TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/6 W184 2245103-1

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Veröffentlicht am 06.09.2021
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Entscheidungsdatum

06.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W184 2245103-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien und Bulgarien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2021, Zl. 1278872509/210747726, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1, 2 und 5 VwGVG aufgehoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger von Serbien, wurde am 07.06.2021 von Mitarbeitern der Finanzpolizei auf frischer Tat bei der Schwarzarbeit auf einer Baustelle angetroffen. Er legitimierte sich mit einem serbischen Reisepass und einer französischen „Carte d‘ Identification professionelle“.

Aus einem sichergestellten Reisepass geht hervor, dass die beschwerdeführende Partei zuletzt am 20.01.2017 in den Schengenraum eingereist sei.

Am 05.07.2021 wurde die beschwerdeführende Partei vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde folgende Entscheidung getroffen:

„I. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

II. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen.

III. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist.

IV. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wird gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt.

V. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wird eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt.

VI. Gemäß § 53 Abs.1 iVm Abs. 2 Z 6, 7 FPG wurde gegen die beschwerdeführende Partei ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.“

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden im angefochtenen Bescheid folgendermaßen zusammengefasst:

Die beschwerdeführende Partei habe in Zusammenschau seines bisherigen Verhaltens (Betretung bei der Schwarzarbeit, Nichtnachweis der erforderlichen Mittel zur Bestreitung des Unterhalts, Umgehung des Meldegesetzes, Missbrauch der Visumsfreiheit) und seiner persönlichen Umstände keine Bereitschaft gezeigt, sich an österreichische Rechtsvorschriften betreffend den Aufenthalt und die Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen in Österreich zu halten. Angesichts des dargestellten Fehlverhaltens sowie des Umstandes, dass an der Bekämpfung der so genannten „Schwarzarbeit“ ein Grundinteresse der Gesellschaft bestehe, da durch diese Handlung die Republik Österreich massiv geschädigt werde, liege im vorliegenden Fall eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die beschwerdeführende Partei vor, welche die Anordnung eines Einreiseverbotes erforderlich mache.

Gegen diesen Bescheid wurde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung fristgerecht Beschwerde erhoben. Der Beschwerde wurden mehrere Dokumente in französischer Sprache, unter anderem auch Lohnzettel, angeschlossen.

Die beschwerdeführende Partei meldete am 06.08.2021 mittels bulgarischen Reisepass seinen Hauptwohnsitz in Österreich an.

Aus einem im Akt aufliegenden E-Mail der rumänischen an die deutschen Behörden geht hervor, bulgarische Behörden hätten mitgeteilt, dass die beschwerdeführende Partei doppelter Staatsbürger von Serbien und Bulgarien sei und einen bulgarischen Reisepass, gültig vom 29.07.2021-29.07.2026, mit der Identifikationsnummer 387733823 habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Identität der beschwerdeführenden Partei steht fest. Er ist serbischer und bulgarischer Staatsbürger.

Die beschwerdeführende Partei ist bei einer französischen Baufirma als Fassadentechniker tätig und hat eine Arbeitserlaubnis für Frankreich.

Die beschwerdeführende Partei verließ am 08.07.2021 freiwillig das Bundesgebiet und verfügt seit 06.08.2021 über eine durchgehende Hauptwohnsitzmeldung im österreichischen Bundesgebiet.

2. Beweiswürdigung:

Der wesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt.

Die Identität der beschwerdeführenden Partei geht aus einem sichergestellten serbischen Reisepass (Nummer 012769154), gültig vom 10.10.2016 bis 10.10.2016 (AS 18, 21) in Verbindung mit einem in Vorlage gebrachten bulgarischen Reisepass (Nummer 387733823), gültig vom 29.07.2021 bis 29.07.2026, hervor.

Die Anstellung der beschwerdeführenden Partei bei einer französischen Baufirma geht aus den Angaben der beschwerdeführenden Partei in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 05.07.2021 (AS 53) sowie der sichergestellten Carte d‘ Identification professionelle (AS 23) sowie im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Lohnzetteln hervor.

Die Hauptwohnsitzmeldung der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet geht aus einem aktuellem Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 06.08.2021 hervor.

Die freiwillige Ausreise der beschwerdeführenden Partei geht aus einem aktuell eingeholten IZR Auszug vom 06.08.2021 hervor.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Der mit „Ausweisung“ betitelte § 66 FPG lautet:

„§ 66 (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Die beschwerdeführende Partei ist als bulgarischer Staatsangehöriger Unionsbürger im Sinne der Unionsbürgerrichtlinie und hat durch seine Tätigkeit als Fassadentechniker für eine französische Baufirma, bei der er regelmäßige Bezüge erhält, einen Freizügigkeitssachverhalt verwirklicht.

Die Voraussetzungen für die von der belangten Behörde ausgesprochene Rückkehrentscheidung lagen daher im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu dem Antrag auf Durchführung einer Verhandlung wird ausgeführt:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Den Umfang der Verhandlungspflicht aufgrund dieser Bestimmung umschrieb der Verwaltungsgerichtshof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, worin die Kriterien für die Annahme eines geklärten Sachverhaltes zusammengefasst wurden, folgendermaßen (seither ständige Rechtsprechung; vgl. zum grundrechtlichen Gesichtspunkt auch VfGH 26.02.2018, E 3296/2017; 24.11.2016, E 1079/2016; 14.03.2012, U 466/11, U 1836/11):

„Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht muss die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.“

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W184.2245103.1.00

Im RIS seit

03.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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