Entscheidungsdatum
14.10.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W144 2247148-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. von Serbien, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 10.08.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG idgF abgewiesen.
B) Der Antrag des BFA auf Ersatz der Verfahrenskosten wird als unzulässig zurückgewiesen.
C) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
I.1. Der Beschwerdeführer (BF), ein volljähriger, arbeitsfähiger und gesunder Staatsangehöriger von Serbien, reiste am 25.07.2021 ins Bundesgebiet ein und wurde bereits am XXXX beim gewerbsmäßigen Diebstahl nach §§ 127, 130 Abs. 1, erster Fall, 15 StGB, von Textilien zu Lasten der XXXX § Co (im Wert von € 467,96) sowie der XXXX (im Wert von € 182,89), betreten und festgenommen.
Mit Urteil des LG XXXX vom 06.08.2021 (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung vom 17.8.2021) wurde der BF nach § 130 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.
In der Folge wurde der BF am 07.08.2021 vom BFA niederschriftlich einvernommen:
Im Zuge dieser Einvernahme vor dem BFA gab er im Wesentlichen zu Protokoll, dass er mit einem Mittäter beim XXXX T-Shirts gestohlen habe. Er sei am 25.7.2021 mit einem Pkw eingereist und habe Verwandte besuchen wollen, das Auto befinde sich jetzt bei seinem Bruder, welcher in Wien lebe. Vor seiner Festnahme habe er in dieser Wohnung des Bruders gewohnt. Er habe lediglich ein paar Tage hierbleiben wollen. Er verfüge über keinen Aufenthaltstitel und habe vor seiner Einreise in Österreich in Serbien gelebt. Sein Vater lebe ebenfalls in Serbien, seine Mutter befinde sich in Belgien. Er habe einen Bruder in Österreich, eine Schwester lebe in Serbien. Er selbst sei geschieden und habe zwei Kinder. In Serbien habe er am Bau gearbeitet, in Österreich sei er keiner Beschäftigung nachgegangen. An Barmitteln verfüge er derzeit über € 100. Straffällig geworden seien er und sein Mittäter (wörtlich) „… einfach so aus Blödheit. Wir hatten kein Geld.“ Gegen eine Rückkehr nach Serbien spreche nichts.
In der Folge wurde über den BF mit Mandatsbescheid vom 07.08.2021 die Schubhaft verhängt.
Mit 09.08.2021 gab der BF seine Vertretung durch die RA Kanzlei Held-Berdnik-Astner & Partner bekannt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.08.2021 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz erteilt (Spruchpunkt I., erster Satz), gegen ihn gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I., zweiter Absatz) , gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III), sowie gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).
Zur Begründung des Einreiseverbotes hat sich das BFA – abweichend vom Inhalt des Spruches, der sich auf § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 6 FPG stützt, - ausschließlich auf den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z. 1 leg. Cit. bezogen und ausgeführt, dass der BF aufgrund der oben angeführten Verurteilung eine „schwerwiegende Gefahr“ für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.
Mit 10.08.2021 wurde seitens des BFA die Zustellung dieses Bescheides an die rechtsfreundliche Vertretung des BF verfügt.
Am 11.08.2021 unterfertigte der BF einen Rechtsmittelverzicht.
Der Bescheid wurde schließlich am 12.08.2021 der rechtsfreundlichen Vertretung des BF rechtswirksam zugestellt.
Gegen ausschließlich den Spruchpunkt IV. (Einreiseverbot) des genannten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die durch den bevollmächtigten Vertreter mit Schriftsatz vom 7.9.2021 am 08.09.2021 eingebrachte Beschwerde.
Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Widerspruch des Bescheidspruches und der rechtlichen Begründung vorliege, sodass nach der Judikatur des VwGH eine inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung vorliege, und der BF zudem in casu keine schwerwiegende Gefahr gemäß § 53 Abs. 3 FPG darstelle, da allein die Verurteilung zu einer sechs Monate bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe nicht ausreiche, sofern kein zusätzliches Element vorliege, um eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu begründen. Ein solches Element liege im vorliegenden Fall jedoch nicht vor.
Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit Vorlagebericht vom 08.10.2021 vorgelegt. In einer unter einem abgegebenen Stellungnahme führte das BFA aus, dass die angefochtene Entscheidung durch den vom BF am 11.08.2021 (an anderer Stelle 11.09.2021 geschrieben) unterfertigten Rechtsmittelverzicht in Rechtskraft erwachsen und „die Beschwerde als verspätet zu bezeichnen“ sei.
Es werde beantragt die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen, sowie den BF zum Ersatz von Kosten in Summe von € 887,20 zu verpflichten (Vorlageaufwand: € 57,40, Schriftsatzaufwand: € 368,80 Verhandlungsaufwand, sofern eine Verhandlung stattfindet und ein Behördenvertreter teilnimmt: € 461,00).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird, dass der BF am 25.07.2021 ins Bundesgebiet eingereist ist. In der Folge hat er nur 2 Tage später am XXXX gemeinsam mit einem Mittäter gewerbsmäßige Diebstähle in Textilgeschäften (unter Verwendung einer mit Alufolie ausgekleideten Einkaufstasche) nach § 130 Abs. 1 StGB begangen und wurde diesbezüglich mit Urteil des LG XXXX vom 06.08.2021 (Urteilsvermerk vom 17.08.2021) zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt nachgesehen für eine Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt.
Am 12.08.2021 hat der BF das Bundesgebiet freiwillig nach Serbien verlassen.
Der BF ist zuvor im Bundesgebiet keiner Beschäftigung nachgegangen und war praktisch mittellos, seine Barmittel erschöpften sich im Wert von € 100,-. Die Diebstähle hat er laut eigener Aussage „aus Blödheit“ begangen, weil er und der Mittäter „kein Geld hatten“.
Er hat im Bundesgebiet an Bezugspersonen lediglich einen Bruder, konkret Halbbruder, in dessen Wohnung er vom 25. bis 27.08.2021 wohnhaft war.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen auf dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des Verwaltungsaktes.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen den Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides richtet, die übrigen Spruchpunkte sind somit bereits in Rechtskraft erwachsen.
Zur Rechtsmeinung des BFA, wonach aufgrund eines Rechtsmittelverzicht des BF in casu die Beschwerde des BF als verspätet zurückzuweisen sei, ist vorweg Folgendes auszuführen:
Ein Rechtsmittelverzicht kann wirksam erst nach rechtswirksamer Zustellung eines Bescheides erfolgen. In casu wurde der angefochtene Bescheid am 12.08.2021 rechtswirksam der rechtsfreundlichen Vertretung des BF zugestellt, sodass sein einen Tag zuvor am 11.8.2021 erklärter Rechtsmittelverzicht nicht rechtswirksam ist. Damit erweist sich jedoch die am 08.09.2021 eingebrachte Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid als zulässig und fristgerecht.
Der Vollständigkeit halber wird im Hinblick auf das Begehren des BFA ergänzt, dass selbst im Falle eines wirksamen abgegebenen Rechtsmittelverzichts eine nachfolgende Beschwerde jedenfalls nicht als „verspätet“ – wie das BFA vermeint – sondern als unzulässig zurückzuweisen wäre.
Zu A) Zum Einreiseverbot:
§ 53 FPG lautet wie folgt:
Einreiseverbot
§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;
8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder
9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides für das BFA zum Spruchpunkt IV. seiner Entscheidung aus, dass der Aufenthalt des BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Diese Ausführungen sind im Ergebnis jedoch nicht berechtigt, vielmehr bestehen die Beschwerdeeinwendungen zurecht, wonach allein der Umstand der gerichtlichen Verurteilung des BF zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten bedingt auf drei Jahre Probezeit nicht ausreicht, um eine „schwerwiegende Gefahr“ für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu begründen:
Die in den einzelnen Ziffern des § 53 Abs. 3 FrPolG 2005 angeführten Tatbestände stellen nur eine demonstrative Aufzählung (arg.: "insbesondere") jener Umstände dar, die eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinne der genannten Bestimmung indizieren. Das kann auch bei gleichwertigen Verhaltensweisen, also hinsichtlich des Unrechtsgehalts ähnlich schwerwiegenden Konstellationen, der Fall sein (vgl. VwGH 24.5.2018, Ra 2017/19/0311; zu § 53 Abs. 2 FrPolG 2005: VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0104).
Bei der Prüfung, ob die Annahme einer solchen Gefährdung gerechtfertigt ist, muss eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werden (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0194). Dabei ist auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme (hier: eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit) gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289). Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109; 31.8.2017, Ra 2017/21/0120).
Im vorliegenden Fall beträgt der Strafrahmen für gewerbsmäßigen Diebstahl zwischen 6 Monaten und 5 Jahren Freiheitsstrafe. Der BF wurde vom LG XXXX jedoch lediglich zu 6 Monaten Freiheitsstrafe, somit mit dem untersten möglichen Strafrahmen bestraft und wurde diese Freiheitsstrafe zudem noch auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, wobei als mildernd der ordentliche Lebenswandel, das Geständnis, der teilweise Versuch und der Umstand, dass letztlich kein Schaden eingetreten ist, gewertet worden sind; erschwerend fiel ins Gewicht, dass der BF in zwei Geschäften Diebstähle begangen hatte. Bereits aus dieser am untersten Strafrahmen orientierten Strafe ist ersichtlich, dass das LG XXXX das strafbare Verhalten des BF nicht als „schwerwiegend“ qualifiziert hat.
Das BFA hat im angefochtenen Spruch jedoch zu Recht erkannt, dass der Aufenthalt des BF jedenfalls die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 53 Abs. 2 FPG gefährdet und zudem in seinem Fall konkret der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG (Mittellosigkeit) erfüllt ist:
Eigene Barmittel hatte der BF laut eigener Aussage lediglich in der Höhe von € 100,- und ging er im Bundesgebiet keiner Beschäftigung nach. Zudem hat der BF selbst ausgeführt, dass er „kein Geld“ hatte, weshalb er die Diebstähle beging. Angesichts dessen ist evident, dass er gesicherte und ausreichende Mittel für seinen Unterhalt im Bundesgebiet nicht nachweisen konnte.
Eine daraus resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ergibt sich schon aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber Mittellosigkeit grundsätzlich als Indikator für eine derartige Gefährdung angesehen hat. Es war daher prognostisch zu befürchten, dass der BF allenfalls einer illegalen Beschäftigung nachgehen oder (erneut) Diebstähle begehen könnte.
Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 52 Abs. 2, zweiter Satz, FPG ist im vorliegenden Fall jedenfalls gegeben, da der BF im Bundesgebiet straffällig geworden ist. Bemerkenswert erscheint dabei, dass der BF am 25.07.2021 ins Bundesgebiet eingereist ist und bereits nach zwei Tagen seines Aufenthalts gewerbsmäßige Diebstähle mit einem Mittäter begangen hat. Seine Verantwortung, dass er die Diebstähle lediglich „aus Blödheit“ und aus dem Umstand seiner Mittellosigkeit begangen habe, vermag insofern nicht zu überzeugen, als der BF und sein Mittäter eine Tasche, die mit Alufolie ausgekleidet war, verwendet hat, offensichtlich um beim Mitnehmen der Textilien aus den Geschäften keinen Alarm auszulösen. Der BF ist damit bereits nach nur zwei Tagen seines Aufenthalts im Bundesgebiet delinquent geworden und hat zudem nicht bloß aus einer Unbedachtsamkeit, etwa als Spontanhandlung, die in Rede stehenden Diebstähle begangen an, sondern ergibt eine Gesamtschau, dass er durchaus mit krimineller Energie ausgestattet und planmäßig vorgegangen ist, in dem eine speziell präparierte Tasche zur Tatausführung mitgenommen und verwendet wurde.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots einerseits unter Bewertung des bisherigen Verhaltens prognostisch darauf abzustellen, wie lange die Gefährdung bestehen bleiben werde, und andererseits auch auf die privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen. Somit erweist sich vor oben dargelegten Erwägungen sich das gegen den BF ausgesprochene Einreiseverbot sowohl dem Grunde nach als auch im Hinblick auf die verhängte Dauer von drei Jahren als rechtsrichtig:
Es wird dabei nicht verkannt, dass sich die Verurteilung des BF am unteren Strafrahmen orientiert hat und das normierte Einreiseverbot in der Dauer von 3 Jahren jedoch im mittleren Bereich des Rahmens des § 53 Abs. 2 FPG gelegen ist. Angesichts der oben dargelegten Erwägungen zum planmäßigen Vorgehen des BF bei den Diebstählen sowie im Hinblick auf die seitens des LG XXXX normierte Probezeit in der Dauer von drei Jahren erscheint das verhängte Einreiseverbot ebenfalls in der Dauer von drei Jahren als gerechtfertigt und angemessen, da vom BF nunmehr ein Wohlverhalten in der Dauer von jedenfalls drei Jahren gefordert ist, weiters zu hoffen ist, dass in diesem Zeitraum ein Bewusstseinswandel des BF und eine Hinwendung zu rechtstreuem Verhalten eintreten wird und der BF auch Gelegenheit hat, in diesem Zeitraum entsprechende Mittel für einen allfällig neuerlichen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erwirtschaften. Nach 3 Jahren des Wohlverhaltens scheint eine weitere Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Falle einer eventuellen Rückkehr ins Bundesgebiet nicht mehr gegeben.
Demgegenüber hat der BF mit lediglich einem Halbbruder keine engen familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, sodass keine schlagenden familiären Interessen des BF iSd Art. 8 EMRK bei der Abwägung im Hinblick auf die Dauer des Einreiseverbotes vorhanden sind; vielmehr leben der Vater und eine Schwester des BF in Serbien, sodass er dort familiäre Anknüpfungspunkte zu seiner Kernfamilie aufweist. Schützenswerte private Interessen des BF sind ebenfalls nicht ersichtlich, zumal er sich nur wenige Tage im Bundesgebiet aufgehalten hat und keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der BF im Bundesgebiet in irgendeiner Weise integriert wäre.
Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0180, vom 18. Mai 2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Person des Beschwerdeführers in ihren entscheidungsmaßgeblichen Aspekten auf jene des angefochtenen Bescheids gestützt. Die Beschwerde ist der Richtigkeit dieser Feststellungen und der zutreffenden Beweiswürdigung der Behörde nicht substanziiert entgegengetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102) und hat keine neuen Tatsachen vorgebracht.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Zu B) Zurückweisung des Kostenbegehrens des BFA:
Für das Begehren des BFA in seiner Stellungnahme vom 06.10.2021, dass der BF zum Ersatz von Kosten für Vorlageaufwand, Schriftsatzaufwand sowie allenfalls Verhandlungsaufwand der belangten Behörde verpflichtet werden möge, besteht im gegenständlichen Verfahren keine gesetzliche Grundlage, sodass das Kostenbegehren des BFA als unzulässig zurückzuweisen war.
Zu C) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt.
Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht sowohl auf umfangreiche Judikatur des EGMR sowie auf eine ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Diebstahl Einreiseverbot Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Kostentragung Mittellosigkeit Prognoseentscheidung Rechtsgrundlage strafrechtliche Verurteilung unzulässiger Antrag ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W144.2247148.1.00Im RIS seit
05.01.2022Zuletzt aktualisiert am
05.01.2022