TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/8 W124 2130403-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2021
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Entscheidungsdatum

08.10.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W124 2130403-4/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 68 AVG, §§ 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 52, 53 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch: BF) reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am selben Tag erfolgte seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Rahmen welcher er zu seiner Person angab, somalischer Staatsangehöriger zu sein, der Volksgruppe der Sheikhal anzugehören und sich zum muslimischen Glauben zu bekennen. Er stamme aus XXXX , XXXX , und sei von dort aus im XXXX endgültig aus dem Herkunftsstaat ausgereist. Im Herkunftsstaat würden noch seine Mutter, sein 16-jähriger Bruder XXXX , sein 14-jähriger Bruder XXXX , seine 19-jährige Schwester XXXX sowie seine 10-jährige Schwester XXXX leben.

Als Fluchtgrund gab er an, er habe Somalia verlassen, da dort Krieg herrsche. Zudem gehöre er einer Minderheit an und laufe aus diesem Grund Gefahr, „beseitigt“ zu werden.

1.3.1. In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge auch: Bundesamt) am XXXX führte der BF unter anderem zu seiner Familie aus, seine Geschwister würden alle bei seiner Tante mütterlicherseits leben. Da es in seinem Heimatort immer wieder Kämpfe gebe, habe seine Mutter den BF und seine Geschwister zur Tante geschickt. Mit seiner Mutter bzw. den Geschwistern habe der BF zuletzt Kontakt gehabt, als er im Herkunftsstaat gewesen sei.

1.3.2. Am XXXX erfolgte eine weitere mündliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Rahmen welcher er zusammengefasst anführte, er habe im Herkunftsstaat zwei Jahre die Schule besucht. Nebenbei habe er Autos gewaschen und Schuhe geputzt, um die Familie zu unterstützen. Die Kosten für seine Ausreise habe sein Onkel bezahlt, welcher zwischenzeitlich verstorben sei. Auf Aufforderung, seine Volksgruppe zu beschreiben, führte er an, sie seien eine religiöse Minderheit. Angehörige der Volksgruppe der Sheikhal würden die meiste Zeit damit verbringen, in der Moschee zu beten. Mehr könne er über die Volksgruppe nicht sagen.

Zu seinen Fluchtgründen führte der BF an, eines Tages habe er für einen Kunden das Auto gewaschen, woraufhin ihm dieser erklärt habe, er solle mitkommen, um seinen Lohn zu erhalten. Der BF habe den Kunden daraufhin zu einem Haus begleitet. Im Haus seien noch weitere Männer gewesen und es sei plötzlich die Türe geschlossen worden. Da habe er erkannt, dass die Männer von der Miliz Al Shabaab gewesen seien. Der BF sei 15 Tage in dem Haus geblieben. Die Männer hätten den Koran vorgelesen und hätten den BF aufgefordert, für sie zu kämpfen. Der BF habe nicht flüchten können. Er habe den Leuten gesagt, dass er für seine Familie sorgen müsse und alles tun werde, was sie von ihm verlangen. Sie hätten ihm daraufhin ein wenig Geld gegeben und ihn mit einem Mann von Al Shabaab mitgeschickt. Auf dem Weg zu dessen Zuhause seien der BF und der Mann von Regierungsmilizen erwischt und festgenommen worden. Sie seien geschlagen worden, damit sie das Versteck der Miliz Al Shabaab verraten. Der BF habe die Leute von der Regierugnsmiliz daraufhin bis zum Haus von Al Shabaab gebracht. Drei Männer seien festgenommen worden, während die anderen geflüchtet seien. Der BF sei schließlich für die Dauer von 25 Tagen inhaftiert worden. Schließlich habe man ihn freigelassen. Allerdings hätten jene Männer von Al Shabaab, die nicht verhaftet worden seien, nach dem BF gesucht und hätten sich auch bei seiner Familie nach ihm erkundigt. Daher habe ihm seine Mutter geraten, den Herkunftsstaat zu verlassen.

Zu seinen Angehörigen führte er an, seine Geschwister würden nunmehr bei seiner Tante in XXXX leben. Der BF habe erst während seines Aufenthalts in Österreich davon erfahren. Warum seine Mutter nicht bei seiner Tante lebe, wisse der BF nicht. Bei der Herstellung des Kontakts zu seiner Tante habe ihm sein Onkel geholfen, welcher in Kanada lebe. Seinen Onkel könne er allerdings nicht mehr erreichen, weshalb auch der Kontakt zu seiner Tante abgebrochen sei. Möglicherweise habe der BF die Nummer des Onkels falsch gespeichert.

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

1.5. Mit der fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde der Bescheid wegen unschlüssiger Beweiswürdigung, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens angefochten.

1.6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , Zl. XXXX , wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt, da der Aufenthaltsort des BF nicht ermittelt werden konnte. Schließlich wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , Zl. XXXX , das Beschwerdeverfahren fortgesetzt.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , Zl. XXXX , wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 neuerlich eingestellt, da der BF seinen Aufenthaltsort nicht bekannt gegeben hatte und dieser nicht leicht feststellbar war. Der Fortsetzungsbeschluss erging am XXXX .

1.7. Nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde mit dem am XXXX mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX vollinhaltlich abgewiesen. Begründend wurde hinsichtlich der Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids zusammengefasst ausgeführt, dass dem Fluchtvorbringen des BF keine Glaubwürdigkeit zukomme, zumal er weder hinsichtlich seiner Herkunft noch hinsichtlich der Frage, inwieweit er Kontakt zu seiner Familie halte, glaubhafte Angaben machen habe können. Der BF verfüge über keine näheren Ortskenntnisse bzw. topografischen Wissen und habe auch zu den Machtverhältnissen in seinem vermeintlichen Heimatort keine Angaben machen können. Auch seine behauptete Clanzugehörigkeit könne nicht festgestellt werden, zumal er kein näheres Wissen über seinen Clan gehabt habe. Das konkrete Fluchtvorbringen sei schon ob der unglaubhaften Angaben des BF zu seinem Herkunftsort nicht festzustellen gewesen. Der BF sei in der mündlichen Verhandlung überdies nicht bereit gewesen, wahrheitsgemäße Angaben zu seinem persönlichen Hintergrund zu erstatten, zumal er auch offenkundig unrichtige (weil gravierend widersprüchliche) Aussagen zur Frage, inwieweit er mit seinen Familienmitgliedern in Kontakt stehe, gemacht habe. Ihm sei es insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids wurde erwogen, dass angesichts der allgemeinen Berichte zur Situation in Somalia die Nahrungsmittelversorgungssicherheit bzw. die humanitäre Situation in weiten Teilen Somalias immer noch angespannt sei und im Einzelfall einer Rückführung eines Fremden iSd Art. 3 EMRK entgegenstehen könne. Gleichwohl sei die humanitäre Lage in ganz Somalia im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr dergestalt, dass gleichsam jeder somalische Staatsangehörige im Fall einer Rückführung dorthin dem realen Risiko einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK unterliegen würde. So könne nach den Feststellungen – beispielsweise zur somalischen Hauptstadt Mogadischu oder zum Norden des Landes – nicht ohne Weiteres pauschal davon ausgegangen werden, dass kein Rückkehrer dort seine Existenz sichern könnte. Aufgrund seiner diesbezüglich offenkundig falschen Angaben habe nicht einmal die konkrete Herkunft des BF festgestellt werden können. Er habe daher ein ihn konkret treffendes Risiko einer unmenschlichen Behandlung nicht dargetan. In Bezug auf die Sicherheitslage wurde ausgeführt, dass vor allem Mogadischu trotz gehäufter Terroranschläge derzeit von keiner allgemeinen Bürgerkriegssituation betroffen sei. Weiter wurde festgehalten, dass der BF an keinen schweren Krankheiten leide, sodass auch in diesem Sinne im Fall einer Rückführung nach Somalia keine Refoulement-Verletzung zu ersehen sei. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei ihm daher nicht zuzuerkennen gewesen.

Die gekürzte Ausfertigung des am XXXX mündlich verkündeten Erkenntnisses vom XXXX wurde dem BF im Wege seiner Vertretung am XXXX im elektronischen Rechtsverkehr hinterlegt.

2. Gegenständliches Verfahren

2.1. Am XXXX stellte der BF den verfahrensgegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag erfolgte seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Rahmen welcher er zu seiner Person anführte, aus XXXX zu stammen und Angehöriger des Clans der Sheikhal zu sein.

Zur Begründung seines Antrags führte er aus, dass er seit XXXX nicht mehr wisse, wo seine Familie sei. Derzeit sei er obdachlos und er habe dadurch sehr viel Stress. Er wolle noch einmal eine Chance bekommen, um in Österreich leben zu können. In Bezug auf seine Rückkehrbefürchtungen gab er zu Protokoll, er könne wegen Al Shabaab nicht mehr nach Somalia zurückkehren. Diese Gruppierung habe ihn seinerzeit im Herkunftsstaat aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Der BF habe sich jedoch geweigert. Hinsichtlich der konkreten Ereignisse führte er an, er habe in Somalia als Schuhputzer gearbeitet. Nachdem er einem Kunden die Schuhe geputzt habe, habe dieser ihn aufgefordert mitzukommen, damit er Geld bekomme. „Sie“ [gemeint: Angehörige der Gruppierung Al Shabaab] hätten den BF aus der Stadt gebracht. In der Folge hätten sie ihn in einem der von ihnen besetzten Häuser gemeinsam mit anderen Männern festgehalten. Dort hätten ihnen Angehörige von Al Shabaab einige Tage den Koran vorgelesen. Schließlich habe der BF nachts flüchten können. Somalische Regierungssoldaten hätten den BF auf der Flucht aufgehalten und mitgenommen. Beim Rückzug von Al Shabaab habe es einen Schusswechsel zwischen den Soldaten und Al Shabaab gegeben. Die Soldaten hätten den BF nach drei bis vier Wochen freigelassen, woraufhin er nachhause zu seiner Mutter gegangen sei. Diese habe ihm gesagt, dass Leute von Al Shabaab bei ihnen gewesen wären und nach dem BF gesucht hätten.

Im Fall der Rückkehr würden den BF Mitglieder der Miliz Al Shabaab umbringen, da sie Männer im Kampf mit den Regierungssoldaten verloren hätten. Der BF habe überdies niemanden in Somalia, der ihn aufnehmen werde.

Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt werde, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da die Behörde davon ausgehe, dass entschiedene Sache vorliege.

2.2. Am XXXX erfolgte in Anwesenheit eines Rechtsberaters die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der BF führte an, er könne der Einvernahme folgen, es gehe ihm jedoch nicht so gut. Seit er obdachlos sei, leide er an Erinnerungslücken sowie an Orientierungsproblemen. Konkret sei er seit XXXX obdachlos. Die Frage, ob er seit XXXX wegen dieser Probleme beim Arzt gewesen sei, verneinte er. Auf Nachfrage, ob er in seiner aktuellen Unterkunft beim Arzt gewesen sei, erklärte er, er sei beim Arzt gewesen und habe Medikamente bekommen. Er hätte wiederkommen sollen. Da ihn jedoch niemand verstanden habe, sei er wieder gegangen. Dies sei vor einer Woche gewesen. Der BF habe keine Arztbestätigung, sondern nur Medikamente bekommen. Er nehme ein Schmerzmedikament sowie Medikamente gegen Drüsenprobleme.

In der Folge wurde dem BF aufgetragen, die Verpackungen der von ihm benötigten Medikamente am selben Tag noch vorzulegen.

Zu seinem Leben in Österreich führte der BF an, er bestreite seinen Unterhalt aus den Leistungen der Grundversorgung. Er sei in Österreich nie berufstätig gewesen. Ferner sei er vorbestraft, wobei aktuell jedoch kein Strafverfahren anhängig sei. Mitglied in einem Verein oder einer Organisation sei er nicht, er habe jedoch einen Deutschkurs absolviert und spreche ein wenig Deutsch. In einer Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Gemeinschaft lebe er nicht. Im Juli des Jahres XXXX sei er eingereist und halte sich seither durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.

Betreffend seine Angehörigen im Herkunftsstaat führte er an, seit XXXX keinen Kontakt mehr zu seiner Familie zu haben und nicht zu wissen, ob sie noch in Somalia seien.

Hinsichtlich seiner Gründe für die Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz gab er zunächst zu Protokoll, er sei nicht mehr in der Obhut des Staates gewesen, habe auf der Straße geschlafen und habe kein Essen mehr gehabt. Gesundheitlich gehe es ihm mittlerweile nicht mehr so gut. Er habe Orientierungsprobleme. Folglich habe er den verfahrensgegenständlichen Antrag gestellt. In Österreich sei er, da er Probleme gehabt habe.

Befragt, ob er seine Fluchtgründe genau schildern könne, führte der BF an, er wisse es nicht mehr und sei müde. Auf neuerliche Nachfrage führte er aus, er könne nicht nach Somalia zurück. In Österreich lebe er auf der Straße. Sein Problem sei seine fehlende Orientierung. Er vergesse viel und manchmal, wenn er unterwegs sei, wisse er nicht in welche Richtung er gehe. Der BF benötige medizinische Hilfe. In Somalia würde er von Al Shabaab getötet werden. Dies habe er bereits im Vorverfahren angegeben.

Zur beabsichtigten Zurückweisung seines Antrags führte der BF neuerlich an, er wisse nicht, wohin er gehen solle. Es gehe ihm nicht gut.

Auf eine Stellungnahme zu den Länderberichten zur allgemeinen Lage in Somalia verzichtete der BF. Ferner machte der Rechtsberater von der Möglichkeit, Fragen anzuregen oder eine Stellungnahme abzugeben, keinen Gebrauch.

2.3. Am Tag der Einvernahme legte der BF die Verpackungen der Medikamente „Metagelan 500 mg“ sowie „Tonsillol Gurgellösung gegen Entzündungen und Infekte im Mund- und Rachenraum“ vor.

2.4. Mit Verständigung vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt „Somalia“ übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, bis zum XXXX Stellung zu beziehen sowie allfällige Befunde vorzulegen.

2.5. Mit Bescheid des Bundesamtes XXXX wurde der Antrag des BF sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Dem BF wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI). Gegen den BF wurde gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von vier Jahren erlassen.

Festgestellt wurde im Wesentlichen, dass das Verfahren des BF über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz am XXXX rechtskräftig abgeschlossen worden sei und sein Vorbringen seinerzeit als nicht glaubhaft qualifiziert worden sei. Der BF habe ferner im gegenständlichen Verfahren keinen glaubhaften Sachverhalt vorgebracht, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens entstanden sei. Unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen würden seiner Rückkehr nach Somalia keine Hindernisse entgegenstehen. Seine Erstsprache sei Somalisch. Der BF leide ferner an keinen schwerwiegenden psychischen oder physischen Erkrankungen. Zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich wurde festgestellt, dass eine besondere Integrationsverfestigung nicht vorliege und der BF über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfüge. Seit XXXX halte er sich durchgehend in Österreich auf. Er verfüge über einfache Deutschkenntnisse. Mitglied in einem Verein oder einer Organisation sei er nicht. Schließlich wurden die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF aufgelistet. Weiter wurde ausgeführt, dass er nach Abschluss des Verfahrens über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Auf den Seiten 18 bis 140 des angefochtenen Bescheids wurden Feststellungen zur allgemeinen Situation in Somalia getroffen.

Beweiswürdigend wurde hinsichtlich des Gesundheitszustandes des BF ausgeführt, dass er angeführt habe, an Orientierungsproblemen zu leiden. Nach Aufforderung, die Verpackungen der von ihm benötigten Medikamente vorzulegen, habe er ein schmerzstillendes, fiebersenkendes und krampflösendes Medikament (Metagelan 500 mg) sowie eine Gurgellösung zur Abtötung von Bakterien und Pilzen (Tonsillol Gurgellösung) in Vorlage gebracht. In weiterer Folge wurde dem BF aufgetragen, allfällige Befunde vorzulegen. Der BF habe jedoch die ihm eingeräumte Frist ungenützt verstreichen lassen. Nach telefonischer Rücksprache des Bundesamtes mit der Ärztestation der Unterkunft des BF sei am XXXX bekannt gegeben worden, dass der BF am XXXX in der Krankenstation vorstellig geworden sei, da er Schmerzen an einer Narbe auf seinem Kopf habe. Diese Narbe habe er laut Auskunft seit zwei Jahren. Dem BF sei Paracetamol sowie eine Heilsalbe verschrieben worden. Seither sei er nicht mehr in der Ärztestation vorstellig gewesen. Der Behörde sei weiter mitgeteilt worden, dass es dem BF ansonsten gut gehe. Unter Berücksichtigung aller bekannter Tatsachen sei daher davon auszugehen, dass beim BF keine schwere physische oder psychische Erkrankung vorliege.

In Bezug auf das Fluchtvorbringen des BF wurde erwogen, dass er sich im gegenständlichen Verfahren auf Rückkehrhindernisse bezogen habe, welche bereits im Kern im Vorverfahren vorgebracht worden seien. Sein Fluchtvorbringen habe er lediglich insoweit erweitert, als er angeführt habe, Orientierungsprobleme zu haben. Die Begründung des neuerlichen Antrags reiche nicht aus, um eine wesentliche Änderung des Sachverhalts seit Abschluss des Erstverfahrens zu begründen. Ein neuer entscheidungswesentlicher Sachverhalt liege insgesamt nicht vor. Der BF habe seine Angaben im Übrigen auf keine Beweise stützen können. Seinen Angaben komme sohin kein glaubhafter Kern zu. Auch aus den Länderberichten zur allgemeinen Situation in Somalia würden sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts eingetreten wäre.

Rechtlich wurde zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheids erwogen, „entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liege vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert habe und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren decke. Der BF habe im Verfahren lediglich Umstände dargetan, welche bereits vor Abschluss des ersten Asylverfahren bestanden hätten. Es sei nicht glaubhaft, dass hinsichtlich seiner Fluchtgründe bzw. der Rückkehrhindernisse eine Änderung eingetreten sei. Da weder in Bezug auf die maßgebliche Sachlage noch in Bezug auf die anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, stehe die Rechtskraft des Erkenntnisses vom XXXX , Zl. XXXX , dem neuerlichen Antrag entgegen. An dieser Einschätzung ändere auch die Covid-19-Pandemie nichts. Betreffend Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nicht vorliegen würden. Zu Spruchpunkt IV. wurde ausgeführt, dass sich der BF seit XXXX in Österreich aufhalte. Allerdings habe er sich der Unsicherheit seines Aufenthaltes bewusst sein müssen. Hinzu komme, dass der BF in Österreich mehrfach strafffällig geworden sei und Haftstrafen verbüßt habe. Seit der Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz sei ferner in Bezug auf seine Integration keine wesentliche Änderung eingetreten. Der BF sei nach wie vor nicht selbsterhaltungsfähig und könnten Integrationsbemühungen nicht erkannt werden. Über Familienleben in Österreich verfüge der BF nicht. Berücksichtigt wurde weiter, dass der BF im Herkunftsstaat aufgewachsen sei und die dortige Sprache beherrsche, sodass ihm eine Reintegration möglich sei. Eine Gesamtabwägung ergebe nach Ansicht des Bundesamtes vor diesem Hintergrund, dass das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen sowie der Verhinderung von Straftaten das private Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich überwiege. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung würden sohin vorliegen. Ein Abschiebungshindernis iSd § 50 FPG bestehe gegenständlich nicht. Ferner sei gemäß § 55 Abs. 1a FPG im gegenständlichen Fall keine Frist für die freiwillige Ausreise zu erteilen gewesen. Hinsichtlich Spruchpunkt VII. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass gemäß § 53 Abs. 3 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von höchstens 10 Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen sei, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant sei, habe insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen verurteilt worden sei (§ 53 Abs. 3 Z 1 FPG). Im konkreten Fall sei der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt. Wie bereits zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, seien die familiären und privaten Anknüpfungspunkte des BF in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Ebenso sei davon auszugehen, dass das Interesse an der Verhängung des Einreiseverbots das private Interesse des BF überwiege. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens, der Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte des BF habe ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbots in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

2.6. Mit Schriftsatz vom XXXX erhob der BF im Wege seiner Vertretung fristgerecht Beschwerde und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt entgegen der Argumentation des Bundesamtes maßgeblich geändert habe. Aufgrund der langen Abwesenheit des BF sowie der rezenten Pandemie stelle sich die Situation des BF im Fall der Rückkehr wesentlich drastischer dar als im vorangegangenen Verfahren. Es könne sohin nicht davon ausgegangen werden, dass eine Identität der Sache iSd § 68 AVG vorliege. Das Vorbringen des BF, wonach er im Fall der Rückkehr Verfolgung seitens der Miliz Al Shabaab fürchte und seit XXXX keinen Kontakt mehr zu seiner Familie habe, weise einen glaubhaften Kern auf. Aufgrund der Pandemie sowie der als notorisch geltenden schlechten Versorgungslage sei in Somalia ein familiäres Netzwerk im Fall einer Neuansiedlung elementar. Im Fall des BF sei sohin davon auszugehen, dass eine Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich sei. Bereits aufgrund der geänderten Umstände in Somalia hätte das Bundesamt den Antrag des BF nicht zurückweisen dürfen, sondern einer inhaltlichen Prüfung unterziehen müssen. Überdies habe es die Behörde verabsäumt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob alleinstehende Männer ohne familiäres Netzwerk einer Verfolgung durch die Miliz Al Shabaab ausgesetzt seien. In der Folge wurde moniert, dass die Berichte zur allgemeinen Situation in Somalia nicht die gebotene Aktualität aufweisen würden. Festgehalten wurde weiter, dass eine Rückkehrentscheidung dauerhaft für unzulässig erklärt werden hätte müssen. In Bezug auf das gegen den BF erlassene Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass der BF – entgegen der Ansicht der Behörde – den gegenständlichen Antrag nicht missbräuchlich gestellt habe. Eine ordnungsgemäße Gefährlichkeitsprognose sei ferner nicht erstellt worden. Es werde nicht verkannt, dass der BF in Österreich mehrere Straftaten begangen habe; es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass er diese allesamt bereue und er sich seit XXXX nichts mehr zu Schulden kommen lassen habe. Die Dauer des Einreiseverbots sei überdies nicht nachvollziehbar begründet worden.

2.7. Die Beschwerdevorlage langte am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

2.8. Mit Verständigung vom XXXX übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt Somalia, Version 2, zur Stellungnahme binnen 10 Tagen.

2.9. Mit Schriftsatz vom XXXX brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner Vertretung zusammengefasst vor, aus einer Vielzahl von Quellen, darunter auch das Länderinformationsblatt Somalia, Stand August 2021, gehe hervor, dass Somalia zu den ärmsten Ländern der Welt zähle. Dem Länderinformationsblatt sei insbesondere zu entnehmen, dass in Mogadischu entweder ein funktionierendes Netzwerk oder genügend Eigenressourcen notwendig seien, um ein Auslangen finden zu können. Jobs würden vor allem über Clan-Netzwerke vergeben werden. Aktuelle Recherchen von IIED würden eine spezielle Vulnerabilität alleinstehender junger Männer aufzeigen. Der Grund hierfür sei, dass junge Männer über kein Netzwerk verfügen würden und ihnen eine stereotype Wahrnehmung (Drogenkonsum, potentielle Al Shabaab Mitglieder, Unruhestifter) anhafte. Selbst für eine Unterkunft in einer formellen Siedlung sei ein Bürge notwendig, über den alleinstehende Rückkehrer meist nicht verfügen würden. Insbesondere in IDP Lagern und informellen Siedlungen könne die Sicherheit der Zivilbevölkerung nicht garantiert werden. In der Folge wurde festgehalten, dass Rückkehrende in Mogadischu oder Nordsomalia ein „relativ normales Leben“ selbst für somalische Verhältnisse nicht begründen könnten. Auch bei kurzzeitiger Unterstützung durch Hilfsorganisationen bzw. bei Bezug von Rückkehrhilfe sei eine Existenzgründung ohne vorhandenes soziales Netz nicht möglich, da die Versorgungslage unzureichend sei, weder ausreichend Wohnstätten vorhanden seien noch der effektive Zugang zu Arbeitsmarkt oder finanziellen Mitteln sichergestellt sei. Der BF werde sich somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ohne regelmäßiges Einkommen in einem IDP Lager wiederfinden. In der Folge wurden Auszüge aus einem Themendossier Somalia „Humanitäre Lage“ vom 07.05.2021, abgerufen von der Website ecoi.net, zu den Themen Nahrungsmittelversorgung, Naturkatastrophen, Nahrungsmittelpreise, Arbeitsmarkt, Unterkunft, Binnenvertriebene, Gesundheitssystem und Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auszugsweise zitiert. Abschließend wurde festgehalten, dass der BF im Fall der Rückkehr nach Somalia „weiterhin“ in eine aussichtslose Lage geraten werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur individuellen Situation des BF

1.1.1. Zur Person des BF

Der 24-jährige BF ist Staatsangehöriger Somalias und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Seine Erstsprache ist Somalisch. Er ist ledig sowie arbeitsfähig und hat keine Obsorgeverpflichtungen. An einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit leidet der BF nicht. Es ist nicht wahrscheinlich, dass der BF im Fall der Rückkehr nach Somalia eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichen Verlauf bzw. mit Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

Der BF stammt nicht aus XXXX in der Region XXXX . Ferner gehört der BF keinem Minderheitenclan an. Es ist nicht glaubhaft, dass der BF zu seinen Angehörigen im Herkunftsstaat, konkret zu seiner Mutter, seinen zwei Schwestern sowie zu seinen zwei nunmehr volljährigen Brüdern, keinen Kontakt pflegt.

Der BF hat bis zu seiner endgültigen Ausreise aus dem Herkunftsstaat im Jahr XXXX mit seiner Mutter und seinen Geschwistern zusammengelebt. Er ist im somalischen Familienverband aufgewachsen, hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Somalia verbracht und ist sohin mit den kulturellen Traditionen und Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Er hat mindestens zwei Jahre die Schule besucht und durch die Verrichtung von Gelegenheitsarbeiten als Jugendlicher einen Beitrag zum Lebensunterhalt seiner Familie geleistet.

1.1.2. Zum Verfahren:

Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz

Nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte der BF am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Als Fluchtgrund brachte er zusammengefasst vor, er habe im Herkunftsstaat als Jugendlicher Autos gewaschen sowie Schuhe geputzt, um seine Familie finanziell zu unterstützen. Als er eines Tages für einen ihm Unbekannten das Auto gewaschen habe, habe ihn dieser unter einem Vorwand in ein Haus gelockt, in welchem noch weitere Männer gewesen seien. Der BF habe erkannt, dass die Männer der Miliz Al Shabaab angehört hätten. Er sei in der Folge in diesem Haus festgehalten worden. Die Männer hätten ihn aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Nachdem der BF ihnen erklärt habe, alles zu tun, was sie von ihm verlangten, habe er ein bisschen Geld bekommen und sei mit einem der Männer zu dessen Haus mitgeschickt worden. Auf dem Weg dorthin seien der Mann und er von Regierungsmilizen angehalten und geschlagen worden. Nach entsprechender Aufforderung habe der BF die Regierungsmilizen zum Versteck von Al Shabaab gebracht. Daraufhin seien drei Männer von Al Shabaab verhaftet worden, während die übrigen Männer flüchten hätten können. Nach der Entlassung des BF aus der Haft habe ihm Verfolgung von jenen Mitgliedern der Miliz Al Shabaab gedroht, welche sich der Festnahme durch die Regierungsmilizen entziehen hätten können. Weiter begründete er seinen Antrag auf internationalen Schutz damit, dass er einer Minderheit angehöre und zu seinen Angehörigen im Herkunftsstaat keinen Kontakt mehr habe.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde sein Antrag mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung nach Somalia für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX als unbegründet abgewiesen. Die gekürzte Ausfertigung des am XXXX mündlich verkündeten Erkenntnisses wurde dem BF im Wege seiner Vertretung am XXXX im elektronischen Rechtsverkehr hinterlegt.

Verfahren über den zweiten Antrag auf internationalen Schutz

Am XXXX stellte der BF den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und gab im Wesentlichen an, dass er seit dem Jahr XXXX nicht mehr wisse, wo seine Familie sei. Weiters führte er an, aufgrund der ihm drohenden Verfolgung seitens der Miliz Al Shabaab nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren zu können. Konkret brachte er vor, einer seiner Kunden, welchem er die Schuhe geputzt habe, habe dem BF gesagt, er solle mit ihm mitkommen, um sein Geld zu erhalten. Angehörige der Miliz Al Shabaab hätten ihn in der Folge aus der Stadt gebracht und ihn in einem der von ihnen besetzten Häuser festgehalten. Der BF habe flüchten können, sei jedoch auf der Flucht von somalischen Regierungssoldaten festgehalten worden. Nach drei bis vier Wochen hätten ihn die Soldaten freigelassen und er habe nachhause zurückkehren können. Dort habe ihm seine Mutter gesagt, dass Angehörige der Miliz Al Shabaab bei ihr gewesen seien und nach dem BF gesucht hätten.

1.1.3. Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen im Herkunftsstaat

Seit über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig entschieden worden ist (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX ), hat der BF kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen glaubhaft gemacht. Er hat lediglich die Nebenumstände seines Fluchtvorbringens, welches er bereits im Erstverfahren erstattet hat, modifiziert. Dem Vorbringen, wonach er von Angehörigen der Miliz Al Shabaab in einem Haus festgehalten worden sei und in weiterer Folge vor ihnen geflüchtet sei, kommt bereits im Kern keine Glaubwürdigkeit zu.

Es sind seither auch keine Umstände eingetreten, wonach dem BF im gesamten Staatsgebiet Somalias aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder ihm im Falle einer Ansiedlung im Herkunftsstaat, beispielsweise in Mogadischu, die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Der BF leidet an keiner zwischenzeitlich aufgetretenen lebensbedrohlichen oder im Herkunftsland nicht behandelbaren Krankheit. Außerdem kann nicht festgestellt werden, dass zwischenzeitlich eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation in Somalia eingetreten ist.

Die Angaben des BF zu seinem Herkunftsort sowie sein Vorbringen, wonach er seit dem Jahr XXXX keinen Kontakt mehr zu seinen Angehörigen im Herkunftsstaat habe, wurden überdies bereits im Erstverfahren als unglaubhaft qualifiziert. Der BF war auch sonst nicht in der Lage eine wesentliche Änderung seiner persönlichen Umstände darzutun.

1.1.4. Zum (Privat)Leben des BF in Österreich

Der BF verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen oder sonstige intensive Bindungen. Während seines Aufenthalts hat er an einem Deutschkurs teilgenommen und sich einfache Deutschkenntnisse angeeignet. Seinen Lebensunterhalt bestreitet der BF aus den Mitteln der Grundversorgung. Einer rechtmäßigen Erwerbstätigkeit ist er während seines gesamten Aufenthalts in Österreich nicht nachgegangen. Eine ausgeprägte Integration in gesellschaftlicher, sprachlicher oder beruflicher Hinsicht liegt sohin nicht vor.

Von XXXX bis XXXX sowie von XXXX bis XXXX war der BF in Österreich als obdachlos gemeldet. Von XXXX bis XXXX war der BF in verschiedenen Flüchtlingsquartieren aufrecht gemeldet. In der Folge wurde er von XXXX bis XXXX in einem Polizeianhaltezentrum angehalten. Seither verfügt er über keinen aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz in Österreich.

1.1.5. Zum strafrechtlichen Fehlverhalten des BF

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls, des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden sowie wegen des Vergehens der Urkundenfälschung unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten rechtskräftig verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer

a) am XXXX in XXXX eine Badehose im Wert von € 19,00 einem Verfügungsberechtigten eines Unternehmens mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und anschließend versuchte, ein Paar Schuhe im Wert von € 44,90 einem Verfügungsberechtigten eines weiteren Unternehmens mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

b) am XXXX in XXXX nachstehende verfälschte Urkunden durch Vorweisen gegenüber Beamten der Polizeiinspektion XXXX im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, Rechtsverhältnis oder Tatsache gebrauchte, und zwar eine verfälschte ausländische Urkunde, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, nämlich einen total gefälschten italienischen Fremdenpass, sowie eine verfälschte Urkunde, nämlich einen total gefälschten italienischen Aufenthaltstitel.

Als erschwerend wurde das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet. Als mildernd galt das reumütige Geständnis, das Alter unter 21 Jahren, die bisherige Unbescholtenheit, der Umstand, dass es in Bezug auf den Diebstahl teilweise beim Versuch blieb, sowie der Umstand, dass die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen.

Der BF wurde in der Folge mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wegen des Vergehens des Diebstahls rechtskräftig unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF am XXXX in XXXX einen Bargeldbetrag von € 50,00 aus der Geldbörse eines anderen mit dem Vorsatz wegnahm, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Als mildernd galten das Geständnis sowie die Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres. Als erschwerend wurde die einschlägige Vorverurteilung gewertet.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , XXXX , wegen des Verbrechens des versuchten Raubes, des Vergehens des versuchten Diebstahls sowie des Vergehens der Körperverletzung unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX rechtskräftig zu einer Zusatzstrafe in der Dauer von 21 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe, konkret 14 Monate, bedingt nachgesehen wurde. Ferner wurde mit Beschluss vom Widerruf der gegen BF mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , XXXX , verhängten dreimonatigen Freiheitsstrafe abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Für die Dauer der Probezeit wurde Bewährungshilfe angeordnet.

Der Verurteilung lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:

A) Am XXXX versuchten der Beschwerdeführer und ein weiterer (zweiter) unmittelbarer Täter mit Gewalt gegen eine Person eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld in unbekannter Höhe, wegzunehmen. Dabei handelten sie mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern. Zunächst fragten sie das Opfer nach Zigaretten. In der Folge hielt der zweite Täter mit einer Hand das linke Handgelenk des Opfers fest. Zugleich ergriff der BF das rechte Handgelenk des Opfers. Der zweite Täter versetzte dem Opfer einen Faustschlag in das Gesicht, wodurch das Opfer eine Verletzung der Oberlippe und eine geringgradige Lockerung eines Zahnes erlitt. Ferner versuchte der zweite Täter mehrmals, mit einer Hand die Geldbörse des Opfers aus dessen rechter hinterer Hosentasche zu nehmen, wobei die Tatvollendung aufgrund der heftigen Gegenwehr des Opfers letztlich scheiterte.

B) Am XXXX versuchte der BF im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem abgesondert verfolgten Mittäter einem Berechtigten eines Supermarktes fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Flasche Wodka, eine Dose Thunfisch und eine Roulade im Gesamtwert von € 18,87 mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei es insoweit beim Versuch blieb.

C) Am XXXX verletzte der BF einen anderen durch Versetzen eines Faustschlages gegen das Gesicht vorsätzlich am Körper. Das Opfer erlitt eine blutende Wunde im Bereich der Mundschleimhaut und ein Hämatom im Kinnbereich.

Als mildernd galten der Umstand, dass es teils beim Versuch blieb, das Alter unter 21 Jahren sowie das teilweise Geständnis. Erschwerend wurden das durch einschlägige Vorstrafe belastete Vorleben, der rasche Rückfall, die Tatbegehung während offener Probezeit, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Tatbegehung in Gesellschaft gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt, des Vergehens der schweren Körperverletzung sowie des Vergehens der Sachbeschädigung rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt. Ferner wurde beschlossen, die bedingt nachgesehen Freiheitsstrafen zu widerrufen, und zwar zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX sowie hinsichtlich der Entscheidung des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX . Ferner wurde die mit der bedingten Entlassung zu XXXX des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX verbundene Strafnachsicht widerrufen. Hinsichtlich der 14 Monate zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , XXXX , wurde vom Widerruf Abstand genommen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Gleichzeitig wurde die bereits angeordnete Bewährungshilfe für die Dauer der Bewährungszeit bzw. der Probezeit verlängert und sohin weiter angeordnet.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF am XXXX in XXXX

a)       an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, vorschriftswidrig Suchtgift einem anderen gegen Entgelt überließ, indem er im XXXX rund 3 Gramm Cannabis veräußerte, während sich in unmittelbarer Nähe mehrere Spaziergänger aufhielten;

b)       einen Polizeibeamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Feststellung seiner Identität und in weiterer Folge der Festnahme hinderte, indem er sein Fahrrad in Richtung des Beamten stieß, der in der Folge zu Sturz kam;

c)       im Zuge der unter b) geschilderten Tat den Polizeibeamten vorsätzlich am Körper verletzte (Schürfwunden, Verstauchung des Handgelenkes, Gelenkskapseleinriss), wobei er die Körperverletzung am Polizeibeamten während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben und der Erfüllung seiner Pflichten beging.

Darüber hinaus beschädigte der BF am XXXX in XXXX eine fremde Sache, indem er gegen die Eingangstüre des Lokales „ XXXX “ mit dem Fuß trat und mehrmals gegen diese schlug, wodurch dem Inhaber des Vereines ein Schaden von € 600 ,-- entstand.

Als mildernd galt das beinahe umfassende, jedenfalls reumütige und der Wahrheitsfindung dienliche Geständnis. Als erschwerend wertete das Strafgericht die drei einschlägigen Vorstrafen, die Tathandlungen innerhalb offener Probezeit sowie anlässlich der bedingten Entlassung und das Zusammentreffen von vier Vergehen.

Der unbedingte Teil der über ihn verhängten Freiheitsstrafen wurde am XXXX vollzogen.

1.2. Zur Lage in Somalia wird Folgendes festgestellt:

COVID-19

Letzte Änderung: 07.07.2021

Zwischen 19.3.2020 und 2.1.2021 wurden über 81.000 Menschen getestet, knapp 4.700 waren infiziert (HIPS 2021, S. 24). Im ersten Quartal 2021 entwickelte sich eine neue Welle. Im Zeitraum 16.3.-7.5.2021 wurden 11.504 Infektionen bestätigt, 537 Personen starben an oder mit Covid-19 (UNSC 19.5.2021, Abs. 61). Mit Stand 27.6.2021 waren in Somalia 7.235 aktive Fälle registriert, insgesamt 775 Personen waren verstorben. Seit Beginn der Pandemie waren nur 140.128 Tests durchgeführt worden (ACDC 27.6.2021). Mitte März 2021 trafen die ersten Impfstoffe in Somalia ein. Mit Stand 29.4.2021 waren 121.700 Personen immunisiert (UNSC 19.5.2021, Abs. 61).

Im August 2020 wurde der internationale Flugverkehr wiederaufgenommen (PGN 10.2020, S. 9).

Regeln zum social distancing oder auch Präventionsmaßnahmen wurden kaum berücksichtigt (HIPS 2021, S. 24). Trotz Warnungen wurden Moscheen durchgehend – ohne Besucherbeschränkung – offengehalten (DEVEX 13.8.2020). Mitte Feber 2021 warnte die Gesundheitsministerin vor einer Rückkehr der Pandemie. Die Zahl an Neuinfektionen und Toten stieg an (Sahan 16.2.2021b). Ende Feber 2021 wurden alle Demonstrationen in Mogadischu verboten, da eine neue Welle von Covid-19 eingetreten war. Zwischen 1. und 24. Feber verzeichnete Somalia mehr als ein Drittel aller Covid-19-Todesopfer der gesamten Pandemie (PGN 2.2021, S. 16).

Die tatsächlichen Infektionszahlen sind aufgrund wenig verfügbarer bzw. erreichbarer Testmöglichkeiten, Stigma, wenig Vertrauen in Gesundheitseinrichtungen sowie teilweise der Leugnung von COVID-19 völlig unklar (UC 13.6.2021, S. 9). Testungen sind v.a. auf Städte beschränkt (UC 13.6.2021, S. 2) und generell so gut wie inexistent. Die offiziellen Todeszahlen sind niedrig, das wahre Ausmaß wird aber wohl nie wirklich bekannt werden (STC 4.2.2021). Die Zahl an Infektionen dürfte höher liegen, als offiziell bekannt. Viele potenziell Infizierte melden sich nicht, da sie eine gesellschaftliche Stigmatisierung fürchten (UNFPA 12.2020, S. 1). Auch, dass es in Spitälern kaum Kapazitäten für Covid-19-Patienten gibt, ist ein Grund dafür, warum viele sich gar nicht erst testen lassen wollen – ein Test birgt für die Menschen keinen Vorteil (DEVEX 13.8.2020).

Die informellen Zahlen zur Verbreitung von Covid-19 in Somalia und Somaliland sind also um ein Vielfaches höher als die offiziellen. Einerseits sind die Regierungen nicht in der Lage, breitflächig Tests (es gibt insgesamt nur 14 Labore) oder gar Contact-Tracing durchzuführen. Gleichzeitig behindern Stigma und Desinformation die Bekämpfung von Covid-19 in Somalia und Somaliland. Mit dem Virus geht eine Stigmatisierung jener einher, die infiziert sind, als infiziert gelten oder aber infiziert waren. Mancherorts werden selbst Menschen, die Masken tragen, als infiziert gebrandmarkt. Die Angst vor einer Stigmatisierung und die damit verbundene Angst vor ökonomischen Folgen sind der Hauptgrund, warum so wenige Menschen getestet werden. Es wird berichtet, dass z.B. Menschen bei (vormals) Infizierten nicht mehr einkaufen würden. IDPs werden vielerorts von der Gastgemeinde gemieden – aus Angst vor Ansteckung. Dies hat auch zum Verlust von Arbeitsplätzen – z. B. als Haushaltshilfen – geführt. Dabei fällt es gerade auch IDPs schwer, Präventionsmaßnahmen umzusetzen. Sie leben oft in Armut und in dicht bevölkerten Lagern, und es mangelt an Wasser (DEVEX 13.8.2020).

Somalia ist eines jener Länder, dass hinsichtlich des Umgangs mit der Pandemie die geringsten Kapazitäten aufweist (UNFPA 12.2020, S. 1). Humanitäre Partner haben schon im April 2020 für einen Plan zur Eindämmung von Covid-19 insgesamt 256 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt (UNSC 13.11.2020, Abs. 51). UNSOS unterstützt medizinische Einrichtungen, stellt Ausrüstung zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung. Bis Anfang Juni konnten die UN und AMISOM eine substanzielle Zahl an Behandlungsplätzen schaffen (darunter auch Betten zur Intensivpflege) (UNSC 13.8.2020, Abs. 69). Trotzdem gibt es nur ein speziell für Covid-19-Patienten zugewiesenes Spital, das Martini Hospital in Mogadischu. Dieses ist unterbesetzt und schlecht ausgerüstet; von 150 Betten verfügen nur 11 über ein Beatmungsgerät und Sauerstoffversorgung (Sahan 25.2.2021c). In ganz Somalia und Somaliland gab es im August 2020 für Covid-Patienten nur 24 Intensivbetten (DEVEX 13.8.2020). Es gibt so gut wie keine präventiven Maßnahmen und Einrichtungen. Menschen, die an Covid-19 erkranken, bleibt der Ausweg in ein Privatspital – wenn sie sich das leisten können (Sahan 25.2.2021c). Der türkische Rote Halbmond hat Somalia im Feber 2021 weitere zehn Beatmungsgeräte zukommen lassen (AAG 26.2.2021). Im März 2021 spendete die Dahabshil Group dem Staat Sauerstoffverdichter, mit denen insgesamt 250 Patienten versorgt werden können. Die Firma übernimmt auch die technische Instandhaltung (Sahan 11.3.2021). Insgesamt bleiben Test- und Behandlungsmöglichkeiten für Covid-19-Infizierte aber beschränkt (UNFPA 12.2020, S. 1).

Nachdem die Bildungsinstitutionen ihre Arbeit wiederaufgenommen hatten, sind nicht alle Kinder zurück in die Schule gekommen. Dies liegt an finanziellen Hürden, an der Angst vor einer Infektion, aber auch daran, dass Kinder zur Arbeit eingesetzt werden. Außerdem zeigt eine Studie aus Puntland, dass die Zahl an Frühehen zugenommen hat. Gleichzeitig wurden Immunisierungskampagnen und auch Ernährungsprogramme unterbrochen. Manche Gesundheitseinrichtungen sind teilweise nur eingeschränkt aktiv – nicht zuletzt, weil viele Menschen diese aufgrund von Ängsten nicht in Anspruch nehmen; der Patientenzustrom hat sich in der Pandemie verringert (UNFPA 12.2020, V-VI).

Remissen sind im Zuge der Covid-19-Pandemie zurückgegangen (IPC 3.2021, S. 2; vgl. UNFPA 12.2020). Eine Erhebung im November und Dezember 2020 hat gezeigt, dass 22% der städtischen, 12% der ländlichen und 6% der IDP-Haushalte Remissen beziehen. Die Mehrheit der Empfänger berichtete von Rückgängen von über 10% (IPC 3.2021, S. 2). Auch der Export von Vieh – der wichtigste Wirtschaftszweig – ist wegen der Pandemie zurückgegangen (UNFPA 12.2020, S. 1). Aus Somaliland hingegen wird berichtet, dass die Remissen im Jahr 2020 um 15 % auf 1,3 Milliarden US-Dollar angewachsen sind (SLP 7.4.2021).

Internationale und nationale Flüge operieren uneingeschränkt. Ankommende müssen am Aden Adde International Airport in Mogadischu und auch am Egal International Airport in Hargeysa einen negativen Covid-19-Test vorweisen, der nicht älter als drei Tage ist. Wie in Mogadischu mit Personen umgegangen wird, welche diese Vorgabe nicht erfüllen, ist unbekannt. In Hargeysa werden Personen ohne Test auf eigene Kosten in eine von der Regierung benannte Unterkunft zur zweiwöchigen Selbstisolation geschickt. Die Landverbindungen zwischen Dschibuti und Somaliland wurden wieder geöffnet, der Hafen in Berbera ist in Betrieb (GW 11.6.2021).

Restaurants, Hotels, Bars und Geschäfte sind offen, es gelten Hygienemaßnahmen und solche zum Social Distancing. Die Maßnahmen außerhalb Mogadischus können variieren. Es kann jederzeit geschehen, dass Behörden Covid-Maßnahmen kurzfristig verschärfen (GW 11.6.2021).

[…]

Politische Lage

Süd-/Zentralsomalia, Puntland

Letzte Änderung: 07.07.2021

Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 18.4.2021, S. 4f). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2020, S. 4).

Staatlichkeit: Somalia hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt (UNSC 15.5.2019, Abs. 78), staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert (ISS 28.2.2019). Somalia hat in den vergangenen Jahren auf vielen Gebieten große Fortschritte erzielt. Der Staat ist etwa bei Steuereinnahmen effektiver geworden. Junge Somalis und Angehörige der Diaspora sind in der Zivilgesellschaft aktiv, und Mogadischu selbst hat sich stark verändert (BBC 18.1.2021). Somalia ist damit zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 18.4.2021, S. 4f). Die Regierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 3.3.2021a, C1). Das Land befindet sich immer noch mitten im Staatsbildungsprozess (BS 2020, S. 33). Die Regierung ist bei der Umsetzung von Aktivitäten grundsätzlich stark von internationalen Institutionen und Geberländern abhängig (FH 3.3.2021a, C1). Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten. Dieser Prozess ist weiterhin nicht abgeschlossen (USDOS 30.3.2021, S. 23). Generell sind drei entscheidende Punkte abzuarbeiten: die Überarbeitung der Verfassung; der Aufbau der föderalen Architektur; und die Entwicklung eines angemessenen Wahlsystems. Der Stillstand zu Anfang des Jahres 2021 ist das Ergebnis des Versagens der Regierung Farmaajo, auch nur einen dieser Punkte zu lösen (ECFR 16.2.2021).

Regierung: Die Präsidentschaftswahl fand im Feber 2017 statt. Die beiden Parlamentskammern wählten den früheren Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten (AA 18.4.2021, S. 6; vgl. ÖB 3.2020, S. 2; USDOS 30.3.2021, S. 1/23). Seine Wahl wurde als fair und transparent erachtet (USDOS 30.3.2021, S. 1). Premierminister Hassan Ali Kheyre wurde mit einem Misstrauensvotum des Parlaments am 25.7.2020 seines Amtes enthoben (UNSC 13.8.2020, Abs. 5). Im September 2020 wurde Mohamed Hussein Roble als neuer Premierminister angelobt (UNSC 13.11.2020, Abs. 6). Seit Feber 2021 regiert Farmaajo ohne Mandat, seine Amtszeit ist abgelaufen (TNH 20.5.2021). Insgesamt verfügt die Regierung in der eigenen Bevölkerung und bei internationalen Partnern nur über wenig Glaubwürdigkeit. Das Vertrauen in den Staat ist gering (BS 2020, S. 34/40).

Parlament: Die beiden Kammern des Parlaments wurden mittels indirekter Wahlen durch ausgewählte Älteste Anfang 2017 besetzt (USDOS 30.3.2021, S. 1/23). Über 14.000 Wahlmänner und -frauen waren an der Wahl der 275 Abgeordneten beteiligt (AA 18.4.2021, S. 6; vgl. USDOS 30.3.2021, S. 23). Beide Häuser wurden also in indirekten Wahlen besetzt, das Unterhaus nach Clanzugehörigkeit. Die Wahlen zu beiden Häusern wurden generell als von Korruption durchsetzt und geschoben erachtet (USDOS 30.3.2021, S. 1/23). Sie wurden von Schmiergeldzahlungen, Einschüchterungen, Stimmenkauf und Manipulation begleitet (BS 2020, S. 11). Dieses Wahlsystem ist zwar noch weit von einer Demokratie entfernt und unterstreicht die Bedeutung der politischen Elite (BS 2020, S. 20). Trotz allem waren die Parlamentswahlen ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt (AA 18.4.2021, S. 6; vgl. BS 2020, S. 20). Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (USDOS 30.3.2021, S. 26f; vgl. ÖB 3.2020, S. 3; BS 2020, S. 11). Auch die Regierung ist entlang dieser Formel organisiert (ÖB 3.2020, S. 3). Insgesamt wird das Parlament durch Stimmenkauf entwertet, und es hat auf die Tätigkeiten von Präsident und Premierminister wenig Einfluss (BS 2020, S. 20).

Demokratie: Seit 1969 wurde in Somalia keine Regierung mehr direkt gewählt (FP 10.2.2021). Somalia ist keine Wahldemokratie und hat auch keine strikte Gewaltenteilung, auch wenn die Übergangsverfassung eine Mehrparteiendemokratie und Gewaltenteilung vorsieht (BS 2020, S. 11/15). Es gibt keine freien und fairen Wahlen auf Bundes- (USDOS 30.3.2021, S. 23f) und auch keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler oder regionaler Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clanstrukturen) vergeben (AA 18.4.2021, S. 6). 2016 und 2017 konnten mit der Gründung der Bundesstaaten und einem relativ demokratischen Machtwechsel wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus gestellt werden (AA 18.4.2021, S. 4). Die errungenen Fortschritte wurden von der Regierung Farmaajo allerdings weitgehend rückgängig gemacht (ECFR 16.2.2021).

Für 2021 vorgesehene Wahlen wurden zuerst verschoben (UNSC 13.8.2020, Abs. 7), bis es im September 2020 hinsichtlich des Prozederes zu einer Einigung mit den Bundesstaaten kam. Das vereinbarte Modell entsprach in etwa jenem von 2016. Dabei werden von Ältesten, Bundesstaaten und Vertretern der Zivilgesellschaft Wahldelegierte ausgesucht, welche wiederum die einzelnen Parlamentsabgeordneten wählen. Pro Abgeordnetem sollen 101 Wahlmänner und -Frauen ausgewählt werden (2016: 51). Statt der National Independent Electoral Commission soll die Wahl von sogenannten Electoral Implementation Committees (EIC) umgesetzt werden. Die Abgeordneten zum Oberhaus werden von den Parlamenten der Bundesstaaten ausgewählt (UNSC 13.11.2020, Abs. 2f; vgl. FP 10.2.2021). Neben einem 25köpfigen EIC des Bundes sollte zusätzlich in jedem Bundesstaat ein eigenes elfköpfiges EIC eingesetzt werden (UNSC 13.11.2020, Abs. 21). Dieses Modell war von allen relevanten politischen Stakeholdern, von Parteien und Vertretern der Zivilgesellschaft vereinbart und vom Bundesparlament ratifiziert worden (UNSC 13.11.2020, Abs. 88).

Aktuelle Politische Lage: Allerdings hatte sich um die Bestellung der Mitglieder dieser EICs ein neuer Konflikt entsponnen (FP 10.2.2021). Präsident Farmaajo war schließlich nicht in der Lage, sich mit Ahmed Madobe, Präsident von Jubaland, und Said Deni, Präsident von Puntland, auf die Umsetzung des im September 2020 vereinbarten Fahrplans für Neuwahlen zu einigen (IP 12.2.2021; vgl. FP 10.2.2021). Und so ist das Mandat des Parlaments im Dezember 2020 ausgelaufen (SG 8.2.2021), jenes von Präsident Farmaajo formell am 8.2.2021 (IP 12.2.2021; vgl. ECFR 16.2.2021). Damit verfügte Somalia im Feber 2021 plötzlich über keine legitime Regierung mehr, und Präsident Farmaajo weigerte sich sein Amt abzugeben (ECFR 16.2.2021).

Die Präsidenten von Puntland und Jubaland (FP 10.2.2021; vgl. Sahan 22.2.2021) sowie eine Allianz aus 14 Präsidentschaftskandidaten, darunter die ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamed und Sharif Sheikh Ahmed, haben Farmaajo danach nicht mehr als Präsidenten anerkannt (Sahan 9.2.2021b; vgl. IP 12.2.2021, FP 10.2.2021). Somalia stürzte in eine schwere Verfassungs- und politische Krise (Sahan 9.2.2021a). Dabei hat das Versagen, einen Kompromiss zu finden, nicht nur den demokratischen Prozess unterminiert, es hat die Sicherheit Somalias vulnerabel gemacht (FP 10.2.2021). Denn al Shabaab hat sich die politische Krise zu Nutzen gemacht und die Angriffe seit Anfang 2021 verstärkt (IP 12.2.2021).

Ende Feber und Anfang März 2021 wurden neuerliche Verhandlungen über eine Umsetzung des beschlossenen Wahlsystems angesetzt – auf Druck der internationalen Gemeinschaft (AMISOM 3.3.2021; vgl. UNSOM 2.3.2021). Die Verhandlungen verliefen ohne Ergebnis. Daraufhin hat das parlamentarische Unterhaus ein Gesetz verabschiedet, mit welchem die Legislaturperiode des Parlaments und auch die Amtszeit des Präsidenten um zwei Jahre verlängert wurden. Das National Salvation Forum - eine Allianz der Präsidentschaftskandidaten und der Präsidenten von Puntland und Jubaland - hat diesen Vorgang scharf zurückgewiesen. In der Folge kam es in Mogadischu zwischen Kräften der Regierung und Kräften der Opposition am 25.4.2021 zu Kampfhandlungen. Am 1.5.2021 wurde das Gesetz schließlich vom Parlament zurückgezogen und man kehrte zum Abkommen vom September 2020 zurück. Neuer Verantwortlicher für die Umsetzung der Wahlen ist nun Premierminister Roble. Dieser hat in Verhandlungen mit der Allianz der Präsidentschaftskandidaten am 5.5.2021 eine Einigung zur Entflechtung [Disengagement] bzw. zum Rückzug der jeweiligen bewaffneten Kräfte in ihre Stützpunkte erzielt (UNSC 19.5.2021, Abs. 3-11). Ende Mai 2021 wurden - nach enormem nationalen und internationalen Druck - Verhandlungen wieder aufgenommen. Maßgeblich verantwortlich dafür war wieder Premierminister Roble (TNH 20.5.2021). Am 27.5.202

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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