TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/10 W203 2247726-1

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Veröffentlicht am 10.11.2021
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Entscheidungsdatum

10.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14 Abs7a
SchPflG 1985 §1
SchPflG 1985 §11
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §5 Abs1
StGG Art17

Spruch


W203 2247726-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde des mj. XXXX , geb. XXXX , vertreten durch seine erziehungsberechtigte Mutter XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Steiermark vom 03.09.2021, GZ.: 622052/31-2021, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2020/21 die vierte Klasse der Volksschule XXXX und wurde im Jahres- und Abschlusszeugnis in den Pflichtgegenständen „Deutsch, Lesen und Schreiben“ und „Mathematik“ mit „Genügend“ und in den weiteren sechs Pflichtgegenständen mit „Sehr gut“ beurteilt.

2. Am 30.05.2021 zeigte die Mutter des Beschwerdeführers dessen Teilnahme an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/2022 an. Dabei gab sie an, dass sie den Unterricht selber halten werde und dass dieser „verschieden, über den Tag verteilt, draußen in der Natur, bei Experimenten, Ausflügen und zuhause natürlich“ stattfinden werde.

3. Im Rahmen einer „Grobprüfung“ holte die Bildungsdirektion für Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde) eine Stellungnahme des Sozialreferats der Bezirkshauptmannschaft XXXX ein, aus der hervorgeht, dass die Familie des Beschwerdeführers der Kinder- und Jugendhilfe „seit Jahren bekannt“ sei. Der Beschwerdeführer gehe aus Sicht der Klassenlehrerin gern in die Schule und freue sich schon auf seine Zeit in der Mittelschule. Die Mutter des Beschwerdeführers würde ihre Entscheidungen ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse des Kindes, treffen, welches auch noch nichts vom geplanten häuslichen Unterricht wisse. Laut Auskunft der Volksschule XXXX sei es beim Beschwerdeführer während der Zeit des Home-Schooling zu einem starken Leistungsabfall gekommen, bis die Kindesmutter schließlich von sich aus den Beschwerdeführer wieder in die Schule geschickt habe, weil sie diesen nicht mehr motivieren habe können und weil ihm die sozialen Kontakte gefehlt hätten. Die Bezirkshauptmannschaft habe große Bedenken gegen den häuslichen Unterricht und teile die Einschätzung der VS XXXX , dass die Entscheidungen ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse des Kindes getroffen würden.

4. Mit am 13.07.2021 bei der belangten Behörde einlangendem Schriftsatz ergänzte die Mutter des Beschwerdeführers ihre Anzeige vom 30.05.2021 dahingehend, dass man sich der sozialen Verantwortung für den Beschwerdeführer durchaus bewusst sei. Diesem werde daher in verschiedenen Vereinen die Möglichkeit geboten, Sozialität zu erfahren. Er würde auch Kreativ-Workshops und Bastelwerkstätten besuchen und weiterhin ein Instrument an der Musikschule lernen. Auch die Großfamilie und Freundschaften von Kindern und Eltern würden den „sozialen Alltag“ bereichern.

5. Am 20.07.2021 führte der zuständige Schulqualitätsmanager in einem als „Grobprüfung des SQM der Anzeige des häuslichen Unterrichts“ bezeichneten Schreiben aus, dass diese Grobprüfung in Verbindung mit der Stellungnahme der Schule und des Sozialreferats der BH XXXX massive Zweifel an der Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts aufkommen lassen würde. Die Anzeige lasse zwar über weite Strecken keine Anhaltspunkte erkennen, dass die Gleichwertigkeit anzuzweifeln wäre, problematisch sei aber, dass die Angaben zu Ort und Zeitpunkt des Unterrichts nahelegen würden, dass eine feste Tagesstruktur, welche einen wichtigen Orientierungspunkt zur Gewinnung ausrechender psychischer Stabilität und erfolgreicher Lernprozesse darstelle, nicht vorliege. Außerdem habe auch die dem häuslichen Unterricht ähnliche Situation des ortsungebundenen Unterrichts nicht gut funktioniert und im häuslichen Unterricht, bei dem die Begleitung durch die Lehrkräfte wegfalle, würden diese Schwierigkeiten noch anwachsen. Es sei daher zweifelhaft, dass der häusliche Unterricht erfolgreich sein werde.

6. Am 27.08.2021 nahm die Mutter des Beschwerdeführers zu den Ausführungen des Schulqualitätsmanagers auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt Stellung:

Die täglichen Lerneinheiten würden von Montag bis Freitag am Vormittag abgehalten und falls notwendig am Nachmittag ergänzt werden. Diese Lerneinheiten würden – vorwiegend an den Wochenenden - durch Ausflüge, Museumsbesuche, Workshops Laborbesuche und spielerische Lerneinheiten ergänzt, weswegen in der Anzeige vom 30.05.2021 die dort enthaltenen Formulierungen hinsichtlich Zeit und Ort des Unterrichts gewählt worden wären. Hinsichtlich des Distance-Learnings sei anzumerken, dass man sich mit der „strikten Abarbeitung von Lernpaketen“ tatsächlich schwergetan habe. Dies sei auch der Grund dafür gewesen, dass man sich im Schuljahr 2021/22 für den häuslichen Unterricht entschieden habe.

Was die soziale Verantwortung gegenüber dem Beschwerdeführer, der man sich durchaus bewusst sei, anbelange, werde auf die bereits im Schreiben vom 13.07.2021 getätigten Ausführungen verwiesen.

7. Im Rahmen einer „2. Grobprüfung des SQM der Anzeige des häuslichen Unterrichts“ gelangte der zuständige Schulqualitätsmanager im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen:

Die Zweifel an der Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts seien nach wie vor aufrecht.

Die zunächst getätigten Einwendungen hinsichtlich des zeitlichen Ausmaßes des Unterrichts seien zwar inzwischen nicht mehr zutreffend, allerdings seien die von der bisher besuchten Volksschule sowie der Bezirkshauptmannschaft geäußerten Bedenken nicht zu entkräften. So habe bereits der unterstützte Unterricht in der ortsungebundenen Variante nicht gut funktioniert, wobei der Behauptung der Mutter des Beschwerdeführers, wonach es sich dabei um das „strikte Abarbeiten von Lernpaketen“ gehandelt habe, entgegengetreten werde.

8. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.09.2021, GZ.: 622052/31-2021 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde der angezeigte häusliche Unterricht für den Beschwerdeführer im Schuljahr 2021/22 untersagt (Spruchpunkt 1.), angeordnet, dass dieser im Schuljahr 2021/22 seine Schulpflicht in einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen habe (Spruchpunkt 2.) sowie die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ausgeschlossen (Spruchpunkt 3.).

Begründend wurde nach Wiedergabe der beiden durchgeführten „Grobprüfungen“ durch den zuständigen Schulqualitätsmanager und der Stellungnahmen der Mutter des Beschwerdeführers dazu sowie der einschlägigen Bestimmungen des § 11 SchPflG zu Spruchpunkt 1. und 2. ausgeführt: „Es wird festgestellt, dass aufgrund der durchgeführten Grobprüfung durch das Schulqualitätsmanagement die Gleichwertigkeit des Unterrichts mit jenem an einer öffentlichen Schule mit großer Wahrscheinlichkeit als nicht gewährleistet anzusehen ist.“

9. Am 10.09.2021 brachte die Mutter des Beschwerdeführers eine Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 03.09.2021 ein und begründete diese auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt: Den von der Behörde gehegten Zweifeln an der Gleichwertigkeit des Unterrichts könne insofern entgegengetreten werden, als einerseits der Familie seit Juni 2021 „organisatorische und pädagogische Hilfe“ zur Verfügung stehe und andererseits zu berücksichtigen sei, dass der Beschwerdeführer auch die Unterstützung durch einen Nachhilfelehrer in Anspruch nehmen könne. Auf die zitierten Stellungnahmen der Bezirkshauptmannschaft bzw. der Schule können nicht eingegangen werden, da diesbezüglich die Akteneinsicht verweigert worden wäre. Die „Gesamtsituation im Familiensystem“ sei durch die Coronamaßnahmen wie Testungen, Masken und ständig wechselnde Regelungen stark beeinträchtigt worden, was eine große Belastung für den Beschwerdeführer dargestellt habe. Ein Unterrichten im häuslichen Umfeld würde einer Stabilisierung der Situation dienen.

10. Am 13.09.2021 reichte die Mutter des Beschwerdeführers einen Befundbericht Fachärztin für Psychiatrie vom selben Tag vor, aus dem unter anderem hervorgeht, dass es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar sei, weiterhin in einem Klassenverband zu verbleiben.

11. Am 28.09.2021 gab der zuständige Schulqualitätsmanager eine Stellungnahme zur Beschwerde vom 10.09.2021 ab, in der festgehalten wird, dass mit der Beschwerde die in seinen früheren Stellungnahmen angeführten Gründe, die die Gleichwertigkeit des Unterrichts in Frage stellten, inhaltlich nicht entkräftet worden seien.

12. Einlangend am 28.10.2021 wurde die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der am XXXX geborene Beschwerdeführer ist im Schuljahr 2021/22 in Österreich schulpflichtig.

Es ist nicht mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der angezeigte häusliche Unterricht jenem an einer in § 5 Schulunterrichtsgesetz genannten Schule nicht mindestens gleichwertig ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem verwaltungsbehördlichen Verfahren, im Besonderen aus der Anzeige des häuslichen Unterrichts, den „Grobprüfungen“ des Schulqualitätsmanagers, der Stellungnahme der zuständigen Bezirkshauptmannschaft, den Stellungnahmen der Mutter des Beschwerdeführers sowie dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde. Der Sachverhalt konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

3.2.1. Art. 17 StGG garantiert die Freiheit des häuslichen Unterrichts auf jedem theoretischen Wissensgebiet ohne jede Beschränkung (vgl. VfSlg. 4579/1963 und 4990/1965). Die Garantie des Art. 17 Abs. 3 StGG ist im Zusammenhang mit Art. 17 Abs. 2 StGG zu sehen. Es ist dem Gesetzgeber verwehrt, die Erteilung häuslichen Unterrichts irgendwelchen Beschränkungen - wie beispielsweise der Festlegung des Erfordernisses einer fachlichen Befähigung für die Erteilung eines solchen Unterrichts - zu unterwerfen (VfSlg. 2670/1954; VwGH 29.1.2009, 2008/10/0332). Die Regelungen des Schulpflichtgesetzes beziehen sich daher ausschließlich auf die Frage, ob ein Kind durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht bereits seine Schulpflicht erfüllt, oder ob es dazu des Besuches einer allgemeinen Pflichtschule bedarf (vgl. VwGH 29.01.2009, 2008/10/0332 mwN).

Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.

Gemäß § 1 Schulpflichtgesetz (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idgF, besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht […].

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert neun Schuljahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen […] zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht […] auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist. […]

Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.“

3.2.2. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 20.311/2019) verstößt § 11 SchPflG nicht gegen Art. 17 Abs. 3 StGG, weil die Freiheit des häuslichen Unterrichts nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht beschränkt und daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden kann. Art. 17 Abs. 3 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (vgl. VfSlg. 20.311/2019).

Das Gesetz räumt der Behörde die Befugnis ein, die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht zu untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die in § 11 Abs. 1 oder 2 SchPflG geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes im Vergleich zu dem in einer öffentlichen Schule nicht gegeben ist. Mit Wahrscheinlichkeit ist eine Tatsache als gegeben anzunehmen, wenn gewichtigere Gründe für ihr Vorhandensein sprechen als dagegen. Von großer Wahrscheinlichkeit kann daher nur dann gesprochen werden, wenn die Gründe, die dafür sprechen, gegenüber den andern, die dagegen anzuführen sind, weitaus überwiegen (vgl. VwGH 25.04.1974, 0016/74; 25.02.1971, 2062/70).

Wie bereits der Wortlaut des § 11 Abs. 3 SchPflG deutlich macht, ist der einzige Grund, aus welchem die Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht zur Kenntnis genommen wird, sondern die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagt wird, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vorliegende Gleichwertigkeit des Unterrichts (vgl. VwGH 26.9.2019, Ra 2018/10/0201).

3.2.3. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung unter Heranziehung der Ergebnisse der Grobprüfung durch den Schulqualitätsmanager zum einen darauf, dass bereits der unterstützte Unterricht in der ortsungebundenen Variante nicht gut funktioniert habe und zum anderen darauf, dass mit der Entscheidung, den Beschwerdeführer häuslich zu unterrichten, dessen Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Beide Argumente gehen nach Ansicht des erkennenden Gerichts aber ins Leere und zwar aus folgenden Erwägungen:

Besondere Verfahrensvorschriften bezüglich der Ermittlung des Umstandes, ob der häusliche Unterricht gleichwertig ist, bestehen nicht (Wieser, Handbuch des österreichischen Schulrechts, Band I, S. 188). Die Schulbehörde ist aber verpflichtet, konkrete Feststellungen über die Art und die Organisation des häuslichen Unterrichtes sowie die praktischen Fähigkeiten der den Unterricht erteilenden Personen zur Ausbildung des zu unterrichtenden Kindes zu treffen (vgl. VwGH 25.04.1974, 0016/74 und 0017/74). In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass ein Rückschluss von einem – nach Ansicht der Schule und der Schulbehörden – nicht gut funktionierenden ortsungebundenen Unterricht, wie er während der Corona-Pandemie in Form des Distance-Learnings zur Anwendung gelangte, auf einen ebenfalls nicht funktionierenden häuslichen Unterricht nicht zulässig ist. Dies deshalb, da es sich bei der Beschulung in Form des Distance-Learnings einerseits und der Beschulung in Form des häuslichen Unterrichts andererseits um zwei streng voneinander zu unterscheidende und nicht vergleichbare Modelle handelt. Während bei der erstgenannten Variante der Unterricht nach wie vor – wenn auch nicht im Rahmen des Präsenzunterrichts - von der Schule erteilt wird und die Eltern der zu schulenden Kinder darauf vertrauen können, dass diese die Lernziele auch ohne – abgesehen von der sie treffenden Unterstützungsverpflichtung im Rahmen der Unterrichts- und Erziehungsarbeit - besonderes Zutun ihrerseits erreichen, verhält es sich beim häuslichen Unterricht genau umgekehrt. In dieser Konstellation ist den Eltern von Anfang an bewusst, dass sie selbst oder sonstige von ihnen beauftragte, geeignete Personen den Unterricht ohne Unterstützung von an der Schule tätigen Lehrkräften erteilen müssen und auch für die Erreichung der Lernziele verantwortlich sind und können sich auch entsprechend auf diese Situation einstellen und vorbereiten. Ein Nachlassen der schulischen Leistungen während der Phase des Distance-Learnings kann somit vielerlei Ursachen haben, muss aber nicht zwingend damit zusammenhängen, dass die Eltern des Kindes nicht in der Lage wären, ihr Kind häuslich zu unterrichten. Es ist zwar denkbar, dass in besonderen Konstellationen schon alleine ein nicht gut funktionierendes Distance-Learning ein Indiz für eine etwaige, ebenfalls nicht gut funktionierende Beschulung in Form des häuslichen Unterrichts darstellen kann, dass dies aber mit der vom Gesetz geforderten „großen Wahrscheinlichkeit“ der Fall sein werde, erscheint aber keinesfalls zulässig, falls nicht auch sonstige Umstände vorliegen, die an der Gleichwertigkeit des Unterrichts zweifeln lassen.

Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid herangezogenen Argument, nämlich, dass bei der Entscheidung für den häuslichen Unterricht die Bedürfnisse des Kindes nicht ausreichend berücksichtigt worden wären. Zum einen gibt es diesbezüglich einen durchaus unterschiedlichen Zugang der Mutter des Beschwerdeführers gestützt auf einen Befund einer Fachärztin für Psychiatrie einerseits und der Schule, der Schulbehörde und der Bezirkshauptmannschaft andererseits. Zum anderen stellt – wie bereits oben ausgeführt – die fehlende Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts den einzigen Untersagungsgrund dar. Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit ist insbesondere auf Ort und Organisation des Unterrichts und die Fähigkeiten der den Unterricht erteilenden Personen abzustellen. Der Umstand, dass – wie von der bisherigen Klassenlehrerin des Beschwerdeführers vorgebracht – der Beschwerdeführer gerne in die Schule gehe und dieser die sozialen Kontakte mit seinen bisherigen Mitschülern vermissen würde, stellt somit für sich alleine genommen keinen tauglichen Grund für eine Untersagung des häuslichen Unterrichts dar.

Vielmehr ist die belangte Behörde ihrer sich aus § 11 Abs. 3 SchPflG ergebenden Verpflichtung, die erforderlichen Feststellungen zu treffen, nachgekommen und stellte auch der zuständige Schulqualitätsmanager bereits am 20.07.2021 fest, dass die Anzeige „über weite Strecken keine Anhaltspunkte erkennen lässt, dass die Gleichwertigkeit anzuzweifeln wäre“ und lediglich die fehlende „feste Tagesstruktur“ kritisch zu bewerten wäre. Die Bedenken aufgrund des letztgenannten, zunächst als „kritisch“ bewerteten Umstands, konnten aber – auch aus Sicht des Schulqualitätsmanagers – nach Einholung einer Stellungnahme der Mutter des Beschwerdeführers zerstreut werden, sodass keine Anhaltspunkte verbleiben, um annehmen zu können, dass die Gleichwertigkeit des angestrebten häuslichen Unterrichts mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gegeben sein werde.

3.2.4. Ein gesonderter Abspruch bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG erübrigt sich angesichts der erfolgten Sachentscheidung.

3.2.5. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, m.w.N.).

Ein Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde nicht gestellt, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von Amts wegen ist nicht erforderlich.

3.2.6. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B)

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

3.3.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht Bescheidbehebung ersatzlose Behebung Gleichwertigkeit häuslicher Unterricht Pandemie Untersagung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W203.2247726.1.00

Im RIS seit

05.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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