Entscheidungsdatum
22.09.2021Norm
AsylG 2005 §7 Abs1Spruch
W147 2222701-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH in 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. Juli 2019, Zl. 732453207 – 180843479 / BMI-BFA_BGLD_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 4. August 2021 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 und 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste zusammen mit seiner Ehegattin und den zwei gemeinsamen Kindern am 16. August 2003 von der Slowakei kommend unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am 17. August 2003 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor dem Bundesasylamt am 23. September 2003 gab der Beschwerdeführer eingangs an, dass es ihm gesundheitlich gut gehe, er von XXXX die Universität in XXXX besucht habe, die russische Sprache spreche und als Journalist bei einer Internetzeitung, der „ XXXX “ von XXXX gearbeitet habe. Er habe Grosny im Juni 2002 mit seiner Gattin und den zwei gemeinsamen Kindern verlassen.
3. Mit Beschluss des Bundesasylamtes vom selben Tag, Aktenzahl: 03 24.532-BAE, wurde der Antrag des Beschwerdeführers – ohne in die Sache einzutreten – gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 1997/76 (AsylG), als unzulässig zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass bereits in der „Slowakei“ eine Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers vorgelegen habe.
4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 4. Mai 2004, Zahl: 242.253/0-IX/27/03, als unzulässig zurückgewiesen.
5. Nach Zulassung des Verfahrens gab der Beschwerdeführer im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 7. Juli 2004 im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die russische Sprache eingangs an, dass er der Einvernahme ohne Probleme folgen könne. Zu seinem Ausreisegrund befragt, führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er sein Heimatland verlassen habe, weil er mit dem Stellvertreter der tschetschenischen staatlichen Presse, der Informationsagentur der Regierung von Maschadow, XXXX , zusammengearbeitet habe. Der Beschwerdeführer habe während seiner beruflichen Tätigkeit auch an einer Konferenz der kaukasischen Länder in Georgien teilgenommen. Als die Stadt Grosny im Jahr XXXX eingenommen worden sei, habe der Beschwerdeführer mit XXXX zusammengearbeitet und sei der Beschwerdefüher am 5. Januar 2000 am Fuß verletzt worden. Es sei weiters vereinbart worden, dass der Beschwerdeführer aus der Stadt gebracht werde. Die letzten zwei Jahre habe der Beschwerdeführer unter falschem Namen gelebt und habe sich versteckt, bis er im Juni 2002 ausgereist sei.
Der Beschwerdeführer gab weiters an, dass er nach der Umzingelung Grosnys im Jahre XXXX nicht mehr als Jorunalist arbeiten habe können, weil es keine Informationskanäle gegeben habe. XXXX habe mit Erlaubnis MASCHADOWS ein Bataillon gegründet und sei der Beschwerdeführer Mitglied dieses Bataillons gewesen. Bei einem Erkundungsrundgang sei der Beschwerdeführer im Zuge seiner Hilfeleistung an Verwundten einer weiteren Gruppe angeschossen worden und sei der Beschwerdeführer gezwungen gewesen, sich auf feindliches, russisches Gebiet zu begeben. Im Januar 2000 sei der Beschwerdeführer von Grosny nach XXXX verbracht worden, wo sich der Beschwerdeführer rund zwei Jahre bei Verwandten seiner Ehefrau unter falschen Namen aufgehalten habe. Der Schwiegervater habe ihm eine Bestätigung des Verlustes des russischen Inlandsreisepasses lautend auf einen falschen Namen besorgt.
Russische Soldaten seien im Frühling des Jahres 2000 ins Haus zu den Verwandten seiner Ehefrau gekommen und hätten den Beschwerdeführer erpresst, entweder Geld zu zahlen oder Informationen preis zu geben.
Auf Nachfrage, weshalb der Beschwerdeführer sein Heimatland erst im Juni 2002 verlassen habe, nachdem er im Januar 2000 angeschossen worden und im Frühling 2000 knapp einer Verhaftung entgangen sei, antwortete der Beschwerdeführer, dass seine Ehefrau ein Kind bekommen habe und er Geld für die Reise habe verdienen müssen. Außerdem sei die versuchte Festnahme nicht im Jahr 2000 gewesen, sondern habe sich diese im Jahr 2002 zugetragen.
6. Mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 11. Oktober 2004, Zahl: 03.24.532/1 – BAE, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idgF, stattgegeben und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
7. In den Jahren XXXX , XXXX , XXXX und XXXX wurden vier weitere gemeinsame Kinder des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin geboren.
8. Am 14. September 2017 langte eine Kontrollmitteilung des Bundesministeriums für Inneres über die Reisebewegungen des Beschwerdeführers unter Verwendung seines Konventionsreisepasses vom XXXX mittels Flugzeug nach Amman (Jordanien) bis zum XXXX ein. Laut dem Bericht habe der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben am Gate des Royal Jordanien angegeben, dass er von Saudi-Arabien komme, weil er am „Hadsch“ teilgenommen habe. Dem Bericht wurden Fotokopien des Reisepasses samt Einreisestempel und einer Boardkarte beigeschlossen.
9. Mit Aktenvermerk hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung infolge Wegfalls der Umstände, die zur Zuerkennung geführt haben nicht mehr vorliegen würden und ein Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG erfüllt sei. Die Zuerkennung sei vor mehr als fünf Jahren erfolgt, Straffälligkeit liege nicht vor. Die Niederlassungsbehörde sei hinsichtlich der Erlassung eines Aufenthaltstitels zu verständigen und sei eine Aberkennung erst mögich, wenn diese dem Fremden rechtskräftig einen Aufenthaltsitel („Daueraufenthalt-EU“) erteilt habe.
10. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 12. November 2018 teilte diese dem Beschwerdeführer mit, dass ein Aberkennungsrund vorliege, weil sich die Lage in seinem Herkunftsstaat seit der Zuerkennung nachhaltig geändert habe. Da der Beschwerdeführer nicht straffällig geworden sei, habe ihm die Niederlassungsbehörde eine Niederlassungsbewilligung auszustellen. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit eingeräumt, zu den dieser Verfahrensanordnung beigeschlossenen Länderberichte zur Situation im Herkunftsstaat Stellung zu nehmen.
11. Mit Schreiben vom selben Tag verständigte die belangte Behörde die zuständige Niederlassungsbehörde über das Erfordernis der Erteilung von Niederlassungstiteln gemäß § 45 Abs. 8 NAG von Amts wegen.
12. Mit am 21. Dezember 2018 bei der belangten Behörde einlangendem Schriftsatz nahm der Beschwerdeführer zu den Länderberichten Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass Kadyrow bereits Ende 2015 deutlich gemacht habe, dass eine Sippenhaftung nicht nur für Angehörige mutmaßlicher Terroristen gelte, sondern auch für Tschetschenen, deren Angehörige im Ausland gegen seine Politik protestieren würden.
13. Mit Bescheid der zuständigen Landesregierung vom 27. Mai 2019 wurde dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ erteilt.
14. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Oktover 2004, Zahl: 03.24.532/1 – BAE, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aberkannt. Gemäß § 7 Absatz 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.).
Unter Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt.
Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.
Nach allgemeinen Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation und nach Wiedergabe des Verfahrensganges hielt die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung im Wesentlichen fest, dass der in Art. 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführte Endigungsgrund eingetreten sei. Die Umstände, aufgrund deren der Fremde als Flüchtling anerkannt worden sei, würden nicht mehr bestehen und könne es der Beschwerdeführer nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen. Im Zuge der Anhörungen des Beschwerdeführers seien keine Gründe zutage getreten, die gegen die Entscheidung der belangten Behörde sprechen würde.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers biete auch keinen Hinweis darauf, dass wohlbegründete Furcht aus einem in der GFK genannten Gründe aktuell bestehe.
15. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die „ARGE-Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien“ als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
16. Mit Schriftsatz vom 20. August 2019 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den genannten Bescheid, focht diesen wegen inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie mangelhafter Feststellungen und mangelhafter Beweiswürdigung in vollem Umfang an. Der Beschwerdeführer monierte im Wesentlichen, dass die belangte Behörde nicht ausgeführt habe, um welche Veränderungen im Herkunftsstaat es sich handle und habe sich die Behörde nicht mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Im Weiteren könnte der Beschwerdeführer im Herkunftsland für sich alleine nicht sorgen. Der Beschwerdeführer beziehe in Österreich aufgrund einer Herzerkrankung eine Invaliditätspension und sei es ihm nicht zumutbar, einer Beschäftigung nachzugehen sowie seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.
17. Die Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom 21. August 2019 langte am 21. August 2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die belangte Behörde beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen.
18. Mit Schreiben vom 2 Januar 2020 führte der Beschwerdeführer –aufs Wesentliche zusammengefasst - aus, dass er einer asylrelevanten Gefahr der Verfolgung aus politischen und religiösen Gründen – entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid – auch weiterhin zu befürchten habe. Der Beschwerdeführer sei exilpolitisch tätig und richte sich seine politische und religiöse Einstellung gegen Kadyrow und dessen Regime, weshalb der Beschwerdeführer als oppositionell eingestuft werde. In einem dem Schreiben beigefügten Text kritisiere der Bechwerdeführerin die Form der Beziehung, die „Russland“ zu Tschetschenien aufbauen möchte sowie die „Entrechtung“ der Tschetschenen. Dieser Text sei unter Tschetschenen und Russen via WhatsApp verbreitet worden. Der Beschwerdeführer nehme auch in Österreich an Demonstationen gegen die Ungerechtigkeiten in Tschetschenien teil; zuletzt am XXXX infolge der Ermordung einer näher genannten Person in Berlin und habe sich diese Demonstration gegen politische Morde des russischen Geheimdienstes in Europa gerichtet.
Weiters sei der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr der Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Rückkehrer in Tschetschenien ausgesetzt.
Dem Schreiben wurde der verfasste Text des Beschwerdeführers, Fotokopien der Verbreitung via WhatsApp und Fotos von den Teilnehmern der erwähnten Demonstration beigeschlossen.
19. Am 26. Mai 2020 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertreterin und eines Vertreters der belangten Behörde zu seinem Gesundheitszustand, seiner Reise nach Saudi-Arabien, seinem damaligen Fluchtgrund, seiner nunmehr exilpolitischen Täigkeit und seinen Verwandten im Heimatland befragt wurde. Die belangte Behörde führte eingangs aus, dass aus ihrer Sicht in einem Aberkennungsverfahren lediglich jene Gründe zu prüfen wären, die zur damaligen Asylgewährung geführt hätten.
Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde der vom Beschwerdeführer verfasste Text „ XXXX “, der sich mit der Situation der Tschetschenen und dem Spannungsverhältniss zu den „Russen“ befasst, sowie die politschen Ansichten des Beschwerdeführers erötert. Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes veranlasste die Übersetzung des vom Beschwerdeführer verfassten Textes.
20. Am 4. August 2021 fand abermals zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertreterin zu seiner exilpolitischen Tätigkeit befragt wurde. Die belangte Behörde gab mit Schreiben vom 1. Juli 2021 ihren Verzicht an der Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung bekannt. Mit der Ladung an die belangte Behörde wurde dieser der vom Beschwerdeführer verfasste Text, der „ XXXX “ übermittelt. Die belangte Behörde nahm zu dem „ XXXX “ des Beschwerdeführers keine Stellungnahme vor.
21. Mit Schreiben vom 4. August 2021 nahm der Beschwerdeführer zu den in das Verfahren eingebrachten Länderberichten fristgerecht Stellung.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vorliegenden Beschwerde wie folgt erwogen:
1. Feststellungen:
Auf Grundlage der Verwaltungsakte der belangten Behörde und der herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Russischen Föderation bzw. Tschetschenien wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der unbescholtene Beschwerdeführer, dessen Identität feststeht, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der Volksgruppe der Tschetschenen zugehörig, muslimischen Glaubens und stellte am 17. August 2003 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer hat mir seiner Lebensgefährtin sechs gemeinsame Kinder, die allesamt in Österreich leben.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der zuständigen Landesregierung vom 27. Mai 2019 der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ erteilt.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers und der aktuellen Verfolgungsgefahr:
Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 11. Oktober 2004, Zahl: 03.24.532/1 – BAE, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Unterstützungsleistung als Widerstandskämpfer der Rebellen im Rahmen des zweiten Tschetschenienkrieges in der Russischen Föderation verfolgt wurde.
Die Umstände, aufgrund derer der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt worden ist, haben sich mit Blick auf die Situation im Herkunftsstaat sowie hinsichtlich in seiner Person gelegener Umstände erheblich und dauerhaft geändert.
Nunmehr tritt der Beschwerdeführer als Regimegegner gegen die staatliche Regierung in der Russischen Föderation, insbesondere Tschetschenien, auf und verbreitet seine Propaganda gegen das staatliche Regime der Russischen Föderation.
Der Beschwerdeführer hat aufgrund dieser Umstände Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aus Gründen seiner politischen Gesinnung. Für ihn besteht in der Russischen Föderation keine innerstaatliche Fluchtalternative.
1.3. Zur Lage in der Russischen Föderation/Tschetschenien werden die Länderinformationen der Staatendokumentation, Stand 17. Juni 2021, Version 3, festgestellt, die dem Beschwerdeführer im Rahmen mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebracht wurden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, die Einvernahmen des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlungen am 26. Mai 2020 und am 4. August 2021, in letzterer auch die zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat gelangenden Berichte zur Kenntnis gebracht wurden, sowie Sichtung der im Laufe des gesamten Verfahrens vorgelegten und eingeholten Urkunden, Dokumente sowie sonstigen Schriftstücke.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Aufgrund der (laut Auszug aus dem ZMR) auf die im Spruch ersichtlichen Personalien erfolgten Ausstellung von Konventionsreisedokumenten an den Beschwerdeführer wird von einer feststehenden Identität ausgegangen. Die Staats- und Volksgruppenangehörigkeit des Beschwerdeführers sind unstrittig.
Die Feststellungen zum Familien- und Privatleben einschließlich allfälliger Aspekte einer Integration in Österreich ergeben sich aus den Angaben im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlungen, die gerichtliche Unbescholtenheit aus den im Akt einliegenden Strafregisterauszug.
Die Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ergeben sich aus den jeweils darunter namentlich genannten aktuellen Berichten diverser anerkannter staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen bzw. Organisationen und bieten ein in inhaltlicher Hinsicht grundsätzlich übereinstimmenden und ausgewogenes Bild, sodass insgesamt kein Grund besteht, an deren Richtigkeit zu zweifeln.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers und der aktuellen Verfolgungsgefahr:
2.3.1. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht, welche nicht zuletzt auch deshalb durchgeführt wurden, um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, einen glaubwürdigen Eindruck vermittelte und er keineswegs den Eindruck erweckte, gleichsam nur erfundene und auswendig gelernte Umstände anzugeben.
Den Angaben des Beschwerdeführers, die er im Rahmen seiner Asylantragstellung tätigte, wonach er aufgrund Unterstützungsleistungen ins Blickfeld russischer bzw. pro-russischer Behörden geraten sei und ihm Repressionsmaßnamen drohen würde, die die Schwelle asylrechtlicher Relevanz bei weitem übersteigen und nicht von einer Verfolgungsfreiheit in den übrigen Teilen der Russischen Föderation ausgegangen werden könne, lässt sich kein Anhaltspunkt für eine im Herkunftsstaat aktuell nach wie vor drohende Verfolgung entnehmen.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keiner Verfolgung mehr in der Russischen Föderation aufgrund seiner Teinahme als Widerstandskämpfer im zweiten Tschetschenienkrieg ausgesetzt ist, resultiert einerseits aus der sich aus den vorliegenden Länderfeststellungen ergebenden allgemein eingetretenen Stabilisierung der Lage in Tschetschenien sowie der zwischenzeitlich gegebenen Möglichkeit für Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, sich in anderen Teilen der Russischen Föderation niederzulassen
2.3.2. Jedoch kann wie bereits festgestellt, im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation eine Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer als Regimekritiker seine politische Gesinnung klar und deutlich zum Ausdruck bringt, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden.
So bezog der Beschwerdeführer in beiden mündlichen Beschwerdeverhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht zu seinen politischen Ansichten klar Stellung. So gab der Beschwerdeführer auf die Frage des erkennenden Richters, worin seine politische Tätigkeit in Österreich bestehe an, dass er die historischen Beziehungen zwischen Tschetschenien und „Russland“ erläutere und erkläre, warum das passiert sei. Es sei – nach der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht notwendig, einen Verein zu gründen, wenn es technische Mittel gebe. Seinen verfassten „ XXXX “ verbreite er unter „den Anhängern der Unabhängigkeit“ via Whatsapp, Facebook und Youtube (Seite 5 der Verhandlungsniederschrift vom 26. Mai 2020).
Und weiters: „VR: Jetzt schreiben Sie selbst, dass Tschetschenen in Österreich wahrscheinlich am zweitmeisten bedroht sind auf der ganzen Welt. Warum tun sie das in Österreich, wenn das so unsicher ist? Ist es nicht ein bisschen fahrlässig? […] BF: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich weiß nicht, wer die anderen Leute sind. Ich weiß auch nicht, wer außer uns versuchen soll, unsere Gebiete von den Russen zu befreien, wer, wenn nicht wir? Wenn sie einen anderen Vorschlag haben, bin ich bereit, diesen Vorschlag anzunehmen. […] BF: Der Kampf für die nationale Befreiung ist immer gefährlich und die damit verbundene Tätigkeit ist auch immer sehr gefährlich.“ (siehe Verhandlungsniederschrift vom 26. Mai 2020).
Der Beschwerdeführer erklärte in der mündlichen Beshwerdeverhandlung weiters, dass nach Veröffentlichung seiner politischen Ansichten auf YouTube sein Bruder im Heimatland gewarnt worden sei, dass für den Fall, dass der Beschwerdefüher die Veröffentlichung seiner Thesen nicht einstelle, die Familie des Beschwerdeführers leiden würde.
Auch in der Beschwerdeverhandlung vom 4. August 2021 brachte der Beschwerdeführer seine politischen Ansichten deutlich zum Ausdruck (siehe Seite 4 der Verhandlungsniederschrift: „R: Sehe ich das richtig, dass Sie gegen die Regierung Putin sind und gegen die Regime Kadyrov sind? BF: Ja, absolut. R: Sehe ich das auch richtig, das Sie für die Unabhängigkeit der Teilrepublik Tschetschenien von der RUF sind? BF: Ja, das ist absolut so. Ich sehe sonst keine Möglichkeit für mein Volk zu überleben. R: Alleine aus dem Umstand des dicken Konvolutes, gehe ich davon aus das Sie sich dahingegen sehr engagieren. Warum machen Sie das aus Österreich aus und nicht in der RUF? BF: Weil das gefährlich ist. R: Wer soll das den umsetzen, was Sie wollen? BF: Das sollten wir, Tschetschenen, machen. Aber alle sollen verstehen, dass die RUF versucht die Sowjetunion zu reanimieren.“ Und weiters: „R: Sie schrieben da [Anm.: „ XXXX ] drinnen, das tschetschenische Volk muss sich schützen, wenn es angegriffen wird und es muss sich schützen um die Unabhängigkeit von der RUF zu erreichen. BF: Ja.“[sic]).
Insbesondere ist nach Durchsicht dieses „ XXXX “ – dem Manifest des Beschwerdeführers – jedenfalls zu entnehmen, dass sich dessen Ausführungen sowohl gezielt gegen die obersten Organe der Russischen Föderation bzw. Tschetschienen richten und werden die politischen Ansichten des Beschwerdeführers jedenfalls nicht unterschwellig oder gar objektiv, sondern sehr plastisch und subjektiv, dargestellt.
Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass die tschteschenische Führung ihren Angriff auf alle Formen von abweichender Meinung und Kritik fortsetzt (HRW 13.01.2021). Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen Kritiker und Journalisten, wird rigoros vorgegangen (ÖB Moskau 06.2020). Ramsan Kadyrow versucht, dem Terrorismus und möglicher Rebellion in Tschetschenien unter anderem durch Methoden der Kollektivverantwortung zu begegnen (ÖB Moskau 06.2020).
Die Feststellung, dass in seinem Herkunftsland kein ausreichender staatlicher Schutz erwartet werden kann und keine taugliche und zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, gründen sich auf den nachvollziehbaren Ausführungen des Beschwerdeführers und den allgemein zugänglichen Länderfeststellungen zur Russischen Föderation sowie den Anfragen der Staatendokumentation.
Die seitens des Beschwerdeführers dargelegte subjektive Furcht ist somit auch objektiv nachvollziehbar. Im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ist im konkreten Fall auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer – konkret auf den Fall des Beschwerdeführers bezogen - auf Grund seiner politischen Gesinnung Verfolgung aus asylrelevanten Motiven in einer Intensität, welcher Asylrelevanz zukommt, droht und hat er die Bedrohung auch glaubhaft gemacht.
Das erkennende Gericht kommt nach gesamtheitlicher Würdigung zu dem Ergebnis, dass die vom Beschwerdeführer angegebene aktuelle Verfolgungsgefahr den Tatsachen entspricht: Eine Aussage ist grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren, wenn das Vorbringen eines Asylwerbers hinreichend substantiiert ist; er sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. seine Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, dh. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn ein Asylwerber den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Antragsteller nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen. Die Feststellung, dass in seinem Herkunftsland kein ausreichender staatlicher Schutz erwartet werden kann und keine taugliche und zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, gründen sich auf den nachvollziehbaren Ausführungen des Beschwerdeführers und den allgemein zugänglichen Länderfeststellungen zur Russischen Föderation.
Die seitens des Beschwerdeführers dargelegte subjektive Furcht ist somit auch objektiv nachvollziehbar. Im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ist im konkreten Fall auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer – konkret auf den Fall des Beschwerdeführers bezogen - auf Grund seiner politischen Gesinnung Verfolgung aus asylrelevanten Motiven in einer Intensität, welcher Asylrelevanz zukommt, droht.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder einzustellen ist.
3.2. Zu Spruchteil A) Behebung des Bescheides:
3.2.1. Zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Der mit „Aberkennung des Status des Asylberechtigten“ betitelte § 7 AsylG 2005 lautet wie folgt:
„(1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;
2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder
3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
(2) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist.
(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.
(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.“
Gemäß § 2 Abs. 3 AsylG ist ein Fremder im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt (Z 1), oder mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 2).
Gemäß Art. 33 Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) darf kein vertragsschließender Staat einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre.
Nach Art. 33 Z 2 GFK kann der Vorteil dieser Bestimmung jedoch von einem Flüchtling dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Flüchtling aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit seines Aufenthaltslandes darstellt oder der Flüchtling, wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt, eine Gefahr für die Gemeinschaft des betreffenden Landes bedeutet.
Gemäß Art. 1 Abschnitt C der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), BGBl. Nr. 55/1955 und 78/1974, wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie
1. sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; oder
2. die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat; oder
3. eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des neuen Heimatlandes genießt; oder
4. sich freiwillig in den Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat; oder
5. wenn die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen; oder
6. staatenlos ist und die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sie daher in der Lage ist, in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren.
3.2.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging von einem Endigungsgrund und somit von § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus.
Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
Die Bestimmung des Art. 1 Abschnitt C Z 5 verleiht dem Grundsatz Ausdruck, dass die Gewährung von internationalem Schutz lediglich der vorübergehenden Schutzgewährung, nicht aber der Begründung eines Aufenthaltstitels dienen soll. Bestehen nämlich die Umstände, aufgrund derer eine Person als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr und kann er es daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen, so stellt auch dies einen Grund dar, den gewährten Status wieder abzuerkennen (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K8.).
Ein in der Person des Flüchtlings gelegenes subjektives Element spielt auch insofern eine Rolle, zumal aus der in Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK enthaltenen Wortfolge „nicht mehr ablehnen kann“ auch die Zumutbarkeit einer Rückkehr in das Herkunftsland ein entscheidendes Kriterium einer Aberkennung des Flüchtlingsstatus ist (vgl. Putzer/Rohrböck, aaO, Rz 146).
Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.
Der UNHCR führt diesbezüglich in seinem „Handbuch und Richtlinien über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ auf S. 32 zu Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 aus:
„‚Umstände‘ bezieht sich auf grundlegende Veränderungen in dem Land, aufgrund derer man annehmen kann, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht.“ (vgl. weiters Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban, Asyl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA, S. 185).
In Kommentar von Zimmermann zur GFK werden als Indikatoren für solche geänderten Umstände iSd Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 demokratische Wahlen, signifikante Reformen der rechtlichen und sozialen Strukturen, Amnestien und Anerkennung der Menschenrechte genannt: „The UNHCR Guidelines and ExCom Conclusions outline in more detail how ‚ceased to exist‘ should be interpreted. Consistent with leading academic opinion, they suggest that changes in the refugee’s country should be ´substantial, effective and durable´ or ´fundamental and enduring`. Some indicators of such change that have been suggested by the UNCHR and the UNHCR ExCom are democratic elections, significant reforms to the legal and social structure, amnesties, repeal of oppresive laws, dismantling of repressive security forces, and general respect for human rights.“ (Kneebone/O`Sullivan in Zimmermann (ed.), The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and ist 1967 Protocol, A Commentary, p. 502).
Das Abstellen auf (objektive) Veränderungen im Herkunftsstaat entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH: „Die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände in dem fraglichen Drittland diejenigen Umstände, aufgrund deren der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie genannten Gründe hatte und als Flüchtling anerkannt worden war, weggefallen sind und er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor ‚Verfolgung‘ im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie haben muss.“ (EuGH 02.03.2010, Rs C-175/08 ua, Abdulla ua, Rz 76).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings darf es sich dabei nicht nur um vorübergehende Veränderungen handeln (vgl. VwGH 21.11.2002, 99/20/0171, mwN).
Ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK rechtfertigende relevante Änderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eingetreten ist, hat die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von Amts wegen zu ermitteln und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw. der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten (vgl. VwGH 19.12.2001, 2000/20/0318).
Voraussetzung für eine Aberkennung ist allerdings auch, dass die Schutzbedürftigkeit nicht mehr gegeben ist. Ist zwar die ursprüngliche asylrelevante Verfolgungsgefahr weggefallen, ist jedoch zwischenzeitlich eine andere Gefahr iS der GFK entstanden, so ist eine Aberkennung nicht möglich (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K11; vgl. in diesem Zusammenhang auch die höchstgerichtliche Rechtsprechung, wonach in jenem Fall, in dem der einem Fremden zuvor im Familienverfahren zuerkannte Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK aberkannt wird, sowohl eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der (als Vorfrage zu beantwortenden) Frage zu erfolgen hat, ob die Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, als auch die Prüfung der Frage, ob hinsichtlich des Fremden die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen. [so etwa VwGH vom 22.04.2020, Ra 2019/14/0501]).
3.2.3. Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass hinsichtlich der Fragestellung, ob eine wesentliche Änderung der Situation seit der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten eingetreten ist, zuerst einerseits die Situation der ehemaligen Widerstandskämpfer wie auch die bestehende politische Gesinnung des Beschwerdeführers einem Vergleich zu unterziehen sind.
3.2.3.1. Zur ersten Fragestellung ist festzuhalten, dass die belangte Behörde die Aberkennung im angefochtenen Bescheid damit begründet hat, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert habe, dass heute auch ehemalige Widerstandskämpfer in Tschetschenien Regierungsmitglieder seien. Veteranen der Tschetschenienkriege seien hoch verehrt, eine ethnische Verfolgung existiere schon lange nicht mehr. Die Umstände hätten sich zwischenzeitig nachhaltig geändert und könne dem Beschwerdeführer keine Verfolgung drohen und werde ihm auch diese nicht drohen. Ein reines subjektives Furchtempfinden sei daher nicht geeignet, den Asylstatus aufrecht zu erhalten.
Dem Beschwerdeführer wurde mit (rechtskräftigem) Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 11. Oktober 2004, Zahl: 03.24.532/1 – BAE, der Status des Asylberechtigten mit der Begründung zuerkannt, dass er glaubhaft gemacht habe, dass er als Widerstandskämpfer von russichen Soldaten verletzt worden und gesucht worden sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid geht die belangte Behörde davon aus, dass aufgrund einer massiven Lageänderung in der Russischen Föderation im Falle eine Rückkehr von keiner Gefährdung mehr auszugehen sei.
Diesbezüglich ist auszuführen, dass der belangten Behörde zwar durchaus zuzustimmen ist, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in der Russischen Föderation und hier insbesondere auch in Tschetschenien verbessert hat und die Gewalt deutlich zurückgegangen ist, aber diese Einschätzung bezieht sich insbesondere auf einen Vergleich der heutigen Situation mit der Lage in den Jahren von 2000 bis 2009, in denen der zweite Tschetschenienkrieg stattfand, wie dies auch im Bescheid ausgeführt wurde (vgl. S. 38 des angefochtenen Bescheides).
Wie festgestellt bestehen jene Umstände, auf Grund deren der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr. Nun, mehr als zehn Jahre nach Ende des zweiten Tschetschenienkrieges ist (unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Annahme einer grundlegenden politischen Veränderung im Herkunftsstaat eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse voraussetzt, für deren Beurteilung es in der Regel eines längeren Beobachtungszeitraums bedarf, vgl. VwGH 27.02.2006, 2002/20/0170) eine Änderung der Situation im Herkunftsstaat eingetreten, die nicht nur vorübergehend ist.
Folglich kann es der Beschwerdeführer daher aus diesem Grund nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen.
3.2.3.2. Auch wenn man nun weiters davon ausgeht, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in Tschetschenien auch seit dem Jahr 2002 kontinuierlich verbessert hat, so lässt sich allein daraus dennoch noch nicht generell der Rückschluss ziehen, dass auch der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgefahr mehr zu vergegenwärtigen hat:
Eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist namlich dann nicht möglich, wenn, obwohl die ursprüngliche asylrelevante Verfolgungsgefahr weggefallen ist, zwischenzeitlich eine andere Gefahr im Sinne der GFK entstanden ist.
Der Beschwerdeführer tritt in Österreich exilpolitisch als Regimekritiker in Erscheinung und verbreitet seine Thesen gegen die Regierung der Russischen Föderation bzw. den Präsidenten Tschetscheniens.
Diese Umstände könnten – aufgrund der exponierten Stellung des Beschwerdeführers als Regimekritiker - nach den Länderfeststellungen und der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zu einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonventionen führen.
Aufgrund der aktuellen Lage in der Russischen Föderation, insbesondere in Tschetschenien, und unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen ist derzeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass der Beschwerdeführer aufgrund des Umstandes, dass er bereits in das Blickfeld der Sicherheitskräfte geraten und aufgrund seiner politischen Gesinnung Misshandlungen oder Verfolgung ausgesetzt wäre.
Keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn ist im Allgemeinen in der staatlichen Strafverfolgung zu erblicken. Allerdings kann auch die Anwendung einer durch Gesetz für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleich treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen „Verfolgung“ im Sinne der GFK aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines auf politischer Überzeugung beruhenden Verhaltens des Asylwerbers einer Verfolgung im Sinne der GFK gleichkommt, kommt es somit entscheidend auf die angewendeten Rechtsvorschriften, aber auch auf die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an (VwGH 20.12.2016, Ra 2016/01/0126; 27.05.2015, Ra 2014/18/0133, mwN).
Für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung reicht es aus, dass eine staatsfeindliche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird und die Aussicht auf ein faires staatliches Verfahren zur Entkräftung dieser Unterstellung nicht zu erwarten ist (VwGH 30.09.1997, 96/01/0871; 12.09.2002, 2001/20/0310), oder dass die Strafe für ein im Zusammenhang mit einem ethnischen oder politischen Konflikt stehendes Delikt so unverhältnismäßig hoch festgelegt wird, dass die Strafe nicht mehr als Maßnahme einzustufen wäre, die dem Schutz legitimer Interessen des Staates dient (VwGH 16.9.1999, 98/20/0543; dazu auch VwGH 17.09.2003, 99/20/0126 mit weiteren Nachweisen; 06.05.2004, 2002/20/0156).
Die dem Beschwerdeführer drohende Verfolgung steht durchaus mit den taxativ in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Verfolgungsgründen in Bezug, nämlich dem Tatbestand der staats- bzw. russlandfeindlichen politischen Gesinnung, wobei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst eine unterstellte politische Gesinnung für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmales ausreichend ist (zum Beispiel VwGH vom 18.07.2002, 2000/20/0108, VwGH vom 31.01.2002, 99/20/0531, VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0087 und viele andere mehr).
Bei der vorliegenden Konstellation kann im gegenständlichen Fall auch nicht mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Beschwerdeführer über die Möglichkeit verfügen würde, sich außerhalb von Tschetschenien in der Russischen Föderation niederzulassen.
Es sind auch im Zuge des Verfahrens keine Hinweise hervorgekommen, wonach einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlusstatbestände eingetreten sein könnte.
Die für die Asylgewährung erforderliche Anknüpfung an einen Konventionsgrund ist gegeben, liegt doch der Grund für die Verfolgung des Beschwerdeführers jedenfalls wesentlich in der seiner politischen Gesinnung.
Der Beschwerdeführer konnte somit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat insbesondere aufgrund der (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
3.2.3.3. Insoferne die belangte Behörde die Ansicht vertritt, dass in einem Aberkennungsverfahren lediglich jene Gründe zu prüfen seien, die zur damaligen Asylgewährung geführt hätten und um allfällige neue asylrelevanten Gründe geltend machen zu können, es nach Ansicht der belangten Behörde einer neuerlichen Antragstellung auf internationalen Schutz bedürfe, ist festzuhalten, dass dies weder mit den Grundsätzen der Genfer Konvention (Schutz vor Verfolgung) noch mit der dem Vorrang der merritorischen Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu vereinbaren ist.
Der Wortlaut des § 27 VwGVG 2014 - "auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4)" - stellt klar, dass sich das VwG sowohl mit den Beschwerdegründen als auch mit dem Begehren der beschwerdeführenden Partei im Rahmen der Prüfung des bei ihm angefochtenen Bescheides inhaltlich auseinanderzusetzen hat, und dass der Gesetzgeber den Prüfungsumfang nicht ausschließlich an das Vorbringen der jeweiligen Partei binden wollte (Hinweis E vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0032, 0031, mwN). Darüber hinaus ist auch das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG 2014 als ein bei den Verwaltungsgerichten maßgebliches Prinzip jedenfalls in den der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht unterliegenden Fällen im Rahmen der von diesen Gerichten zu führenden Ermittlungsverfahren zu beachten (Hinweis E vom 9. September 2015, Ra 2015/03/0019).
Entscheidet das Verwaltungsgericht „in der Sache selbst“, hat es nicht nur über die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde abzusprechen, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde entschieden wurde (Hinweis E vom 21. Oktober 2015, Ro 2014/03/0076).
3.2.3.4. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts liegen die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 gegenständlich nicht vor. Daher war der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben.
Aufgrund dieses Ergebnisses liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die weiteren Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide mangels einer gesetzlichen Grundlage dafür nicht mehr vor, weshalb diese ebenso ersatzlos zu beheben waren.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der europäischen Höchstgerichte stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf inhaltlich gleichlautende Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage übertragbar.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt politische Gesinnung VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W147.2222701.1.00Im RIS seit
05.01.2022Zuletzt aktualisiert am
05.01.2022