Entscheidungsdatum
11.11.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W182 1435607-4/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. der Republik Aserbaidschan, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2021, Zl. 587687303/210780795, zu Recht erkannt:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) idgF, iVm § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 51/1991 (AVG) idgF, behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Aserbeidschans, gehört der aserbaidschanischen Volksgruppe an, ist Muslim und reiste im April 2012 im Alter von XXXX Jahren zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder illegal ins Bundesgebiet ein, wo für ihn am selben Tag ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.
Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte die Mutter des damals noch minderjährigen BF im Wesentlichen vor, dass ihr Gatte im Oktober 2011 von unbekannten Männern getötet worden sei und sie in der Folge Drohanrufe erhalten habe, wobei auch der BF bedroht worden sei. Der BF habe darüber hinaus keine eigenen Fluchtgründe.
Der Antrag des BF wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.05.2013, Zl. 12 04.997-BAS, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und ihm der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Aserbaidschan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 wurde die Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Aserbaidschan verfügt (Spruchpunkt III.). Begründend ging die Behörde von der Unglaubwürdigkeit der von der Mutter des BF für ihn geltend gemachten Fluchtgründe aus.
Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.06.2013 (zugestellt am 28.06.2013), Zl. E11 435.607-1/2013/4E, in allen Spruchpunkten abgewiesen. Auch der Asylgerichtshof ging von der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens aus.
Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde für den BF wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11.12.2013, Zl. U 1617-1619/2013-12, abgelehnt.
1.2. Der BF ist trotz rechtskräftiger und durchsetzbarer Ausweisung im Bundesgebiet verblieben. Am 16.09.2014 stellte die Mutter des BF für sich, den BF und dessen Bruder Folgeanträge auf internationalen Schutz. Diesen begründete sie im Wesentlichen mit ihren bisherigen Fluchtgründen, wonach sie und ihre Söhne nach der Ermordung ihres Gatten von unbekannten Männern bedroht worden wären. Der inzwischen XXXX jährige BF machte zusätzlich geltend, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland den Militärdienst in der Dauer von 18 Monaten ableisten zu müssen.
Der Folgeantrag des BF wurde - wie jene seiner Familienangehörigen - mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 22.10.2014, Zl. 587686709-14975729, gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.11.2014, Zl. L519 1435607-2/3E, gemäß § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen.
1.3. Am 17.05.2018 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltsrechts aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 AsylG 2005. Er begründete seinen Antrag im Wesentlichen mit der Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet und mit seinen Sprachkenntnissen.
Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.05.2018, Zl. 587687303-180478177, gem. § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass in Bezug auf die privaten und familiären Verhältnisse des BF keine relevanten Änderungen eingetreten seien. Eine dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.10.2019, Zl. L519 1435607-3/5E, abgewiesen.
2.1. Der BF stellte am 11.06.2021 im Bundesgebiet einen zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz.
Diesen begründete er in einer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.06.2021 im Wesentlichen damit, dass er in Aserbaidschan staatenlos sei und dort verhaftet werden bzw. ins Gefängnis kommen würde. Er habe Angst, dort umgebracht zu werden. Seine Familie sei vor seinen Augen bedroht worden, da sie Schulden gehabt hätten. Im Dezember 2018 habe er erfahren, dass sie ihn bei seinem Onkel in Aserbaidschan gesucht hätten. Ohne Dokumente, Staatsbürgerschaft und Arbeit könne er in Aserbaidschan nichts machen. Er habe dort nichts. Er sei in Österreich aufgewachsen. Er beherrsche Aserbaidschanisch auch nicht so gut.
Das Verfahren wurde mit Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte nach § 51 AsylG 2005 an den BF am 15.06.2021 zugelassen.
In einer Einvernahme durch das Bundesamt am 26.07.2021 sowie am 30.07.2021 brachte der BF im Wesentlichen vor, wegen des Grundwehrdienstes und den Problemen seines ermordeten Vaters nicht nach Aserbaidschan zurückkehren zu wollen. Sein Vater habe Schulden gehabt und sei ermordet worden. Der BF befürchte Sanktionen von den Personen, bei denen sein Vater schulden gehabt habe. Er befürchte, umgebracht zu werden. Sein Vater sei eigentlich sein Stiefvater gewesen. Über seinen richtigen Vater würden er und sein Bruder nichts wissen. Der BF habe ihn nie gesehen und habe auch keine Ahnung, ob dieser noch lebe. Der BF habe noch einen Halbbruder, der nach Österreich gekommen sei. In Aserbaidschan gelte der BF als staatenlos. Er bekomme keine Dokumente, weil er seine Wehrpflicht nicht abgeleistet habe. Er habe auch nicht das Geld, um sich vom Militärdienst freizukaufen. Er sei gegen den Militärdienst eingestellt, weil in Aserbaidschan Gewalt herrsche. Er würde als Verräter hingestellt werden, weil Krieg mit Armenien um Bergkarabach bestehe und er sich nicht beteiligt habe. Das Fehlen seiner Freiwilligkeit würde nachteilig ausgelegt werden. Wenn er nach Aserbaidschan reisen würde, müsste er direkt ins Gefängnis kommen. Danach befragt, was gegen eine Ableistung seiner Wehrpflicht spreche, gab er an, als Verräter dargestellt zu werden. Der BF sei mit seinem Bruder und seiner Mutter von Juni 2020 bis Juni 2021 illegal in Deutschland gewesen. Seine Mutter sei in Deutschland geblieben. Es bestehe kein Kontakt zu ihr. In Aserbaidschan lebe nur ein Onkel, von dem der BF den Namen nicht kenne und auch kein Kontakt bestehe. Der BF habe in Aserbaidschan bis 2012 sechs Jahre die Schule besucht. In Österreich habe er den Pflichtschulabschluss absolviert.
3.1. Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 68 Abs. 1 AVG bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt II.) zurückgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Aserbaidschan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass nach § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Mit Spruchpunkt VII. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
3.2. Seitens des Bundesamtes wurde im bekämpften Bescheid zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz des BF festgestellt:
„Fest steht, dass Sie Ihren Folgeantrag mit Militär- und Geldproblemen begründen. Fest steht, dass Sie seit Rechtskraft Ihrer Ausweisung (Bescheid vom 24.05.2013, Zahl 1204.997-BAS, rechtskräftig seit 26.06.2013) ausreisepflichtig sind. Fest steht, dass Sie seit Rechtskraft Ihrer Vorverfahren nicht in Ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt sind. In Ihrem Vorverfahren wurde festgestellt, dass Sie in Aserbaidschan weder politisch oder parteipolitisch tätig waren und auch nicht wegen Ihrer politischen Gesinnung bzw. Aktivitäten verfolgt wurden, keine asylrelevanten Probleme auf Grund Ihrer Religionszugehörigkeit, keine asylrelevanten Probleme auf Grund Ihrer Rasse oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe hatten, keine asylrelevanten Probleme auf Grund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit hatten und keiner staatlichen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt waren. Fest steht, dass wirtschaftliche Gründe sowie die staatsbürgerliche Pflicht, für seinen Herkunftsstaat einen Grundwehrdienst abzuleisten, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt Ihrer Vorverfahren nicht verändert. Fest steht, dass das Ableisten der Wehrpflicht sowie wirtschaftliche Umstände bei Ihren Vorverfahren angesprochen und darüber rechtskräftig entschieden wurden. Fest steht, dass Ihr gegenwärtiges Vorbringen nicht dazu geeignet ist, die Identität der Sache zu verändern. Fest steht, dass entschiedene Sache gem. § 68 AVG sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten, als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten vorliegt.“
Hinsichtlich der Situation in Aserbaidschan wurde unter „Wehrdienst und Rekrutierungen“ festgestellt:
„Die Verfassung sieht in Art. 76 Abs. 1 die allgemeine Wehrpflicht vor. Artikel 76 Abs. 2 ergänzt, dass ein Wehrersatzdienst denen offen steht, deren Überzeugungen der Leistung eines aktiven Wehrdienstes entgegenstehen. Trotz wiederholter Mahnungen des Europarates wurde bis heute kein entsprechendes Gesetz verabschiedet, mit dem Hinweis auf den fortbestehenden Kriegszustand mit Armenien (AA 17.11.2020). Es gibt glaubwürdige Berichte darüber, dass ein Freikauf vom Militärdienst bzw. Erwirkung einer Versetzung auf „angenehmere“ Verwendungsposten durch Zahlung von Schmiergeldern weit verbreitet ist (AA 17.11.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Männer zwischen 18 und 35 Jahren sind zum Militärdienst verpflichtet. Für den freiwilligen Militärdienst beträgt das Mindestalter 17 Jahre. Die Dauer des Militärdienstes beträgt 18 Monate, für Hochschulabsolventen 12 Monate (CIA 24.11.2020). Männer, die bei medizinischen Einberufungsuntersuchungen als schwul erkannt oder verdächtigt werden, schwul zu sein, werden rektal untersucht und oft als untauglich für den Militärdienst befunden, weil sie demzufolge als psychisch krank eingestuft wurden (USDOS 11.3.2020). Zeugen Jehovas sehen sich Schikanen sowie einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt, weil sie sich dem Militärdienst entzogen haben (FH 4.3.2020).“
Beweiswürdigend wurde u.a. ausgeführt:
„Anzumerken ist, dass Sie angaben, dass Sie gegen eine Ableistung des Wehrdienstes in Aserbaidschan wären und wirtschaftliche Probleme befürchten würden. Genau diese Befürchtungen wurden bei Ihrem zweiten Asylverfahren auch angesprochen, weshalb kein neuer Sachverhalt entstanden ist und auch nicht erneut bezüglich einer etwaigen Zuerkennung von internationalem Schutz bzw. subsidiären Schutz zu beurteilen war.
Dass Sie mittlerweile volljährig sind und in Aserbaidschan Ihren Grundwehrdienst ableisten müssten, verändert die Identität der Sache nicht. Es gehört zu Ihren staatsbürgerlichen Pflichten, sich zeitlich begrenzt für das Militär Ihres Herkunftsstaates zu engagieren. Wie durch die landeskundlichen Feststellungen belegt, befindet sich Aserbaidschan abgesehen vom eingefrorenen Konflikt in Berg-Karabach nicht im Krieg mit einer anderen Nation. Die Lage in Berg-Karabach hat sich wieder beruhigt, was durch den unter Vermittlung Russlands eingetretenen Waffenstillstand gesehen wird (vgl. Abschnitt Problemzone Berg-Karabach in den landeskundlichen Feststellungen).
Für Sie als Einzelperson wird nur aufgrund Ihrer Verpflichtung zur Ableistung des Grundwehrdienstes kein erhöhtes Bedrohungspotential erkannt, was wiederum belegt, dass sich der maßgebliche Sachverhalt in Relation zu Ihrem Vorverfahren nicht verändert hat und demnach die Identität der Sache unverändert blieb.
Auch sind Mutmaßungen bezüglich wirtschaftlicher Zukunftsaussichten nicht für die Erwirkung von Internationalen Schutz bzw. subsidiären Schutz ausschlaggebend. In der Volkswirtschaft Aserbaidschan ist sehr wohl großes Potential zu sehen, was bedeutet, dass ein gesunder, junger Mann beruflich Fuß fassen und sich Wohlstand erarbeiten kann. Dazu müssen Sie jedoch innerlich bereit sein und auch verstehen, dass durch Verzögern von Asylverfahren oder dem Widersetzen gegen eine Rückkehr in den Herkunftsstaat keine zufriedenstellende Lösung erwirkt werden kann. Durch Ihre Befürchtungen betreffend einer möglicherweise wirtschaftlich schlechteren Zukunft wird der maßgebliche Sachverhalt in Relation Ihres Vorverfahrens nicht verändert.
[…]
Sie begründeten Ihren Folgeantrag mit bei Ihrer Erstbefragung mit Militär- und Geldproblemen. Auch würden Sie keine Möglichkeit sehen, in Aserbaidschan in Ruhe zu leben. Sie schilderten bei Ihrer Erstbefragung am 12.06.2021 Begebenheiten, über welche rechtskräftig entschieden wurde.
Auch bei Ihrer Einvernahme äußerten Sie Bedenken aufgrund der Wehrpflicht:
[…]
LA: Welche Befürchtungen haben Sie bezüglich Ihrer Rückkehr?
VP: Ich befürchte, dass ich in Aserbaidschan ohne Dokumente als obdachlos gelte. Auch befürchte ich einen Gefängnisaufenthalt, weil ich das Militär nicht machen kann. Auch befürchte ich Konsequenzen aufgrund des langen Aufenthalts im Ausland.
LA: Warum wollen Sie keinen Wehrdienst leisten?
VP: Ich bin gegen den Militärdienst eingestellt, weil in Aserbaidschan Gewalt herrscht. Ich würde als Verräter hergestellt werden, weil Krieg mit Armenien um Berg-Karabach besteht, und ich mich nicht beteiligt habe. Das Fehlen meiner Freiwilligkeit würde nachteilig ausgelegt werden.
[…] (vgl. Protokoll Ihrer Einvernahme vom 30.07.2021 S. 10f).
Wie in den landeskundlichen Feststellungen festgehalten, ist es auch möglich, einen Wehrersatzdienst abzuleisten.
Es hat sich demnach auch der entscheidungsrelevante Sachverhalt hinsichtlich einer etwaigen Zuerkennung von subsidiärem Schutz nicht verändert, weshalb Ihr Antrag bezüglich einer Zuerkennung von subsidiärem Schutz ebenfalls gem. § 68 AVG zurückzuweisen war.“
3.3. Mit Schreiben des Bundesamtes vom 30.09.2021 wurde der BF darüber informiert, dass ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird.
4. Gegen den Bescheid des Bundesamtes wurde seitens des BF binnen offener Frist bei gleichzeitiger Anregung auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Beschwerde erhoben. Der Bescheid wurde im vollen Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, angefochten.
Dazu wurde konkret bemängelt, dass die belangte Behörde zwar davon ausgehe, dass der BF den neuen Sachverhalt in Bezug auf Wehrdienstverweigerung bereits im ersten Asylverfahren vorbringen hätte müssen, bei näheren Ermittlungen jedoch erfahren hätte müssen, dass der BF im ersten Asylverfahren minderjährig gewesen sei und das wehrpflichtige Alter nicht erreicht habe. Überdies habe die Behörde die neue Tatsache hinsichtlich des Bergkarabach-Kriegs Ende 2020 zwischen den Staaten Armenien und Aserbaidschan nicht in Betracht gezogen, wodurch in Summe dem BF wegen einer Entziehung vom Wehrdienst in Kriegszeiten unverhältnismäßig lange Freiheitsstrafen drohen. Somit handle es sich auch um einen neuen Sachverhalt. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen würden sich kaum mit dem konkreten Fluchtvorbringen des BF befassen und seien dadurch als Begründung zur Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz unzureichend. Es würden aktuelle und ausführliche Länderberichte bezüglich Umstände bzw. Übergriffe auf Personen, die sich dem Wehrdienst in Kriegszeiten entziehen, fehlen. Darüber hinaus würden Berichte hinsichtlich der Bestrafung wegen der Wehrdienstverweigerung sowie der Haftbedienungen in Aserbaidschan fehlen. Da dies jedoch wichtige Aspekte hinsichtlich der Asylrelevanz der Fluchtvorbringen des BF seien, hätte die Behörde dahingehend jedenfalls ermitteln und die entsprechenden Länderberichte heranziehen müssen. Daher habe die belangte Behörde die bekämpfte Entscheidung jedenfalls mit Mängeln behaftet. Überdies habe die belangte Behörde das Verfahren mit grober Mangelhaftigkeit belastet, indem sie kein länderkundliches Sachverständigengutachten anfertigen habe lassen, obwohl dies zur Beurteilung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes dringend geboten gewesen wäre. Laut ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte sei eine aktuelle Beurteilung der Lage in der Herkunftsregion des BF notwendig, um die Asylrelevanz der Fluchtvorbringen des BF ausreichend beurteilen zu können. Die belangte Behörde habe den Antrag des BF zurückgewiesen, weil sie davon ausgehe, dass er keine neuen Fluchtgründe vorgebracht hätte. Sie stütze sich dabei auf die Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme, worin der BF jedoch neue Fluchtgründe vorgebracht habe, da er erstmals ausgeführt habe, dass ihm wegen einer Entziehung vom Wehrdienst in Kriegszeiten unverhältnismäßig lange Freiheitsstrafen drohen und er überdies aufgrund der damit einhergehenden Gefahr nicht nach Aserbaidschan zurückkehren könne, insbesondere nach dem Konflikt mit Armenien im vorigen Jahr. Der BF habe das wehrpflichtige Alter erreicht und unterliege in Aserbaidschan grundsätzlich der allgemeinen Wehrpflicht, da diese alle Männer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren treffe. Er sei grundsätzlich auch zur Einziehung zum Wehrdienst vorgesehen, weil Aserbaidschan jährlich auch die Einziehung derjenigen vorsehe, die schon in früheren Jahren das wehrpflichtige Alter erreicht haben, aber bisher noch nicht eingezogen worden seien. Grundlage für die Einziehung zum Wehrdienst seien sog. Fermane (Dekrete) des Präsidenten von Aserbaidschan. Die Fermane zur Einziehung würden sich im Wortlaut lediglich durch die einzuziehenden Jahrgänge unterscheiden. Sie würden jeweils die Einziehung des das wehrpflichtige Alter erreichenden Jahrgangs sowie aller Jahrgänge davor, deren Angehörige noch jünger als 35 Jahre seien, bestimmen. Der BF sei nicht in der Lage, in Aserbaidschan der Erfüllung seiner Wehrpflicht über einen längeren Zeitraum hinweg auszuweichen oder sich der ihm drohenden Mehrfachbestrafung wegen der Wehrdienstverweigerung dauerhaft zu entziehen. Der Bergkarabach Krieg vom Herbst 2020, seine katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Folgen sowie die Verfolgung wegen der Entziehung vom Wehrdienst in Kriegszeiten, wodurch mit einer Verurteilung zu unverhältnismäßig langen Freiheitsstrafen von drei bis sieben Jahren zu rechnen sei, würden den BF zusätzlich treffen. Dies stellt die Gefahr einer erniedrigenden und entwürdigen Bestrafung dar, die außer Verhältnis zu dem Zweck stehe, die Ableistung des Wehrdienstes sicherzustellen (vgl. VG Berlin, Urt. v. 12.3.2019 - 35 K 18.19 A -, juris Rn. 36 m.w.N. und. VG Lüneburg, Urteil vom 16.11.2020 - 2 A 21/18 - asyl.net: M29074, unter Bezug auf EGMR, Ülke gg. Türkei, Urteil vom 24.1.2006, Nr. 39437/98). Deshalb habe der BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, da über diesen Umstand noch nicht entschieden worden sei und sich die objektive Situation im Herkunftsstaat seit der letzten Entscheidung entscheidungsrelevant geändert habe, womit ein neuer Sachverhalt vorliege. Die Behörde habe es auch unterlassen, diese wesentlichen Punkte aufzugreifen und den BF genauer dazu zu befragen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird den Feststellungen zugrundegelegt.
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt, insbesondere dem vom Bundesamt herangezogenen und vorgelegten Akt zur im Spruch genannten Zahl sowie der Beschwerdeschrift.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063): "Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f)."
Gemäß § 18. Abs. 1 AsylG haben das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Mit § 18 Abs. 1 AsylG 2005 (wie auch schon mit der nahezu wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997) wurde die aus § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, speziell für das Asylverfahren weiter konkretisiert (vgl. dazu VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). So verpflichtet § 18 Abs. 1 AsylG 2005 idgF das Bundesamt (zuvor Bundesasylamt), in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (zum Umfang der Ermittlungspflichten vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599).
Zu Spruchteil A):
2.2. Das Bundesamt stützte hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des bekämpften Bescheides die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages auf die Feststellung, dass diesbezüglich eine entschiedene Sache nach § 68 Abs. 1 AVG vorliege.
Sache des gegenständlichen Verfahrens ist vorweg die verfahrensrechtliche Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags hinsichtlich des Status des Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten durch das Bundesamt gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Es ist daher dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (Vgl. VwGH 25.04.2017, Zl. Ra 2016/01/0307).
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Sinne der Rechtskraftwirkung von § 68 Abs. 1 AVG nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Vergleichsbescheid derjenige Bescheid heranzuziehen ist, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. VwGH 15.11.2000, Zl. 2000/01/0184; VwGH 16.07.2003, Zl. 2000/01/0440; VwGH 26.07.2005, Zl. 2005/20/0226; VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783; vgl. weiters Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 104 zu § 68 AVG).
Im vorliegenden Fall war daher hinsichtlich des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz des BF betreffend die Frage der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten als Vergleichsentscheidung das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.06.2013 (zugestellt am 28.06.2013), Zl. E11 435.607-1/2013/4E, und nicht – wie dies jedoch im bekämpften Bescheid hinsichtlich des Vorliegens einer entschiedenen Sache mit Bezugnahme auf das zweite Asylverfahren im Ergebnis teilweise argumentiert wurde – das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.10.2014, Zl. 587686709-14975729, dessen Gegenstand lediglich die Zulässigkeit einer zurückweisenden Entscheidung war, heranzuziehen.
2.3. Der BF machte zur Begründung des gegenständlichen Folgeantrages seit Juni 2013 neu hinzugetretene Umstände, nämlich die ihn mit Erreichen seines 18. Geburtstags treffende Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes im Herkunftsland und damit im Zusammenhang stehende wegen Wehrdienstverweigerung drohende unverhältnismäßige Strafen geltend. Hinzu kommt, dass zwischen Juli und November 2020 in Abwesenheit des zu diesem Zeitpunkt aufgrund seines Alters grundsätzlich bereits militärdienstpflichtigen BF kontinuierlich Kampfhandlungen zwischen den Streitkräften von Armenien und Aserbaidschan stattgefunden haben. Diese Umstände sind zweifelsfrei auch zur Gänze erst nach rechtskräftigem Abschluss des ersten – wie auch des zweiten - Asylverfahrens eingetreten.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Asylwerbers auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine "bloße" Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein. Eine bloße nicht auf Konventionsgründen beruhende, unverhältnismäßige Bestrafung von Wehrdienstverweigerern - wie etwa auch durch unmenschliche und erniedrigende Haftbedingungen (im Sinne des Art. 3 EMRK) - kann hingegen zur Gewährung von subsidiären Schutz führen (vgl. dazu insbesondere VwGH 23.01.2018, Zl. Ra 2017/18/0330, mit Verweis auf EuGH 26.02.2015, Rechtssache C- 472/13, ‚Shepherd‘).
2.4. Das Bundesamt hat es vor dem Hintergrund der unter Punkt II.2.3. zitierten Judikatur gänzlich unterlassen, sich ausreichend mit dem Vorbringen des BF und seinen Motiven auseinanderzusetzen.
So erklärte der BF, dass er gegen den Militärdienst eingestellt sei, weil in Aserbaidschan Gewalt herrsche und gab weiter an, dass er als Verräter angesehen werde, weil er sich nicht am Krieg um Bergkarabach beteiligt habe. Trotz dieser eklatant abklärungsbedürftigen Hinweise hat es die Behörde jedoch vermieden, den BF dazu näher zu befragen bzw. ihn aufzufordern, seine diesbezüglichen Angaben zu konkretisieren. Das Bundesamt hat es letztlich auch nicht für notwendig empfunden, sich im Rahmen der Ermittlungspflicht mit der Ernsthaftigkeit bzw. Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF auseinanderzusetzen.
Gleichzeitig hat es das Bundesamt aber auch verabsäumt, sich mit der entscheidungsrelevanten Situation im Herkunftsland auseinanderzusetzen. So geht aus den Länderfeststellungen weder hervor, welche Strafen in Aserbaidschan im Fall der Wehrdienstverweigerung drohen, noch wie diese in der Praxis – insbesondere infolge der Kriegshandlungen im Jahr 2020 – vollzogen werden. Es fehlen aber auch jegliche Feststellungen, ob im Ausland aufhältige aserbaidschanische Staatsangehörige, die das 18. Lebensjahr erreicht haben und – insbesondere auch im Hinblick auf allfällige Einberufungen anlässlich des „Krieges“ um Bergkarabach im Jahr 2020 - ihrem Militärdienst nicht nachgekommen sind, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland konkrete Sanktionen zu befürchten haben. Zudem wurden keinerlei Feststellungen zu den Haftbedingungen in Straf-oder Militärgefängnissen in Aserbaidschan getroffen.
Angesichts dieser massiven Ermittlungsmängel erweist sich auch die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung als nicht geeignet, das im bekämpften Spruch wiedergegebene Verfahrensergebnis zu rechtfertigen. Der Vollständigkeit halber ist dazu noch zu ergänzen, dass die in der Beweiswürdigung von der Behörde vertretene Argumentation, dass es dem BF auch möglich wäre, einen Wehrersatzdienst abzuleisten, im eklatanten Widerspruch zu den getroffenen Länderfeststellungen steht, wonach in Aserbaidschan trotz wiederholter Mahnungen des Europarates mit dem Hinweis auf den fortbestehenden Kriegszustand mit Armenien bis heute kein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden sei.
Unter Zugrundelegung der unter Punkt II.2.3. zitierten Judikatur sowie der mangelhaften Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes ist a priori auch nicht auszuschließen, dass dem Vorbringen des BF Asylrelevanz zukommt.
2.5. Zusammengefasst ist daher festzustellen, dass sich das Bundesamt hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer entschiedenen Sache in völlig ungeeigneter Weise mit dem neuen Vorbringen des BF auseinandergesetzt hat. Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Verfahren ist im Ergebnis daher so mangelhaft, dass die Durchführung einer Verhandlung bzw. Wiederholung einer Einvernahme unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen - bereits im Kern - nicht den Tatsachen entspräche. Weitreichende Erhebungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach durch das Verwaltungsgericht erstmals zu tätigen. Indem das Bundesamt es unterlassen hat, für die Beurteilung des Falles relevante Länderfeststellungen ins Verfahren einzuführen und sich letztlich auch die Befragung des BF zu seinen Fluchtgründen als äußerst oberflächlich erweist, ist im Ergebnis davon auszugehen, dass die Behörde lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt bzw. bloß ansatzweise ermittelt hat, sodass vom Vorliegen besonders gravierender Ermittlungslücken auszugehen ist. Indem das Bundesamt das Vorbringen des BF somit im Ergebnis ignoriert hat, steht mangels entsprechender Ermittlungen auch der maßgebliche Sachverhalt zur Gänze nicht fest (vgl. VwGH 17.05.2021, Ra 2021/18/0089).
Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Verwaltungsgerichts gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. So können keine Anhaltspunkte dafür erkannt werden, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache im Interesse der Raschheit gelegen wäre. Das Verfahren würde durch eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Beschleunigung erfahren, zumal es auch nicht als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde anzusehen ist und die Verwaltungsbehörde durch die bei ihr eingerichtete Staatendokumentation wesentlich rascher und effizienter die notwendigen Ermittlungen nachholen kann. Aus der Aktenlage ergeben sich weiters auch keine Hinweise, wonach die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Vielmehr ist angesichts der Einrichtung und Ausstattung des Bundesamtes als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde vom Gegenteil auszugehen. Letztlich wäre es dem Bundesverwaltungsgericht aber auch verwehrt, den Verfahrensgegenstand einer allfälligen meritorischen Erledigung zuzuführen (vgl. dazu etwa VwGH 09.11.2010, Zl. 2007/21/0493, mit Verweis auf VwGH 15.06.1987, Zl. 86/10/0168; VwGH 29.05.2009, Zl. 2007/03/0157 sowie auch VfGH vom 18.06.2014, Zl. G 5/2014-9 zu § 28 VwGVG).
Unter Zugrundelegung des unter Punkt II.2.4. im Detail Ausgeführten wird der BF von der belangten Behörde erstmals detailliert und ausführlich zu seinen Motiven und Befürchtungen im Zusammenhang mit einer Wehrdienstverweigerung zu befragen sein. Entsprechend seiner Angaben werden danach relevante und aussagekräftige Länderinformationen einzuholen sein. Jedenfalls werden unter Beachtung besonderer Entwicklungen infolge des Krieges um Bergkarabach im Jahr 2020 Ermittlungen zur Regelung und Umsetzung der Wehrpflicht in Aserbaidschan – auch gerade hinsichtlich im Ausland aufhältiger wehrpflichtiger Personen - sowie zu konkreten Strafen, zur Strafpraxis und zu Haftbedingungen bei einer Wehrdienstverweigerung durchzuführen sein.
Der Vollständigkeit halber ist hinsichtlich des bekämpften Spruchpunktes VII. noch darauf hinzuweisen, dass sich aus § 16 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ergibt, dass einer Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese wie hier mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist, per se eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt.
2.4. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 leg. cit. kann eine Verhandlung entfallen, wenn u.a. bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben (vgl. dazu die unter den Punkten II.2.2.1 f. zitierte Judikatur)
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W182.1435607.4.00Im RIS seit
03.01.2022Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022