TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/16 95/01/0389

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Veröffentlicht am 16.10.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. April 1995, Zl. 4.165.940/2-III/13/95, betreffend Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 AsylG 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist polnischer Staatsangehöriger. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 25. März 1982 wurde er als Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126/1968 (AsylG 1968), anerkannt.

Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 3. März 1995 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß hinsichtlich seiner Flüchtlingseigenschaft die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens beabsichtigt sei und er zur Stellungnahme hiezu aufgefordert werde. Anläßlich der daraufhin mit ihm am 23. März 1995 niederschriftlich aufgenommenen Vernehmung brachte der Beschwerdeführer zum Vorhalt, die Verhältnisse in seinem Heimatland hätten sich mittlerweile derart geändert, daß er es nicht mehr ablehnen könne, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen, Polen habe nunmehr eine demokratische Regierung, die Demokratie sei so weit verwirklicht, daß mit einer politischen Verfolgung nicht mehr zu rechnen sei, vor, er sei bereits seit 14 Jahren in Österreich und habe alles, was er in Polen gehabt habe, verloren, - sowohl sein Haus als auch seine Familie. Er arbeite seit eineinhalb Jahren bei der Firma X, einer Leasingfirma, die ihn als Bauarbeiter einsetze. Er wohne bereits seit 5 Jahren im Obdachlosenheim A. Bereits seit 2 Jahren warte er auf eine Wohnung. Im Falle seiner Rückkehr nach Polen müsse er dort "auf der Straße leben". Er werde dort auch sicherlich verfolgt, da "die Kommunisten an der Regierung beteiligt" seien. Außerdem gebe es in Polen ein Urteil gegen ihn, weil er im Jahre 1980 an Streiks beteiligt gewesen sei und befürchte, diesbezüglich nunmehr Probleme zu bekommen. Im Falle einer Rückkehr nach Polen würde er keine Arbeit erhalten und habe auch dort keine Wohnung. Bereits sein Vater sei politisch verfolgt worden. Auch er würde sicherlich neuerlich verfolgt werden, weil die Kommunisten immer noch an der Regierung beteiligt seien. Er sei hier in Österreich weder verheiratet noch habe er Kinder.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. März 1995 wurde gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 AsylG 1991 festgestellt, daß im Fall des Beschwerdeführers der in Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei. Dazu führte die Behörde begründend aus, in Polen hätten sich die politischen Verhältnisse grundsätzlich soweit geändert, daß davon ausgegangen werden könne, daß auf Grund der nunmehrigen Rechtslage und Rechtsanwendung in diesem Staate in der Regel keine begründete Gefahr einer Verfolgung wegen der politischen Gesinnung bestünde. Es werde auch angeführt, daß sich in Polen nach der Wende ein demokratisch gewähltes Parlament, in der Hauptsache bestehend aus ehemaligen Oppositionsparteien, habe etablieren können und daß eine auf demokratischer Basis entstandene Regierung bestehe. Eine etwaige Regierungsbeteilung ehemaliger Kommunisten stelle keinen Umstand dar, woraus geschlossen werden könne, daß der Beschwerdeführer weiterhin einer Verfolgung ausgesetzt sein würde. Diese etwaige an der Regierung beteiligte Partei sei auf legalem Wege vom Volk gewählt worden. Polen habe am 31. Jänner 1990 die Aufnahme in den Europarat beantragt und sei am 26. November 1991 Mitglied des Europarates geworden. Gleichzeitig sei in Straßburg die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert worden. Im übrigen bestünde auch in Polen volle Reisefreiheit. Zur allfälligen aufrechten Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Teilnahme an einer verbotenen Demonstration im Jahre 1980 werde festgestellt, daß das polnische Parlament bereits am 16. November 1989 eine weitreichende Amnestie für Straftaten, die bis zum 12. September 1989, also dem Amtsantritt der neuen Regierung, begangen worden seien, beschlossen habe.

In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung verwies der Beschwerdeführer neuerlich auf die in seiner Niederschrift vom 23. März 1995 angegeben Gründe und ergänzte sein diesbezügliches Vorbringen dahingehend, entgegen der im bekämpften Bescheid ausgedrückten Rechtsmeinung sei er der Meinung, daß es sich bei der "derzeit bestehenden Regierung um eine Demokratie handelt, die sich auch aus Parteien, Organisationen (z.B. Staatspolizei) und einem Verwaltungsapparat zusammensetzt, der sehr wohl von den damaligen Kommunisten wesentlich geprägt" sei. Für ihn bestehe daher weiterhin die Gefahr, in seinem Heimatland verfolgt zu werden.

Mit Bescheid vom 20. April 1995 stellte die belangte Behörde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 AsylG 1991 fest, daß hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers der in Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention), genannte Tatbestand eingetreten sei, und verwies nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der von ihr zur Anwendung gebrachten Gesetzesbestimmungen auf die "ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Bescheides", die sie - im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG zulässigerweise (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045) - durch bloßen Verweis übernahm. Den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers hielt die belangte Behörde entgegen, die geäußerten Bedenken lieferten keine konkreten Anhaltspunkte für eine im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention relevante, fortbestehende Verfolgungsprognose.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer vertritt die Meinung, in seinem speziellen Fall bestehe nach wie vor begründete Furcht vor einer vor allem politisch motivierten Verfolgung in seinem Heimatstaat, zumal schon sein Vater politisch verfolgt worden sei und die politischen Zustände in seinem Heimatland noch immer nicht derart stabil seien, daß ein entsprechender Schutz seiner Person gewährleistet sei. Vielmehr sei er einer noch immer aktuellen Gefahr einer Verfolgung in einem solchen Maß ausgesetzt, daß weiterhin ein Schutz seiner Person durch die Republik Österreich gerechtfertigt sei. Gegenüber den seinerzeitigen politischen Umständen habe sich "am früheren Zustand in meinem Heimatort nichts geändert, auch wenn jetzt in der Haupstadt Polens eine demokratische Regierung herrscht". Es bestehe nach wie vor ein starker kommunistischer Einfluß. Wohl herrschten in Polen derzeit westliche Gesetze nach demokratischen Grundsätzen, "aber auch in demokratischen Ländern, noch dazu in einer jungen Demokratie, kann die Gefahr von Verfolgungen nicht generell als unmöglich bezeichnet werden." Diese Gefahr sei insbesondere beim Beschwerdeführer gegeben, "zumal ich mich schon über 14 Jahre in Österreich aufgehalten habe, in Polen nun Außenseiter bin und auf Grund meiner Gesinnung, die sich nicht geändert hat, schon einmal vom kommunistischen Regime verfolgt wurde."

Diesem Vorbringen kann der gewünschte Sacherfolg nicht beschieden sein.

Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn die Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

Der Beschwerdeführer hat weder im Verwaltungsverfahren noch auch in der Beschwerde Argumente geltend gemacht, die die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde als rechtswidrig oder die von ihr festgestellte Sachverhaltsgrundlage als unzureichend erscheinen ließen, fehlt doch - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - jeglicher an konkrete Umstände geknüpfte Anhaltspunkte für eine den Beschwerdeführer persönlich treffende negative Zukunftsprognose im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland. Wie auch im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention im Falle der Asylgewährung kommt es nicht auf die nur subjektiv empfundene Furcht des Betroffenen an, sondern setzt eine solche deren Begründetheit nach objektiven Maßstäben voraus. Die unsubstantiierte Vermutung des Beschwerdeführers, die Verhältnisse in seinem Heimatland hätten sich nicht grundlegend verändert, genügen diesen Anforderungen ebensowenig wie der bloße Verweis darauf, daß Kommunisten im Rahmen einer - auch vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten - nunmehr in seinem Heimatland herrschenden parlamentarischen Demokratie an der Regierung beteiligt sind.

Die Beschwerde war daher als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995010389.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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