Entscheidungsdatum
16.09.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L525 2178116-2/8E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über den Antrag vom 17.06.2021 von XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch Dr. Gerhard MORY, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beantragung der schriftlichen Ausfertigung des am 04.05.2021 mündlich verkündeten hg Erkenntnisses, Zl. L525 2178116-1/10Z, beschlossen:
A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
A2) Der Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 04.05.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses wird als verspätet zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Nach einem vor der belangten Behörde negativ beschiedenen Asylverfahren führte das via Beschwerde angerufene erkennende Gericht am 04.05.2021 eine mündliche Verhandlung durch, zu welcher der bis dahin unvertretene Wiedereinsetzungswerber unentschuldigt nicht erschien. Das erkennende Gericht verkündete daraufhin mündlich das hg. Erkenntnis.
Am 07.05.2021 stellte das Gericht dem Wiedereinsetzungswerber die Verhandlungsschrift samt der Niederschrift über das mündlich verkündete Erkenntnis mittels Hinterlegung (§ 17 ZustG) zu. In der Niederschrift belehrte das Gericht den Wiedereinsetzungswerber sowohl hinsichtlich seiner Rechte gemäß § 30 VwGVG (Erhebung einer Beschwerde und Revision an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) als auch hinsichtlich seines Rechts gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG, binnen zwei Wochen nach Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG zu beantragen sowie darüber, dass der Antrag auf Ausfertigung Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof sei. Die gemäß § 30 VwGVG erteilte Rechtsmittelbelehrung übersetzte das erkennende Gericht in die Muttersprache des Wiedereinsetzungswerbers. Die gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG erteilte Rechtsbelehrung übersetzte es nicht. Der Wiedereinsetzungswerber beantragte in weiterer Folge keine schriftliche Ausfertigung des hg. Erkenntnisses binnen der 14 tägigen Frist, weshalb das Bundesverwaltungsgericht am 26.05.2021 ein gekürztes, dem Wiedereinsetzungswerber am 04.06.2021 durch Hinterlegung (§ 17 ZustG) zugestelltes, Erkenntnis ausfertigte.
Am 11.06.2021 erschien der Wiedereinsetzungswerber erstmals zu einem Informations- und Mandantengespräch bei seiner Rechtsvertretung, welche ihn über das Erfordernis einer Antragstellung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG für die Erhebung einer Revision und Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts in Kenntnis setzte.
Mit Schriftsatz vom 17.06.2021 beantragte der Wiedereinsetzungswerber durch seinen Rechtsvertreter die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG und stellte gleichzeitig mit näherer Begründung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Mit Schriftsatz vom 23.06.2021 beantragte der Wiedereinsetzungswerber, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Das Bundesverwaltungsgericht brachte der belangten Behörde sowohl den Wiedereinsetzungsantrag vom 17.06.2021 als auch den Antrag betreffend die aufschiebende Wirkung vom 23.06.2021 mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis, welche jedoch nicht erfolgte.
Mit Beschluss vom 30.06.2021 erkannte das Gericht dem Wiedereinsetzungsantrag die aufschiebende Wirkung zu.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung
Das BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idgF, lautet auszugsweise wie folgt:
§ 12. (1) Die Entscheidungen des Bundesamtes und des Bundesverwaltungsgerichtes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache oder in einer Sprache zu enthalten, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.
Das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF lautet auszugsweise wie folgt:
„Verkündung und Ausfertigung der Erkenntnisse
§ 29. […]
(2a) Das Verwaltungsgericht hat im Fall einer mündlichen Verkündung die Niederschrift den zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen auszufolgen oder zuzustellen. Der Niederschrift ist eine Belehrung anzuschließen:
1. über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß Abs. 4 zu verlangen;
2. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt.
(2b) Ist das Erkenntnis bereits einer Partei verkündet worden, kann ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 bereits ab dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem der Antragsteller von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat. Ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 ist den übrigen Antragsberechtigten zuzustellen.
[…]
(4) Den Parteien ist eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen. Eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses ist in den in Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG genannten Rechtssachen auch dem zuständigen Bundesminister zuzustellen.
(5) Wird auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof von den Parteien verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt, so kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.
Belehrung über die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und die Revision beim Verwaltungsgerichtshof
§ 30. Jedes Erkenntnis hat eine Belehrung über die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und einer ordentlichen oder außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu enthalten. Das Verwaltungsgericht hat ferner hinzuweisen:
1. auf die bei der Einbringung einer solchen Beschwerde bzw. Revision einzuhaltenden Fristen;
2. auf die gesetzlichen Erfordernisse der Einbringung einer solchen Beschwerde bzw. Revision durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt;
3. auf die für eine solche Beschwerde bzw. Revision zu entrichtenden Eingabengebühren;
4. auf die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten, und die Folgen des Verzichts.
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.
(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, 2a, 2b, 4 und 5, § 30, § 38a Abs. 3 und § 50 Abs. 3 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
(3) In den Fällen des Abs. 1 ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht; ein ab Vorlage der Beschwerde vor Zustellung der Mitteilung über deren Vorlage an das Verwaltungsgericht bei der Behörde gestellter Antrag gilt als beim Verwaltungsgericht gestellt und ist diesem unverzüglich vorzulegen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,
beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.
Mit der Novelle 2017 (BGBl. I Nr. 24/2017) wurde der auf die Möglichkeit der verkürzten Ausfertigung eines mündlich verkündeten Erkenntnisses angepasste Grund zur Wiedereinsetzung des § 33 Abs. 4a VwGVG eingeführt. Er stellt neben § 33 Abs. 2 VwGVG einen weiteren Wiedereinsetzungsgrund wegen einer mangelhaften Rechtsmittelbelehrung dar.
Voraussetzung für diese Wiedereinsetzung ist die mündliche Verkündigung des Erkenntnisses und eine fehlende oder mangelhafte Rechtmittelbelehrung gemäß ?§ 29 Abs. 2a VwGVG. Wenn die Partei nicht über die Notwendigkeit der Ausfertigung des Erkenntnisses als Voraussetzung für eine Beschwerde an den VfGH oder eine Revision an den VwGH hingewiesen wurde oder die Angabe der Frist fehlte, kann die Partei die Wiedereinsetzung in die Frist zur Beantragung einer Ausfertigung des Erkenntnisses beantragen (vgl. Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/ Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 33 Rz 33a und 33b).
Verfahrensgegenständlich wurde dem Wiedereinsetzungswerber das hg. Erkenntnis, Zl. L525 2178116-1/10Z, am 04.05.2021 mündlich verkündet und dieser in der am 07.05.2021 zugestellten Niederschrift sowohl über sein Antragsrecht gemäß § 29 Abs. 2a Z 1 VwGVG auf schriftliche Ausfertigung einer Entscheidung binnen zwei Wochen nach Zustellung der Niederschrift als auch über das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gemäß § 29 Abs. 2a Z 2 VwGVG ordnungsgemäß belehrt. Die Rechtsbelehrung wurde jedoch nicht in die Muttersprache des Wiedereinsetzungswerbers übersetzt. Strittig ist daher, ob die fehlende Übersetzung dieser Rechtsbelehrung zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 iVm. Abs. 4a VwGVG führen kann.
Der Rechtsvertreter bringt eingangs vor, die Rechtsbelehrung nach § 29 Abs. 2a VwGVG sei nicht gesetzeskonform erfolgt und hätte dem Wiedereinsetzungswerber insbesondere in einer der Niederschrift angeschlossenen „separaten Urkunde“ zur Kenntnis gebracht werden müssen. Mangels gesetzeskonformer Rechtsbelehrung hätte die zweiwöchige Antragsfrist des § 29 Abs. 2a Z 1 VwGVG noch nicht zu laufen begonnen (vgl. S 2-3, 5 des Antrags vom 17.06.2021).
Dem ist zu entgegnen, dass sich dieses Erfordernis weder aus dem Gesetz, der Lehre noch der Judikatur ergibt. So ist der Niederschrift gemäß § 29 Abs. 2a S 2 VwGVG eine Belehrung anzuschließen. In welcher Form dies geschieht, ob als Anhang mittels separater Urkunde oder direkt im Anschluss an die Niederschrift wie dies im gegenständlichen Verfahren erfolgte und in der Verwaltungspraxis üblich ist, geht aus dem Gesetz nicht hervor. Abgesehen davon lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Norm das Erfordernis einer bestimmten (Anschluss-)Form für die Rechtsbelehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG ableiten. So wollte der Gesetzgeber mit dieser Regelung der Partei auch im Falle einer mündlichen Erkenntnisverkündung den Rechtsweg zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts eröffnen (vgl. dazu ErlRV 1255 BlgNR XXV. GP, 4). Vielmehr sprechen sogar die Materialien davon, dass Bescheide (und wohl auch Erkenntnisse der Gerichte) grundsätzlich in einer einzigen Bescheidurkunde zu ergehen ((vgl. dazu auch ErlRV 1803 BlgNR XXIV. GP, 15).
Entgegen dem Vorbringen der rechtsfreundlichen Vertretung begann die zweiwöchige Antragsfrist des § 29 Abs. 2a Z 1 VwGVG daher am 07.05.2021 rechtskonform zu laufen und hätte der Wiedereinsetzungswerber einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses bis spätestens 21.05.2021 beim Bundesverwaltungsgericht einbringen müssen.
Der Rechtsvertreter führt weiters aus, die Rechtsbelehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG sei in der Verhandlungsniederschrift lediglich in deutscher Sprache abgefasst worden. Das erkennende Gericht sei jedoch gemäß § 12 Abs. 1 S 1 BFA-VG dazu verpflichtet gewesen, die Rechtsbelehrung auch in eine dem Wiedereinsetzungswerber verständliche Sprache zu übersetzen, damit dieser seine Rechte wahren könne (vgl. S 5 des Antrags vom 17.06.2021).
Dazu ist festzuhalten, dass dem Wiedereinsetzungswerber sowohl der Spruch als auch die Rechtsmittelbelehrung gemäß § 30 VwGVG betreffend die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Einbringung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof in seine Muttersprache übersetzt wurden (vgl. L525 2172116-1/10Z, S 4ff). Der Wiedereinsetzungswerber hatte somit ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Niederschrift am 07.05.2021 die Möglichkeit, gegen das mündlich verkündete Erkenntnis vom 04.05.2021 rechtlich vorzugehen. Dass er die diesbezüglichen Handlungsschritte unterließ und diese erst am 17.06.2021 durch seinen Rechtsvertreter nachholte, ist nicht vom erkennenden Gericht zu verantworten. Zwar ist der Rechtsvertretung insofern zuzustimmen, als sich aus § 12 Abs. 1 S 1 BFA-VG eine Übersetzungspflicht für den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ergibt (vgl. dazu auch ErlRV 1803 BlgNR XXIV. GP, 15 sowie Lipphart-Kirchmeir in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 12 BFA-VG Anm 4 [Stand 1.3.2016, rdb.at]), doch ist in diesem Zusammenhang ausdrücklich zu betonen, dass das Gericht seiner Übersetzungspflicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung nachgekommen ist.
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bringt der Rechtsvertreter vor, dass das Wiedereinsetzungsrecht wegen unterlassener Übersetzung der Rechtsbelehrung aus einem „Größenschluss“ zu § 12 Abs. 1 S 2 BFA-VG folge, wonach bereits eine unrichtige Übersetzung eine Wiedereinsetzung begründen würde (vgl. S 5 des Antrags vom 17.06.2021).
Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden:
Abgesehen davon, dass das Gesetz ausdrücklich davon spricht, dass der Spruch und die Rechtsmittelbelehrung in eine den Fremden verständliche Sprache übersetzt werden müssen und nicht eine Belehrung nach § 29a VwGVG findet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG nur dann statt, wenn der Wiedereinsetzungswerber die Fristversäumnis an der Stellung eines Antrags gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG unverschuldet oder lediglich aus einem minderen Grad des Verschuldens zu verantworten hat. Damit ist bloß leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB gemeint (VwGH 26.05.2010, 2010/08/0081; 23.6.2008, 2008/05/0122). Diese liegt dann vor, wenn dem Wiedereinsetzungswerber ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch einer sorgfältigen Person unterlaufen kann. Von einem minderen Grad des Versehens kann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Wiedereinsetzungswerber die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (VwGH 25.09.1991, 91/16/0046). Bei auffallender Sorglosigkeit findet keine Wiedereinsetzung statt (Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 [2017], § 33 Rz 13).
Verfahrensgegenständlich ist der ordnungsgemäß geladene Wiedereinsetzungswerber am 04.05.2021 unentschuldigt nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Obwohl er in der Ladung des Gerichts auf die Darlegung seiner Hinderungsgründe und eine per Fax zu übermittelnde Bescheinigung hingewiesen wurde, ist er dieser Verpflichtung entschieden nicht nachgekommen. Stattdessen übermittelte der Wiedereinsetzungswerber dem Gericht am 03.05.2021 eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung per Mail, ohne triftige Gründe für die Abwesenheit von der mündlichen Verhandlung zu nennen (vgl. S 4-5 der Niederschrift vom 04.05.2021). Bereits dieses Verhalten verdeutlicht, dass der Wiedereinsetzungswerber die im Verkehr mit dem erkennenden Gericht für die Einhaltung von Terminen erforderliche Sorgfalt im gegenständlichen Verfahren nicht eingehalten hat, weshalb bereits zu diesem Zeitpunkt von keinem Versehen minderen Grades mehr gesprochen werden kann.
Gegen das Verschulden des Wiedereinsetzungswerbers wendet der Rechtsvertreter ein, dass ein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden schon deshalb nicht vorliegen könne, weil das erkennende Gericht Verwirrung dadurch gestiftet habe, dass es
einerseits die Rechtsmittelbelehrung gemäß § 30 VwGVG in die Muttersprache des Wiedereinsetzungswerbers übersetzt habe, andererseits auf eine Übersetzung der Rechtsbelehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG verzichtet habe (vgl. S 5-6 des Antrags vom 17.06.2021).
Der Wiedereinsetzungswerber ist – folgt man den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag - der deutschen Sprache auf Niveau B1 mächtig und als solcher in der Lage, einfache Behördenmitteilungen zu verstehen (vgl. https://www.cib.or.at/deutschkenntnisse/niveau-b1-test-deutsch/). In Zusammenschau mit der ihm in seiner Muttersprache erteilten Rechtsbelehrung gemäß § 30 VwGVG (vgl. dazu Seiten 7-8 der Niederschrift vom 04.05.2021) wäre es ihm daher durchaus möglich und zumutbar gewesen, sich nach Durchsicht der am 07.05.2021 zugestellten Niederschrift zeitnahe eines Dolmetschers und/oder eines Rechtsanwaltes zu bedienen um den erforderlichen Antrag auf schriftliche Erkenntnisausfertigung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG rechtzeitig stellen zu können. Stattdessen wartete der Wiedereinsetzungswerber bis zur Ausfertigung des gekürzten Erkenntnisses am 04.06.2021 zu, ohne in dem knapp einmonatigen Zeitraum weitere Handlungsschritte zu setzen, wohlwissend, dass ihm ein Rechtsmittel gegen das mündlich verkündete Erkenntnis vom 04.05.2021 aufgrund der ihm in seiner Muttersprache erteilten Rechtsbelehrung gemäß § 30 VwGVG (Revision und Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) zugestanden wäre.
Der Rechtsvertreter bringt dazu vor, dem Wiedereinsetzungswerber sei es nicht möglich, komplexere Sprachinhalte wie Rechtsmittelbelehrungen gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG mit seinen Deutschkenntnissen auf B1-Niveau zu verstehen. Selbst ein durchschnittlich gebildeter Deutsch sprechender Österreicher hätte große Schwierigkeiten diese Belehrungsinhalte zu verstehen und zu erkennen, welche konkreten Rechtsschritte er nun gegen das mündlich verkündete Erkenntnis setzen müsse (vgl. S 3-4 des Antrags vom 17.06.2021).
Auch dieses Vorbringen kann dem Wiedereinsetzungswerber nicht zum Erfolg verhelfen: So muss ihn gerade das Wissen um seine behauptete mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache nach der Rechtsprechung zu besonderer Sorgfalt in Bezug auf die Einhaltung von Fristen veranlassen (VwGH 19.09.2007, 2007/08/0097 mwN). Wie bereits ausgeführt wäre es dem Wiedereinsetzungswerber durchaus möglich und zumutbar gewesen, sich unmittelbar nach der Durchsicht der am 07.05.2021 zugestellten Niederschrift eines Dolmetschers und/oder Rechtsbeistandes zu bedienen und geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer der deutschen Sprache – nach seinen eigenen Angaben auf Niveau B1 – soweit mächtig ist, dass er versteht, dass nach Zustellung der Niederschrift die Ausfertigung beantragt werden muss bzw. es ihm soweit verständlich war, dass er weitere Schritte setzen muss. Stattdessen wartete der Wiedereinsetzungswerber bis zur gekürzten Ausfertigung am 04.06.2021 zu, ehe er am 11.06.2021 erstmals zu einem Informationsgespräch bei seinem Rechtsvertreter auftauchte, obwohl dieser der deutschen Sprache soweit mächtig war, dass er zumindest verstehen musste, dass sein Handeln erforderlich ist. Erst am 17.06.2021 holte der Wiedereinsetzungswerber die versäumte Handlung durch seine Rechtsvertretung nach. Den Wiedereinsetzungswerber traf somit an der verspätet erfolgten Antragstellung auf schriftliche Erkenntnisausfertigung ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abzuweisen war.
Mit der Entscheidung über diesen Antrag wird die mit Beschluss vom 30.06.2021, Zl L525 2178116-2/5Z, gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG zuerkannte aufschiebende Wirkung obsolet (VwGH 26.07.2005, 2005/20/0103).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
minderer Grad eines Versehens mündliche Verkündung Rechtsmittelbelehrung schriftliche Ausfertigung Übersetzung Verspätung Wiedereinsetzung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L525.2178116.2.00Im RIS seit
03.01.2022Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022