TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/24 W233 2200602-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.08.2021
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Entscheidungsdatum

24.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55

Spruch


W233 2200602-3/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , alias XXXX , alias XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger der Republik Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2021, Zl. 751240700-190378170, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.06.2021 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., und VI. des angefochtenen Bescheids wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, §§ 9 BFA-VG, §§ 52, 53 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids wird gemäß §§ 46, 52 Abs. 9 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat:

„Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist.“

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer eine Frist zur freiwilligen Ausreise von zwei Wochen ab seiner Enthaftung gewährt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

I. Verfahrensgang:

I.1. Vorverfahren

I.1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 13.08.2005 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er damals angab, georgischer Staatsangehöriger zu sein. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.05.2006, Zahl XXXX , wurde sein Antrag abgewiesen und seine Abschiebung nach Georgien für zulässig erklärt, zugleich wurde er aus dem Bundesgebiet nach Georgien ausgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 10.05.2007, Zahl XXXX , gemäß § 7 und § 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 rechtskräftig abgewiesen.

I.1.2. In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 27.09.2014 in den Niederlanden erkennungsdienstlich behandelt.

I.1.3. Am 25.02.2015 stellte er in der Bundesrepublik Deutschland einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Nach Durchführung eines Dublin-Konsultationsverfahrens wurde der Beschwerdeführer am 12.08.2015 zur Durchführung des Asylverfahrens von Deutschland nach Österreich überstellt, wo er am 14.08.2015 einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen wurde. Zu seiner Identität führte er in der Erstbefragung an, den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren zu sein und Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein. Mit Schreiben vom 02.03.2016 und 21.06.2016 führte er an, dass er georgischer Staatsbürger sei und an Hepatitis C und einer akuten Belastungsreaktion F43.0 leiden würde.

Am 28.09.2016 wurde der Beschwerdeführer in Dänemark erkennungsdienstlich behandelt, woraufhin er am 09.01.2017 von Dänemark nach Österreich rücküberstellt wurde.

Diesen zweiten Antrag auf internationalen Schutz wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 15.03.2017, Zahl XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkt II.) ab, erteilte gemäß § 57 AsylG einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Der Bescheid wurde nach erfolglosem Zustellversuch nicht behoben und erwuchs mit 01.04.2017 in Rechtskraft.

I.1.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leitete in der Folge ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme gegen den Beschwerdeführer ein, woraufhin am 13.09.2017 eine Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgte. Dabei gab er an, dass er Staatsbürger der Sowjetunion gewesen sei und nur ein Militärbuch der „Roten Armee“ besessen habe. Auf Befragung machte er Angaben zu Gründen, die gegen eine Rückkehr in die Russische Föderation sprechen würden und erstattete Vorbringen zu seiner Integration in Österreich.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2017, Zahl XXXX , wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt II.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).

Mit Schriftsatz vom 06.03.2018 stellte der Beschwerdeführer im Wege seiner Vertretung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob gleichzeitig gegen den oben angeführten Bescheid Beschwerde in vollem Umfang.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.06.2018, XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.08.2018, Zl. XXXX , als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.08.2018, Zl. XXXX , wurde ferner die Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.10.2017 als verspätet zurückgewiesen.

I.2. Gegenständliches Verfahren

I.2.1. Der Beschwerdeführer stellte am 04.10.2018 in der Bundesrepublik Deutschland den verfahrensgegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Am 02.01.2019 wurde er in den Niederlanden erkennungsdienstlich behandelt, woraufhin er zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt nach Deutschland zurückkehrte. Nach Durchführung eines Dublin- Konsultationsverfahrens wurde er am 12.04.2019 nach Österreich überstellt.

Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen.

I.2.2. In der Folge wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seiner Staatsangehörigkeit, seiner Herkunft, seinem Gesundheitszustand, den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, seinen Familienangehörigen sowie zu seinem Leben in Österreich befragt.

I.2.3. Mit Schreiben vom 23.08.2019 teilte das „Ministry of Internal Affairs of Georgia, Migration Department“ dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass Daten zu einer Person mit dem Namen XXXX , geboren am XXXX , im georgischen Personenstandsregister nicht vorhanden seien. Relevante Beweismittel, dass es sich bei der genannten Person um einen Staatsangehörigen Georgiens handle, würden nicht vorliegen.

I.2.4. Am 06.10.2019 erstattete über Auftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl eine allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige, nach Untersuchung des Beschwerdeführers am 02.10.2019 eine gutachterliche Stellungnahme zum psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers.

Mit Parteiengehör vom 15.10.2019 wurde dem Beschwerdeführer die gutachterliche Stellungnahme zur Kenntnis gebracht und ihm eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt, welche er jedoch nicht wahrnahm.

I.2.5. Mit Verfahrensanordnung vom 24.07.2020 wurde das Verfahren zugelassen.

I.2.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 02.03.2021 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 04.10.2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen „Herkunftsstaat“ gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.) ab. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Georgien, in die Russische Föderation, in die Ukraine sowie nach Belarus gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht gewährt (Spruchpunkt VIII.).

I.2.7. Der Beschwerdeführer erhob im Wege seiner Vertretung gegen den oben angeführten Bescheid fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erlassen worden wäre.

I.2.8. Am 08.04.2021 langten die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.2.9. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.04.2021 wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des Bescheids stattgegeben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

I.2.10. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 09.06.2021 vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung (Videokonferenz) eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der Verhandlung ferngeblieben.

Im Rahmen dieser Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seiner Identität und Herkunft, zu seinem Leben in Österreich, zu seinem strafrechtlichen Fehlverhalten sowie seiner Situation im Fall der Rückkehr nach Georgien befragt.

I.2.11. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 10.06.2021 wurden dem Beschwerdeführer das Verhandlungsprotokoll vom 09.06.2021 sowie das Länderinformationsblatt Georgien vom 29.03.2021, zur Stellungnahme binnen zwei Wochen übermittelt.

I.2.12. Mit Stellungnahme vom 23.06.2021 brachte der Beschwerdeführer sechs Lichtbilder zur Bescheinigung seines Fluchtvorbringens in Vorlage und verwies auf die von ihm gesetzten Integrationsschritte in Österreich. Darüber hinaus wurde angeregt, ein offizielles Auskunftssuchen an die georgische Botschaft in Österreich zu stellen, um die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu überprüfen.

I.2.13. Das Bundesverwaltungsgericht ersuchte mit Schreiben vom 24.06.2021 einen Verbindungsbeamten der Österreichischen Botschaft Tiflis zu überprüfen, ob der Beschwerdeführer georgischer Staatsbürger ist und über eine Personalnummer verfügt.

Mit Anfragebeantwortung vom 08.07.2021 teilte der Verbindungsbeamte mit, eine Überprüfung habe ergeben, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger Georgiens sei, über die georgische Personalnummer XXXX verfüge, den Namen XXXX führe und am XXXX geboren sei.

Der Beschwerdeführer hat sich zu dem ihm mit Schreiben vom 16.07.2021 zur Kenntnis gebrachtem Ergebnis dieser Anfragebeantwortung bis dato nicht geäußert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Sachverhalt:

II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

II.1.1.1. Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsangehöriger, führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Er bekennt sich zum christlichen Glauben und ist ledig.

II.1.1.2. Im Jahr 2005 reiste der Beschwerdeführer unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13.08.2005 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seines Verfahrens gab er zu seiner Identität an, Staatsangehöriger Georgiens zu sein und den Namen „ XXXX “ bzw. „ XXXX “ zu führen. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.05.2006 wurde sein Antrag abgewiesen und seine Abschiebung nach Georgien für zulässig erklärt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. Er wartete das Ergebnis des Verfahrens jedoch nicht ab, sondern reiste nach Spanien und hielt sich dort mehrere Jahre unrechtmäßig auf. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 10.05.2007 wurde seine Berufung abgewiesen. Der Bescheid wurde am 21.05.2007 ohne vorausgehenden Zustellversuch durch Hinterlegung beim Unabhängigen Bundesasylsenat zugestellt.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 27.09.2014 in den Niederlanden erkennungsdienstlich behandelt. Gegenüber den niederländischen Behörden gab er an, Staatsangehöriger von Belarus zu sein und den Namen „ XXXX “ zu führen.

Am 25.02.2015 stellte der Beschwerdeführer in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Durchführung eines Dublin-Konsultationsverfahrens wurde der Beschwerdeführer am 12.08.2015 zur Durchführung des Asylverfahrens von Deutschland nach Österreich überstellt, wo er am 14.08.2015 im Rahmen seiner Erstbefragung zu seiner Identität angab, er führe den Namen „ XXXX “ und sei Staatsangehöriger der Russischen Föderation.

Ohne die Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuwarten, reiste er nach Dänemark, wo er am 28.09.2016 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 09.01.2017 wurde er von Dänemark nach Österreich rücküberstellt. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2017 sein zweiter Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Georgien abgewiesen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und gleichzeitig festgestellt, dass seine Abschiebung nach Georgien zulässig ist. Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 17.03.2017 durch Hinterlegung zugestellt.

In der Folge wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl neuerlich ein Verfahren zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen eingeleitet und mit Bescheid vom 03.10.2017 eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 05.10.2017 durch Hinterlegung zugestellt.

Der Beschwerdeführer ist seinen Rückkehrverpflichtungen nicht nachgekommen, sondern ist unrechtmäßig in die Bundesrepublik Deutschland gereist, wo er am 04.10.2018 den verfahrensgegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Am 02.01.2019 wurde er in den Niederlanden erkennungsdienstlich behandelt, kehrte jedoch nach Deutschland zurück und wurde von dort nach Durchführung eines Dublin- Konsultationsverfahrens am 12.04.2019 nach Österreich zur Durchführung seines Asylverfahrens überstellt. Am selben Tag erfolgte seine Erstbefragung, im Rahmen welcher er anführte, den Namen „ XXXX “ zu führen und Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein. Im weiteren Verfahren gab er an, Staatsangehöriger von Belarus zu sein bzw. gewesen zu sein.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer seit der Stellung seines ersten Antrags auf internationalen Schutz aus der Europäischen Union nicht ausgereist ist. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte mehrere Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer. Dieser verhinderte jedoch die Durchsetzung der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidungen, indem er gegenüber den Behörden divergierende und nicht den Tatsachen entsprechende Angaben zu seiner Identität erstattete.

Mit Strafverfügung vom 29.06.2020 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von € 400, -- verhängt, da er die ihm mit Verfahrensanordnung vom 12.04.2019 zur Kenntnis gebrachte Anordnung zur Unterkunftnahme missachtet und sich am 23.08.2019 bis 25.08.2019, am 31.08.2019 bis 01.09.2019, am 18.09.2019 bis 19.09.2019 und am 26.09.2019 bis 27.09.2019 in den Nachtstunden zwischen 22.00 bis 6.00 Uhr nicht an der ihm zugewiesenen Unterkunft aufgehalten hat.

II.1.1.3. Dem Beschwerdeführer droht in seinem Herkunftsstaat Georgien keine gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung aufgrund seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung, sei es durch staatliche Organe oder durch Private.

Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Während seines Aufenthalts in der Europäischen Union ist der Beschwerdeführer an Hepatitis C erkrankt, seine Erkrankung wurde jedoch zwischenzeitlich geheilt. Beim Beschwerdeführer wurden aufgrund seines Drogenkonsums nach ICD-10 „psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, Störungen durch Opiate“ (F11.2) diagnostiziert. Es steht nicht fest, dass der Beschwerdeführer aktuell an einer Depression leidet. Bei ihm besteht keine suizidale Einengung.

Es steht nicht fest, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Georgien in eine existenzbedrohende Situation geraten wird. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und verfügt über Schulbildung. Ferner beherrscht er die Sprachen Georgisch und Russisch. Es ist sohin davon auszugehen, dass er im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Lage ist, durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit seine Existenz zu sichern. Ferner besteht für ihn die Möglichkeit, in Georgien Sozialbeihilfe zu beziehen.

II.1.1.4. Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 05.08.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 01.07.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Strafe in der Dauer von zwölf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer jeweils einem Verfügungsberechtigten eines Unternehmens fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

1.       am 07.02.2020 in XXXX weggenommen hat, nämlich zwei Stück „Apple Smart Keyboards“ im Gesamtwert von € 358, --;

2.       am 14.03.2020 in XXXX wegzunehmen versucht hat, nämlich ein Stück kabellose Bluetooth-Kopfhörer der Marke „Apple AirPods“ im Wert von € 154;

3.       am 08.05.2020 in XXXX wegzunehmen versucht hat, nämlich zwei Paar kabellose Bluetooth-Kopfhörer der Marke „Apple AirPods“ im Gesamtwert von € 289,98, --;

wobei er den Diebstahl - mit Blick auf die Verwendung eines besonderen Tatmittels (präparierte/r Jacke bzw. Mantel mit versteckt eingenähten Innentaschen), die spezifisch einschlägige Verurteilung durch das BG XXXX vom 05.08.2019 mit Rückfall binnen Jahresfrist sowie die Faktenmehrheit - gewerbsmäßig beging bzw. zu begehen suchte.

Ferner hat er am 29.01.2020 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich eine morphinhältige Tablette „Substitol 200 mg“, im raschen Rückfall ungeachtet der einschlägigen Vorstrafe besessen und einer anderen Person mit auf Vorteilserzielung gerichteter Absicht zum Kauf um einen Preis von € 10 ,-- angeboten.

Als mildernd wertete das Strafgericht den teilweisen Versuch sowie die Verantwortungsübernahme hinsichtlich des Diebstahls. Als erschwerend galten der sehr rasche Rückfall, die Tatwiederholung, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen sowie die einschlägige Vorstrafe.

Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 07.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer, nachdem er drei Monate seiner Haftstrafe verbüßt hatte, der Rest der Strafe von drei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Am 10.08.2020 wurde der Beschwerdeführer daher bedingt aus der Strafhaft entlassen.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 31.03.2021 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt. Ferner wurde der Beschluss gefasst, die bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen der über den Beschwerdeführer mit Urteilen des BG XXXX vom 05.08.2019 und des Landesgerichts XXXX vom 01.07.2020 sowie die ausgesprochene bedingte Entlassung vom 07.08.2020 zu widerrufen.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 09.11.2020 in XXXX fremde bewegliche Sachen, nämlich zwei „Apple Smart Keyboards“ im Gesamtwert von € 398 ,-- , Gewahrsamsträgern eines Unternehmens mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Diebstahl – mit Blick auf die wertvolle Beute, seine Beschäftigungslosigkeit, den raschen Rückfall nach zwei spezifisch einschlägigen Vorstrafen sowie die Tatbegehung unter Verwendung eines mit speziell eingenähten Taschen zum Verstecken des Diebesguts präparierten Mantels gewerbsmäßig beging. Er beging den Diebstahl in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung seinen Lebensunterhalt und insbesondere seine Drogensucht zu finanzieren. Es kam ihm darauf an, sich durch die wiederkehrende Begehung von derartigen Diebstählen längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes, nach einer jährlichen Durchschnittsberechnung monatlich € 400, -- übersteigendes, Einkommen zu verschaffen, wobei ihm seine Vorstrafen bekannt waren.

Als mildernd wertete das Strafgericht das teilweise Geständnis, als erschwerend galten die einschlägigen Vorstrafen sowie der rasche Rückfall.

Der Beschwerdeführer befindet sich aktuell in Strafhaft.

II.1.1.5. Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen und lebt auch mit niemandem in einer Familiengemeinschaft. Einer rechtmäßigen Erwerbstätigkeit ist er während seines Aufenthalts in Österreich nicht nachgegangen. Er verfügt auch nicht über sonstige ausreichende Existenzmittel zur eigenständigen Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Der Beschwerdeführer spricht Deutsch, er nimmt jedoch nicht aktiv am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich teil. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine besonders ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich vor.

II.1.2. Zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat

II.1.2.1. COVID-19

Letzte Änderung: 29.03.2021

COVID-19-Infektionen kommen in allen Regionen des Landes vor; und es kommt landesweit zu unkontrollierter Übertragung von COVID-19 (USEMB 25.2.2021).

Georgien hat die Verbreitung von COVID-19 im Frühling 2020 durch strenge Maßnahmen weitgehend eingedämmt. Nachdem im Sommer 2020 die strengen Regeln aufgehoben, die Einreisebestimmungen an den Grenzen gelockert und Inlandstourismus beworben wurde, kam es ab Ende August 2020 zu einem exponentiellen Anstieg bei positiven Tests. Bis Mitte September 2020 stieg die Zahl der täglichen positiven Testergebnisse von niedrigen zweistelligen Zahlen auf etwa 150 (Eurasianet 18.9.2020) und um Mitte Oktober auf ungefähr 1.000 (Jam 16.10.2020). Gegen Ende November 2020 lag die tägliche Zahl positiver Tests um die 4.000 und die der Verstorbenen an oder mit SARS-CoV-2 bei 35-50 Personen (Agenda 26.11.2020). Im Dezember stieg die tägliche Zahl der Infektionen auf ca. 5.000. Mit strengen Maßnahmen konnte die zweite Welle bis Mitte Jänner 2021 weitgehend unter Kontrolle gebracht werden (civil 18.1.2021)

Die zentrale Homepage der Regierung mit Informationen über Covid-19 ist in Georgien unter www.stopcov.ge zu finden. Die Internetseite ist neben Georgisch auch auf Englisch, Abchasisch, Aserbaidschanisch, Armenisch und Russisch verfügbar. Somit wird gewährleistet, dass auch die Angehörigen von Minderheiten alle relevanten Informationen zur Pandemie im Allgemeinen, zur speziellen Hygiene und zu Maßnahmen der Regierung erhalten (BAMF 10.2020). Auf dieser Seite werden auch tagesaktuelle Zahlen zu bestätigten Infektionen, Genesungen, Todesfällen und Hospitalisierungen veröffentlicht (StopCoV.ge o.D.).

Der öffentliche Überlandverkehr wurde landesweit mit 25.2.2021 wieder aufgenommen (USEMB 25.2.2021). Mit Wirkung von 1.2.2021 durften Schulen, Hochschulen und Kindergärten wieder öffnen (Jam 23.1.2021). Weitere Lockerungen des wirtschaftlichen Lebens wurden im Zeitraum Februar-März 2021 ermöglicht (Gov.ge 24.2.2021). Stand Mitte März 2021 bestehen weiterhin nächtliche Ausgangssperren (USEMB 25.2.2021; vgl. Gov.ge 24.2.2021).

Mitte Jänner 2021 wurde der nationale Impfplan vorgestellt. Die Risikogruppen sollen bis Jahresmitte 2021 geimpft sein. Es ist nicht zu erwarten, dass Personen, die nicht den Risikogruppen angehören, vor dem Spätsommer/Frühherbst 2021 geimpft werden (civil 18.1.2021). Am 13.3.2021 erhielt Georgien, mit Unterstützung der Vereinten Nationen, erstmals 43.200 Impfdosen von Astra Zeneca (UNICEF 12.3.2021).

Mit 1.2.2021 wurden alle Einschränkungen für Linienflüge aufgehoben (1TV 1.2.2021; vgl. Jam 23.1.2021). Alle Personen, die einen vollständigen Impfschutz nachweisen können, müssen bei Einreise nicht in Quarantäne. Personen, die keinen Impfschutz und keinen negativen PCR-Test (nicht älter als 72 Stunden), nachweisen können, werden bei Einreise für unbestimmte Zeit und auf eigene Kosten in Quarantäne verbracht (USDOS 25.2.2021; vgl. MoF o.D.), falls eine Selbstisolierung nicht möglich ist. Bei Vorlage eines negativen PCR-Tests (nicht älter als 72 Stunden) muss eine achttägige Selbstisolation samt einer weiteren PCR-Testung fünf Tage nach Einreise auf eigene Kosten durchgeführt werden (MoF o.D.).

Trotz der Zugangsbeschränkungen unterstützt die Georgische Regierung die separatistische Region Abchasien bei der Bekämpfung von COVID-19 materiell und fachlich. Auch die Behandlung von abchasischen COVID-19-Patienten in Kern-Georgien wurde ermöglicht (CW 27.11.2020; vgl. Jam 16.10.2020). Internationale Hilfe in Südossetien ist auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beschränkt. Die georgische Zentralregierung hat Zchinwali ebenfalls humanitäre Hilfe angeboten, aber der Vorschlag wurde nicht weiterverfolgt (CW 27.11.2020). Dennoch werden auch COVID-Patienten aus Südossetien in Georgien behandelt, wenn auch in geringerem Ausmaße als aus Abchasien (Jam 16.10.2020).

[…]

II.1.2.2. Sicherheitslage

Letzte Änderung: 29.03.2021

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen (EDA 28.7.2020). Die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen und die hohe Arbeitslosigkeit haben zu einem Anstieg der allgemeinen Kriminalität beigetragen, die jedoch immer noch niedriger ist, als in vielen europäischen Ländern (MSZ o.D.; vgl. EDA 28.7.2020).

Im Dezember 2017 führte eine Reihe von Operationen georgischer Spezialkräfte in der Hauptstadt und im Pankisi-Tal [Munizipalität Achmeta, Region Kachetien] zur Verhaftung von Militanten, die beschuldigt wurden, an Terroranschlägen im Ausland beteiligt gewesen zu sein und Berichten zufolge beabsichtigten, Ziele auf georgischem Boden anzugreifen (MAECI 27.1.2021). Die politische Lage ist polarisiert (SZ 18.2.2021).

Die Situation an der De-facto-Grenze zwischen Georgien und den abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien ist seit dem georgisch-russischen Krieg im August 2008 weitgehend ruhig. Doch bleibt die Lage angesichts der Unvereinbarkeit der Positionen und der zahlreichen Behinderungen des kleinen Grenzverkehrs angespannt. Russland betreibt gegenüber beiden Regionen eine Politik der informellen militärischen und wirtschaftlichen Annexion. Seit dem August-Krieg 2008 stellt Moskau finanzielle Unterstützung für die sozio-ökonomische Entwicklung und die Infrastruktur bereit und gewährt der abchasischen und südossetischen Bevölkerung Zugang zur russischen Staatsbürgerschaft. Russland unterhält weiterhin Stützpunkte und Truppen in Abchasien und Südossetien, darunter zwischen 3.000 und 4.000 Soldaten sowie Grenzschutztruppen des Inlandsgeheimdienstes FSB, welche die Demarkationslinien (administrative border lines – ABL) zum georgischen Kernland sichern. Zwischen Tiflis und den De-facto-Regierungen in Sochumi und Zchinwali bestehen keine offiziellen bilateralen Kontakte. Einziges Forum zum Austausch auf hochrangiger politischer Ebene sind die vierteljährlichen internationalen Gespräche im Rahmen des Genfer Prozesses. Trotzdem hat Georgien seit 2012 seine Politik der Isolation Abchasiens und Südossetiens aufgegeben und bemüht sich um Kooperation auf humanitärer Ebene. Dazu zählt etwa das Angebot, der abchasischen und südossetischen Bevölkerung den kostenfreien Zugang zum georgischen Bildungs- und Gesundheitssystems zu ermöglichen (bpb 26.8.2020; vgl. ACLED 2.2020).

Aus Sicht Abchasiens und Südossetiens ist der politische Status ihrer Gebiete endgültig geklärt. Sie lehnen Verhandlungen mit Georgien über eine gemeinsame Staatlichkeit ab und verfolgen den Aufbau bilateraler Beziehungen unter Anerkennung ihrer Unabhängigkeit. Die Regierung in Tiflis pocht dagegen auf die Wahrung der territorialen Integrität Georgiens. Sie versucht, ihre guten Beziehungen zur EU und den USA zu nutzen, aber auch multilaterale Foren wie die UNO, um ihrer Position Nachdruck zu verschaffen (bpb 26.8.2020). Gemäß dem georgischen Gesetz über "besetzte Gebiete" vom 23. Oktober 2008 sind die Gebiete der Autonomen Republik Abchasien und der Region Zchinwali (Südossetien) als "besetzt" zu betrachten (MAECI 27.1.2021).

Wegen Zugangsbeschränkungen gibt es nur wenige Informationen über die humanitäre Lage und Menschenrechtslage in Abchasien und Südossetien (US DOS 11.3.2020). Der EU-Sonderbeauftragte für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) unterstützen aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung (EC 5.2.2021). Obwohl der EUMM der Zutritt zu Abchasien und Südossetien verwehrt bleibt, und es weiterhin zu Zwischenfällen kommt, konnte bisher ein Wiederaufflammen der bewaffneten Auseinandersetzungen verhindert werden (bpb 26.8.2020).

[…]

II.1.2.3. Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 29.03.2021

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte sind explizit in eigenen Verfassungsartikeln aufgeführt. Mit dem Büro des Public Defenders (Ombudsperson), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Auch Staatsanwaltschaft und Gerichte, die in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen haben, werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom Staat weitgehend geachtet und gestärkt. Die Lage der Menschenrechte hat sich weiter den internationalen Standards angenähert und in vielen Bereichen einen guten Stand erreicht. In einigen Bereichen der Gesellschaft sind insbesondere Minderheitenrechte wenig akzeptiert, sodass Minderheiten mit Benachteiligung und Diskriminierung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und im Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann (AA 17.11.2020).

Beim Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit gibt es systemische Probleme. Seit Jahren wird die georgische Regierung immer noch für politische Verfolgung und politische Inhaftierung verantwortlich gemacht. Die Bedrohung durch Informationsmanipulation und Radikalisierung im polarisierten Medienumfeld nehmen zu. Der Schutz der Rechte verschiedener Minderheitengruppen und die Umsetzung von Gleichberechtigung gehören immer noch zu den größten Herausforderungen im Lande. Ungeachtet der positiven Gesetzesänderungen der letzten Jahre und der verstärkten Reaktion auf die begangenen Verbrechen, ist die Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt immer noch eine große Herausforderung in der georgischen Gesellschaft. Die Lage von Menschen mit Behinderungen ist immer noch ernst. Ethnische und religiöse Minderheiten sowie Angehörige sexueller Minderheiten sind immer noch Gegenstand von systemischer Diskriminierung und Stigmatisierung (HRC 2021; vgl. US DOS 11.3.2020). In Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden nicht dominante und bereits marginalisierten Gruppen aus dem Anti-Krisen-Aktionsplan ausgeschlossen. Die Krise wird vermutlich einen schweren und langfristigen Einfluss auf die Durchsetzung der Gleichstellungspolitik haben (HRC 2021). Die Straffreiheit bei Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden bleibt ein anhaltendes Problem (HRW 13.1.2021; vgl. US DOS 11.3.2020).

Georgien ist weiterhin, trotz der COVID-19-bedingten Herausforderungen, der Umsetzung, den Verpflichtungen und Zusagen des EU-Assoziierungsabkommens verpflichtet. Die Angleichung an die europäischen Standards im Bereich der Menschenrechte wurde auch 2020 im Großen und Ganzen fortgesetzt. Verbesserungen 2019/2020 konzentrierten sich auf die Entwicklung und Umsetzung einer neuen Menschenrechtsstrategie, die insbesondere auf die Rechte des Kindes, häusliche Gewalt und die Inklusion von Mitgliedern gefährdeter Gruppen/Minderheiten abzielt (EC 5.2.2021).

Es kommt weiterhin zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen in den separatistischen Regionen Georgiens (HRC 2021; vgl. US DOS 11.3.2020), darunter rechtswidrige oder willkürliche Tötungen und Inhaftierungen (US DOS 11.3.2020).

[…]

II.1.2.4. Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 29.03.2021

83% der Bevölkerung sind orthodox, 11% Muslime und rund 3% Anhänger der Armenisch- Apostolischen Kirche. Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Ethnie, Religion und Heimatregion. Die meisten Georgier gehören der Georgisch-Orthodoxen Kirche an, einige – hauptsächlich ethnische Russen – gehören zu anderen orthodoxen Gruppen. Ethnische Aseris – meist schiitische Muslime – bilden eine Bevölkerungsmehrheit in der südöstlichen Region Kvemo Kartli. Weitere Muslime sind die ethnisch georgischen Muslime in Adscharien und die tschetschenischen Kisten im Nordosten. Ethnische Armenier gehören meist zur armenisch-apostolischen Kirche und bilden eine Mehrheit in der südlichen Region Samtskhe-Javakheti. Katholiken, kurdische Jesiden, Griechisch-Orthodoxe, Juden sowie nicht-traditionelle religiöse Gruppen wie Baptisten, Zeugen Jehovahs, Pfingstbewegung, Hare Krishnas und Menschen ohne Bekenntnis machen 3% aus (US DOS 10.6.2020; vgl. CIA 24.2.2021, BAMF 10.2020). In den Hochlagen des Kaukasus haben sich heidnische und vorchristliche Rituale bis heute erhalten, wobei die Menschen Christentum und Heidentum parallel praktizieren (Independent 15.8.2015; vgl. Bainbridge 2015). Es gibt bestimmte heilige Plätze, die nur von Männern betreten werden dürfen (GI o.D.).

Die Verfassung sieht völlige Religionsfreiheit, Trennung von Kirche und Staat und Gleichheit für alle ungeachtet der Religion vor (US DOS 10.6.2020; vgl. FH 10.3.2020, AA 17.11.2020, HRC 2021). Diskriminierung aufgrund des religiösen Bekenntnisses oder die Behinderung der Religionsausübung sind unter Strafe gestellt (AA 17.11.2020; vgl. HRC 2021, US DOS 10.6.2020, FH 3.3.2021). Gesetze und Richtlinien gewähren der Georgisch-Orthodoxen Kirche (GOK) jedoch Privilegien, die keiner anderen religiösen Gruppe gewährt werden (US DOS 10.6.2020; vgl. FH 3.3.2021, AA 17.11.2020, HRC 2021). Beispielsweise konnten im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ab März 2020 in georgisch-orthodoxen Kirchen weiterhin Zeremonien mit Publikum, darunter auch das Osterfest, veranstaltet werden. Dieses Recht wurde anderen Religionsgemeinschaften verwehrt; sie mussten den Zutritt der Gläubigen zu den Gebetsstätten einschränken und führten Zeremonien ohne Publikum durch (GIP 2.4.2020; vgl HRC 2021, KP 11.5.2020, FH 3.3.2021).

Ein Religionsrat beim Büro des Public Defender (Ombudsfrau) mit Vertretern 22 religiöser Organisationen soll den Austausch, Aktivitäten und Integration der verschiedenen Glaubensgemeinschaften fördern, konnte aber noch keine große Wirkung entfalten. Angehörige religiöser Minderheiten müssen mit Intoleranz und Nachteilen im gesellschaftlichen und beruflichen Leben rechnen, z. B. bei der Besetzung öffentlicher Ämter in verschiedenen Regionen (AA 17.11.2020; vgl. HRC 2021). In Bezug auf die Religionsfreiheit sind die Wiederherstellung von historischem Eigentum, Verstöße im Bildungsbereich und ein ungleiches Umfeld seit Jahren ein Problem. Die Reaktion auf religiös motivierte Hassverbrechen hat sich seitens des Innenministeriums 2019 verbessert (PD 2.4.2020; vgl. HRC 2021). Es gibt Berichte über einzelne Übergriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, insbesondere auf Angehörige der Zeugen Jehovas (AA 17.11.2020).

NGOs berichten, dass sich die Ermittlungen zu Verbrechen, die durch religiösen Hass motiviert waren, verbessert haben und die entsprechenden Gesetze korrekt angewandt werden. Laut dem Büro der Ombudsperson wurden 2019 19 Fälle von Gewalt aufgrund religiöser Intoleranz gemeldet, dieselbe Zahl wie 2018. Einige NGOs und religiöse Minderheitengruppen berichten weiterhin über Widerstand nationaler und lokaler Behörden gegen den Bau von Gebäuden für religiöse Zwecke durch religiöse Minderheitengruppen. Es gibt Berichte über Vandalismus gegen Einrichtungen religiöser Minderheiten. Vertreter von Minderheitengruppen berichten über die weitverbreitete gesellschaftliche Überzeugung, dass religiöse Minderheitengruppen eine Bedrohung für die GOK und die kulturellen Werte des Landes darstellen. Die NGO Media Development Foundation (MDF) dokumentierte 2019 55 Fälle von religiös intoleranten Äußerungen in nationalen Medien, gegenüber 14 im Jahr zuvor. (US DOS 10.6.2020). Religiöse Minderheiten - darunter Zeugen Jehovas, Baptisten, Pfingstler und Muslime - berichten von Diskriminierung und Feindseligkeit, auch seitens georgisch-orthodoxer Priester und Anhänger, und dass sie vom Staat unzureichend geschützt werden (FH 3.3.2021; vgl. BAMF 10.2020).

[…]

II.1.2.5. Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 29.03.2021

Nach dem letzten aktuellen Zensus aus dem Jahr 2014 liegt der Anteil ethnischer Minderheiten im von der georgischen Regierung kontrollierten Gebiet (d.h. ohne die abtrünnigen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien) an der Gesamtbevölkerung (rund 3,7 Millionen) bei ca. 13,2 %. Die größte ethnische Minderheit stellen dabei die Aserbaidschaner (6,3 %), gefolgt von Armeniern (4,5 %) und Russen (0,7 %). Des Weiteren leben etliche kleinere ethnische Minderheiten in Georgien, wie z. B. Osseten, Griechen, Abchasen, Jesiden (Kurden), Ukrainer, Assyrer, Roma und Kisten (BAMF 10.2020; vgl. CIA 24.2.2021, FH 3.3.2021). Es gibt keine Gesetze, die die politische Partizipation von Minderheiten einschränken. Minderheiten bleiben jedoch auf allen Ebenen der Verwaltung unterrepräsentiert (FH 3.3.2021).

Die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat weitgehend geachtet und gestärkt. Eine gesellschaftliche Gleichstellung von Minderheiten kann auch vom Staat allein nicht hergestellt werden. Auch wenn es keine offene staatliche Diskriminierung von Minderheiten gibt, sind traditionelle Vorbehalte in der Bevölkerung weit verbreitet, die der Toleranz in der Gesellschaft in einigen Bereichen enge Grenzen setzen (AA 17.11.2020). Intoleranz aus ethnischen und rassistischen Gründen ist nach wie vor ein ernsthaftes Problem (PD 2.4.2020; vgl. HCR 2021). Es gibt Gruppen, die in den Regionen Kwemo Kartli und Kachetien versuchen, zwischen ethnischen Georgiern und Aseris ethnische Konflikte zu provozieren (SSS 30.5.2020; vgl. BAMF 10.2020).

Die georgische Regierung bemüht sich, ethnische Minderheiten, vor allem die im Süden Georgiens in kompakten Siedlungsgebieten lebenden Armenier und Aserbaidschaner, in die georgische Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Georgischer Sprachunterricht einerseits und Fernsehsendungen in Minderheitensprachen andererseits sollen die Integration fördern und den Einfluss russischer Medien verringern (AA 17.11.2020). Die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung und damit ein sozioökonomischer Aufstieg bleiben vielen Angehörigen ethnischer Minderheiten aufgrund mangelnder Kenntnisse der georgischen Sprache verwehrt. Die aserische und armenische Bevölkerung ist in den staatlichen Einrichtungen, z.B. Exekutivorganen, unterrepräsentiert (AA 17.11.2020, vgl. US DOS 11.3.2020, PD 2.4.2020). Obwohl seit Jahren Sprachkurse angeboten werden, bleibt die Zahl von angehörigen ethnischer Minderheiten, die die georgische Sprache beherrschen, niedrig (PD 2.4.2020). Der Kampf gegen die COVID-19-Pandemie war in den in der Anfangsphase besonders betroffenen Munizipalitäten Marneuli und Bolnissi, wo die Mehrheit der lokalen Bevölkerung ethnische Azeris und Armenier sind, erheblich erschwert (HRC 2021).

Angehörige ethnischer Minderheiten gehören häufig zugleich auch einer religiösen Minderheit an. Auch aufgrund der Religionszugehörigkeit kann es zu bereits dargestellten Problemen wie Diskriminierungen oder Vorurteilen kommen (BAMF 10.2020). Angehörige von Minderheiten wurden, wie andere vulnerable Gruppen auch, besonders von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie getroffen (EC 5.2.2021).

[…]

II.1.2.6. Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 29.03.2021

Georgier können im Allgemeinen frei ins Ausland und innerhalb des von der Regierung kontrollierten Territoriums reisen. Sie können ihren Wohnsitz, ihre Beschäftigung oder ihre Ausbildung ohne unangemessene Einmischung wechseln (FH 3.3.2021).

Es ist nach dem georgischen Recht illegal, von Russland aus über Südossetien oder Abchasien nach Georgien einzureisen. Wenn man auf diese Weise nach Georgien kommt, muss man mit Strafverfolgung rechnen, die mit potenziell hohen Bußgeldern und/oder einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren verbunden ist. Wenn der Reisepass mit Ein-/Ausreisestempeln der separatistischen Behörden versehen ist, können die georgischen Behörden dies als illegale Einreise über einen nicht anerkannten Grenzübergang betrachten (FCO 25.2.2021).

Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt dem Anschein nach eine strenge Pass- und Identitätskontrolle. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter zu identifizieren. Die wiederholten Festnahmen von Personen, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, lassen eine gründliche Durchführung von Kontrollen erkennen (AA 17.11.2020). Seit 1.1.2021 müssen bei der Ausreise aus Georgien georgische Staatsbürger, die in die Schengener Staaten reisen, mittels zusätzlicher Nachweise glaubhaft machen, dass sie nicht planen, illegal in der EU zu bleiben. Dazu zählen ein biometrischer Reisepass, der noch mindestens drei Monate ab dem Datum der beabsichtigten Ausreise aus dem Schengen-Raum gültig sein muss, ein gültiges erstattungsfähiges Reiseticket oder ein gültiges Buchungsdokument für ein solches Reiseticket, ein gültiger Buchungsbeleg für ein Hotel oder eine andere Unterkunft, eine Reisekrankenversicherung sowie Nachweise der Finanzierung der Reise. Für Reisen zu Konferenzen, Seminaren, Geschäftstreffen o.Ä. ist zusätzlich zu den genannten Dokumenten ein Einladungsschreiben erforderlich. Können diese Dokumente nicht vorgelegt werden, kann die Ausreise aus Georgien verweigert werden (SVI 3.1.2021; vgl. Agenda 1.1.2021).

Die de-facto-Behörden und die russischen Streitkräfte in den von Russland besetzten Gebieten Abchasien und Südossetien schränken auch die Mobilität der lokalen Bevölkerung über die administrative Grenze ein, obwohl sie Flexibilität bei Reisen für medizinische Versorgung, Pensionsleistungen, Gottesdienste und Bildung zeigen (US DOS 11.3.2020; vgl. FH 3.3.2021). Dorfbewohner, die sich der Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch den Grenzschutz der Russischen Föderation (US DOS 11.3.2020; vgl. AI 3.7.2019, FH 3.3.2021). Der Übertritt über offizielle Kontrollpunkte an den de-facto-Grenzen zu Abchasien und Südossetien wird seitens der separatistischen Behörden immer wieder gesperrt oder eingeschränkt (AA 17.11.2020).

In Georgien gibt es keine Meldepflicht und eine Änderung des Wohnsitzes wird nicht angezeigt (z.B. bei Änderung des Wohnsitzes, ungenauer Anschrift – auch wegen eines fehlenden zentralen Melderegisters, veralteter Daten in den Melderegistern der Behörden und häufiger Wechsel von Straßennamen) (AA 17.11.2020).

Straßensperren aufgrund von Muren, Schnee oder Steinschlag, die bis zu mehreren Wochen dauern können, kommen immer wieder vor und betreffen auch internationale Hauptverbindungen (MSZ o.D.).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie kam es im Frühling 2020 und im Zeitraum Dezember 2020-März 2021 zu massiven Einschränkungen der Bewegungsfreiheit samt Einstellung des öffentlichen Personenverkehrs (HRW 13.1.2021; vgl. FH 3.3.2021, Jam 23.1.2021, Agenda 3.8.2020, KP 11.4.2020). Die Einschränkungen wurden als angemessen in Bezug zur Bedrohung der öffentlichen Gesundheit betrachtet (FH 3.3.2021). Bei Verletzung der Ausgangssperre, Selbstisolierung und Quarantäne sowie anderer Bestimmungen wurden hohe Geldstrafen verhängt (HRW 13.1.2021; vgl. Jam 23.1.2021, Agenda 3.8.2020, KP 11.4.2020).

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II.1.2.7. IDPs und Flüchtlinge

Letzte Änderung: 29.03.2021

Im Rahmen eines umfassenderen Konsolidierungsplans hat die Regierung im August 2018 das Ministerium für Flüchtlinge, Unterkünfte und Binnenvertriebene abgeschafft und seine Zuständigkeiten auf die Ministerien für Inneres, Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie das Staatsministerium für Versöhnung und bürgerliche Gleichstellung aufgeteilt. Nach Angaben der Regierung gab es im August 2018 rund 280.000 Binnenvertriebene aus den Konflikten 1992-93 und 2008. Der UNHCR schätzt, dass sich 235.176 Personen in einer 'IDP-ähnlichen' Situation befinden, von denen etwa 50.000 Schutz und humanitäre Hilfe benötigen. Zu dieser Zahl gehören Personen, die nach Abchasien und Südossetien zurückgekehrt sind, sowie diejenigen, die im Konflikt von 2008 vertrieben und anschließend umgesiedelt wurden, oder eine Unterkunft oder Barausgleich erhalten haben. Die meisten Vertriebenen im Jahr 2008 Vertriebenen erhielten den Status eines formellen Binnenvertriebenen gemäß den nationalen Rechtsvorschriften, obwohl einige Personen, die nicht durch den Konflikt 2008 vertrieben wurden und in der Nähe der administrativen Grenze (ABL) lebten, offiziell als in einer 'IDP-ähnlichen Situation' beschrieben wurden. Die Regierung gewährt den als Binnenvertriebene anerkannten Personen monatliche Zuschüsse, fördert ihre sozioökonomische Integration und versucht, Bedingungen für ihre Rückkehr in Sicherheit und Würde zu schaffen (US DOS 11.3.2020; vgl. AA 17.11.2020).

Das besondere Problem der Binnenvertriebenen (IDPs) ist nach wie vor Armut und das Fehlen normaler Lebensbedingungen. Während der Pandemie ist die Zahl der Arbeitslosen gestiegen, was die Arbeitslosigkeit und soziale Isolation dieser Gemeinschaft zusätzlich verschlimmert hat (HRC 2021). Die staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Rechte von Binnenvertriebenen reichen nicht aus und viele leben in noch beschädigten Gebäuden, was ihr Leben gefährdet (PD 2.4.2020; vgl. HRC 2021). Die Frage der langfristigen Unterbringung der Binnenvertriebenen zieht sich auch in Tiflis noch hin (HRC 2021).

Zwischen 45.000 und 60.000 Personen sind nach Abchasien, in die Bezirke Gali, Tkvartscheli und Otschamtschire zurückgekehrt. Allerdings verwehren die abchasischen de-facto-Behörden eine Rückkehr der georgischen Binnenflüchtlinge in andere Gebiete Abchasiens. Personen [ethnische Georgier], die ihr im Zuge der Kriegshandlungen in den Jahren 1992-93 verlassenes Eigentum in Abchasien zurückforderten, wurden 2008 per Gesetz von den abchasischen Behörden enteignet (US DOS 11.3.20210).

Viele IDPs hatten mit den Restriktionen der Bewegungsfreiheit im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zu kämpfen, da viele Siedlungen abseits von Städten, weit entfernt von Versorgungseinrichtungen liegen. Der Zugang zu medizinischen Behandlungen war eingeschränkt, die Bewohner konnten nicht mehr in den benachbarten Gebieten saisonaler Erwerbsarbeit nachgehen und hatten keinen Zugang zu den eigenen landwirtschaftlichen Grundstücken (IWPR 27.4.2020).

Ausländische Flüchtlinge erfahren in Georgien nur geringe Aufmerksamkeit. Ihre Zahl lag Ende 2019 bei 1.235 Personen. Die Zahl neuer Antragstellerinnen und Antragsteller ist im Jahr 2019 leicht angestiegen. Unterstützungsleistungen für Flüchtlinge kommen faktisch ausschließlich von internationalen Organisationen und Projekten (v.a. IOM, UNHCR, ICMP). Eine Integration von ausländischen Flüchtlingen ist wegen Sprachbarrieren und einer distanzierten georgischen Öffentlichkeit schwierig (AA 17.11.2020).

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II.1.2.8. Grundversorgung

Letzte Änderung: 29.03.2021

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet (AA 17.11.2020). Die staatliche Sozialhilfe liegt bei GEL 220 [ca. EUR 55] im Monat. Die Rentensätze für Personen unter 70 Jahre liegen bei 220 Georgischen Lari [GEL; ca. 55 Euro] im Monat. Rentner über 70 Jahre erhalten aktuell zwischen 250 und 300 GEL [ca. 62 bis 75 Euro]. Zum Erhalt müssen die Personen seitens der Behörden als bedürftig eingestuft werden. Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der georgischen Diaspora im Ausland (AA 17.11.2020).

Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos. Etwa 20 % der Georgier leben in Armut. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende Binnenvertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten Auslandsmigranten machen einen nennenswerten Anteil des Bruttoinlandsprodukts aus (ADA 8.2020).

Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten, im Kleinwarengeschäft, in der Industrie und im Bauwesen (IOM 2019). Viele Pensionisten sind noch erwerbstätig, da die Pension alleine zum Überleben nicht ausreicht. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit unter den 15-25-Jährigen recht hoch. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren (IOM 2019). Das Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbstständig Beschäftigten lag im dritten Quartal 2020 bei den Männern bei GEL 1.472,5 [rund EUR 370] und bei den Frauen bei GEL 978,1 [rund EUR 245] (GeoStat 2021b).

Die COVID-19-Pandemie hatte verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft (HRW 13.1.2021; vgl. KP 11.2.2021, ADA 8.2020) Statt der ursprünglich prognostizierten Steigerung des Brutto-Inlands-Produktes (BIP) um 4,3 % wurde am Jahresende schließlich ein Rückgang um 5,1 % des BIP vermeldet (KP 11.2.2021). Allein im zweiten Quartal 2020 schrumpfte das BIP um über 16 % (HRW 13.1.2021) Der Tourismus, der in den letzten Jahren stark gewachsen war und für rund 20 % des georgischen BIP verantwortlich ist, kam völlig zum Erliegen (KfW 3.6.1010). Die Zahl der internationalen Besucher Georgiens sank im Jahr 2020 um 80 % im Vergleich zum Vorjahr (KP 11.2.2021).

Es kam 2020, im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, zu einem Anstieg von Arbeitslosigkeit und Armut (HRW 13.1.2021; vgl. ADA 8.2020, GeoStat 2021a). Die Arbeitslosigkeit lag im 4. Quartal 2020 im urbanen Raum bei 22,2 % (verglichen mit 16,6 % im 4. Quartal 2019). Im ländlichen Raum lag die Arbeitslosigkeit im 4. Quartal 2020 bei 17,7 % (verglichen mit 16,7 % im 4. Quartal 2019) (GeoStat 2021a). Die hohe Zahl Erwerbstätiger in ländlichen Gegenden ist mit den gering vergüteten Jobs im Agrarsektor zu erklären (IOM 2019). Um die Folgen der COVID-19-Pandemie abzumildern, verabschiedete die Regierung im April 2020 einen Anti-Krisen-Plan in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar, der ein Sozialhilfepaket für Einzelpersonen sowie Steuererleichterungen und -befreiungen für Unternehmen für mindestens sechs Monate beinhaltete. Drei Monate vor den Wahlen im Oktober 2020 kündigte die Regierung zusätzliche Anti-Krisen-Maßnahmen in Höhe von 132 Millionen US-Dollar an, darunter ein weiteres Sozialhilfepaket. Die Opposition und einige zivilgesellschaftliche Gruppen sahen die Schritte als "Manipulation, um Wähler anzulocken" (HRW 13.1.2021).

Negativ hat sich auch der Außenhandel Georgiens entwickelt, die Exporte sanken um 12 %, die Importe um knapp 16 %, allerdings von einem weitaus höheren Realniveau. Das Außenhandelsdefizit hat sich daher nur geringfügig verbessert. Die Entwicklung des Wechselkurses zum Euro ist weitaus dramatischer: Seit Jahresanfang 2021 hat sich der Lari auf einem Wert von etwa 4:1 zum Euro eingependelt, am Jahresanfang 2020 lag er noch bei 3,2:1. Überraschenderweise sind die Rücküberweisungen der Auslandsgeorgier im vergangenen Jahr um 8,8 % gestiegen, was sich durchaus mäßigend auf die Abwertung des Lari ausgewirkt hat (KP 11.2.2021).

[…]

II.1.2.8.1. Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 29.03.2021

Das Sozialsystem in Georgien umfasst die folgenden finanziellen Zuschüsse:

?        Existenzhilfe

?        Re-Integrationshilfe

?        Pflegehilfe

?        Familienhilfe

?        Soziale Sachleistungen

?        Sozialpakete (IOM 2019)

Menschen unterhalb der Armutsgrenze können zum Beispiel mit einer Unterstützung von GEL 10-60 [Georgische Lari; entspricht ca. 2,50 bis 15 Euro] pro Familienmitglied rechnen. Der Sozialdienst ist für Personen unterhalb der Armutsgrenze verantwortlich. Der staatliche Fond zum Schutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel hilft schutzbedürftigen Personen, wie z.B. Opfern häuslicher Gewalt, Personen mit Einschränkungen, Alten und Waisen. Dabei bietet er: Kinderheime, Pflegeheime für Personen mit Einschränkungen, Unterkünfte für Opfer von Menschenhandel, Krisenzentren und Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt. Eine Arbeitslosenunterstützung gibt es nicht (IOM 2019).

Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Dafür muss der Vertreter der Familie zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden. Danach besucht ein Vertreter des Sozialamtes die Familie vor Ort, wobei in der „Familiendeklaration“ der sozio-ökonomische Stand der Familie festgestellt wird. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: GEL 60 [ca. 15 Euro] für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied GEL 60 [ca. 15 Euro] und alle anderen GEL 48 [ca. 12 Euro] pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen „Haushaltsunterstützung“ oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).

Es gibt ein staatliches Pensionssystem. Bezugsberechtigt sind Männer über 65 und Frauen über 60 Jahre. Für die Registrierung der Pension ist ein Antrag beim zuständigen Sozialamt (Social Service Centre) nötig. Die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen. Personen, die bereits aus dem Ausland eine Pension beziehen, sind vom georgischen Pensionssystem ausgeschlossen (IOM 2019). Die Höhe der Pension wird jährlich gemäß Inflationsrate und Wirtschaftswachstumsdaten angeglichen. Mit 1.1.2021 stieg die Alterspension auf 240 GEL[ca. 60 Euro] für Personen unter 70 Jahre und auf 275 GEL[ca. 69 Euro] für Personen über 70 Jahre. Es gibt Zuschläge für Pensionisten, die in Hochgebirgssiedlungen leben (Agenda 5.1.2021).

Seit dem 1.1.2019 ist das kumulierte Pensionssystem für Beschäftigte unter 40 Jahren verpflichtend, d.h., sie werden automatisch registriert. Für Selbständige und Personen über 40 Jahren ist die Aufnahme in das Programm freiwillig. Dieses System gilt sowohl für Mitarbeiter des öffentlichen als auch des privaten Sektors. Das System wird nach einem 2+2+2-Schema arbeiten. Jeder Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Staat leisten einen Beitrag von je 2% des Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers auf ein individuelles Pensionskonto. Selbstständige müssen eine Einlage von 4% ihres Einkommens leisten und der Staat schießt weitere 2% zu. Das neue Pensionsgesetz sieht keine Aufhebung des bestehenden Pensionssystems vor (Agenda.ge 3.1.2019). Angesichts der Tatsache, dass Georgien bislang nur eine Pensionsersatzrate von 18% aufweist und über 44% der Erwerbstätigen Selbstständige sind, insbesondere in der einkommensschwachen Landwirtschaft, bestehen Zweifel am Funktionieren des neuen Systems (OCM 14.12.2018).

Das Recht auf Mutterschaftskarenz- und Pflegeurlaub gewährleistet 730 Tage Freistellung, von denen 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal GEL 1.000 [ca. 250 Euro] (SSA o.D.b, vgl. USSSA 3.2019).

[…]

II.1.2.9. Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 29.03.2021

Medizinische Versorgung ist für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care, UHC) sowie zusätzlich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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