TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/16 W285 2226741-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2021
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Entscheidungsdatum

16.09.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z7
FPG §55 Abs4

Spruch


W285 2226741-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Nordmazedonien, vertreten durch RAST und MUSLIU Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2019, Zahl: 101069507-190438105, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot, nach Beschwerdevorentscheidung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 09.12.2019 aufgrund des Vorlageantrages vom 12.12.2019, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.04.2021, zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid sowie die Beschwerdevorentscheidung werden aufgehoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nordmazedonien zulässig sei (Spruchpunkt II.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und es wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.).

Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei ein Staatsbürger Nordmazedoniens, welcher seit dem Jahr 2001 mit Unterbrechungen behördliche Meldungen im Bundesgebiet aufweise, im Jahr 1993 erstmals einer sozialversicherten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen sei und dem zuletzt am 03.06.2018 durch die zuständige Niederlassungsbehörde ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ mit einer Gültigkeit bis 03.06.2021 erteilt worden sei. Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet bisher dreimal rechtskräftig wegen der Begehung näher dargestellter strafrechtlicher Delikte verurteilt worden und es sei diesem zuletzt mit Gerichtsbeschluss vom 13.06.2019 ein Strafaufschub gemäß § 39 Abs. 1 SMG gewährt worden, um sich einer notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen. Der Beschwerdeführer sei während seines Aufenthaltes verschiedenen Tätigkeiten als Arbeiter nachgegangen, habe jedoch auch immer wieder Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bezogen. Dieser sei ledig, habe keine Sorgepflichten und weise keine maßgeblichen sozialen oder beruflichen Bindungen im Bundesgebiet auf. Da der Beschwerdeführer bis zum 21. Lebensjahr im Heimatland gelebt hätte, sei von nach wie vor vorliegenden Bindungen in diesem Staat und einer ausreichenden Vertrautheit mit den dortigen Gegebenheiten auszugehen. Die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte des Verbrechens des Suchtgifthandels, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften würden die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Die öffentlichen Interessen am Ausspruch einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes würden die persönlichen Interessen an einem Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet überwiegen.

Mit dem am 28.10.2019 bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz der nunmehr bevollmächtigten Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom gleichen Datum wurde gegen den oben angeführten Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückverweisen, sowie eine mündliche Verhandlung anberaumen. Beiliegend übermittelt wurden ein vom Beschwerdeführer abgeschlossener Arbeitsvorvertrag vom 21.10.2019, Kopien der Beschlüsse des Landesgerichts XXXX vom 30.04.2019, vom 13.06.2019 und vom 26.06.2019 über die Bestellung einer Sachverständigen in Zusammenhang mit einem beantragten Strafaufschub nach § 39 SMG sowie über die Gewährung eines solchen Strafaufschubes und die Enthaftung zu diesem Zweck, ein ÖIF-Zeugnis zur Integrationsprüfung (A2) vom 01.08.2018 und ein Schreiben des Vereins „ XXXX “ hinsichtlich des Therapieverlaufes.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 09.12.2019 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

Durch den bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers wurde am 13.12.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein mit 12.12.2019 datierter Vorlageantrag eingebracht.

Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 18.12.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Beschluss vom 02.01.2020 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.

Mit Eingabe vom 13.03.2020 übermittelte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers Lohnzettel des Beschwerdeführers für die Monate Jänner und Februar 2020, das bereits aktenkundige Zeugnis über die im August 2018 bestandene Integrationsprüfung auf dem Niveau A2, einen stationären Therapiezwischenbericht vom 14.01.2020 des „ XXXX “ sowie einen Arztbrief der gleichen Einrichtung vom 07.01.2020.

Nach Anberaumung einer Beschwerdeverhandlung wurde seitens des bevollmächtigten Vertreters des Beschwerdeführers am 09.04.2021 eine Stellungnahme eingebracht, weiters wurden abermals die bereits mit Eingabe vom 13.03.2020 vorgelegten Unterlagen übermittelt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.04.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Vertreter sowie die vom Beschwerdeführer bezeichnete Lebensgefährtin als Zeugin teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Auf Befragen der erkennenden Richterin gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er befinde sich seit Sommer 1993 in Österreich und habe keine Bezugspunkte mehr zu Nordmazedonien; seine Eltern seien verstorben und er sei seit 20 Jahren nicht mehr im Heimatland gewesen. Seine Suchtgifttherapie sei nunmehr abgeschlossen und er nehme kein Ersatzmedikament ein. Früher habe er Kokain und Cannabis konsumiert. Seit einem Monat arbeite er bei einer Bodenleger-Firma im Bundesgebiet. Er wohne in einer Mietwohnung gemeinsam mit seiner Freundin, mit welcher er seit 15 Jahren zusammen sei. Er habe in Österreich dreimal vor Gericht gestanden, davor habe es keine Verurteilungen oder Verwaltungsstrafen gegeben. Seine Suchtgiftabhängigkeit sei in Zusammenhang mit einer schwierigen Lebenssituation entstanden, er sei auch zuckerkrank und müsse Insulin spritzen. Da er gegen die Spritze allergisch sei, nehme er stattdessen sieben Tabletten am Tag. Jeden dritten Monat ginge er zur Blutabnahme. Seine Suchtgifttherapie habe er als Chance gesehen und er habe seither nie wieder etwas genommen und nicht mehr gespielt.

Die Zeugin gab an, dass sie den Beschwerdeführer seit 2009 kennen würde und seit 2016 mit diesem eine Beziehung führe. Sie hätten zwar nicht die gleiche Meldeadresse, seien aber die meiste Zeit zusammen in ihrer Wohnung.

Mit Eingabe vom 29.04.2021 übermittelte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers einen Lohnzettel für den Monat April 2021.

Das Bundesverwaltungsgericht forderte in der Folge – aufgrund von in der dieses Verfahren abschließenden Erledigung genannten Vorverurteilungen des Beschwerdeführers, welche in einer aktuellen Strafregister-Abfrage nicht aufscheinen – beim Landesgericht XXXX den der Verurteilung vom 07.11.2017, Zahl: XXXX , zugrunde liegenden Strafakt an.

Mit Schreiben vom 30.04.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Verfahrensparteien den (dem übermittelten Strafakt entnommenen) Strafregister-Auszug vom 02.11.2006 (welchem sich keine Verurteilung entnehmen lässt) sowie einen aktuellen Sozialversicherungsdatenauszug vom 23.04.2021 und gewährte diesen die Möglichkeit zur Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme binnen zweiwöchiger Frist.

Durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde mit E-Mail vom 27.05.2020 mitgeteilt, dass zum Zeitpunkt der Erstellung der Beschwerdevorentscheidung laut beiliegendem Sozialversicherungsdatenauszug die letzte Tätigkeit des Beschwerdeführers als Arbeiter mit 26.03.2019 aufgeschienen wäre. Bezüglich der fehlenden Verurteilungen im übermittelten Strafregister-Auszug wurde auf einen möglichen Fehler bei der Abfrage aufgrund einer fehlerhaften Schreibweise des Vornamens des Beschwerdeführers hingewiesen.

Mit E-Mail vom 28.05.2020 forderte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde zur Vorlage allenfalls vorhandener weiterer Beweismittel zum Vorleben des Beschwerdeführers vor April 2006 auf. Eine weitere Stellungnahme des Bundesamtes ist bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht eingelangt.

Seitens des Beschwerdeführers langte ebenfalls keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist ein im Jahr 1971 geborener Staatsangehöriger Nordmazedoniens und führt die im Spruch ersichtlichen Personalien. Seine Identität steht fest (vgl. etwa Auszug Zentrales Fremdenregister 20.08.2021).

Der Beschwerdeführer hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit dem Jahr 1993 (mit einer Unterbrechung im Zeitraum 24.11.2012 bis 08.02.2015) im Bundesgebiet.

Laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister war dieser erstmals von 02.03.2001 bis 26.04.2002 mit einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Weitere Hauptwohnsitzmeldungen bestanden von 30.04.2002 bis 23.11.2012.

Von 24.11.2012 bis 08.02.2015 verfügte dieser über keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sich in diesem Zeitraum im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Von 09.02.2015 bis 23.02.2015 war dieser mit einem Hauptwohnsitz sowie von 15.03.2015 bis 27.08.2015 mit einem Hauptwohnsitz (Justizanstalt) gemeldet. Seit 13.02.2017 liegt eine durchgehende Hauptwohnsitzmeldung vor.

Von 16.09.2006 bis 03.11.2006, von 06.10.2008 bis 17.12.2008 sowie von 19.03.2019 bis 02.07.2019 war der Beschwerdeführer jeweils mit einem Nebenwohnsitz (Justizanstalt), sowie von 03.07.2019 bis 25.11.2019 sowie von 06.12.2019 bis 27.01.2020 jeweils mit einem Nebenwohnsitz ( XXXX /stationäre Suchttherapie) gemeldet.

(vgl. Auszug Zentrales Melderegister 12.03.2021 und 20.08.2021).

Der Beschwerdeführer war zuletzt im Besitz des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ mit einer Gültigkeitsdauer von 03.06.2018 bis 03.06.2021. Am 29.04.2021 stellte dieser bei der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels.

(vgl. IZR-Auszug vom 29.07.2021).

Laut Sozialversicherungsdatenauszug vom 27.05.2021 liegen folgende Beschäftigungszeiten vor:

01.02.1993 - 02.02.1994

Arbeiter

03.02.1994 - 04.04.1994

Arbeitslosengeldbezug 

05.04.1994 - 24.06.1994

Arbeiter

27.06.1994 - 08.07.1994

Arbeiter

11.07.1994 - 18.07.1994

Arbeitslosengeldbezug

19.07.1994 - 29.09.1997

Arbeiter

30.09.1997 - 30.09.1997

Krankengeldbezug (DGKTONR-bezogen)

01.10.1997 - 10.10.1997

Arbeiter

21.10.1997 - 08.03.1998

Arbeitslosengeldbezug

20.03.1998 - 04.04.1998

Arbeitslosengeldbezug

11.05.1998 - 17.05.1998

Arbeiter

18.05.1998 - 03.06.1998

Krankengeldbezug (DGKTONR-bezogen)

04.06.1998 - 03.07.1998

Arbeitslosengeldbezug

15.07.1998 - 08.08.1998

Arbeitslosengeldbezug

02.09.1998 - 03.09.1998

Arbeiter

07.09.1998 - 09.09.1998

Arbeiter

11.09.1998 - 11.09.1998

Arbeiter

14.09.1998 - 17.09.1998

Arbeiter

22.09.1998 - 25.09.1998

Arbeiter

29.09.1998 - 01.10.1998

Arbeiter

06.10.1998 - 08.10.1998

Arbeiter

13.10.1998 - 14.10.1998

Arbeiter

17.10.1998 - 17.10.1998

Arbeiter

19.10.1998 - 21.10.1998

Arbeiter

23.10.1998 - 23.10.1998

Arbeiter

27.10.1998 - 28.10.1998

Arbeiter

31.10.1998 - 31.10.1998

Arbeiter

03.11.1998 - 05.11.1998

Arbeiter

07.11.1998 - 07.11.1998 

Arbeiter

11.11.1998 - 11.11.1998 

Arbeiter

17.11.1998 - 19.11.1998

Arbeiter

21.11.1998 - 21.11.1998 

Arbeiter

23.11.1998 - 26.11.1998

Arbeiter

01.12.1998 - 03.12.1998

Arbeiter

09.12.1998 - 10.12.1998

Arbeiter

07.12.1998 - 07.12.1998

Arbeiter

09.12.1998 – 10.12.1998

Arbeiter

12.12.1998 - 12.12.1998

Arbeiter

15.12.1998 - 15.12.1998

Arbeiter

18.12.1998 - 18.12.1998

Arbeiter

22.12.1998 - 22.12.1998

Arbeiter

06.01.1999 - 06.01.1999

Arbeiter

12.01.1999 - 12.01.1999

Arbeiter

16.01.1999 - 16.01.1999

Arbeiter

20.01.1999 - 21.01.1999

Arbeiter

26.01.1999 - 27.01.1999

Arbeiter

29.01.1999 - 29.01.1999

Arbeiter

29.03.1999 - 04.07.1999

Arbeiter

02.09.1999 - 30.09.1999

Arbeiter

03.07.2001 - 31.07.2001

Arbeiter

01.08.2001 - 09.08.2001

Arbeiter

13.08.2001 - 17.09.2001

Arbeiter

04.10.2001 - 20.02.2002

Arbeitslosengeldbezug

21.02.2002 - 31.03.2002

Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

06.04.2002 - 18.08.2002 

Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

19.09.2002 - 06.10.2002

Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

07.10.2002 – 30.11.2002

Arbeitet

04.12.2002 - 15.12.2002

Krankengeldbezug (DGKTONR-bezogen)

17.12.2002 - 25.05.2003

Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

12.08.2003 - 11.01.2004

Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

23.02.2004 - 02.05.2004

Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

01.09.2004 - 30.11.2004

Arbeiter

01.08.2007 – 19.10.2007

Arbeiter

22.10.2007 - 28.11.2007

Arbeiter

09.01.2008 - 03.10.2008

Arbeiter

03.03.2009 - 22.12.2009

Arbeiter

03.05.2010 - 23.08.2010

Arbeiter

24.08.2010 - 01.09.2010

Arbeiter

10.09.2010 - 20.10.2010

Arbeitslosengeldbezug

14.04.2011 - 29.06.2011

Arbeiter

08.08.2011 - 13.11.2011

Arbeitslosengeldbezug

02.09.2015 - 02.09.2015

Arbeitslosengeldbezug

03.09.2015 - 25.07.2016

Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

26.07.2016 - 19.09.2016

Arbeiter

06.10.2016 - 04.10.2017

Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

12.10.2017 - 17.11.2017

Arbeiter

17.11.2017 - 18.01.2018

Arbeiter

23.01.2018 - 13.05.2018

Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

14.05.2018 - 31.07.2018

Arbeiter

08.08.2018 - 07.09.2018

Angestellter

14.09.2018 - 26.03.2019

Arbeiter

03.07.2019 - 04.07.2019

Arbeitslosengeldbezug

05.07.2019 - 30.11.2019

KV-Pflichtvers. bedarfs. Mindestsich

20.01.2020 - 15.03.2020

Arbeiter

16.03.2020 - 16.06.2020

Arbeitslosengeldbezug

17.06.2020 - 14.08.2020

Arbeiter

15.09.2020 - 31.10.2020

Angemeldet als Arbeiter(in) nach ASVG

05.11.2020 - 27.02.2021

Arbeitslosengeldbezug

28.02.2021 - 21.03.2021

Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

22.03.2021 - laufend

Arbeiter

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 07.11.2007, Zahl: XXXX (rechtskräftig am 13.11.2007), wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach den §§ 37 Abs. 1 lit. a, 38 Abs. 1 lit a FinStrG und der versuchten vorsätzlichen Monopolhehlerei nach den §§ 13, 46 Abs. 1 lit b FinStrG zu einer Geldstrafe in Höhe von EUR 527.689,- sowie zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

In den Entscheidungsgründen wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer bereits zweimal wegen gerichtlich zu ahndender Finanzvergehen rechtskräftig verurteilt worden sei und die Bezug habenden Strafen bereits vollzogen worden seien. Nähere Feststellungen zu diesen – im aktuellen Strafregister nicht aufscheinenden – Verurteilungen konnten nicht getroffen werden.

Zu den Tatumständen wurde im Strafurteil ausgeführt, dass die österreichischen Zollbehörden, nachdem diese im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit den deutschen und slowenischen Zollbehörden Kenntnis erlangt hätten, dass die beiden Mittäter des Beschwerdeführers E. und J. ab April 2006 regelmäßig Zigaretten – bislang eine Menge von ca. fünf Millionen Stück – von einem Lager in Slowenien nach Deutschland schmuggelten, am 14.09.2006 den aus Slowenien kommenden LKW des E. ab dem Grenzübergang zu einem Lager im Bundesgebiet observierten. Während dieser Fahrt hat E. den von J. gelenkten LKW bis zum Grenzübergang mit seinem Privat-PKW begleitet, um ihn vor möglichen Polizeikontrollen zu warnen. Danach stellte er seinen PKW an einer Autobahnraststätte ab und begleitete den J. mit dem LKW bis zu einer weiteren Raststätte, wo sie mit dem weiteren Täter N. zusammentrafen. Dieser hat den LKW in der Folge mit einem PKW zu einer weiteren Raststation gelotst, wo er eine mit vielen weiteren gleichartigen Behältnissen gefüllte Kunststofftasche an den dort wartenden Täter A. übergab. Nach der Übernahme der Tasche ist letzterer in den LKW zu E. und J. gestiegen und hat diese zum Schmuggellager im Bundesgebiet gelotst. Kurz nach ihrer Ankunft ist dort ein weiterer PKW mit dem Beschwerdeführer und dem weiteren Täter I. eingetroffen, welche das Umschlaglager organisiert und zur Verfügung gestellt hatten und nunmehr bei der Ab- und Umladung des Schmuggelgutes behilflich sein sollten. Im Zuge des darauf folgenden Zugriffs durch Beamte der XXXX sind am LKW-Auflieger 15 Paletten mit Holztüren vorgefunden worden, welche als Umschließung zur Tarnung von 4.797.000 Stück totalgefälschten Schmuggelzigaretten der Marke „Marlboro“ dienten. Insgesamt hat der Erstangeklagte (E.) im Tatzeitraum insgesamt 28 Transporte von Holztüren, in welchen Schmuggelzigaretten versteckt waren, von Slowenien nach Deutschland durchgeführt, wobei er in vier Fällen Schmuggelware nach Holland und in zwei weiteren Fällen Schmuggelware nach Belgien verbrachte. Für diese Transportdienste hatte E. von seinen bislang unbekannten slowenischen Auftraggebern EUR 3.500,- pro Fahrt erhalten. Die wiederholten Schmuggelfahrten sowie die dafür erforderlichen Vor- und Nachbereitungshandlungen aller sieben Angeklagten sind von ihnen jeweils in der Absicht durchgeführt worden, sich durch den Transport der Schmuggelzigaretten eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Alle Angeklagten haben bewusst und gewollt gegen die Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes verstoßen.

Bei der Strafbemessung wertete das Landesgericht das Geständnis des Beschwerdeführers als mildernd sowie die exorbitant hohe Schadenssumme als erschwerend.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 19.08.2015, Zahl: XXXX (rechtskräftig am 25.08.2015), wurde der Beschwerdeführer wegen I.A) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter Fall SMG, I.B) des Verbrechens des Suchtgifthandles nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, I.C) des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster Fall SMG sowie I.D) des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, wobei der Vollzug eines Teiles der Strafte im Ausmaß von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden ist.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 5,8% THCA und 1% Delta-9-THC,

I. in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

A)       zwischen Jänner 2015 und März 2015 von Ungarn über den Grenzübergang XXXX nach Österreich eingeführt hat, und zwar in fünf Angriffen insgesamt 6 kg;

B)       verschiedenen abgesondert verfolgten Suchtgiftabnehmern durch entgeltlichen Verkauf überlassen hat, und zwar

a)       zwischen Jänner 2015 und März 2015 einer Person ca. 1 kg Cannabiskraut zu einem Grammpreis von EUR 2,-

b)       im März 2015 einer Person 100 g Cannabiskraut um EUR 650,-

c)       Anfang März 2015 einer Person 100 g Cannabiskraut um EUR 450,-

d)       unbekannten Abnehmern 1.300 g Cannabiskraut zu einem Grammpreis von EUR 4,50

C)       am 14.03.2015 mit dem Vorsatz besessen hat, es in Verkehr zu setzen, und zwar 2.238,5 g;

D)       zwischen Jänner 2015 und März 2015 836 g Cannabiskraut besessen hat.

Im Rahmen der Strafbemessung wertete das Landesgericht das überschießende Geständnis des Beschwerdeführers, dessen Beitrag zur Wahrheitsfindung und die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes als mildernd sowie eine einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen von einem Verbrechen und einem Vergehen als erschwerend.

Mit Beschluss vom 27.08.2015 hat das Landesgericht XXXX dem Beschwerdeführer hinsichtlich des Vollzuges der mit Urteil des Landesgerichts vom 19.08.2015 verhängten Freiheitsstrafe Strafaufschub für höchstens zwei Jahre gewährt, um sich einer notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 SMG, und zwar einer 1) ärztlichen Überwachung des Gesundheitszustandes, beinhaltend insbesondere Harnkontrollen zur Überprüfung der Suchtmittelabstinenz, 2) psychotherapeutischen Begleitung bzw. Stützung und 3) psychosozialen Begleitung bzw. Stützung im Rahmen einer ambulanten Entwöhnungsbehandlung, zu unterziehen.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 26.04.2019, Zahl XXXX (rechtskräftig am 26.04.2019), wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.

Zudem wurde die bedingte Strafnachsicht, die dem Beschwerdeführer mit Beschluss vom 13.09.2016 zu XXXX gewährt worden war, widerrufen (Rest drei Monate und acht Tage).

Dem Schuldspruch betreffend den Beschwerdeführer lag zugrunde, dass dieser im Bundesgebiet vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen hat, wobei er an Suchtmittel gewöhnt sei und die Straftat vorwiegend deshalb begangen habe, um sich Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, indem er

I.A. am 18.03.2019 260 g Kokain mit einer Reinheitsubstanz von zumindest 32,69 % Cocain.HCI einem weiteren Täter zum vereinbarten Kaufpreis von EUR 16.250,- überlassen hat (welcher das Suchtgift in der Folge einem verdeckten Ermittler zum vereinbarten Preis von EUR 20.000,- überlassen hat).

II.A. Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 20% Cocainbase einem anderen Täter

1.       im Zeitraum November/Dezember 2018 2 g unentgeltlich,

2.       im Februar 2019 2,5 g durch entgeltlichen Verkauf zum Preis von EUR 125,-,

3.       am 10.03.2019 25 g zum vereinbarten Kaufpreis von EUR 1.625,-

überlassen hat.

Im Rahmen der Strafbemessung wertete das Landesgericht das umfassende und reumütige Geständnis des Beschwerdeführers und die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes als mildernd sowie als erschwerend die zwei einschlägigen Vorstrafen, die Tatwiederholung und das mehrfache Überschreiten der Grenzmenge.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die den strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundliegenden Straftaten begangen und das je umschriebene Verhalten gesetzt hat.

Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 13.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 39 Abs. 1 SMG hinsichtlich der mit Urteil vom 26.04.2019 verhängten unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten sowie des Widerrufs von drei Monaten und acht Tagen, Strafaufschub für höchstens zwei Jahre gewährt, um sich der notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 SMG im Rahmen einer stationären drogenspezifischen Behandlung in der Dauer von sechs Monaten mit anschließender ambulanter Fortführung der Behandlung in der Dauer von 18 Monaten zu unterziehen.

(vgl. aktenkundige Kopien der angeführten Erledigungen vom 07.11.2007 [AS 153 ff], 19.08.2015 [AS 136 ff], 27.08.2015 [AS 133 ff], 26.04.2019 [AS 57 ff] und 13.06.2019 [AS 115 ff]; sowie Auszug Strafregister vom 15.07.2021)

Der Beschwerdeführer unterzog sich von 02.07.2019 bis 07.01.2020 beim Verein „ XXXX “ einer stationären gesundheitsbezogenen Maßnahme und hat die stationäre und ambulante Suchttherapie zwischenzeitlich abgeschlossen.

(vgl. Schreiben XXXX 14.01.2020; Verhandlungsniederschrift 22.04.2021, S. 3)

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Der Beschwerdeführer ist in Nordmazedonien aufgewachsen, lebte dort bis zum Alter von 21 Jahren, er absolvierte dort seine Schulbildung, eine Berufsausbildung zum Installateur sowie den Militärdienst.

Dieser lebt in einer Mietwohnung und führt seit rund 2016 eine Beziehung mit einer in Österreich lebenden Frau.

Der Beschwerdeführer verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache und hat im August 2018 eine Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau A2 bestanden.

Dieser ist gegenwärtig als Hilfsarbeiter mit einem Monatslohn von EUR 1.493,17 beschäftigt.

Eigenen Angaben zufolge hat er zwischenzeitlich keine maßgeblichen Bindungen mehr zu seinem Herkunftsland.

(vgl. Verhandlungsniederschrift 22.04.2021, S. 2 ff; ÖIF-Zertifikat vom 01.08.2018; vorgelegte Einkommensnachweise)

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht holte Zentralmelderegisterauszüge, Auszüge aus dem Zentralen Fremdenregister sowie einen Auszüge aus dem Schengener Informationssystem, aus dem Strafregister sowie den Sozialversicherungsdaten des Beschwerdeführers ein.

Die Feststellungen zu den Zeiten der behördlichen Meldungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, seinem Aufenthaltsstatus und den Beschäftigungszeiten ergeben sich aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und einen Sozialversicherungsdatenauszug. Seine aktuelle Erwerbstätigkeit wurde vom Beschwerdeführer darüber hinaus durch die Vorlage aktueller Einkommensnachweise belegt. Da dieser im Zeitraum 24.11.2012 bis 08.02.2015 über keine Wohnsitzmeldung im Bundegebiet verfügte und auch keine Versicherungszeiten aufweist, war nicht festzustellen, dass sich der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Die Feststellungen zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers ergeben sich darüber hinaus insbesondere aus seinen Angaben anlässlich der Beschwerdeverhandlung, in welcher auch seine Freundin als Zeugin befragt wurde.

Die zitierten strafgerichtlichen Urteile sind aktenkundig und werden dem gegenständlichen Erkenntnis in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt. Auch der Beschluss über den gewährten Strafaufschub zur Absolvierung einer gesundheitsbezogenen Maßnahme ist aktenkundig. Der zwischenzeitliche Abschluss der stationären und ambulanten Therapie ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung in Zusammenschau mit den diesbezüglich vorgelegten Bestätigungen des „ XXXX .“

Die Negativfeststellung zu (bereits getilgten) Verurteilungen vor dem Jahr 2007 resultiert daraus, dass sich zwar dem Urteil vom 07.11.2007 ein Hinweis auf zwei einschlägige bereits vollzogene Vorverurteilungen entnehmen lässt, eine Abfrage im Strafregister jedoch keine entsprechenden Eintragungen aufweist, der Beschwerdeführer anlässlich der Beschwerdeverhandlung das Vorliegen früherer Straftaten verneinte und auch die Einsicht in den im Anschluss an die Beschwerdeverhandlung angeforderten Strafakt des Landesgerichts XXXX zur Verurteilung vom 07.11.2007 keine konkreteren Informationen zu den erwähnten Verurteilungen zu Tage förderte. Dies wurde auch dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 30.04.2021 zur Kenntnis gebracht und es erging das Ersuchen zur Bekanntgabe von dort allenfalls vorliegenden Informationen über frühere Verurteilungen des Beschwerdeführers, dieses blieb seitens der belangten Behörde jedoch unbeantwortet.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln und insbesondere den im gesamten Verfahren vom Beschwerdeführer gemachten eigenen Angaben in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.10.2019, zugestellt an den Beschwerdeführer am 03.10.2019, wurde durch die Vertretung des Beschwerdeführers am 28.10.2019 fristgerecht eingebracht.

3.2. Zum Verfahrensgegenstand:

Fallgegenständlich machte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 09.12.2019 von seiner Möglichkeit zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch.

Die Beschwerdevorentscheidung ist in § 14 VwGVG geregelt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung steht es im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen.

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Hinsichtlich des Verhältnisses der Beschwerdevorentscheidung zum Ausgangsbescheid hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15.12.2015, Ro 2015/08/0026, die folgenden grundlegenden Ausführungen getroffen:

„Anders als für die Berufungsvorentscheidung nach § 64a AVG ist nicht normiert, dass die Beschwerdevorentscheidung durch den Vorlageantrag außer Kraft tritt. Dieser Unterschied war vom Gesetzgeber offenbar beabsichtigt: So wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 2009 BlgNR 24. GP 5 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beschwerdevorentscheidung mit dem Einlangen des Vorlageantrages nicht außer Kraft treten soll, sondern der Vorlageantrag unter bestimmten Voraussetzungen aufschiebende Wirkung haben soll. Dementsprechend bestimmt § 15 Abs. 2 VwGVG, dass ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag aufschiebende Wirkung hat, wenn die Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat oder von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Das Rechtsmittel, über welches das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, bleibt aber im Fall eines zulässigen Vorlageantrages dennoch die Beschwerde (auch wenn - anders als für die Berufungsvorentscheidung nach der BAO (alt) - eine ausdrückliche Regelung fehlt, wonach die Beschwerde mit der Einbringung eines zulässigen Vorlageantrages wieder als unerledigt gilt): Der Vorlageantrag - auch ein solcher von anderen Parteien als dem Beschwerdeführer - richtet sich nach dem VwGVG nämlich (nur) darauf, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird, mag er auch eine (zusätzliche) Begründung enthalten (was aber gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG nur für Vorlageanträge anderer Parteien als des Beschwerdeführers zwingend erforderlich ist). Dem entspricht insbesondere auch § 28 VwGVG, der ausschließlich die Beschwerde zum Entscheidungsgegenstand des Verwaltungsgerichts macht.

Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet (und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss), bleibt der Ausgangsbescheid auch Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht. Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann aber nur die – außer in Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde – an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung.

Das bedeutet im Einzelnen – für die wichtigsten in Betracht kommenden Fallkonstellationen – Folgendes:

Ist die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid nicht berechtigt, so ist sie vom Verwaltungsgericht abzuweisen; eine Beschwerdevorentscheidung, die ebenfalls - allenfalls mit einer ergänzenden Begründung - in einer Abweisung bestanden hat, ist zu bestätigen (wobei ein dies aussprechendes Erkenntnis - auch dann, wenn der Spruch der Beschwerdevorentscheidung nicht wiederholt wird - so zu werten ist, als ob das Verwaltungsgericht ein mit der Beschwerdevorentscheidung übereinstimmendes neues Erkenntnis erlassen hätte; vgl. zu dieser Wirkung von bestätigenden Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 2015, E 1286/2014, sowie die hg. Erkenntnisse vom 24. März 2015, Ro 2014/15/0042, und vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0032), im Fall einer zu Gunsten des Beschwerdeführers abändernden oder aufhebenden Beschwerdevorentscheidung ist - durch Erlassung des an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tretenden Erkenntnisses - in der Regel der Spruch des Ausgangsbescheides wiederherzustellen (es sei denn, es wäre bezogen auf den Ausgangsbescheid eine Verschlechterung zu Lasten des Beschwerdeführers (reformatio in peius) rechtlich geboten.

Ist die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid (teilweise) berechtigt, so ist ihr vom Verwaltungsgericht (teilweise) stattzugeben; eine Beschwerdevorentscheidung, die der Beschwerde ebenfalls im gebotenen Umfang stattgegeben hat und den Ausgangsbescheid - im Rahmen des durch die Beschwerde abgesteckten Verfahrensgegenstandes - rechtskonform abgeändert oder behoben hat, ist (im oben genannten Sinn) zu bestätigen, eine rechtswidrige - den Ausgangsbescheid entweder bestätigende oder in rechtswidriger (etwa nicht weit genug gehender) Weise abändernde - Beschwerdevorentscheidung ist ihrerseits abzuändern (das heißt: durch ein rechtmäßiges Erkenntnis zu ersetzen) oder gegebenenfalls - wenn eine Entscheidung in der betreffenden Sache gar nicht hätte ergehen dürfen - ersatzlos zu beheben.

Will das Verwaltungsgericht die Sache an die Behörde zurückverweisen, so ist die in der Sache ergangene Beschwerdevorentscheidung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz oder Abs. 4 VwGVG aufzuheben.

Ist die Beschwerde nicht zulässig, so ist sie vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichtes an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt (siehe zum insoweit vergleichbaren Vorlageantrag nach § 30b VwGG etwa den hg. Beschluss vom 26. Juni 2014, Ro 2014/10/0068); dies mit der Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheides festgestellt wird, selbst wenn die Behörde die Unzulässigkeit der Beschwerde nicht wahrgenommen und eine meritorische - den Ausgangsbescheid aufhebende oder abändernde - Beschwerdevorentscheidung erlassen haben sollte.

Ist die Beschwerde zulässig, wurde sie mit der Beschwerdevorentscheidung aber zurückgewiesen, so hat das Verwaltungsgericht inhaltlich über die Beschwerde zu erkennen (und den Ausgangsbescheid zu bestätigen, zu beheben oder abzuändern), wobei seine Entscheidung auch hier an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, ohne dass diese explizit behoben werden muss.“

Die Beschwerde richtet sich auch im Fall einer Beschwerdevorentscheidung und eines darauf folgenden Vorlageantrags stets nur gegen den Ausgangsbescheid und nicht gegen die Beschwerdevorentscheidung (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026; 24.11.2016, Ra 2016/08/0145).

Zur Abgrenzung der Sache des Verfahrens im Fall der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung führte der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 08.05.2018, Ro 2018/08/0011, aus, dass die Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG - nicht anders als die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß §§ 28 und 31 VwGVG - eine Entscheidung über die Beschwerde ist, die diese, soweit kein Vorlageantrag gestellt wird, auch endgültig erledigt. Schon daraus folgt, dass die Sache des Verfahrens in diesem Stadium nicht anders begrenzt werden kann als im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht selbst. § 14 VwGVG verweist zudem (auch) ausdrücklich auf § 27 VwGVG, der den zulässigen Prüfungsumfang für das Verwaltungsgericht f

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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