TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/17 W174 2182423-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2021
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Entscheidungsdatum

17.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W174 2182423-2/12E


Erkenntnis

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.10.2020, Zl. 1072432303/200802142, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 144 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Verfahren betreffend Antrag auf internationalen Schutz vom 08.06.2015:

1.1. Der Beschwerdeführer – nach ihren Angaben führt er den Namen XXXX , ist afghanische Staatsangehörige und wurde am XXXX geboren – ist spätestens am 08.06.2015 gemeinsam mit seiner Ehefrau XXXX , geb. XXXX , (siehe BVwG, Zahl 2182458-1 und -2), unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

Noch am selben Tag wurden die ersten Anträge auf internationalen Schutz gestellt und der Beschwerdeführer führte, befragt zu seinem Fluchtgrund an, sein Vater, ein Spieler habe seine Ehefrau an einen anderen Spieler verloren und da er mit seiner Ehefrau zusammenleben wolle, hätten sie um zusammenbleiben zu können das Land verlassen.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt oder belangte Behörde) vom 15.11.2017, Zl. 1072432303 - 150633175 wurde der Antrag auf die Gewährung von internationalem Schutz vom 08.06.2015 sowohl gemäß § 3 betreffend die Gewährung von Asyl als auch gemäß § 8 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG betreffend die Gewährung von subsidiärem Schutz abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreisverbot erlassen.

1.3. Die mit Schriftsatz vom 11.12.2017 gegen diese erstinstanzliche Entscheidung eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, vom 31.12.2019, GZ: W179 2182423-1/17E als unbegründet abgewiesen.

Dabei stellte das Bundesverwaltungsgericht zum Fluchtvorbringen (als Erstbeschwerdeführer wird in dieser Entscheidung der Ehemann der Beschwerdeführerin bezeichnet und die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren wird Zweitbeschwerdeführerin genannt) fest und führte in weiterer Folge beweiswürdigend aus:

„c) Zur Verfolgung der Beschwerdeführer:

3. Der Vater des Erstbeschwerdeführers hat die Zweitbeschwerdeführerin nicht in einer Wette als `Wetteinsatz` verspielt.

4.1. Die Rechtsmittelwerber wohnten in Herat im Haus des Vaters des Zweitbeschwerdeführers und zwang besagter Vater die Zweitbeschwerdeführerin, mit Burka auf die Straße zu gehen. Auch hat der Vater des Erstbeschwerdeführers der Zweitbeschwerdeführerin nicht erlaubt, alleine das Haus zu verlassen. Die Zweitbeschwerdeführerin kann sich nicht mehr vorstellen, eine Burka zu tragen. Der Erstbeschwerdeführer verlangt von der Zweitbeschwerdeführerin nicht, auch nicht in Afghanistan, eine Burka zu tragen. Die Brüder des Zweitbeschwerdeführers sind allesamt aus dem Haus des Vaters ausgezogen und haben zu diesem keinen Kontakt mehr.

4.2. In der hiergerichtlichen Beschwerdeverhandlung trug die Zweitbeschwerdeführerin lange Jeans, eine kurzärmelige schwarze Bluse, Schmuck, die Haare offen, die Augen waren dezent geschminkt samt Make-up, jedoch keinen Lippenstift noch Nagellack. Die Zweitbeschwerdeführerin versucht, schwimmen zu lernen und trägt dabei einen Bikini, sie spielt manchmal auch Basketball und geht derzeit ab und zu in einen Fitness-Club. Wenn der Erstbeschwerdeführer zu Hause ist, geht die Zweitbeschwerdeführerin mit diesem gemeinsam einkaufen, wenn er nicht zu Hause ist, dann geht sie mit einer Nachbarin, die auch Afghanin ist, einkaufen, wenn sie am Samstag einkaufen gehen, dann machen die Beschwerdeführer das gemeinsam mit österreichischen Freunden, alleine einkaufen geht sie nur direkt nach ihrem Sprachkurs. Die Zweitbeschwerdeführerin geht auch mit Freunden spazieren, manchmal hilft sie im Garten mit. Einmal im Monat gibt es ein Treffen in einem Raum der Gemeinde, jeder der Teilnehmer kocht etwas und bringt es mit, sie selbst bringt afghanisches Essen mit. Die Beschwerdeführerin macht derzeit keine Ausbildung, noch gibt es konkrete Pläne dazu.

4.3. Die vorgebrachte `westliche Orientierung` als Lebensstil ist – nicht – wesentlichen Bestandteil der Identität der Zweitbeschwerdeführerin.

5. Das Vorliegen anderer asylrelevante GFK-Gründe werden von den Beschwerdeführern nicht behauptet.

[…]

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers:

6. Da der Erstbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe geltend macht […] ist beweiswürdigend lediglich auf die Tatsachen der Fluchtgründe der Zweitbeschwerdeführerin einzugehen.

2.3. Zum Fluchtvorbringen der Zweitbeschwerdeführerin:

7. Die Beschwerdeführer können im Ergebnis nicht als glaubwürdig eingestuft werden.

a) Wetteinsatz

8. Das Vorbringen der Rechtsmittelwerber, die Zweitbeschwerdeführerin sei als Wetteinsatz vom Vater des Erstbeschwerdeführers bei einer Wette an einen anderen Mann verloren worden, ist für das erkennende Gericht völlig unglaubwürdig und war eindeutig als konstruiert erkennbar. Insbesondere konnten beide Beschwerdeführer nicht angeben, an welchen Mann (Name; Stellung) die Zweitbeschwerdeführerin verspielt worden sein soll, obgleich dieser angeblich nach einer Frist von einem Tag (um die Scheidung zwischen den Beschwerdeführern zu vollziehen) die Zweitbeschwerdeführerin zu holen bereits gedroht und der Erstbeschwerdeführer mit seinem Vater, der die Zweitbeschwerdeführerin verspielt haben soll, darüber gestritten habe.

9. Zudem konnten die getrennt befragten Beschwerdeführer beide nicht angeben, was der `Gegenwetteinsatz`, den der Vater des Erstbeschwerdeführers im Falle seines Wettgewinnes erhalten hätte, gewesen wäre. Auf die Nachfrage des Gerichts musste der Erstbeschwerdeführer zugeben, dass er nicht einmal wisse, ob es sich dabei um einen Geldbetrag gehandelt habe (wenngleich er dies mutmaße).

10. Bei einer so traumatischen Neuinformation – die Ehegattin sei verspielt worden, die Scheidung sei binnen eines Tages zu vollziehen und müsse die Frau am nächsten Tag einem anderen Mann mitgegeben werden – ist es gänzlich nicht nachvollziehbar und auch nicht der Lebenserfahrung entsprechend, also nicht schlüssig, dass die Betroffenen (zumindest der Erstbeschwerdeführer als afghanischer Mann) weder wissen wollen oder dies in Erfahrung zu bringen suchen, an wen die Zweitbeschwerdeführerin verspielt wurde bzw. wer sie nach einem Tag zu holen gedenkt, noch zu wissen, für was (welchen Geldbetrag oder welche Sache) die zweite Beschwerdeführerin verspielt worden sein soll. Zumal die Zweitbeschwerdeführerin auch Gespräche der Schwiegereltern mitbekommen haben will.

11. Erschwerend kommt zu dieser Unschlüssigkeit hinzu, dass beide Beschwerdeführer bei hiergerichtlicher Nachfrage zu diesen beiden Themata erkennbar die Antworten konstruierten, zeitverzögert antworteten, nach einer logischen Antwortmöglichkeit suchten und sowohl mimische als auch gestisch keineswegs glaubwürdig waren. Schließlich kam der Erstbeschwerdeführer bereits bei der Frage, inwieweit der andere Mann seine Ehefrau mitnehmen könnte, weil sie mit dem Erstbeschwerdeführer ja in einer aufrechten Ehe war, dermaßen ins `Schwimmen`, dass er, obwohl er die Frage erkennbar verstanden hatte, sich mehrfach darauf zurückzog, die Frage nicht zu verstehen, um nach einer Antwort zu suchen. Im Ergebnis ist das Gericht völlig davon überzeugt, dass die behauptete Wette und damit das vorgebrachte `Verspielen` der Zweitbeschwerdeführerin durch den Vater des Erstbeschwerdeführers niemals stattgefunden hat.

12. Vor diesem Hintergrund war der von den Beschwerdeführern (mehrfach gestellte) Antrag `auf Einholung eines länderkundigen Sachverständigengutachtens und/oder Beiziehung eines Vertrauensanwaltes aus Afghanistan zum Beweisthema `Wetteinsatz von (mithin auch verheirateten) Frauen` und der damit verbundenen widrigen Folgen für die betroffenen Frauen` als auch auf Überprüfung der Angaben der Beschwerdeführer vor Ort abzuweisen, weil es solch eine Wette nicht gab, waren die diesbezüglichen Antworten in der hg Verhandlung doch ohne Zweifel als konstruiert erkennbar.

13. Zudem konnte der Erstbeschwerdeführer — (auch mimisch) nicht glaubwürdig — darlegen, wie es ihm so schnell gelungen sei – am Tag des fluchtauslösenden Ereignisses – seine Werkstatt binnen eines Tages zu verkaufen, um damit seine schlepperunterstützte Flucht zu finanzieren.

b) `Westliche Orientierung` als Lebensstil:

14. Die Feststellungen zur Lebenssituation der Zweitbeschwerdeführerin im Heimatland als auch in Österreich beruhen auf ihren diesbezüglichen Angaben in der Beschwerdeverhandlung.

[…]

16. Das Vorbingen, die Zweitbeschwerdeführerin sehe sich im Internet Make-up-Artists an und möchte eine dreijährige Ausbildung zur Visagistin/Make-up-Artistin machen und in diesem Bereich auch arbeiten, ist hiergerichtlich zweifelsfrei als Versuch zu werten, eine `westliche Orientierung` zu belegen, der allerdings keinesfalls glaubhaft ist; so behauptete die Zweitbeschwerdeführerin zunächst, sie würde bereits im nächsten Monat mit einer solchen Ausbildung — für die nächsten drei Jahre — tatsächlich beginnen (hg Verhandlungsprotokoll Seite 11), um auf nähere Nachfrage des Gerichtes, wo sie diese Ausbildung mache und ob sie dazu schon etwas unterschrieben habe, ihre Antwort dahingehend zu ändern, sie habe die Frage falsch verstanden, sie werde das erst abstrakt in der Zukunft machen. In Zusammenschau mit dem bereits nicht glaubwürdigen Vorbringen zur angeblichen Wette des Schwiegervaters über ihre Person erscheinen die Beschwerdeführer ebenso in diesem Punkte (auch gestisch und mimisch) keineswegs überzeugend.

17. Auch konnte die Zweitbeschwerdeführerin das Gericht nicht davon überzeugen, dass sie in Österreich bereits in einem solchen Maße eine (`westliche`) Lebensweise führt, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt:

17.1. So handelt es sich bei der Zweitbeschwerdeführerin um eine erwachsene, sehr einfache Frau, die sich in Österreich primär um den Haushalt kümmert, keine Ausbildung macht, noch eine solche konkret anstrebt, wenngleich sie gerne spazieren und (vereinzelt) Sport betreibt. Insbesondere vermag der Hinweis auf das Tragen eines Bikinis per se noch keine angenommene Identität eines westlichen Lebensstils zu begründen, sondern kommt es besonders auf den diesbezüglichen inneren Willensentschluss an, die ihr zukommenden Freiheiten auch dauerhaft ausüben zu wollen, wovon die Zweitbeschwerdeführerin das Gericht in der gerichtlichen Beschwerdeverhandlung gänzlich nicht zu überzeugen vermochte.

17.2. Vielmehr wurde in der mündlichen Verhandlung der Eindruck gewonnen, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin in Österreich grundsätzlich nur innerhalb eines äußerst kleinen Radius bewegt, obwohl es ihr möglich wäre, jederzeit alleine das Haus zu verlassen und sich frei zu bewegen. So hat die Zweitbeschwerdeführerin angegeben, in ihrer Freizeit den Haushalt sowie Lebensmitteleinkäufe zu erledigen und gerne spazieren zu gehe. Auch gelegentliches Basketballspielen und vereinzelte Fitnessstudiobesuche stellen nach Auffassung des Gerichts für sich genommen noch kein ausreichend tragfähiges Substrat für die Annahme eines selbstbestimmten Lebens dar, zumal die Zweitbeschwerdeführerin auch gerne mit ihrer afghanischen Freundin einkaufen geht. Vielmehr ist hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin grundsätzlich immer mit ihrem Mann einkaufen geht, wenn dieser zu Hause ist; wenn dieser nicht zu Hause ist, dann mit ihrer afghanischen Freundin; alleine ginge sie nur einkaufen, wenn sie schon (alleine) beim Sprachkurs sei. In diesem Zusammenhang vermochte die Zweitbeschwerdeführerin nicht zu überzeugen, ein selbstbestimmtes eigenständiges Leben zu führen. Bei den einmal im Monat stattfindenden Treffen mit Freunden kocht und bringt sie afghanisches Essen mit.

17.3. Zur angesprochenen Ausbildung als Visagistin/Make-Up-Artistin ist nochmals zu erwähnen, dass diese weder konkret noch glaubwürdig war, sondern das Gericht hier unzweifelhaft den Eindruck hatte, es werde hier der Beleg einer `westlichen Orientierung` zu konstruieren versucht. Das diesbezügliche Vorbringen weicht erkennbar von der Lebenswirklichkeit der Zweitbeschwerdeführerin ab, und ist hier weder eine konkrete Planung oder eigenes Engagement erkennbar. Für das Gericht ist somit nicht ersichtlich, dass ein Wunsch nach Arbeit wesentlicher Bestandteil der Zweitbeschwerdeführerin geworden ist.

17.4. `Lediglich` der Schwiegervater hat die Zweitbeschwerdeführerin angehalten, eine Burka zu tragen; ihr eigener Mann (der Erstbeschwerdeführer) verlangt dies nicht von ihr. Wenngleich die vorgebrachte Wette nicht glaubwürdig war, konnte der Erstbeschwerdeführer das Gericht davon überzeugen, zu seinem Vater ein sehr schlechtes persönliches Verhältnis zu haben, die Zweitbeschwerdeführerin sowieso. Vor diesem Hintergrund sind die Beschwerdeführer jedoch nicht gezwungen, und erscheint dies auch nicht realitätsbezogen, wieder beim Vater einziehen, sondern können sie genauso wie die Brüder des Erstbeschwerdeführers, die in Afghanistan ein eigenes Leben führen und keinen Kontakt mit dem Vater mehr haben, gleichermaßen ein eigenes (nicht vom Vater) bestimmtes Leben in Afghanistan führen. In diesem Zusammenhang sind auch auf die Länderfeststellungen hinzuweisen, aus denen hervorgeht, dass insbesondere in urbanen Zentren die Kleidungsvorschriften nicht streng gehandhabt werden.

17.5 Zusammenfassend ist nach überzeugendem Eindruck des erkennenden Gerichtes im Falle der Zweitbeschwerdeführerin davon auszugehen, dass diese eine `westliche Orientierung` des Lebensstils, der eine selbstbestimmte und selbstverantwortliche Lebensweise immanent ist, weder verinnerlicht noch in ihrer alltäglichen Lebensführung verankert hat.

17.6. Dem Gericht ist durchaus bewusst, dass das Leben als Frau in Afghanistan nicht mit jenem in Österreich gegebenen Freiheiten vergleichbar ist, allerdings konnte in der Verhandlung nicht der Eindruck vermittelt werden, dass es sich bei der Zweitbeschwerdeführerin um in ihrer Grundeinstellung derart `westlich` orientierte Frauen handeln würde, die allein aufgrund ihrer Gesinnung und bzw. oder der Fortsetzung ihres hier gelebten Lebensstils in ihrer Herkunftsprovinz einer integritätsbedrohenden Gefahr ausgesetzt wären. Aus den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin zu ihrer Lebensführung in Österreich ist eine behauptete `westliche` Lebensweise, die bei Fortführung in der Herkunftsprovinz für Probleme sorgen würde, nicht nachvollziehbar, zumal die Beschwerdeführer hier keinen glaubwürdigen Eindruck vermittelten.“

Die mit Schriftsatz vom 12.02.2020 gegen diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eingebrachte außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.03.2020, Ra 2020/20/0076 bis 0077-4 zurückgewiesen, sodass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.12.2019 in Rechtskraft erwuchs.


2. Verfahren betreffend den beschwerdegegenständlichen Folgeantrag:

2.1. Am 01.09.2020 – ab diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer wieder im Bundesgebiet amtlich angemeldet, nachdem er zuvor vom 22.01.2020 bis 01.03.2020 und ab 23.05.2020 bis 31.08.2020 über keine amtliche Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet verfügte – stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf die Gewährung von internationalem Schutz.

Noch am selben Tag fand die Erstbefragung statt, wobei der Beschwerdeführer zunächst kurz seine bisherigen Fluchtgründe seine Ehefrau betreffend wiederholte und dann ergänzend angab, seine Ehefrau sei mittlerweile schwanger und er wolle, dass das Kind in Österreich zur Welt komme und auch aufwachse. Er sei auch kein Moslem mehr, sei aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten, könne eine Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft Braunau dazu vorweisen und ihm würde wegen des Religionsaustrittes in Afghanistan der Tod drohen, er würde gesteinigt. Außerdem sei er bereits seit 2015 im Bundesgebiet, habe sich an das Leben in Österreich gewöhnt, sei in einem Fußballverein gewesen und habe viele Freunde.

Zum Austritt aus dem Islam gab der Beschwerdeführer ergänzend an, dass er als er nach Österreich gekommen sei Kirchen besucht habe und gemerkt habe, wie ehrlich die Menschen seien. Im Islam habe er nichts Gutes gesehen. Er habe sich schon länger mit dem Gedanken auseinandergesetzt, aus dem Islam auszutreten und sei jetzt, am 31.08.2020 – so wie auch seine Ehefrau – ausgetreten Davor habe er nicht gewusst, an welche Behörde er sich deswegen wenden solle.

Bei der Einvernahme am 17.09.2020 gab der Beschwerdeführer befragt zu seiner Gesundheit an, er habe 2018 seine Haare verloren, weil er unter Stress gelitten habe, jetzt gehe es ihm wieder gut und er glaube, er sei gesund. Weiters wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine Angaben wie zuvor bei der Erstbefragung.

Befragt zum Austritt aus dem Islam, gab der Beschwerdeführer insbesondere an, er sei nicht religiös, sei es nie gewesen und habe schon zu Anfang, als er nach Österreich gekommen sei seinem Anwalt gesagt, dass er alle Religionen respektiere, aber vom Islam wegwolle. Damals habe er sich nicht ausgekannt und niemand habe ihm gesagt, was er deswegen tun könne.
Zu seinem Privatleben seit der Rechtskraft im Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz befragt, gab der Beschwerdeführer insbesondere an, dass er bald ein Kind bekommen werde und darum bitte eine Möglichkeit für das Kind und sich selbst zu erhalten, hier zu leben, zu arbeiten und dem Kind eine Ausbildung geben zu können.

Anlässlich der Befragung am 12.10.2020 brachte der Beschwerdeführer, nachdem er die Situation seine Ehefrau betreffend, welche von seinem Vater in einem Spiel verwettet worden sei, nochmals geschildert hatte, zu seinem Religionsaustritt ergänzend vor, dass er anfangs gedacht habe, er mache das mit sich selbst aus, dass er kein Moslem mehr sei, dann habe er im Internet recherchiert und sich informiert. Vor ca. 2 Monaten habe ihn seine Rechtsanwältin gesagt, wie er vorgehen müsse, um auszutreten.

2.2. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Bundesamtes vom 21.10.2020, Zl. 1072432303 / 200802142 wurde der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf die Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigen (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, verheiratet, leide an keinen lebensbedrohenden Krankheiten oder Beschwerden, welche einer Abschiebung nach Afghanistan entgegenstünden, sei arbeitsfähig und zähle nicht zu einer Corona-Risikogruppe für schwere Krankheitsverläufe. Er verfüge auch über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Die Beschwerdeführerin habe im neuerlichen Asylverfahren nicht glaubwürdig weitere asylrelevante Gründe vorgebracht, es habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben.

Der Beschwerdeführer sei gemeinsam mit seiner Ehefrau illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist, wobei gegen seine Ehefrau und ihn selbst aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidungen nach Afghanistan in Verbindung mit einem befristeten Einreiseverbot bestünden.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage – und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen sei – noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, steht die Rechtskraft der ergangenen Entscheidung vom 02.01.2020, dem neuerlichen Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegen, weswegen die Behörde zu seiner Zurückverweisung verpflichtet sei.

2.3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 23.11.2020, wobei einleitend festgehalten wird, dass der erstinstanzliche, bekämpfte Bescheid frühestens am 09.11.2020 (siehe Vwakt S 365) zugestellt worden sei. Begründend wird erneut auf den geänderten Sachverhalt betreffend den Fluchtgrund des Verspielens der Ehefrau des Beschwerdeführers in einer Wette von seinem Vater, des infolge dessen schlechten psychischen Gesundheitszustand der mittlerweile schwangeren Ehefrau des Beschwerdeführers und damit im Zusammenhang der massiv verschlechterten Versorgungslage in Afghanistan aufgrund der Corona Pandemie und den Abfall des Beschwerdeführers vom Islam hingewiesen. Bezogen auf den sofortigen Vollzug der angefochtenen und bereits rechtskräftig gewordenen Entscheidungen wurde ausdrücklich die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

4. Mit Beschluss vom 01.12.2020, Gz. W174 2182423-2/4Z, erkannte das Bundesverwaltungsgericht dieser Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu.

5. Mit Schreiben der Rechtsvertretung vom 5.5.2021 langte die Kopie der Geburtsurkunde der mittlerweile geborenen Tochter des Beschwerdeführers ein. Die Tochter der Eheleute trägt den XXXX und wurde am XXXX geborenen.

6. Mit Stellungnahme vom 31.5.2021 wurde überwiegend das bisherige Vorbringen repliziert und ergänzend unter Hinweis auf die, erst vor Kurzem geborene Tochter und dem vom länderkundlichen Sachverständigen, XXXX im Verfahren zu BVwG W109 2204745-1 erstellten Gutachten, die Überlebenschance des Beschwerdeführers und seiner Familie angesichts der Veränderungen in der afghanischen Gesellschaft aufgrund der Corona-Pandemie für das gesamte Staatsgebiet Afghanistans verneint.
Die Verfolgungssicherheit in den größeren Städten Afghanistans, wie Kabul, Mazar-e-Sharif oder Herat wäre nicht gegeben. Die Beschwerdeführer hätten dort keine Wohnmöglichkeit und könnten sich auch keine leisten. Da der afghanische Staat nicht in der Lage sei, Rückkehrern zu helfen, wären die Beschwerdeführer höchstwahrscheinlich von Obdachlosigkeit betroffen und erhielten keine Versorgung.

Schließlich sei auch die Situation vor allem für Kinder bzw. Minderjährige prekär, welche wenn sie von einer Rückkehrentscheidung betroffen seien nach der Rechtsprechung im Rahmen der Abwägung gemäß § 9 BFA-VG zu berücksichtigen seien (VwGH 25.4.2019, Ra 2018/22/0251).

7. Mit Schriftsatz vom 19.8.2021 wurde auf die aktuelle Entwicklung in Afghanistan eingegangen und darauf hingewiesen, dass es daher keinen Ort mehr im Heimatland des Beschwerdeführers gebe, wo er mit seiner Ehefrau und der Tochter eine interne Schutzalternative im Sinne von § 11 AsylG vorfinden könnte.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus den Asylanträgen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau, deren Einvernahmen vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des Bundesamtes sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht, den bislang ergangenen Entscheidungen der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, der im Verfahren vorgelegten Schriftsätze sowie der Einsichtnahme in die Verwaltung- und Gerichtsakten.

1.1. Zum Verfahrensgang:

Der Ablauf des Verfahrensgangs wird festgestellt, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen privaten und familiären Verhältnissen:

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Im Verfahren führt der Beschwerdeführer den Namen XXXX , er wurde am XXXX geboren, ist afghanischer Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und stammt aus der Provinz Herat in Afghanistan, Distrikt Baghe Azadi im ersten Bezirk Herats und hat dort den Großteil seines Lebens verbracht. Er spricht einen Dari/Farsi Dialekt, auch Farsi und ein wenig Deutsch. Er ist traditionell verheiratet.

Der Beschwerdeführer hat nur ein Jahr lang die Grundschule besucht und verfügt über keinerlei weitere Bildung. Er hat seit seinem 7. Lebensjahr den Beruf des Automechanikers erlernt und diesen in einer eigenen Autowerkstätte ausgeübt. Mit den Einkünften aus dieser Beschäftigung hat der Beschwerdeführer den Lebensunterhalt seiner Ehefrau und seiner eigenen Eltern bestritten.

In Afghanistan leben die Eltern des Beschwerdeführers, seine beiden Brüder und zwei Schwestern.

Im Bundesgebiet hat er einen A1-Deutschkurs absolviert und eine A1-Prüfung positiv bestanden.

Der Beschwerdeführer litt 2018 an einem stressbedingten Alopezia areata („kreisrunder Haarausfall“), hat diese Beschwerden nicht mehr, ist gesund, nimmt keine Medikamente und ist arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführer konnte in Österreich freundschaftliche Kontakte zu den Mitspielern in einem Fußballverein knüpfen.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich wegen versuchter Urkundenfälschung sowie mittelbare unrichtige Beurkundung oder Beglaubigung gemäß §§ 223 (2), 15, 228 (1) StGB vom Bezirksgericht Linz am 31.8.2016 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt. Dieses Urteil wurde am 6.9.2016 rechtskräftig. Seither hat sich der Beschwerdeführer aus strafrechtlicher Sicht wohl verhalten.

Der Beschwerdeführer ist am 31.08.2020 nachweislich aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten.

Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet Vater seines erstes Kindes, einer Tochter, geboren am XXXX , welche den Namen XXXX trägt, geworden.

1.3. Zu den Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführerin stützt seinen Folgeantrag auf dieselben Fluchtgründe, die bereits im ersten Verfahren geltend gemacht wurden. Neue Fluchtgründe, denen ein „glaubwürdiger Kern“ innewohnen würde, wurden nicht vorgebracht.

Eine maßgebliche Änderung der asylrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers kann zum Zeitpunkt der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung über den Folgeantrag ebenso wenig festgestellt werden, wie eine maßgebliche Änderung der von ihm bereits im Vorverfahren vorgebrachten asylrelevanten Fluchtgründe.

Die Rechtslage blieb, soweit dies hier entscheidungsrelevant ist, unverändert.

1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Bei Erlassung des angefochtenen Bescheides war das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung 13.11.2019, letzte Informationen vom 18.5.2020 betreffend die allgemeine Lage, als auch insbesondere die Sicherheits- und Versorgungslage im Wesentlichen übereinstimmend mit jener Fassung, die für die Vergleichsentscheidung, dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.12.2019 herangezogen wurde.

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung 13.11.2019, letzte Informationen vom 18.5.2020, die EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Schutzsuchender vom 30.8.2018 (siehe Anlagen) stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.

1.5. Zur Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

Zur allgemeinen Situation betreffend COVID-19 ist auszuführen, COVID-19 ist eine durch das

Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

Die Wahrscheinlichkeit von schweren Erkrankungen und Todesfällen steigt bei Personen über 65 Jahren und bei Personen mit definierten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs und Fettleibigkeit deutlich an. Diese Risikogruppen sind bis heute für die Mehrheit der schweren Erkrankungen und Todesfälle verantwortlich. Nach der Infektion gibt es aktuell (noch) keine spezifische Behandlung für COVID-19, jedoch kann eine frühzeitige unterstützende Therapie, sofern die Gesundheitsfürsorge dazu in der Lage ist, die Ergebnisse verbessern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krankheitsverlauf des COVID-19, sofern es durch das Coronavirus ausgelöst wurde, für die Allgemeinbevölkerung als mild bis moderat, für ältere Menschen mit definierten Risikofaktoren jedoch als gravierend bis tödlich eingeschätzt wird (s. www.who.int/health topics/coronavirus).

Da der Beschwerdeführer nicht unter die Risikogruppe der Personen über 65 Jahren fällt und auch nicht zu den Personen mit maßgeblichen Vorerkrankungen (siehe oben) zählt, ist bei einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Afghanistan das Vorliegen eines „real risk“, einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK nicht erkennbar.

2.       Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalten der vorliegenden Verwaltungsakte des Bundesamtes und den Gerichtsakten sowohl zum Verfahren über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz als auch des gegenständlichen Folgeantrages.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen privaten und familiären Verhältnissen:

Die Feststellungen zur Herkunft, Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit, der Religion, den Sprachkenntnissen, zur Bildung im Herkunftsstaat und im Bundesgebiet sowie zu den familiären Verhältnissen ergeben sich aus den diesbezüglich stringenten Angaben des Beschwerdeführers. Sie sind in Übereinstimmung mit dem Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten des Bundesamtes sowie der vorliegenden Gerichtsakten, sodass sie als schlüssig anzusehen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher keine Veranlassung, an diesen Aussagen zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus den in den Verwaltungs- und Gerichtsakten vorliegenden diesbezüglichen Unterlagen.

Die Feststellungen zur gegebenen uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten, der maßgeblichen Vorentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und seinen diesbezüglichen Angaben vor der Behörde im Folgeverfahren, wo der Beschwerdeführer mehrfach betonte, arbeitsfähig und auch -willig zu sein.

Eine Berücksichtigung der mittlerweile – bedingt durch die in der nächsten Zeit gegebene Notwendigkeit einer intensiveren Betreuung der wenige Monate alten Tochter – eingetretenen negativen Folgen auf die Arbeitsfähigkeit bzw. -möglichkeit des Beschwerdeführers kommt im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht in Betracht. Zudem steht für die Betreuung der gemeinsamen Tochter deren Mutter, die Ehefrau des Beschwerdeführers zur Verfügung.

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich, dem absolvierten Deutschkurs, seinen Sprachkenntnissen, den verwandtschaftlichen Beziehungen zu seiner Ehefrau und der gemeinsamen Tochter sowie den nur ansatzweise gegebenen weiteren sozialen Anknüpfungspunkten und Integration im Bundesgebiet, stützen sich auf die Aktenlage.

2.3. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Dass eine maßgebliche Änderung der bereits im vorangegangenen Verfahren vorgebrachten Fluchtgründe betreffend die Gewährung von Asyl nicht festgestellt werden kann bzw. im Folgeantrag auf internationalen Schutz keine neuen Fluchtgründe, denen ein „glaubwürdiger Kern“ innewohnt vorgebracht wurden, ergibt sich bei einem Vergleich der Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren über den Folgeantrag vor dem Bundesamt und dessen Angaben im bereits in zweiter Instanz rechtskräftig gewordenen ersten Verfahren.

2.3.1. So wiederholte der Beschwerdeführer anlässlich der vor der belangten Behörde im gegenständlichen Folgeverfahren erfolgten zwei Befragungen wie bereits im rechtskräftig abgeschlossenen ersten Verfahren auf die Gewährung von internationalem Schutz vor dem Bundesamt denselben Fluchtgrund, nämlich dass seine Ehefrau von seinem Vater bei einer Wette verspielt worden sei. Dieses Vorbringen ist deckungsgleich mit dem im rechtskräftig negativ entschiedenen Vorverfahren als unglaubwürdig beurteilten Vorbringen, wo ebenfalls davon die Rede gewesen ist, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers von seinem Vater als „Wetteinsatz“ verspielt worden sei. Hierzu hielt das Bundesverwaltungsgericht – worauf die belangte Behörde in ihrem Bescheid zutreffend hinweist – im Erkenntnis vom 31.12.2019, Gz W 179 2182423-1/17E bereits fest, dass der Vater des Beschwerdeführers dessen Ehefrau nicht in einer Wette als „Wetteinsatz“ verspielt hat. Somit ist die Wiederholung dieses Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers von der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom Dezember 2019 mitumfasst.

2.3.2. Auch das vom Beschwerdeführer vor den Sicherheitsbehörden und dem Bundesamt erstattete weitere Vorbringen, er würde, da er vom islamischen Glauben abgefallen sei in seinem Herkunftsland gesteinigt und getötet, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Von der belangten Behörde dazu befragt, seit wann er sich mit dem Gedanken aus der islamischen Glaubensgemeinschaft auszutreten befasst habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er schon anfangs als er nach Österreich gekommen sei, in Kirchen gewesen wäre und gesehen habe, dass die Menschen dort ehrlich seien. Er habe sich dann im Internet informiert, habe aber damals noch nicht gewusst, wie bzw. wo er aus dem Islam austreten könne. Erst zwei Monate bevor er den Folgeantrag auf die Gewährung von internationalem Schutz gestellt habe, habe ihm seine Rechtsvertretung dazu weitere Informationen gegeben und dann sei er – wie auch seine Ehefrau – am 31.08.2020 aus dem Islam bei der Bezirkshauptmannschaft förmlich ausgetreten. Weiters betonte der Beschwerdeführer schon im Heimatland nicht gläubig gewesen zu sein (vgl. Niederschrift vom 17.09.2020, Vwakt S 65: „ich bin auch nicht religiös, ich war nie religiös, ich wurde aber gezwungen zu beten…“ und dass er schon zu Beginn, als er sich in Österreich noch nicht ausgekannt habe, vom Islam weggewollt habe. Schon damals habe er für sich selbst entschieden kein Moslem mehr zu sein. Damit erklärt der Beschwerdeführer unmissverständlich, dass er bereits vor seiner Einreise in Österreich kein gläubiger Muslim gewesen ist und sich nach seiner Ankunft in Österreich nicht nur für sich persönlich vom islamischen Glauben getrennt hat, sondern vor allem schon damals die islamische Glaubensgemeinschaft habe verlassen wollen. Somit ist der belangten Behörde zuzustimmen, wenn sie zurecht in ihrer Entscheidung ausführt, dass e seit der Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren im Dezember 2019 zu keiner Änderung bei der Einstellung des Beschwerdeführers zum Islam gekommen ist.

2.4. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Dass sich die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde im gegenständlichen Folgeverfahren im Vergleich zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht wesentlich verändert hat, ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamt-aktualisierung 13.11.2019, letzte Information 18.5.2020 im Vergleich zu den Länderberichten im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts über den ersten Antrag auf die Gewährung von internationalen Schutz.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die genannten Quellen davon versichert, dass zwischen den jeweils herangezogenen Berichten keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist.

Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln.

Ergänzend bleibt anzumerken, dass seither in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage eine wesentliche Änderung eingetreten ist, welche aktuell insbesondere für den besonders vulnerablen Teil der Bevölkerung, wie die Ehefrau des Beschwerdeführers und ihre nur wenige Monate alte gemeinsame Tochter dazu führt, dass nicht mehr auszuschließen ist, dass deren Grundversorgung mit Unterkunft und Nahrung im Falle einer Rückkehr ausreichend gesichert sein wird.

2.5. Zur Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

Soweit vom Beschwerdeführer insbesondere die in Afghanistan gegebenen COVID-19-Pandemie und die damit einhergehende hohe Infektionsrate, die Probleme im Gesundheitswesen und auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt als Hindernisse für seine Rückkehr genannt werden, ist darauf hinzuweisen, dass das allgemeine Risiko sich mit einem Corona-Virus zu infizieren weltweit, also sowohl im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers als auch in Österreich weiterhin in einem hohen Ausmaß besteht und eine Ansteckung ebenso wenig in Österreich ausgeschlossen werden kann. Zudem handelt es sich beim Beschwerdeführer um keine Person mit einem geschwächten Immunsystem oder Vorerkrankungen, welche einem erhöhten Risiko einer schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlaufes ausgesetzt ist. Insgesamt stellt sich die derzeitige Situation in Afghanistan auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie nicht dergestalt dar, dass sich die grundlegende Situation im gesamten Staatsgebiet für den Beschwerdeführer entscheidungswesentlich geändert hat bzw. eine Rückkehr allein aufgrund der Corona-Pandemie nicht zumutbar wäre.

Nach entsprechender Würdigung aller zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung vorliegenden Informationen ist in einer Gesamtschau sohin anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt gewesen wäre.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

3.2.1. Zurückweisung des Folgeantrages auf die Gewährung von internationalen Schutz (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1.1. § 68 Abs.1 AVG lautet:

„Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68.
(1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.“

3.2.1.2. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind demnach Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014).

Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

Die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung steht einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die „entschiedener Sache“, das heißt durch die Identität der Sache, über die formell rechtskräftig abgesprochen wurde, mit der im neuerlichen Abspruch erfassten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für die Vorentscheidung maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (VwGH 26.04.2019, Ra 2019/20/0174, mwN).

Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Daher können im Folgeantragsverfahren – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (vgl. VwGH 03.04.2019, Ra 2019/20/0104). Demnach sind behauptete Tatsachen die bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die der Asylwerber jedoch nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht hat, von der Rechtskraft der über den ersten Antrag absprechen Entscheidung erfasst (VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0091mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Vergleichsbescheid derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. VwGH 15.11.2000, 2000/01/0184; 16.07.2003, 2000/01/0440; 26.07.2005, 2005/20/0226; sowie weiters Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 104 zu § 68 AVG).

Im vorliegenden Fall ist daher als Vergleichsentscheidung, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.12.2019, GZ: W179 2182423-1/17E heranzuziehen.

Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines der Berufung nicht und nicht mehr unterliegenden Bescheides, d.h. eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, das Erkenntnis des BVwG vom 31.12.2019, GZ: W179 2182423-1/17E ist formell in Rechtskraft erwachsen.

Im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung verschiedene „Sachen“ vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Bei wiederholten Anträgen kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG – berechtigen und verpflichten, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben nochmals zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.

Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat – von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen, die dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen sind (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321) – im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Neue Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG somit nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0263, mwN).

Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, in dem weitere von der Rechtsprechung entwickelte Rechtssätze zu § 68 AVG, insbesondere mit Beziehung auf das Asylverfahren, wiedergegebenen werden, und daran anschließend VwGH vom 20.03.2003, Zl. 99/20/0480 mwN; vgl. auch VwGH vom 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH vom 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391, VwGH vom 15.03.2006, Zl. 2006/18/0020; VwGH vom 25.04.2007, Zl. 2005/20/0300 und 2004/20/0100).

In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung – obgleich auch diese Möglichkeit besteht – nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN) und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken“ behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

"Sache" des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit lediglich die Frage, ob die Zurückweisung des neuerlichen verfahrenseinleitenden Antrages auf internationalen Schutz durch das Bundesamt gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei zu prüfen, ob die belangte Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl. VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0263, mwN).

3.2.1.3. Wie bereits dargelegt wurde, konnte der Beschwerdeführer zur individuellen Begründung seines zweiten Antrages auf internationalen Schutz keinen neuen Sachverhalt in Bezug auf die Gewährung von Asyl im Sinne der dargelegten Judikatur vorbringen, der sich im Kern als glaubwürdig erwiesen hätte und geeignet gewesen wäre, ein anders Verfahrensergebnis herbeizuführen. Der Beschwerdeführer behauptet bloß ein „Fortbestehen und Weiterwirken“ (vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480) des schon im ersten Asylverfahren erstatteten Vorbringens und beabsichtigt im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung ihres mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.12.2019 rechtskräftig abgewiesenen Antrages auf internationalen Schutz (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321). Das Bundesamt hat – wie beweiswürdigend zuvor ausgeführt – richtig erkannt, dass gegenständlich bezüglich der Gewährung des Status eines Asylberechtigten an den Beschwerdeführer entschiedene Sache vorliegt. Das erkennende Gericht schließt sich daher der Auffassung der belangten Behörde an, denn der Beschwerdeführer gründet seinen Folgeantrag lediglich einerseits auf die bereits im ersten Asylverfahren geltend gemachten Fluchtgründe und Tatsachen, welche bereits dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren zugrunde lagen, und andererseits auf die nicht asylrelevante, inzwischen bei seiner Ehefrau eingetretene Schwangerschaft.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage – sowohl im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, als auch im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der von Amts wegen aufzugreifen ist – noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht erneut meritorisch entschieden werden darf.

3.2.1.4. Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus und Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

3.2.1.5. § 8 AsylG lautet auszugsweise:

„Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.       der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.       dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

…“

3.2.1.6. Gemäß Art. 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997 idF

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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