Entscheidungsdatum
13.09.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W172 1422011-4/42E
Schriftliche Ausfertigung des am 30.07.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Martin MORITZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1993, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX .2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am XXXX .2011 statt, die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) fand am 14.01.2011, am 08.03.2011 sowie am 16.09.2011 statt.
2. Mit Bescheid vom 29.09.2011 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.
4. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 29.07.2013, Zl. C13 422.011-1/2011/18E, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.07.2014 erteilt.
5. Mit Bescheid vom 18.07.2014 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers bis zum 29.07.2016 verlängert.
6. Mit Schriftsatz vom 19.08.2015, eingegangen beim Bundesverwaltungsgericht am 20.08.2015, begehrte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme seines mit genannten Erkenntnis des Asylgerichtshofes rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG.
7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.02.2016, Zl. W124 1422011-3/5E, wurde der Antrag auf Wiederaufnahme abgewiesen.
8. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.04.2016 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers erneut verlängert.
9. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 07.11.2018 wurde der dem Beschwerdeführer zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.) Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
10. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.11.2020 und am 30.07.2021 eine mündliche Verhandlung durch.
Als Zeugin wurde in der Verhandlung vom 30.07.2021 die Ehefrau des Beschwerdeführers XXXX , StA. XXXX , einvernommen.
Am Schluss dieser Verhandlung wurde die gegenständliche Entscheidung mündlich verkündet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1993. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er ist kinderlos.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich am XXXX .2020 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehegattin in einem gemeinsamen Haushalt.
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Herat geboren. In Afghanistan leben an Familienangehörigen seine Eltern sowie sein Bruder. In Österreich lebt eine Schwester des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer besuchte ca. sechs bis acht Jahre lang die Schule in Afghanistan. Der Beschwerdeführer erlernte keinen Beruf. Der Beschwerdeführer arbeitete als Aushilfskraft im familieneigenen Lebensmittelgeschäft in Afghanistan. Seit dem XXXX .2011 hält sich der Beschwerdeführer in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer war in Österreich weitgehend selbsterhaltungsfähig und ist weitgehend einer Beschäftigung nachgegangen. Der Beschwerdeführer verfügt über eine mündliche Einstellungszusage.
Der Beschwerdeführer unterzog sich in Österreich einem Antiaggressionstraining und nimmt regelmäßig seine Termine bei der Bewährungshilfe wahr.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
Der Beschwerdeführer weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:
„01) LG XXXX vom XXXX .2018 RK XXXX .2018
§ 50 (1) Z 2 WaffG
§ 15 StGB § 84 (4) StGB
Datum der (letzten) Tat XXXX .2017
Freiheitsstrafe 7 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
zu LG XXXX RK XXXX .2018
Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG XXXX vom XXXX 2020
02) LG XXXX vom XXXX .2020 RK XXXX 2020
§ 15 StGB §§ 105 (1), 106 (1) Z 1 StGB
§ 12 3. Fall StGB, § 15 StGB § 228 (1) StGB
§ 231 (1) StGB
§ 107 (1u2) StGB
Datum der (letzten) Tat XXXX .2019
Freiheitsstrafe 24 Monate, davon Freiheitsstrafe 16 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe“.
1.2. Zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers
Im Erkenntnis vom 29.07.2013, Zl. C13 422.011-1/2011/18E, wurde die Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen damit begründet, dass es sich beim Beschwerdeführer zwar um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann handeln würde, der zudem über eine mehrjährige Schuldbildung verfügen würde und bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, dieser aber in Afghanistan über keine sozialen oder familiären Netzwerke und über keine ausreichenden Kenntnisse über die örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in der Hauptstadt Kabul verfügen würde.
Im angefochtenen Bescheid vom 07.11.2018 wurde die Aberkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen damit begründet, dass sich die familiäre Situation des Beschwerdeführers in Afghanistan geändert habe.
Seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten mit Erkenntnis vom 29.07.2013 bzw. der zweimaligen Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit den Bescheiden vom 18.07.2014 und vom 27.04.2016 ist keine wesentliche und nachhaltige Änderung der maßgeblichen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers eingetreten.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
Folgende Beweismittel brachte der Beschwerdeführer in das Verfahren ein, nämlich zu:
- ordentlichen Beschäftigungen (Firmenbuchauszug, Mietverträge und sonstige Unterlagen betreffend die Firma des Beschwerdeführers sowie Arbeits- und Sozialversicherungsunterlagen hinsichtlich einer Vielzahl von unselbständigen Beschäftigungen des Beschwerdeführers);
- Aufenthalt in Österreich (österreichische Heiratsurkunde vom XXXX .2020 sowie Meldezettel vom Beschwerdeführer und von seiner Gattin);
- sonstige Integrationsmaßnahmen und -bemühungen (Foto vom Termineintrag des letzten Gespräches mit der Bewährungshilfe am XXXX .2021).
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan und in Österreich, seiner Schul- und fehlenden Berufsausbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben sowie aufgrund von ihm vorgelegten Dokumenten (siehe oben). Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung bzw. auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich stützen sich auf die Aktenlage, auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (siehe oben).
Die Feststellungen beruhen zudem auch auf den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugin, deren Aussagen gefolgt werden konnte, da aufgrund ihres seriösen und ernsthaften Auftretens sowie ihres persönlichen vertrauensbildenden Gesamtbildes keine ihrer Glaubwürdigkeit entgegensprechende Anhaltspunkte hervorkamen.
Bezüglich der Feststellung, dass der Beschwerdeführer und seine Gattin in einem gemeinsamen Haushalt leben würden ist anzumerken, dass sich die Ehegattin des Beschwerdeführers zwar vom gemeinsamen Wohnsitz abgemeldet hat, der Beschwerdeführer und seine Gattin allerdings nachvollziehbar darlegen konnten, dass beide nach wie vor in einem gemeinsamen Haushalt leben würden. Der Beschwerdeführer und seine Gattin führten diesbezüglich plausibel an, dass die Abmeldung lediglich aus Angst vor Nachstellungen durch die Geschwister der Gattin des Beschwerdeführers geschehen sei, da diese nicht mit ihrer Beziehung einverstanden sein würden.
Die Feststellung zu den gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers
Die Feststellungen hinsichtlich der Lage in Afghanistan und einer möglichen Änderung ergeben sich insbesondere aus einem Vergleich der dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 29.07.2013 bzw. den Bescheiden der belangten Behörde über die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 18.07.2014 und vom 27.04.2016 sowie dem Bescheid der belangten Behörde vom 07.11.2018 bzw. den der aktuellen Entscheidung zugrundeliegenden Länderberichte, nämlich insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan (damals: den Feststellungen zu Afghanistan), Stand März 2013 bzw. dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 28.01.2014 (letzte Kurzinformation eingefügt am 09.07.2014) bzw. Gesamtaktualisierung am 21.01.2016 (letzte Kurzinformation eingefügt am 05.04.2016) und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 19.10.2018) bzw. der Gesamtaktualisierung am 11.06.2021.
Vergleicht man die allgemeinen sicherheitsrelevanten Vorfälle, so ist ersichtlich, dass sich diese über die Jahre erhöht haben und die Kampfhandlungen zwischen den Taliban und den Regierungstruppen stark zugenommen haben. Die Taliban haben den Druck auf die Regierungstruppen in allen Regionen des Landes verstärkt. Den Taliban ist es zudem gelungen viele Distrikte zu erobern. Vergleicht man die Länderberichte in Bezug auf Kabul, so zeigt sich, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert hat und Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen ist. Die sicherheitsrelevanten Vorfälle haben sich seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erhöht. In Bezug auf Herat ist keine wesentliche Veränderung erkennbar. Zwar gilt Herat aktuell als relativ friedliche Provinz, während Herat zu den früheren Zeitpunkten als schwierig einzuschätzen deklariert wurde, allerdings ist auch ersichtlich, dass sich die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle über die Jahre hinweg nicht wesentlich verändert hat und die Taliban auch hier den Druck auf die Regierungstruppen erhöht haben und es in mehreren Distrikten regelmäßig zu Kämpfen zwischen den Regierungstruppen und den Taliban kommt. Auch in Bezug auf die Provinz Balkh zeigt sich ein ähnliches Bild. Auch in den früheren Länderberichten wurde ausgeführt, dass die Hauptstadt Mazar-e Sharif eine Art „Vorzeigeprojekt“ Afghanistans fu?r wichtige ausländische Gäste darstellt und die Provinz Balkh zu den relativ friedlichen Provinzen in Nordafghanistan zählt. Allerdings haben auch hier die Taliban den Druck auf die Regierungstruppen erhöht, wodurch sich die Sicherheitslage in den abgelegenen Distrikten verschlechtert hat. Auch im Bereich der Grundversorgung sind keine Verbesserungen erkennbar. Die Covid-19-Pandemie hat dazu geführt, dass es zu einem erheblichen Anstieg der akuten Ernährungsunsicherheit im ganzen Land gekommen ist. Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, die durch die COVID-19-Pandemie geschaffen wurden, haben auch die Risiken für vulnerable Familien erhöht. Die Arbeitslosenquote ist seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, insbesondere aufgrund der Covid-19-Pandemie, angestiegen. Auch in vielen anderen Bereichen zeigt sich ein sehr ähnliches Bild. Ebenso verhält es sich mit dem Angebot von diversen Unterstützungsnetzwerken (internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGO‘s), sodass insgesamt von einer verschlechterten Situation für Rückkehrer auszugehen ist. Im Ergebnis ist daher nicht zu erkennen, dass es zu einer nachhaltigen und maßgeblichen Verbesserung der Lage in Afghanistan gekommen ist.
Die Feststellungen hinsichtlich der subjektiven und persönlichen Situation und einer möglichen Änderung erfolgte durch einen Vergleich der individuellen Situation des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes und der damit verbundenen Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung bzw. deren Verlängerungen einerseits und dem Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt andererseits.
Hinsichtlich der subjektiven und persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist keine wesentliche Änderung eingetreten.
Wenn das damals erkennende Gericht schon zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer über keine ausreichenden Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in den IFA Regionen verfügen würde, so muss dies aktuell umso mehr gelten. Der Beschwerdeführer lebt mittlerweile seit über zehn Jahren außerhalb von Afghanistan und hat sich mittlerweile in die österreichische Gesellschaft integriert und wurde in dieser sozialisiert. Somit ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mittlerweile zusätzlich auch nicht mehr ausreichend mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist bzw. eine westlich orientierte Lebensweise zeigt, die ihn als „Fremden im eigenen Land“ in der afghanischen Gesellschaft exponieren würde.
Wenn die belangte Behörde vermeint, der Beschwerdeführer könne nun auf Netzwerke der Tadschiken oder der islamischen Glaubensgemeinschaft zurückgreifen, so wäre ihm diese Möglichkeit wohl auch bereits zum Zeitpunkt der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung offen gestanden.
Selbst wenn der Beschwerdeführer, wie von der belangten Behörde angeführt, aktuell über Familienangehörige in Afghanistan verfügen würde, so verkennt die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde auch angeführt hat, dass er nur sehr selten Kontakt mit seinem Vater haben würde. Auch ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers, dass das Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Familie, da der Beschwerdeführer entgegen dem Willen seiner Familie Kontakt zu seiner in Österreich lebenden Schwester haben würde, angespannt sein würde (siehe Niederschrift im Verfahren vor der belangten Behörde vom 24.04.2018, S. 5 f).
Somit kann in einer Gesamtschau nicht davon ausgegangen werden, dass sich die subjektive und persönliche Situation des Beschwerdeführers, welche zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. zur Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung geführt hat, maßgeblich und nachhaltig geändert hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
3.1.1. § 9 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:
„Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.
(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.“
3.1.2. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 enthält zwei unterschiedliche Aberkennungstatbestände: Dem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht oder nicht mehr vorliegen. Der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat. § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 betrifft hingegen jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, mwN).
Die Heranziehung des Tatbestands des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN). Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005).
Als maßgeblich erweist sich, dass gerade in Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände, die für die Zuerkennung von subsidiären Schutz von Bedeutung waren, so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. in diesem Zusammenhang sowohl die […] Rechtsprechung zu den Leitlinien der Prüfung, ob ein „real risk" der Verletzung des Art. 3 MRK droht, nach der die "die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit" zu beurteilen ist bzw. es einer „ganzheitlichen Bewertung" der individuellen Situation des Fremden bedarf) (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Bei einer Beurteilung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 sind nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
3.1.3. Aufgrund der oben getroffenen Feststellung ist keine wesentliche und nachhaltige Änderung der maßgeblichen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan (sondern eine Verschlechterung) unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten bzw. der zweimaligen Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten.
An diesem Ergebnis kann auch eine allenfalls geänderte Rechtsprechung zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz von gesunden, alleinstehenden, erwachsenen, männlichen afghanischen Staatsangehörigen nichts ändern. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder (wie gegenständlich auch nicht der Fall) neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden („nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496, mwN).
Die Voraussetzungen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 - sowie auch gemäß erster Fall leg.cit. - lagen und liegen weiterhin sohin gegenständlich nicht vor.
3.1.4. Im gegenständlichen Fall stützte sich die belangte Behörde auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005. Aufgrund der Straffälligkeit des Beschwerdeführers sind aber auch die Voraussetzungen für eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 zu prüfen (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005).
3.1.5. § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 sieht die Aberkennung […] dann vor, wenn der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist. […] Im Zusammenhang mit dieser Norm erkannte der VfGH in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, U 1769/10 (VfSlg. 19283), dass eine Aberkennung nur wegen Verbrechen im Sinne des § 17 StGB erfolgen könne, die nach Zuerkennung des subsidiären Schutzes begangen worden seien (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155).
Eine Aberkennung des subsidiären Schutzes nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Fremde wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist. Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/18/0295, vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 13. September 2018, Ahmed, C-369/17, näher erläutert hat, ist bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 jedenfalls auch eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ob eine „schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung sind auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung zu berücksichtigen (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005).
Es ist jedoch nicht unbeachtet zu lassen, dass auch der EuGH dem in einer strafrechtlichen Bestimmung vorgesehenen Strafmaß eine besondere Bedeutung zugemessen hat und somit die Verurteilung des Fremden wegen eines Verbrechens zweifelsfrei ein gewichtiges Indiz für die Aberkennung darstellt, dieses Kriterium allein jedoch nach den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Aberkennung nicht ausreicht (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295, mit Hinweis auf EuGH 13.09.2018, Ahmed, C-369/17, Rn. 55).
3.1.6. Der Beschwerdeführer wurde zwei Mal, darunter die Verbrechen der versuchten schweren Körperverletzung (§ 15 StGB iVm § 84 Abs. 4 StGB) und der versuchten schweren Nötigung (§ 15 StGB iVm §§ 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z 1 StGB), verurteilt. Dies stellt ein gewichtiges Indiz für die Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 dar, auch wenn dies nicht alleine dafür entscheidend ist, ob eine „schwere Straftat" vorliegt, die im Ergebnis zur Aberkennung dieses Schutztitels führen kann.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich aus der zitierten Judikatur ergibt, dass auch die Gründe für die Strafzumessung und das Strafmaß zu berücksichtigen sind.
Diesbezüglich sind bei der ersten Verurteilung vom XXXX .2018 die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und, dass es beim Versuch geblieben ist, als mildernd gewertet worden. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von Vergehen und Verbrechen und die Tätermehrheit gewertet. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren wurde über den Beschwerdeführer lediglich eine bedingte Freiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt. Die Höhe der über den Beschwerdeführer verhängten Strafe ist angesichts des Strafrahmens von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe als sehr gering anzusehen.
Bei der zweiten Verurteilung vom XXXX .2020 wurde sein teilweises Geständnis und dass es teilweise beim Versuch geblieben ist als mildernd gewertet. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von Vergehen und Verbrechen, die einschlägige Vorstrafe sowie die Tatbegehung während eines anhängigen Strafverfahrens gewertet. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren wurde über den Beschwerdeführer lediglich eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten verhängt, welche großteils (16 Monate) beding nachgesehen wurde. Die Höhe der über den Beschwerdeführer verhängten Strafe ist angesichts des Strafrahmens von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ebenso als gering anzusehen.
Diesbezüglich ist auch noch darauf hinzuweisen, dass gemäß § 43 Abs. 1 StGB das Gericht die Strafe dann bedingt nachzusehen hat, wenn anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Dabei sind insbesondere die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen. Das Strafgericht hat daher, wie die überwiegend bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafen zeigt, die Auffassung vertreten, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe genügen werde, den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und dass keine Wiederholungsgefahr bestehen würde. Das Strafgericht ist daher von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen.
Aus dem EASO-Leitfaden „Ausschluss" ergibt sich zudem, dass auch das Verhalten der Person nach der Straftat zu prüfen und dann zu entscheiden ist, ob sie des Schutzes würdig ist. Denn aus dem Leitfaden ergibt sich Folgendes: „Unbeschadet früheren Fehlverhaltens kann das Verstreichen eines gewissen Zeitraums in Kombination mit Zeichen der Reue, Wiedergutmachung und Übernahme von Verantwortung für frühere Taten den Befund rechtfertigen, dass ein Ausschluss nicht länger gerechtfertigt ist."
Es haben sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht keine Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach der Beschwerdeführer das Unrecht seiner Tat nicht einsehen würde. Der Beschwerdeführer ist zudem seit seiner Haftentlassung vor mehr als eineinhalb Jahren unbescholten.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer ein Fehlverhalten gesetzt hat, das der österreichischen Rechts- und Werteordnung widerspricht, jedoch vermögen die Verurteilungen im vorliegenden Fall isoliert betrachtet, hinsichtlich des Parameters der verhängten Strafe im konkreten Einzelfall des Beschwerdeführers, noch keine schwere Straftat darzustellen.
Die Voraussetzungen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 sind sohin gegenständlich nicht erfüllt.
3.1.7. Liegt in Bezug auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 seit der Zuerkennung des Schutzstatus oder der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung kein maßgeblich geänderter Sachverhalt vor, so wäre auch der Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 in den Blick zu nehmen. Dieser Aberkennungstatbestand setzt jedoch im Unterschied zu § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 eine Gefahr des Fremden für die Allgemeinheit und damit eine entsprechende Gefährdungsprognose voraus. Insoweit ist es der Behörde bzw. dem VwG aber nicht verwehrt, auch vor der Zuerkennung des Schutzstatus oder der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung begangene Straftaten in die Gesamtbeurteilung einfließen zu lassen, wenn danach neue Sachverhaltselemente hinzugetreten sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, mwN).
Der VfGH sprach in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, U 1907/19 (VfSlg. 19591), aus, dass eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit eines Landes nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen. Zur Begründung verwies er darauf, dass § 9 Abs. 2 (Z 2) AsylG 2005 in Umsetzung der Statusrichtlinie ergangen sei und daher richtlinienkonform interpretiert werden müsse […]. Auch der EuGH hat in seiner Rechtsprechung erkannt, dass nur ein Flüchtling, der wegen einer „besonders schweren Straftat" rechtskräftig verurteilt wurde, als eine „Gefahr für die Allgemeinheit eines Mitgliedstaats" angesehen werden könne (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155, mit Hinweis auf EuGH 24.06.2015, C-373/13, H.T. gegen Land Baden-Württemberg, ECLI:EU:C:2015:413).
Ein Fremder stellt jedenfalls dann eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 dar, wenn sich diese aufgrund besonders qualifizierter strafrechtlicher Verstöße prognostizieren lässt. Als derartige Verstöße kommen insbesondere qualifizierte Formen der Suchtgiftdelinquenz (wie sie beispielsweise in § 28a SMG unter Strafe gestellt werden) in Betracht, zumal an der Verhinderung des Suchtgifthandels ein besonderes öffentliches Interesse besteht (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155, mwN).
Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (§ 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005), erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Z 3 und § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; §§ 53 und 66 Abs. 1 FrPolG 2005). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155).
3.1.8. Ohne die Anzahl der Straftaten und die rasche Rückfälligkeit des Beschwerdeführers zu verkennen muss beim Beschwerdeführer Folgendes berücksichtigt werden:
Der Beschwerdeführer ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin seit dem XXXX .2020 verheiratet. Sie sind seit XXXX 2019 in einer Beziehung und leben seit XXXX .2020 zusammen. Der Beschwerdeführer konnte überzeugend, bestätigt durch die ebenfalls sehr glaubwürdige und authentische Aussage seiner Ehegattin, einer österreichischen Staatsbürgerin, ein gefestigtes Familienleben (auch im Sinne des Art. 8 EMRK) darlegen. Der Beschwerdeführer ist außerdem seit seiner Haftentlassung vor mehr als eineinhalb Jahren unbescholten und nimmt regelmäßig seine Termine bei der Bewährungshilfe wahr und unterzog sich einem Antiaggressionstraining. Dabei wird der Beschwerdeführer von seiner Gattin unterstützt. Auch mit den Eltern seiner Gattin hat sich der Beschwerdeführer versöhnt und wird von diesen unterstützt. Der Beschwerdeführer lebt seit ca. zehn Jahren in Österreich und ging vor seinen strafgerichtlichen Verurteilungen einer Beschäftigung nach, womit er seinen Lebensunterhalt gesichert hat. Auch jetzt weist er aufgrund seiner Berufserfahrung als Kfz-Händler gute Voraussetzungen für eine Beschäftigungsaufnahme auf. Eine diesbezügliche mündliche Einstellungszusage weist der Beschwerdeführer bereits auf. Auch zeigte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung Reue. Das erkennende Gericht hat den Eindruck, dass der Beschwerdeführer ernsthaft an seiner Persönlichkeit arbeitet (zur besonderen Bedeutung der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung s. für viele VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316).
Wie bereits oben erwähnt, ist von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen. In Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB hat das Strafgericht daher, wie die bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe zeigt, die Auffassung vertreten, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe genügen werde, den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und dass keine Wiederholungsgefahr bestehe. Insgesamt kann daher von einer positiven Zukunfts- und somit einer negativen Gefährdungsprognose ausgegangen werden.
Die Voraussetzungen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 sind sohin gegenständlich auch nicht erfüllt.
3.1.9. Der Beschwerde ist daher zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides stattzugeben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten individuelle Verhältnisse mangelnder Anknüpfungspunkt Voraussetzungen Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W172.1422011.4.00Im RIS seit
05.01.2022Zuletzt aktualisiert am
05.01.2022