Entscheidungsdatum
12.11.2021Norm
AsylG 2005 §7 Abs1Spruch
W252 2211987-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Somalia, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2018 zur Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.10.2021, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Dem Beschwerdeführer (in Folge: „BF“), ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, wurde mit Bescheid vom 19.11.2010 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (ehem. Bundesasylamt) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
2. Mit Bescheid vom 02.10.2018 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde dem BF der Status des Asylberechtigten gemäß §§ 7 Abs 1 Z 1 iVm 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 aberkannt (Spruchpunkt I.), ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) erteilt. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.) und ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen (Spruchpunkt VII.)
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF mehrfach strafgerichtlich unter anderem wegen Drogendelikten verurteilt worden sei. Drogendelikte seien typischerweise besonders schwere Verbrechen. Der BF stelle aufgrund seines Fehlverhaltens eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, weshalb ihm der Status des Asylberechtigten abzuerkennen sei.
3. Der BF erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte zahlreiche Verfahrensmängel sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor.
4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 05.10.2021 eine mündliche Verhandlung durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Er ist somalischer Staatsangehöriger.
Der BF ist mehrfach strafgerichtlich verurteilt und weist folgende Verurteilungen auf (siehe Auszug aus dem Strafregister vom 06.08.2021, OZ 15):
Am 25.07.2016 wurde der BF als junger Erwachsener durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu 152 Hv 71/2016z wegen §§ 83 (1) iVm 84 (2) StGB, §§ 15 iVm 269 (1) 1. Fall StGB, § 146 StGB, § 134 (1) StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Am 09.01.2017 wurde der BF als junger Erwachsener durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu 152 Hv 130/2016a wegen §§ 127, 129 (1) Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt, verurteilt.
Am 05.07.2017 wurde der BF als junger Erwachsener durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu 153 Hv 42/2017v wegen §§ 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe des Urteils vom 25.07.2016 wurde widerrufen.
Am 14.03.2018 wurde der BF als junger Erwachsener durch das BG Josefstadt zu 015 U 188/2017a wegen § 83 (1) StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.
Am 22.06.2018 wurde der BF durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu 072 Hv 72/2018m wegen § 27 (2a) 2. Fall SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe des Urteils vom 09.01.2017 wurde widerrufen.
Am 09.10.2019 wurde der BF durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu 033 Hv 32/2019v wegen §§ 83 (1) iVm 84 (2) StGB, § 146 StGB, § 15 StGB iVm § 269 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe des Urteils vom 14.03.2018 wurde widerrufen.
Darüber hinaus wurde der BF wegen keiner anderen gerichtlich strafbaren Handlung verurteilt.
Der BF stellt keine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar.
Der BF hat sich nicht wieder unter den Schutz Somalias gestellt, und hat sich auch nicht wieder dort niedergelassen. Der BF hat seinen Lebensmittelpunkt in Österreich.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Namen und der Staatsbürgerschaft des BF ergeben sich aus den dahingehend übereinstimmenden und stringenten Angaben des BF im gesamten gegenständlichen Verfahren. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF (Namen und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich zur Identifizierung des BF im Asylverfahren.
Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister vom 06.08.2021 (OZ 15).
Es finden sich keine stichhaltigen Gründe, die die Annahme rechtfertigen, dass der BF eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, insbesondere sind keine Umstände ersichtlich, die sich gegen den Staat richten und dessen Bestand gefährden und hat die belangte Behörde auch nicht begründet, wieso vom BF eine solche Gefahr ausgehen sollte. Vielmehr hat sie sich lediglich auf die Verurteilungen gestützt.
Die Feststellung zum Lebensmittelpunkt des BF ergibt sich aus dem ZMR Auszug vom 21.09.2021 (OZ 15). Gegenteiliges ist im Verfahren nicht hervorgekommen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Aberkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. Gemäß § 7 Abs 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten eines Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn:
1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;
2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder
3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
Hinsichtlich des Aberkennungstatbestands des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist auszuführen, dass gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen ist, wenn:
1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;
2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;
3. aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder
4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
3.1.2. Angewendet auf den Sachverhalt bedeutet das:
Gemäß Art 1 Abschnitt D GFK findet die leg.cit. auf Personen keine Anwendung, die derzeit von anderen Organen oder Organisationen der Vereinten Nationen als dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten. Das trifft auf den BF nicht zu.
Gemäß Art 1 Abschnitt F GFK sind die Bestimmungen dieses Abkommens auf Personen nicht anwendbar, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, dass sie (a.) ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, und zwar im Sinne jener internationalen Einrichtungen, die ausgearbeitet wurden, um Bestimmungen gegen solche Verbrechen zu schaffen, (b) bevor sie als Flüchtlinge in das Gastland zugelassen wurden, ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen haben, (c) sich Handlungen schuldig gemacht haben, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen richten. Solche Gründe finden sich in Bezug auf den BF nicht, wurden nicht vorgebracht und sind im Verfahren auch nicht hervorgekommen.
Zur Frage, ob im Sinne des § 6 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt ist folgendes anzumerken. Der VfGH führte in seinem Erkenntnis (VfGH 13.12.2011, U 1907/19; VfSlg. 19591) zu § 9 Abs 2 Z 2 AsylG aus, dass eine „Gefahr für die Sicherheit oder für die Allgemeinheit eines Landes“ nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei, oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen (siehe auch VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155). Daraus ergibt sich, dass mit der in § 6 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 genannten „Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich“ eine Gefährdung der Existenz oder territorialen Integrität Österreichs gemeint ist. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich außerdem, dass hierunter etwa extremistische und terroristische Handlungen bzw das Unterstützen einer extremistischen oder terroristischen Vereinigung zu verstehen sind (siehe ErläutRV 582 BlgNR 25. GP 11f; in diesem Sinne auch VwGH 04.04.2019, Ro 2018/01/0014). Für eine derartige Gefährdung kommen auch geheimdienstlichen Tätigkeiten, Sabotage oder systematisch begangene terroristische Akte mit dem Ziel die Regierung des Aufenthaltsstaates zu stürzen, oder die Eroberung des Aufnahmestaates durch einen Drittstaat zu ermöglichen in Frage (vgl. Böckmann-Winkler/Lipphart-Kirchmeir in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 6 AsylG 2005). Im gegenständlichen Fall sind keine Umstände hervorgekommen, die zur Annahme gereichen, irgendein Verhalten des BF habe sich gegen die Republik Österreich selbst gerichtet, oder deren Bestand gefährdet. Die belangte Behörde hat nicht einmal ansatzweise in diese Richtung gehende Gründe ermittelt oder dargelegt. Sofern sie die Aberkennung des Status des Asylberechtigten auf die mehrfachen Verurteilungen wegen Vergehen stützt, so hat sie keine Umstände dargelegt, die aufzeigen, dass sich die Handlungen des BF gegen den Staat selbst richten oder dessen Bestand gefährden.
Ebenso wenig wurde der BF von einem inländischen oder ausländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt (§ 6 Abs 1 Z 3 AsylG 2005). Voraussetzung für die Anwendung des § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 ist, dass ein Verbrechen im Sinne des § 17 StGB begangen wurde. Erst in einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es sich dabei – oder gegebenenfalls in einer Zusammenschau mehrerer begangener Delikte – um ein besonders schweres Verbrechen handelt (VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0116; VwGH 16.06.2021, Ro 2021/01/0013). Der BF wurde (nur) wegen Vergehen im Sinne des § 17 StGB verurteilt, womit die Voraussetzungen für die Anwendung des §§ 7 Abs 1 Z 1 iVm 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 nicht vorliegen.
Ein Aberkennungstatbestand des § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 liegt daher nicht vor.
3.1.3. Hinsichtlich des Aberkennungstatbestands des § 7 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 ist auszuführen, dass gemäß Art 1 Abschnitt C GFK die GFK auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Art 1 Abschnittes A GFK fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie (1.) sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat, (2.) die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat, (3.) eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz ihres neuen Heimatlandes genießt, (4.) sich freiwillig in dem Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat, (5.) wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen oder (6.) staatenlos ist und die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sie daher in der Lage ist, in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren.
Die Behörde hat sich ausdrücklich auf § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt, Umstände, die das Vorliegen der in Z 2 leg. cit. genannten Aberkennungsgründe annehmen lassen, sind aber in keinster Weise hervorgekommen oder vorgebracht worden.
3.1.4. Anhaltspunkte dafür, dass der BF den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat als Österreich hat (§ 7 Abs 1 Z 3 AsylG 2005) sind im Verfahren nicht hervorgekommen und ergeben sich auch nicht aus dem ZMR (siehe ZMR Auszug vom 21.09.2021, OZ 15).
3.2. Der Beschwerde war daher gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattzugegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die angeführte Judikatur). Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen und liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt politische Gesinnung VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W252.2211987.1.00Im RIS seit
05.01.2022Zuletzt aktualisiert am
05.01.2022