Entscheidungsdatum
08.09.2021Norm
BBG §40Spruch
L515 2242486-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , VSNR.: XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 28.12.2020, Zl. OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend: "bP") beantragte am im Akt ersichtlichen Datum beim Sozialministeriumservice als belangte Behörde ("bB") unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass.
Es sei der Vollständigkeit halber festgehalten, dass ein Antrag der bP auf Ausstellung eines Behindertenpasses bereits im Jahre 2005 rechtkräftig abgewiesen wurde, weil sie mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllte.
I.2. In der Folge wurde am 24.11.2020 (Begutachtung am 11.11.2020) ein ärztliches Sachverständigengutachten einer Allgemeinmedizinerin erstellt. Das Gutachten ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H.
I.3. Mit Schreiben vom 25.11.2020 wurde der bP das seitens der belangten Behörde eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
I.4. Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 28.12.2020 wurde der Antrag der bP abgewiesen; mit einem Grad der Behinderung von 30% erfülle sie die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Das Gutachten der medizinischen Sachverständigen vom 25.11.2020 wurde dem Bescheid beigelegt.
I.5. Gegen diesen Bescheid erhob die bP mittels E-Mail vom 10.02.2021 Beschwerde. Mit E-Mail vom 11.02.2021 teilte die bB der bP mit, dass der Bescheid bereits übermittelt worden sei und falls die bP eine Beschwerde einreichen wolle, sei diese zu begründen und müsse bis spätestens 23.02.2021 bei der bB eingelangt sein. Mit E-Mail vom 22.02.2021 erhob die bP Beschwerde und übermittelte aktuelle Befunde der letzten 2 Monate.
I.6. Im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin eingeholt. Dieses Gutachten vom 14.04.2021 (Begutachtung am 31.03.2021) kam zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H.
I.7. Mit Schreiben vom 16.04.2021 wurde der bP das seitens der belangten Behörde eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
I.8. Da das Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht in der gesetzlichen Frist von zwölf Wochen erledigt wurde, wurde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.05.2021 zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerdevorlage langte am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.9. Mit Aktenvermerk des BVwG vom 22.06.2021 wurde hinsichtlich des Versandes des angefochtenen Bescheides festgehalten, dass dieser lt. telefonischer Auskunft einer Mitarbeiterin der bB am 07.01.2021 erfolgt sei. Resümierend wurde festgehalten, dass die Beschwerde fristgerecht eingebracht worden sei.
I.10. Im Rahmen einer nicht öffentlichen Beratung am 06.09.2021 beschloss der erkennende Senat die Beschwerde abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Die bP ist Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina und an der im Akt ersichtlichen oberösterreichischen Adresse wohnhaft. Die bP verfügt über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“.
1.2. Der weitere relevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang, bzw. aus dem Inhalt des Gutachtens vom 14.04.2021 im zitierten Umfang, welches zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben wird:
"...
Anamnese:
Vorgutachten 11/2020 mit einem festgestellten GdB von 30 % bei Kniegelenksbeschwerden bds. (30 %), rechtsseitiger Schrumpfniere (30 %), Krampfadern der Beine (20 %), Wirbelsäulenbeschwerden (20 %) und Schultergelenksbeschwerden links (10 %).
Derzeitige Beschwerden:
Sie habe zusätzlich Schlafstörungen und psychische Probleme, müsse Xanor einnehmen.
Die Beine seien immer geschwollen und schmerzen, am Abend habe sie Wasser in den Beinen, was zu Juckreiz führt und "teilweise mit Kratzen bis das Blut kommt". Beim Gehen über eine Stiege müsse sie sich immer festhalten, Schmerzen werden angegeben an "Niere, Beine, Psyche und alles". Vor allem die Knie "würden immer weh tun", sie habe auch "Probleme mit der Halswirbelsäule mit Kopfschmerzen, obwohl sie alle 3 Wochen in Physiotherapie gehe". Sie habe immer starken Druck im Kopf.
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
1) Kniegelenksbeschwerden bds.
Unveränderte Einschätzung zum Vorgutachten, keine neuen Befunde vorliegend. Es liegen Schmerzen in beiden Kniegelenken, li. mehr als re., vor bei Abnützungserscheinungen.
Pos. Nr. 02.05.19, GdB 30 %
2) Krampfadernleiden an beiden Beinen.
Es besteht ein Fettmuff mit Phlebödem und postthrombotischem Syndrom - Einschätzung mit 30 %.
Pos. Nr. 05.08.01, GdB 30 %
3) Schrumpfniere rechts.
Unverändert zum Vorgutachten uneingeschränkte Funktion der li. Niere, kein vorliegendes Hochdruckleiden.
Pos. Nr. 08.01.01, GdB 30 %
4) Wirbelsäulenbeschwerden.
Unveränderte Einschätzung zum Vorgutachten bei vorliegenden Schulter- und Nackenschmerzen und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen.
Pos. Nr. 02.01.01, GdB 20 %
5) Schultergelenksbeschwerden links.
Linksseitige Verkalkung im Sehnenansatz des Schultergelenkes mit funktioneller Bewegungseinschränkung über 120 Grad.
Pos. Nr. 02.06.01, GdB 10 %
6) Rezidivierende depressive Störungen
Es besteht eine mäßige Einschränkung der sozialen Fähigkeiten mit Einschlafstörungen und lediglich bedarfsweiser Medikamenteneinnahme (Xanor bei Bedarf). Es liegt keine regelmäßige Medikation vor und keine neurologische Einschätzung.
Pos. Nr. 03.04.01, GdB 10 %
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Lfd.1 ist die führende Position, durch Lfd.2 kommt es zu einer additiven funktionellen Beeinträchtigung und zu einer Anhebung um eine Stufe. Die übrigen vorgegebenen Leiden beeinträchtigen wegen Geringfügigkeit nicht weiter.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Nicht eingeschätzt werden Wechselbeschwerden und Eisenmangel, Senk-Spreiz-Hohl-Fuß (kompensierbare Fehlstellung), chronische Gastritis mit Reflux (bedarfsweise Medikation).
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Das Krampfadernleiden wird auf 30 % angehoben, da wiederholte Wassereinlagerungen, funktionelle Beeinträchtigungen sowie ein postthrombotisches Syndrom bei stattgehabten Venenoperationen vorliegen.
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Aufgrund der additiven funktionellen Beeinträchtigung des Venenleidens wird der Gesamt-GdB um eine Stufe auf 40 % angehoben.
Dauerzustand
[…]“
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in den sonstigen relevanten Unterlagen, insbesondere den durch die bP in Vorlage gebrachten ärztlichen Bescheinigungsmittel, das der Entscheidung zu Grunde liegende Gutachten sowie dem Parteienvorbringen.
2.3. Zum Willen der bP
Gem. der höchstgerichtlichen Judikatur ist für die Beurteilung des Charakters eines Anbringens sein wesentlicher Inhalt, der sich aus den gestellten Antrag erkennen lässt und die Art des in diesem gestellten Begehren maßgebend ist. Es kommt nämlich nicht auf die Bezeichnungen und zufällige Verbalform aus der Laiensphäre an, sondern auf den Inhalt des Anbringens oder erkennbar oder zu schließende Ziel des Parteischrittes. Stellt sich eine Willenserklärung als unklar dar, ist die Behörde bzw. das Gericht verpflichtet, den Einschreiter zur Präzisierung seines Vorbringens aufzufordern (VwGH 16.3.2016, 2013/17/0705). Ist hingegen klar erkennbar, dass ein Antrag entgegen seinem Wortlaut auf etwas Anderes abzielt, kommt es auf die erkennbare Absicht des Einschreiters an (Vgl. Erk. des VwGH vom 24.11.2000, Zahl 96/19/3212, auch Erk d. VwGH vom 24.4.1985, 85/11/035, E. v. 22.12.1998, 87/17/0197, E. v. 8.4.1992, 91/13/0123, E. v. 21.5.2003, 2003/17/0089, E. v. 26.2.2003, 2002/17/0279, E. v. 21.4.1998, 98/11/0019, E. v. 21.5.1997, 95/19/1137 mwN).
Parteierklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Entscheidend ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei eindeutigem Inhalt eines Anbringens sind davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck gebrachte Absichten und Beweggründe grundsätzlich unbeachtlich (VwGH vom 26.03.2021, Ra 2020/03/0149).
Im gegenständlichen Fall brachte die die Ausfüllung des entsprechenden Formulares einen Antrag auf „die Neufestsetzung des Grades meiner Behinderung im Behindertenpass“ ein, obwohl sie nicht im Besitz eines Behindertenpasses ist. Eine Befassung mit dem Vorbringen der bP führt zweifelsfrei zum Ergebnis, dass sie mit ihrer Antragstellung –abweichend vom gewählten Wortlaut bzw. falscher Setzung des Kreuzes am Antragsformular- die Ausstellung eines Behindertenpasses begehrte und geht das ho. Gericht deshalb von einem vorliegenden Antrag auf die Ausstellung eines Behindertenpasses aus. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sichtlich auch die bB von einem solchen ausging und die bP gegen diese Annahme in der Beschwerde nichts einwandte.
2.3. Zum Grad der Behinderung
Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Das seitens der belangten Behörde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Inneren Medizin zeigt den aktuellen Gesundheitszustand der bP im Lichte des BBG bzw. der Einschätzungsverordnung in nachvollziehbarer Weise auf, ist ausführlich begründet, schlüssig und weist keine Widersprüche auf. Die vorliegenden Funktionseinschränkungen wurden vom Sachverständigen im Rahmen der klinischen Untersuchung am 31.03.2021 unter Berücksichtigung der im Zuge des Antrages und der Beschwerde vorgelegten Befunde sowie des Vorgutachtens samt Befunde erhoben und den entsprechenden Positionsnummern der Einschätzungsverordnung zugeordnet. Das zitierte Gutachten kommt zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. Führendes Leiden stellt wie im Vorgutachten die Funktionseinschränkung „Kniegelenksbeschwerden bds“ mit einem GdB von 30 % dar, welches durch die Erhöhung des GdB bei der Pos. 2 „Krampfadernleiden an beiden Beinen“ mit einem GdB von nunmehr 30 % auf Grund einer additiven funktionellen Beeinträchtigung zu einer Anhebung um eine Stufe, auf 40 %, führt.
Im Gutachten erläutert der Sachverständige ausführlich die im Hinblick auf das Vorgutachten geänderte Einschätzung der Krampfadernleiden. Das unter lfd. Nr. 01 beschriebene Leiden wurde schlüssig der Pos. Nr. 02.05.19 mit einem GdB von 30 v.H. zugeordnet. Die klinische Untersuchung ergab eine Krepitation über beide Knie, wobei die Knie bereits bei Berührung schmerzhaft sind und eine Mobilitätsprüfung nicht möglich war. Im Vorgutachten wurde eine Kniebeweglichkeit rechts von 0-0-130 Grad und 0-0-120 links mit Schmerzhaftigkeit in der Maximalbewegung beschrieben. Die gegenüber dem Vorgutachten höhere Einschätzung der Pos. Nr. 2 (Krampfadernleiden an beiden Beinen) erklärt der Sachverständige mit dem Vorliegen von wiederholten Wassereinlagerungen, funktioneller Beeinträchtigung sowie einem postthrombotischen Syndrom bei stattgehabten Venenoperationen. Da es durch Pos. Nr. 2 zu einer additiven funktionellen Beeinträchtigung kommt, war der GdB von Pos. 1 um eine Stufe auf 40 v.H. anzuheben. Die übrigen vorgegebenen Leiden beeinträchtigen wegen Geringfügigkeit nicht weiter.
Nicht eingeschätzt wurden die Wechselbeschwerden und der Eisenmangel, der Senk-Spreiz-Hohl-Fuß (kompensierbare Fehlstellung) sowie die chronische Gastritis mit Reflux (bedarfsweise Medikation).
Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass der bP das im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung erstellte Gutachten vom 14.04.2021 zur Stellungnahme übermittelt wurde, sie aber dazu keine Stellungnahme abgab.
Dem Vorbringen der bP und den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ist kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen abzugehen; der Inhalt wird vom erkennenden Gericht nicht angezweifelt.
Da das Sachverständigengutachten auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht, wird es in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs. 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2. ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Mit der Novelle BGBl. I 57/2015 hat der Gesetzgeber für das Verfahren zur Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der Behinderten (in § 19 Abs. 1 BEinstG) und für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. § 46 BBG in der Fassung BGBl. I 57/2015 bestimmt, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.
Falls sich der Leidenszustand der Beschwerdeführerin maßgebend verschlechtert hat bzw. sich die Funktionseinschränkungen künftig verschlechtern, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht (vgl. dazu etwa VwGH vom 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.
Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 2 Abs. 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 2 Abs. 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
Gemäß § 2 Abs. 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gemäß § 3 Abs. 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß § 3 Abs. 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
Gemäß § 3 Abs. 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeein-trächtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
Gemäß § 3 Abs. 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Gemäß § 4 Abs. 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs. 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a VwGH vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0032; VwGH vom 21. August 2014, Zl. Ro 2014/11/0023-7).
Die vom ärztlichen Sachverständigen erfolgte Bewertung der angegebenen Beschwerden und Krankheitszustände entspricht der Einschätzungsverordnung sowohl hinsichtlich Position, als auch Prozentsatz. Festlegungen innerhalb eines Rahmensatzes wurden schlüssig begründet.
Im Beschwerdeverfahren stellte sich heraus, dass bei der bP ein Gesamtgrad von 40 v.H. vorliegt. Ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. reicht aber noch nicht zur Ausstellung eines Behindertenpasses aus (hierzu wäre ein festgestellter GdB von 50 v.H. erforderlich); die Beschwerde war daher abzuweisen.
3.5. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, Zl. 2013/08/0153).
Im vorliegenden Fall hat die bP die Durchführung einer Verhandlung durch das Verwaltungsgericht nicht beantragt. Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Grad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen, welche auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einzuschätzen sind. Wie im gegenständlichen Erkenntnis ausgeführt wurde, wurde das hierfür eingeholte – auf Basis einer klinischen Untersuchung erstellte - Gutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet und zeigt die bP weder Widersprüche, Ungereimtheiten noch Mängel auf. Der auf sachverständiger Basis ermittelte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ist sohin geklärt, nicht ergänzungsbedürftig und wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind für das Absehen einer mündlichen Verhandlung wegen geklärten Sachverhalts folgende Kriterien beachtlich vgl. Erk. d. VwGH vom 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, Beschluss des VwGH vom 25.4.2017, Ra 2016/18/0261-10):
- Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde von der bB vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und weist dieser bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das ho. Gericht noch immer die gebotene Aktualität und Vollständigkeiten auf.
- Die bB musste die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das ho. Gericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.
- In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der bB festgestellten Sachverhalts ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, welches gegen das Neuerungsverbot gem. § 46 BBG verstößt.
- Auf verfahrensrechtliche Besonderheiten ist Bedacht zu nehmen.
Da die oa. Kriterien im gegenständlichen Fall erfüllt sind, und für es im Rahmen der Gewährung des schriftlichen Parteiengehörs im Beschwerdeverfahren auf den persönlichen Eindruck nicht ankam, da die Leiden der bP nicht in Zweifel gezogen wurden, konnte eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben.
3.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. So lag der wesentliche Schwerpunkt des gegenständlichen Erkenntnisses im Rahmen der Beweiswürdigung und hier insbesondere im Rahmen der Frage der Beweiskraft eines schlüssigen Gutachtens. Zu dieser Frage liegt umfangreiche und einheitliche Judikatur des VwGH vor. Die grundsätzliche Bestimmung betreffend der Einstufung bzw. der Feststellung des Grades der Behinderung ist nach ihrem Wortlaut eindeutig, basiert die hier getroffenen Auslegung auf der einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur und erfuhren diese keine substanzielle Änderung. Im Rahmen der Frage des Umfanges der Ausnahme von der Verhandlungspflicht orientierte sich das ho. Gericht ebenfalls an der Judikatur des VwGH.
Die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG waren somit nicht gegeben.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L515.2242486.1.00Im RIS seit
05.01.2022Zuletzt aktualisiert am
05.01.2022