adäquates Mittel noch wäre ein solcher dann geeignet gewesen, die Untergebrachte von einem Schlagen des Kopfes gegen die Wand abzuhalten, beschrieb doch der Zeuge K, dass die Untergebrachte damit nicht so schnell aufhöre, wenn sie in diesem Zustand sei. Die Beschreibung des Zeugen, man stopfe bei derartigen Vorfällen Bettzeug hinter ihren Kopf, ist eine naheliegende und zweckmäßige Vorgangsweise, Auch das vom Zeugen H geschilderte Festhalten des Kopfes in derartigen Fällen unterscheidet sich deutlich von der vom Disziplinarbeschuldigten behaupteten Vorgangsweise. Vielmehr ist davon auszugehen, dass (der Beschwerdeführer) aufgrund der Schilderungen der das Geschehen am Bildschirm verfolgenden Zeugen Erklärungsbedarf hatte und versuchte, den Sachverhalt so darzustellen, dass die Zeugen seine Handbewegung missinterpretiert hätten.
Die Disziplinarkommission erachtet die Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten daher als Schutzbehauptung und geht entgegen dieser Aussage von den Angaben der Zeugen M, V, F und B aus, wonach der Disziplinarbeschuldigte der F ohne äußeren Anlass einen leichten Schlag ins Gesicht versetzte.
Dass es (den Beschwerdeführer) beim Versetzen eines Schlages ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, die betreffende Person, diesfalls F, am Körper zu misshandeln, ergibt sich bereits aus seiner Vorgangsweise. Ein Anlass für diesen Schlag bestand jedenfalls nicht, befand sich der Disziplinarbeschuldigte doch in einem beruhigenden Gespräch mit der Untergebrachten, die zu diesem Zeitpunkt keine selbst- oder fremdgefährdenden Handlungen setzte. Durchaus denkbar ist allerdings, dass F - wie sie anlässlich der polizeilichen Einvernahme noch zugestand (ON 1 AS 47) – (den Beschwerdeführer) beschimpfte und diesem - wie der Disziplinarbeschuldigte schilderte - allenfalls auch anspuckte.
Ein Schlag ins Gesicht wäre auch kein adäquates Mittel gewesen, die Untergebrachte allenfalls von weiteren Stößen ihres Kopfes gegen die Wand abzuhalten. Dass es sich bei einer Ohrfeige auch nicht um ein gelinderes Mittel handelt, gestand der Disziplinarbeschuldigte selbst zu. Anhaltspunkte dafür, dass durch den Schlag eine Verletzung oder seelische/körperliche Qualen der Untergebrachten verursacht wurden, hat das Beweisverfahren nicht ergeben.“
In Rechtlicher Hinsicht wurde Folgendes ausgeführt (im Original):
„In rechtlicher Hinsicht versteht man unter Misshandeln am Körper objektiv unangenehme Einwirkungen auf den Körper eines anderen (Schläge [zB Ohrfeigen], Fußtritte, Schütteln, Haarereißen, Übergießen mit Flüssigkeiten, Herunterreißen von Kleidungsstücken [zB des Hutes], Bewerfen mit Gegenständen, Verkleben des Mundes mit einem Klebeband), die noch nicht das Stadium einer Körperverletzung (§§ 83 ff StGB) erreichen (Rami in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 115 Rz 10 mwN).
Gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
Nach Abs 2 leg cit hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Die festgestellte Tathandlung des (Beschwerdeführers) ist mit dem Erfordernis einer gewissenhaften Ausübung des Dienstes unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung nicht vereinbar (vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4, 135). Eine derartige Vorgangsweise ist darüber hinaus zweifellos geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die rechtskonforme Bewältigung der dienstlichen Aufgaben im Strafvollzug zu beeinträchtigen. Auf ein tatsächliches Bekanntwerden der Vorfälle kommt es dabei nach ständiger Rechtsprechung nicht an (zB VwGH 18.10.1989, 89/09/0017; 20.11.2003, 2002/09/0088).
Gemäß § 93 Abs 1 BDG 1979 ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung das Maß für die Höhe der Strafe. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
Bei der Strafbemessung wertete die Disziplinarkommission das der Tat vorangegangene provozierende Verhalten der Untergebrachten als mildernd, als erschwerend dagegen die Begehung zweier Disziplinarvergehen durch den Verstoß gegen die Bestimmungen des § 43 Abs 1 und Abs 2 BDG 1979.
Zwar liegt die nunmehrige Handlung des Disziplinarbeschuldigten bereits zwei Jahre und neun Monate zurück, doch kann der Umstand, dass der Disziplinarbeschuldigte die Tat vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat, im Sinne des § 34 Abs. 1 Z 18 StGB nicht mildernd berücksichtigt werden, weil unter „längerer Zeit“ eine Zeitspanne zu verstehen ist, die sich an der fünfjährigen Rückfallsverjährungszeit des § 39 Abs 2 StGB orientiert (Ebner in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 32 Rz 46 mwN).
Der Milderungsgrund eines ordentlichen Lebenswandels war dem Disziplinarbeschuldigten im Hinblick auf die am 7.9.2009 zu 4 DS 11/09 erfolgte disziplinäre Verurteilung nicht zuzuerkennen. Diese fiel allerdings auch nicht erschwerend ins Gewicht. Gemäß § 121 Abs. 2 BDG 1979 darf die erfolgte disziplinäre Bestrafung in einem weiteren Disziplinarverfahren nicht berücksichtigt werden, wenn der Beamte innerhalb von drei Jahren nach Rechtskraft der Disziplinarverfügung oder des Diszipiinarerkenntnisses keine Dienstpflichtverletzung begangen hat.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verbietet diese Bestimmung jedoch nicht, dass auf das der disziplinären Bestrafung zugrunde liegende Verhalten auch nach Ablauf der in § 121 Abs 2 BDG 1979 genannten Zeit zwecks Beurteilung der gesamten Persönlichkeitsstruktur des Täters sowohl im Hinblick darauf, ob der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB vorliege als auch zur Beurteilung, ob für den Täter die Prognose erstellt werden könne, er werde sich in Zukunft wohlverhalten, Bedacht genommen werden darf (VwGH vom 27.1.2011, 2010/09/0243; VwGH vom 19.3.2014, 2013/09/0179; VwGH vom 25.9.2019, Ra 2019/09/0062).
Die dem Verfahren 4 Ds 11/09 zugrunde liegende Dienstpflichtverletzung bestand in - allerdings nicht körperlich aggressiven - Übergriffen bezüglich einer Strafgefangenen. Diese bereits getilgte Dienstpflichtverletzung fällt mangels gleich gelagerter Vorgangsweise nicht besonders ins Gewicht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass seitens des Landeshauptmannes von Oberösterreich angekündigt wurde, (der Beschwerdeführer) eine Dank- und Anerkennungsurkunde verbunden mit einer Geldbelohnung für sein persönliches Engagement durch rasches und zielsicheres Handeln bei einer Brandbekämpfung am 14.6.2019 in der Justizanstalt A und der Rettung vieler Menschenleben zu überreichen (in der Verhandlung vorgelegtes Schreiben vom 18.11.2019 samt Anlage).
Zumal es sich aber auch nicht um ein erstmaliges Fehlverhalten handelt, konnte mit der Disziplinarstrafe des Verweises nicht das Auslangen gefunden werden. Ausgehend vom Schuld- und Unrechtsgehalt der Dienstpflichtverletzungen und unter Berücksichtigung der angeführten Strafzumessungsgründe sowie der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Disziplinarbeschuldigten ist eine Geldbuße von EUR 800,-, sohin von etwas weniger als einem Fünftel seines Bruttogehaltes, schuld- und tatangemessen und ausreichend, aber auch notwendig, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten und der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken.
Im Hinblick auf den Verfahrensaufwand, die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Disziplinarbeschuldigten war der von diesem zu ersetzende Teil der Verfahrenskosten mit EUR 200,— zu bestimmen (§117 Abs 2 BDG 1979).“
3. Mit Schriftsatz vom 09.01.2020 brachte der BF über seinen rechtlichen Vertreter rechtzeitig eine Beschwerde ein. Darin wird das Disziplinarerkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Die DK habe aufgrund fehlerhafter Beweiswürdigung den maßgeblichen Sachverhalt nicht richtig festgestellt. Aufgrund näher ausgeführter Widersprüche in den Zeugenaussagen hätte die DK zumindest im Zweifel von der Darstellung des Beschwerdeführers ausgehen müssen. Zudem sei der Vorfall erst sechs Wochen später gemeldet worden. Und selbst bei Zutreffen der Feststellungen sei die von der Disziplinarkommission rechtliche Würdigung und die Strafbemessung aus näher genannten Gründen rechtswidrig.
4. Am 29.07.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines rechtlichen Vertreters und des Disziplinaranwalts eine mündliche Verhandlung durch.
Der rechtliche Vertreter brachte vor, dass aus seiner Sicht ein Satz in der Begründung entscheidend wäre, dass die Beweiswürdigung jedenfalls fehlerhaft sei. Es werde nämlich festgestellt, dass sich ein Schlag ins Gesicht jedenfalls von einem Griff auf den Hinterkopf deutlich unterscheide. Dies sei für ihn vor dem Hintergrund der Umstände, unter welchen die Zeugen diese Handlung gesehen haben, nicht nachvollziehbar. Es handelte sich dabei um einen Bildschirm, der nicht all zu groß und laut Aussage einiger Zeugen auch nicht all zu scharf sei. Darauf seien der BF und die F zu sehen, wobei die Figuren auf dem Bildschirm nicht größer als ca. 10 cm gewesen seien. In der Folge demonstrierte er, wie der BF der F mit einer schnellen Bewegung auf den Hinterkopf gegriffen habe, um sie davon abzuhalten wieder mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen. Aus der Perspektive der Kamera bzw. auf dem Bildschirm könne eine solche Handlung von den Zuschauern sehr leicht falsch als Schlag ins Gesicht interpretiert werden. Dies habe die Disziplinarkommission jedoch ignoriert. Für ihn sei der Eindruck entstanden, dass man hier den Einleitungsbeschluss rechtfertigen wollte, in dem bereits vor Beweisaufnahme von offenkundigen Schutzbehauptungen des BF gesprochen worden sei. F sei bereits aktenkundig eine sehr schwierige und renitente Person, mit der es aktuell bereits 222 Vorfälle gegeben habe. Dies ergebe sich auch aus der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkommission und sei auch so festgehalten worden. In diesem Zusammenhang sei auch eine Aussage des J komplett untergegangen bzw. nicht entsprechend gewürdigt worden. Ein wesentlicher Satz des Zeugen J sei gewesen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich F beruhigt hätte, wenn sie vom BF geschlagen worden wäre. Das decke sich auch mit den anderen Aussagen, die ein konkretes Bild der F zeichnen würden. Vor dem Hintergrund ihrer Persönlichkeit erscheine es nicht lebensnah anzunehmen, dass die F nicht entsprechend darauf reagiert hätte, wenn sie aus dem nichts vom BF geschlagen worden wäre. Denn laut den Feststellungen der Disziplinarkommission und den Zeugenaussagen wäre F zu diesem Zeitpunkt bereits ruhig gewesen. Als dritten Aspekt wolle er auf die Beweiswürdigung und Feststellungen insofern eingehen, als die Disziplinarkommission sich in der Beweiswürdigung auf die Aussagen der Zeugen bezieht (Seite 10 des Bescheides), wo diese von einem ganz leichten Schlag, einem Klaps bzw. einem Tapperl reden. Dagegen sei im Spruch lediglich von einem Schlag die Rede bzw. in den Feststellungen (auf Seite 4) von einem leichten Schlag. J sei der einzige gewesen, der am selben Tag eine Meldung über den Vorfall verfasst habe. In dieser Meldung sei aber nicht von einer Tätlichkeit des BF die Rede und auch nicht von einem anderem Fehlverhalten mit Ausnahme des Verhaltens der F. Mit dem würden auch die Aussagen der Zeugen M (Seite 8 unten im Protokoll) und V (Seite 12) übereinstimmen, wenn sie angeben, dass sie deshalb keine Meldung gemacht hätten, weil sie nicht wussten, ob es nicht nur ein nicht relevanter Klaps gewesen sei bzw. es deshalb nicht gemeldet hätten, da sie sich nicht sicher gewesen seien. Damit würden die ca. 6 Wochen nach dem Vorfall erstellten Aktenvermerke im Widerspruch stehen, wo auf Veranlassung des damaligen Vorgesetzten vortextierte Aktenvermerke von den Zeuginnen unterschrieben worden seien. Diese Umstände würden darauf hinweisen, dass der wesentliche Punkt bei der Beweiswürdigung der Umstand sei, dass es sich bei dem vom BF vorgebrachten schnellen Griff auf den Hinterkopf der F um eine Handlung gehandelt habe, die vom Bewegungsablauf durchaus auch einem Schlag ins Gesicht ähnlich sei und insbesondere auf einem kleinen Monitor auch so wahrgenommen werden könne.
Der Disziplinaranwalt replizierte darauf, dass er dem rechtlichen Vertreter grundsätzlich Recht geben würde. Man könne das sicherlich über einen Monitor nur schwer interpretieren, wenn das so gewesen sei. Die Disziplinarkommission habe in der Beweiswürdigung befunden, dass es nicht das Greifen an den Hinterkopf, sondern eine Ohrfeige bzw. Schlag gewesen sei und habe das im Disziplinarerkenntnis mit verschiedenen Zeugenaussagen logisch nachvollziehbar begründet. Er glaube nicht, dass man etwas an der Beweiswürdigung auszusetzen hätte. Dazu sei schon noch zu sagen, dass es noch die Aussagen geben würde, dass der BF gesagt habe, dass er F eine aufgelegt hätte. Es gebe schon Beweise, die auf einen Schlag des BF schließen lassen würden. Konkret spreche die Zeugin Z im Zuge der mündlichen Verhandlung (Seite 10) davon: „Dieses Gespräch war im Stützpunkt. Ich war gerade dabei zu dokumentieren. Der Disziplinarbeschuldigte sagte, dass er einer Insassin eine aufgelegt habe und er froh sei, dass die Videoaufzeichnungen gelöscht wurden. Er kam von sich aus auf mich zu. Ich habe ihn nicht auf den Vorfall angesprochen.“
Die Frage, ob er irgendeine Erklärung für die Aussage der Z habe, verneinte der Beschwerdeführer. Es könne sein, dass ich mit ihr gesprochen habe und vielleicht habe er auch gesagt, dass er „hingelangt“ habe, um die F davor zu schützen den Kopf gegen die Wand zu schlagen. Er wisse es nicht. Er habe in seinen 30 Jahren als Justizwachbeamter noch nie eine Insassin geschlagen.
Der Disziplinaranwalt brachte vor, dass er sich aufgrund der Aktenlage durchaus vorstellen könne, dass es sich bei F um eine sehr schwierige Person handelt. Wenn der rechtliche Vertreter auf die Aussage des J hinweise, dass sich dieser nicht vorstellen habe können, dass sich die F bei einem Schlag ins Gesicht beruhigt hätte, so stelle dies lediglich eine Wertung des J dar. Die Disziplinarkommission sei in ihrer Beweiswürdigung jedoch nachvollziehbar zu einem anderen Schluss gelangt. Die Disziplinarkommission habe zwar tatsächlich im Spruch des Erkenntnisses von einem Schlag gesprochen, während sich aus der Beweiswürdigung und den Feststellungen ergebe, dass es sich lediglich um einem leichten Schlag gehandelt hat. Dies sei auch im Zuge der Strafbemessung zu berücksichtigen. Auch er sei der Ansicht, dass es richtig wäre, wenn bereits im Spruch von einem leichten Schlag die Rede wäre.
Der rechtliche Vertreter brachte dazu vor, dass das nicht nur für die Strafbemessung, sondern auch für die Sachverhaltsebene und für die rechtliche Beurteilung wesentlich sei. Es mache nämlich in rechtlicher Hinsicht schon einen Unterschied, ob es sich hier um einen Schlag, leichten Schlag, ganz leichtem Schlag oder Tapperl handelte, dies auch hinsichtlich der Pflichtverletzung an sich.
Der Disziplinaranwalt brachte vor, dass die Aussage der V (Wir haben es nicht sofort gemeldet, da wir nicht sicher waren) mit der Aussage im Zusammenhang stehen könne, dass es öfters Diskrepanzen zwischen den Justizwachbeamten und den Sozialbetreuern gegeben habe. Sie hätten nicht so dastehen wollen, als ob sie sich gegen Justizwachbeamte wenden. Ausdrücklich habe sie zuletzt gesagt, sie seien daher unsicher gewesen. Daraus ergebe sich, dass sich V nicht unsicher bezüglich der Handlung, sondern lediglich hinsichtlich der Frage gewesen sei, ob sie das melden soll und dann der Konflikt allenfalls eskalieren könnte.
Der rechtliche Vertreter antworte darauf, dass sich dieses Verständnis nicht mit seiner Erinnerung an die Verhandlung decken würde. Beide Zeugen seien von ihm ausdrücklich befragt worden, warum keine Meldung erfolgt sei, obwohl bei einem Geschehensablauf, wie behauptet, sicherlich eine sofortige Meldepflicht gewesen wäre, was von den beiden Zeuginnen sinngemäß dahingehend beantwortet worden sei, dass unmittelbar nach dem Vorfall keine Notwendigkeit einer Anzeige gesehen wurde bzw. diesbezüglich jedenfalls keine Sicherheit gegeben gewesen sei.
Der Beschwerdeführer ergänzte, dass es auf das Pflegepersonal bekanntlich einen gewissen Druck durch den Vorgesetzen W gegeben habe. Es gebe insofern einen Konflikt als W das Pflegepersonal unter Druck setze. Es sei bereits schwierig, wie man vorgehe, wenn man jemanden vor weiterem Schaden bewahren will. Er verweise in diesem Zusammenhang auf einen Vorfall, der sich vor der mündlichen Verhandlung vor der DK zugetragen habe. F habe ihre Zelle in Brand gesetzt und er habe sie mit Kollegen gerettet (am 04. Juni 2019). Er sage das deshalb, weil sich F sogar gegen ihre Rettung gewehrt habe, es sei schwierig gewesen, sie zu retten. Es sei sogar schwierig zu entscheiden, wo man jemanden angreife, den man eigentlich retten will, insbesondere im Hinblick auf das andere Geschlecht.
Der rechtliche Vertreter wies darauf hin, dass der BF bereits seit fast 30 Jahren in der Justiz als Wachebeamter tätig sei. Er habe sich bisher noch keine einzige Tätlichkeit zu Schulden kommen lassen, was bei seinen Aufgaben schwer genug sei. Es passe daher der gegen ihn erhobene Vorwurf auch nicht in das Bild seiner Persönlichkeit. Der Beschwerdeführer ergänzte, wenn es anders wäre, würde ihn seine Chefin auch nicht für den therapeutischen Betrieb einteilen. Darin arbeite er gemeinsam mit Psychologen und Sozialarbeiter mit Personen, die aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur nirgends anders eingeteilt werden könnten. Er sei im Kunstbetrieb tätig.
In weiterer Folge wurde die rechtliche Würdigung der DK besprochen. Nach Ansicht des Richters sei dabei insofern ein Fehler unterlaufen, als von der Begehung von zwei Pflichtverletzungen ausgegangen wurde. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der Judikatur des VwGH eine Handlung grundsätzlich nur eine Pflichtverletzung darstellen könne. Es gebe zwar insofern Ausnahmen, als der VwGH im Falle eines Verstoßes gegen die Amtsverschwiegenheit auch einen Verstoß gegen § 44 BDG als zulässig erachtet habe. Dabei handle es sich aber um zwei spezielle Delikte, die im Zuge eines Handlungsstranges gleichzeitig erfüllt sein können. Grundsätzlich sei bei der rechtlichen Würdigung immer die speziellste Norm zu wählen. Im gegenständlichen Fall wurden § 43 Abs. 1 und 2 als erfüllt erachtet. Das sei noch insoweit zulässig, solange es keine Auswirkung auf die Strafhöhe habe. Der VwGH habe diesbezüglich ausgeführt, dass das reine Anführen einer zweiten Dienstpflicht im Spruch zulässig sei. Im gegenständlichen Fall wurde im Zuge der Strafbemessung jedoch ausdrücklich festgestellt, dass erschwerend gewertet werde, dass der BF zwei Dienstpflichtverletzungen begangen hätte. In weiterer Folge habe die Disziplinarkommission zu Unrecht den Milderungsgrund der Unbescholtenheit nicht gelten lassen und dies mit der getilgten disziplinären Vorstrafe aus dem Jahr 2009 begründet. Dabei habe sich die Disziplinarkommission auf die Judikatur des VwGH bezogen, wonach eine getilgte Vorstrafe insofern berücksichtigt werden könne, als daraus Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Täters in Hinblick auf seine Unbescholtenheit oder seine Zukunftsprognose gezogen werden können. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, weil es sich bei der 10 Jahre zuvor verhängten Vorstrafe lediglich um einen ein Verweis handeln würde, weil der BF einer Insassin SMS geschickt habe. Daraus könnten jedoch weder negative Schlüsse über die Persönlichkeitsstruktur des BF bezogen werden, noch würde sich daraus eine negative Zukunftsprognose ergeben.
Der Disziplinaranwalt führte dazu aus, dass er dem nichts entgegenhalten könne.
Der rechtliche Vertreter brachte dazu vor, selbst wenn man zur Entscheidung kommen würde, dass hier ein ganz leichter Schlag vorliege, jedenfalls ein Fall des § 118 Abs. 1 Z 4 vorliegen würde, weil in diesem Fall die Schuld gering wäre und die Tat keine weiteren Folgen nach sich gezogen habe und auch spezialpräventiv keine Strafe notwendig sei und dem BF von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten.
Der Disziplinaranwalt entgegnete, selbst wenn man von einem leichten Schlag ausgehen würde, wären die Bedingungen des § 118 Abs. 1 Z 4 nicht gegeben, weil ein Schlag gegen einen Insassen keinesfalls als ganz geringes Verschulden gewertet werden könne, daher wäre ein Freispruch nach dieser Bestimmung nicht indiziert.
Der rechtliche Vertreter replizierte, dass man die Dienstpflichtverletzung immer in der konkreten Situation vor dem Hintergrund des konkreten Dienstes sehen müsse. Im gegenständlichen Fall sei es um die Behandlung einer renitenten Gefängnisinsassin in der Isolierzelle gegangen, sodass selbst dann, wenn man von einem ganz leichten Schlag oder einem Taperl ausgehen sollte, dies, wenn überhaupt nur ein ganz geringes Verschulden eines Justizwachbeamten darstelle.
Der Beschwerdeführer ergänzte, dass er immer versuche, das gelindeste Mittel zu wählen. So habe er sich auch in der konkreten Situation verhalten. Er habe schnell zu ihrem Kopf gegriffen, um sie davor zu bewahren sich selbst zu verletzten und er würde wieder so handeln. Dass man über einen Monitor das auch als Schlag auffassen könne, erscheine ihm möglich, aber es sei nicht so gewesen. Er sei mit der F noch am selben Abend gemeinsam ins Spital gefahren. Das hätte er sicher nicht gemacht, wenn es vorher tatsächlich einen derartigen „Wickel“ mit ihr gegeben hätte. Da wäre er sicher nicht mit ihr alleine ins Spital gefahren. In einem ihm bekannten Fall habe ein Kollege gegen F sogar den Pfefferspray eingesetzt hat bzw. einsetzen müssen. Er habe das immer vermieden. Wenn er den Pfefferspray an diesem Tag eingesetzt hätte, würde ich wahrscheinlich nicht hier sitzen.
Im Schlussplädoyer verwies der Disziplinaranwalt auf sein Vorbringen zur Beweiswürdigung. Diese sei nachvollziehbar und damit mängelfrei. Die Feststellungen der Disziplinarkommission seien schlüssig. Zur Frage der Intensität sei auszuführen, dass die Disziplinarkommission bereits berücksichtigt habe, dass es sich lediglich um einen leichten Schlag gehandelt habe. Die Strafbemessung im engeren Sinne sei wie bereits ausgeführt fehlerhaft, weil die Unbescholtenheit jedenfalls als mildernd zu würdigen gewesen wäre. Es würden auch keine zwei Pflichtverletzungen vorliegen, weshalb dies zu Unrecht als Erschwerungsgrund gewertet worden sei. In Hinblick darauf, dass die Tathandlung bereits im März 2017 begangen wurden, wären nun auch die lange Verfahrensdauer und der Umstand, dass sich der BF seitdem wohlverhalten hat, mildernd zu werten. Zusammengefasst beantrage er daher eine Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Schuld und die Verhängung einer angemessenen Strafe.
Der rechtliche Vertreter führte aus, dass es für ihn eine Frage der Wahrnehmung sei. Es sei generell schwierig, etwas das man gesehen hat, objektiv wiederzugeben. Noch schwieriger sei es jedoch, wenn man nicht direkt dabeistehe, sondern Wochen später eine Wahrnehmung über ein Handeln wiedergeben müsse, die man über einen kleinen Monitor gesehen habe. Wenn man die konkrete Situation betrachte, so sei es seiner Meinung nach für den Beobachter über einen Monitor nicht wahrnehmbar, wenn die F gerade ihre Muskeln anspannen würde, um wieder mit dem Kopf nach hinten zu schlagen, und der BF darauf reagiere, indem er schnell nach ihrem Kopf greife. Diese Situation könne über den Monitor durchaus falsch wahrgenommen werden, wenn man den Auslöser nicht sieht und der BF schnell nach der F greift. Er habe es auch in der Verhandlung vorgezeigt und demonstriert, wenn man plötzlich eine solche Bewegung mache, sei es vor allem über einen Monitor kaum möglich, diese Bewegung von einer Watsche zu unterscheiden. In weiterer Folge würden Missverständnisse vorliegen, die mit der Zeit immer größer geworden seien und auch zu dementsprechenden Widersprüchen in den Aussagen geführt hätten. Zusammengefasst erscheine es auf Grundlagen dieser Aussagen über den Hintergrund der konkreten Situation nicht möglich, den Sachverhalt mit einer für ein Strafverfahren maßgeblichen Sicherheit so festzustellen, wie es die Disziplinarkommission gemacht habe. Es sei nicht möglich die Aussagen des BF mit der notwendigen Sicherheit zu wiederlegen. Die Disziplinarkommission habe drei Varianten des Tathergangs festgestellt, konkret von einem Schlag über einen leichten Schlag bis zu einem ganz leichten Schlag und schließlich sogar bis zu einem Tapperl. Dies wäre bei der Frage der Schuld jedenfalls zu berücksichtigen. Die Staatsanwaltschaft habe ihr Strafverfahren in dieser Sache konsequenter Weise schnell eingestellt, weil die Tathandlung jedenfalls nicht die Grenze zur Strafbarkeit erreicht. Es sei daher auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Angelegenheit in weiterer Folge zu disziplinären Konsequenzen führen müsse; selbst wenn man vom festgestellten Sachverhalt ausgehen wollte, müsse die Handlung im konkreten Kontext gesehen werden. Im konkreten Fall handle es sich um eine renitente Insassin, die aufgrund ihres Verhaltens in eine Isolierungszelle verlegt werden musste. Sie habe um sich geschlagen, gespuckt und geschimpft und beruhigt werden müssen. Wenn es in einer solchen Situation tatsächlich passiert sein sollte, dass der BF sie im Gesicht gestreift hätte, so wäre der Sachverhalt dennoch unterhalb der Schwelle des § 43 BDG. Und selbst, wenn man ausgehen sollte, dass der Sachverhalt eine Pflichtverletzung nach § 43 darstellen würde, dann wäre es jedenfalls ein Fall des § 118 Abs. 1 Z 4 BDG. Er stelle daher einen Antrag auf Freispruch des BF.
Der Beschwerdeführer schloss sich den Ausführungen seines rechtlichen Vertreters an. Er fühle sich unschuldig. Für ihn sei es das gelindere Mittel gewesen, die F davon abzuhalten mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen. Ich würde das jederzeit wieder so machen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer steht als Justizwachebeamter der Verwendungsgruppe E 2a, Funktionsgruppe 2, Gehaltsstufe 15, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und hat in der Justizanstalt XXXX einen Arbeitsplatz als „Betriebsleiter Betrieb Kunst“ inne. Seitens der Anstaltsleitung der Justizanstalt XXXX wird er auch zu Nachtdiensten im Forensischen Zentrum A eingeteilt. Er ist nicht vorbestraft.
Es kann nicht mit der für einen Schuldspruch notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 11.3.2017 die untergebrachte F im Zuge einer Amtshandlung (Absonderung) im Forensischen Zentrum A am Körper misshandelt hat, indem er ihr einen Schlag in das Gesicht versetzte.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorliegenden Verwaltungsakten.
Die Feststellung, dass nicht mit der für einen Schuldspruch notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 11.3.2017 der untergebrachten F im Zuge einer Amtshandlung (Absonderung) im Forensischen Zentrum A am Körper misshandelt hat, indem er ihr in das Gesicht versetzte, ergibt sich aus den im Akt aufliegenden und in der Folge ausführlich dargestellten niederschriftlichen Einvernahmen des Beschuldigten und der Zeugen durch die PI Enns, deren Aussagen im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkommission (Verhandlungsprotokoll der DK) sowie den Angaben der Parteien im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Der Beschwerdeführer gab bei seiner Beschuldigteneinvernahme am 06.07.2017 an, dass es zwischen F und einer weiteren Untergebrachten zu einem Streit gekommen sei, sie hätten lautstark miteinander geschrien. Ein Pfleger habe ihn und seine Kollegen aufgefordert, F zu isolieren. Weil F heftig um sich geschlagen und sich heftig gewehrt habe, sei sie in der Isolierzelle am Rücken mit Handfesseln geschlossen worden. Sie habe mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen und mit den Füßen nach ihm getreten. Er glaube auch, dass sie ihn einmal sogar angespuckt habe. Er habe sie im Guten aufgefordert, dass sie damit aufhöre. Sie sei auf dem Bett gelegen und habe immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen. Sie habe nicht aufgehört und das Zureden habe in diesem Moment nichts geholfen, worauf er mit seiner Hand auf ihren Hinterkopf gefahren sei und versucht habe, dass sie nicht mehr gegen die Wand stoße. Es sei dabei natürlich zu einer Berührung gekommen, aber sicher keine Watschen gewesen, wie die Pfleger angeblich über Video gesehen hätten. Er habe dann noch lange auf sie eingeredet und sie beruhigt. Sie habe versichert, dass sie sich nicht mehr absichtlich verletzten werde, worauf er die Fesseln wieder entfernt und sie wieder in ihr Zimmer verbracht habe. Zum Aktenvermerk der Zeugin Z gab er an, dass es stimmen würde, dass er einige Zeit später dieser gegenüber geäußert habe, dass durch die Videokameras in der Isolierzelle Vorsicht geboten sei, wie man eine Frau angreife, weil man dadurch als Mann schnell beschuldigt werden könne, dass man einen Übergriff (Betatschen) begangen habe.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der DK gab er zum Vorfall Folgendes an: „…Sie wurde deshalb in Isolationshaft gebracht. Dort musste F gefesselt werden, da sie sich weiterhin wehrte. Dabei waren wir zu dritt. Ich habe dann auf sie eingeredet, um sie zu beruhigen. Ob wir sowohl die Hände als auch die Füße gefesselt haben, weiß ich nicht mehr. Sicher bin ich mir, dass wir die Hände von F gefesselt haben. Sie hat dann weiter zugetreten. Dann wollte sie mit dem Hinterkopf gegen die Mauer schlagen. Sie saß auf dem Bett. In dem Raum war zu wenig Platz, um sie von der Wand wegzuhalten. Ich weiß nicht, ob in der Isolationszelle Kissen sind. Ich habe dann meine Hand an den Hinterkopf von XXXX gehalten, damit sie sich nicht weiter selbst verletzt. Dies aber nur einmal. Dann habe ich auf sie eingeredet. Sie war dann ruhig. Wir haben sie anschließend in den Haftraum gebracht. Das Ganze hat ca. 10 Minuten gedauert. Ich schlage keine Frauen. Es handelt sich bei F um eine arme Frau. Es hat wahrscheinlich so ausgesehen, als ich hinter den Kopf griff. Die Zeugen müssen das falsch gesehen haben. Ich habe F sicher keine Ohrfeige gegeben. Ich kenne keine Frau Z. Zumindest dem Namen nach nicht. Ich weiß nicht mehr, ob ich mit ihr geredet habe. Diese Aussage macht zudem für mich keinen Sinn. Wieso soll ich zunächst sagen, dass ich von einer Videoüberwachung nichts weiß, - aber froh darüber sei, wenn die Aufzeichnungen gelöscht sind. Ich weiß von der Videoüberwachung in der Isolationszelle. Wenn ich Frau F geschlagen hätte, wäre ich nicht mit ihr im Anschluss daran hinunter in die Haftzeile gegangen. F ist eine auffällige Insassin. Seit dem Jahr 2015 sind insgesamt 151 Ordnungsstrafen gegen sie angefallen. … B war die ganze Zeit dabei. Es waren zwei weitere Justizwachebeamte und B dabei. Als ich dazu kam, war F immer noch aufgebracht. Ich habe auf sie eingeredet und die Fesselung zunächst nur angedroht. Da sie sich weiterhin aufführte, haben wir sie gefesselt und aufs Bett gesetzt. Dann hat sie angefangen mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen. Der Griff an den Hinterkopf von XXXX passierte im Zuge des Geschehens. Für mich war der Griff an den Kopf das gelindeste Mittel. Eine Ohrfeige ist kein gelinderes Mittel. Der Pfefferspray wurde einige Wochen später von einem Kollegen angewendet. …
Dieser Rechtfertigung schenkte die Disziplinarkommission keinen Glauben und stützte sich dabei auf die Aussagen der Zeugen M, V und B. Diese seien sichtlich um wahrheitsgemäße Angaben bemüht gewesen und hätten den Disziplinarbeschuldigten auch nicht über Gebühr belastet, sondern betont, es habe sich um einen leichten Schlag gehandelt. Sie hätten aber deutlich angegeben, es habe sich nicht um einen Griff an den Hinterkopf der F, sondern klar um einen Schlag ins Gesicht gehandelt. Ein Grund für eine falsche Belastung des (Beschwerdeführers) ist nicht ersichtlich.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung blieb der Beschwerdeführer bei seiner Verantwortung. Er habe schnell zu ihrem Kopf gegriffen, um sie davor zu bewahren sich selbst zu verletzten und er würde wieder so handeln. Dass man das über einen Monitor auch als Schlag auffassen könne, erscheine ihm möglich, aber es sei nicht so gewesen. Sein rechtlicher Vertreter brachte dazu vor, dass vor dem Hintergrund der Umstände, unter welchen die Zeugen diese Handlung gesehen haben, die Feststellung nicht nachvollziehbar sei, dass sich ein Schlag ins Gesicht jedenfalls von einem Griff auf den Hinterkopf deutlich unterscheiden würde, zudem es sich um einen Bildschirm, der nicht all zu groß und laut Aussage einiger Zeugen auch nicht all zu scharf gewesen sei. Die Figuren auf dem Bildschirm seien nicht größer als ca. 10 cm gewesen seien. Dieses Vorbringen untermauerte der Rechtliche Vertreter mit der Demonstration einer Bewegung, wie sie der Beschwerdeführer ausgeführt haben könnte, um die F durch einen schnellen Griff an den Kopf davon abzuhalten, wieder gegen die Wand zu schlagen.
Diese Demonstration machte für die Anwesenden zunächst deutlich, dass eine solche Bewegung von einem Beobachter - abhängig von der Beobachtungsperspektive - tatsächlich leicht als Schlag gegen das Gesicht gedeutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn man sich im gleichen Raum befindet. Es ist daher das Argument des rechtlichen Vertreters nicht von der Hand zu weisen, dass die Gefahr einer solchen Fehlinterpretation noch deutlich zunimmt, wenn ein Zeuge ein solches Geschehen über einen kleinen Bildschirm mit einem offenbar nicht allzu scharfen Bild beobachtet, auf dem die handelnden Figuren eine Größe von etwa 10 cm haben.
Es stellt sich daher die Frage, ob die Zeugen über den Bildschirm tatsächlich sicher beurteilen konnten, dass es sich jedenfalls um einen Schlag ins Gesicht der F und nicht um einen schnellen Griff nach ihrem Kopf gehandelt hat. Diesbezüglich sind zunächst die konkreten einzelnen Aussagen näher zu betrachten.
Die Zeugin M, Krankenschwester, gab im Zuge ihrer Zeugeneinvernahme 09.06.2017 an, dass sie auf einem Ausschnitt der Überwachungskamera der Iso-Zelle sehen habe können, wie die Untergebrachte auf dem Bett sitzt und mehrere Justizwachebeamte hinten im Raum standen. Ein Beamter sei direkt vor der Untergebrachten gestanden und dabei habe sie gesehen, wie dieser einmalig in das Gesicht der Untergebrachten geschlagen habe. Wie fest könne sie nicht sagen. Es könne auch sein, dass es nur ein Klapps gewesen sei. Wer der Justizwachebeamte gewesen sei, könne sie nicht sagen, weil die Qualität des Bildschirms sehr schlecht gewesen sei und sie das Gesicht nicht erkannt habe. Nach einiger Zeit habe sie ihr Chef gefragt, ob sie auf dem Bildschirm auch etwas gesehen habe, da von den Kollegen darüber gesprochen worden sei.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der DK gab sie zum Vorfall Folgendes an: „F saß auf dem Bett und es waren einige Justizwachebeamte im Raum. Einer stand direkt vor ihr und hat ihr eine Ohrfeige gegeben. Dies habe ich über die Videoüberwachung gesehen. Die Qualität dieser Überwachung ist schlecht. Ich habe nicht gesehen, dass F mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen hat. Ich kam gerade dazu, als die Ohrfeige gegeben wurde. Die Vorgeschichte habe ich daher nicht mitbekommen. Ich habe F von hinten und den Jusitzbeamten von vorne gesehen. Er hat mit der flachen Hand geschlagen. Wie genau, kann ich nicht mehr sagen. Von meinem Gefühl her, hat er sie ins Gesicht geschlagen. Wie fest die Ohrfeige war, weiß ich nicht. Er hat jedenfalls ausgeholt. Er hat sicher ins Gesicht und nicht auf den Hinterkopf geschlagen. Wenn er auf den Hinterkopf gegriffen hätte, hätte ich das gesehen. Das Bild der Videoüberwachung ist verschwommen. Man kann keine Gesichter erkennen. Ich erkenne die Personen an der Gestalt. Die Tätlichkeit habe ich gesehen. In welchem Abstand der Justizwachebeamte sich aufhielt, kann ich nicht mehr sagen. F hat eine Kopfbewegung gemacht. Der Kopf hat sich in dem Moment, als sie geschlagen wurde, bewegt. Wie weit, weiß ich aber nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr so gut an den Vorfall erinnern. … Der Bildschirm ist ca. 25 Zentimeter breit. Er ist auf jeden Fall kleiner als der Bildschirm im Verhandlungssaal. Als ich den Schlag gesehen habe, habe ich mich erschreckt. Auch die anderen Personen im Raum hielten die Luft an. Man kann erkennen, ob die Hand offen oder geschlossen ist. Ich bilde mir ein, dass ich gesehen habe, dass die Hand offen ist. Die Qualität der Bilder ist schlecht. … Ich wurde von meinem Chef W am 21.04.2019 aufgefordert, den Aktenvermerk zu verfassen. Ohne Aufforderung hätte ich keinen Aktenvermerk verfasst. Der Aktenvermerk wurde gemeinsam verfasst. Ich müsste Übergriffe theoretisch melden. Ich habe aber hier nicht gewusst, ob es nicht nur ein Klaps war, weshalb ich es nicht gemeldet habe. Der Vorfall wurde vergessen. …“ Auf Vorhalt der Aussage des Disziplinarbeschuldigten und der Frage, ob sie sich zutraut, einen Griff an den Kopf und einen Schlag mit einer flachen Hand zu unterscheiden gab sie an: „Das kann sein, dass es vor- oder nachdem ich geschaut habe so war, aber als ich geschaut habe, war es kein Griff.“
Die Zeugin N, Pflegehelferin, gab im Zuge ihrer Zeugeneinvernahme 12.06.2017 an, dass die Kamera von einer Kollegin der Isolierzelle eingeschalten worden sei und sie sehen habe können, wie die F auf dem Bett gesessen habe und ein Justizwachebeamter vor ihr gestanden sei. Dabei habe er ihr mit der Hand ein „Tapperl“ in das Gesicht gegeben. Es sei nicht mehr gewesen. Wie stark das „Tapperl“ gewesen sei, könne sie nicht sagen. Sie habe sich bei diesem Vorfall zunächst nichts gedacht und auch nicht weiter darüber nachgedacht. Erst Wochen später sei dieser Vorfall wieder aufgegriffen und darüber gesprochen worden. Das habe auch der Stützpunktkoordinator mitbekommen und sie ersucht, einen Aktenvermerk über diesen Vorfall anzulegen.
Krankheitsbedingt nahm sie an der Verhandlung vor der DK nicht teil, weshalb ihre niederschriftliche Aussage verlesen wurde
Die Zeugin V, Sozialbetreuerin, gab im Zuge ihrer Zeugeneinvernahme 10.05.2017 an, dass sie zum Stützpunkt gegangen sei und die Kamera vom besonders gesicherten Haftraum aktiviert habe. Dabei habe sie beobachtet, dass F auf dem Bett gesessen sei. Es seien mehr als drei Justizwachebeamte bei ihr in der Zelle gewesen. Ein Justizwachebeamter sei direkt vor ihr gestanden und habe mit F ein Gespräch geführt. Plötzlich habe der Justizwachebeamte einmalig mit der flachen Hand in das Gesicht der F geschlagen. Er habe ihr eine Ohrfeige gegeben.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der DK gab sie zum Vorfall Folgendes an: „Ich kann mich noch vage an den Vorfall erinnern. Es war bereits später. Wir haben dann über die Kamera gesehen, wie F eine Ohrfeige vom Disziplinarbeschuldigten erhalten hat. … Man kann Gesichter und Handlungen gut erkennen. Die Insassin sieht man von vorne. Sie saß auf dem Bett. Die Kamera ist so positioniert, dass man von seitlich hinten auf die Situation und den Disziplinarbeschuldigten sieht. Man hört keinen Ton. Sie ist gesessen und hat nichts getan. Diese Handlung hab ich deshalb noch im Kopf. Sie kassierte eine Ohrfeige. Es war eine schnelle Bewegung mit der flachen Hand ins Gesicht. Dies hab ich deutlich gesehen. Es kann nicht sein, dass es so war, wie es der Disziplinarbeschuldigten geschildert hat. Sie war ruhig. Davor war sicher etwas, sonst wäre sie nicht in der Isolationszelle gelandet. Ich war so schockiert in der Situation, darum bin ich mir sicher, dass ich es richtig gesehen habe. Es war keine harte Ohrfeige; es war im Affekt. Ich habe keine weiteren Erinnerungen. Wir haben es nicht sofort gemeldet, da wir nicht sicher waren. Herr W hat uns aufgefordert, dies zu verschriftlichen. Es gab öfters Diskrepanzen zwischen den Justizwachebeamten und den Sozialbetreuer. Wir wollten nicht so dastehen, als ob wir uns gegen die Justizwachebeamten wenden. Wir waren daher unsicher. … ich traue mir zu, zu unterscheiden, ob es ein Griff auf den Hinterkopf oder eine Ohrfeige war. Es war eine Ohrfeige. In dieser Situation habe ich gesagt, dass man es aufschreiben muss. Es kam zur Diskussion mit den anwesenden Kollegen, wie vorher beschrieben. Es gab immer wieder Diskrepanzen mit den Justizwachebeamten. … Mit F gab es regelmäßig Probleme. Dem Hörensagen nach kam es auch zu Selbstverletzungen. Es kann sein, dass sie auch den Kopf gegen die Wand geschlagen hat.“
Der Zeuge B, Krankenpfleger, gab im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der DK Folgendes an: „… F war zunächst angespannt und hatte die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Ich habe nicht gesehen, dass sie mit dem Kopf geschlagen, gespuckt oder getreten hat. Ich habe F auf dem Video von vorne gesehen, den Disziplinarbeschuldigten von hinten. Dann hat der Disziplinarbeschuldigte der F eine Ohrfeige gegeben. Dies mit der rechten Hand. Es hat für mich nicht so ausgesehen, als ob er sie nur hinten gehalten hat. Solche Übergriffe gibt es nicht oft. Man müsste diese Übergriffe meiner Meinung nach meiden. Es dauerte aber zirka eine Woche, bis man sich traute, die Meldung weiterzugeben. Wir versuchen gut mit der Justizwache zusammenzuarbeiten, ich würde einen solchen Übergriff verstehen, wenn ein Justizwachebeamte angegriffen wird. Aber ich habe nichts wahrgenommen, was ein solches Verhalten rechtfertigt. … Er hat mit der rechten Hand zugeschlagen und dabei die linke Wange getroffen. …“
Wie diesen Aussagen zu entnehmen ist, haben alle vier Zeugen im Wesentlichen übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, dass sie sich sicher sind, einen Schlag in das Gesicht der Beschwe