TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/15 W182 2174281-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2021
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Entscheidungsdatum

15.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch


W182 2174281-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch: RA Mag. Hans Harald Lepsinger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zl. 1095411608-151808157, gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBI. I. Nr 33/2013 (VwGVG) idgF, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, als unbegründet abgewiesen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme war zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist Staatsangehörige der Volksrepublik China, gehört der Volksgruppe der Han an, ist konfessionslos, stammte aus der Provinz XXXX , reiste 2015 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte unter Angabe einer falschen Identität ( XXXX ) am 22.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.11.2015 sowie einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 07.08.2017 brachte die BF zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass sie von ihrem gewalttätigen Gatten regelmäßig geschlagen worden sei. Er habe aufgrund seiner Spielsucht hohe Schulden angehäuft und sei dann im August 2015 untergetaucht. Danach sei die BF von dessen Gläubigern bedroht worden. Die BF habe aus Angst vor ihrem Gatten und dessen Gläubigern das Herkunftsland verlassen. Die BF arbeite in Österreich im Rotlichtmilieu.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen, im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die VR China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde unter Spruchpunkt IV. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Begründend wurde vom Bundesamt im Wesentlichen ausgeführt, dass es der BF im Verfahren nicht gelungen sei, glaubhaft eine Verfolgung durch ihren Gatten oder dessen Gläubiger darzutun. Dazu wurden konkrete Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen der BF angeführt sowie auf die auffällige Detailarmut ihrer diesbezüglichen Angaben hingewiesen.

Mit Verfahrensanordnung vom 04.10.2017 wurde der BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

3. Gegen den Bescheid wurde binnen offener Frist Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhoben. Darin wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Befragung der BF durch die Behörde sehr oberflächlich durchgeführt und der für eine rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt ungenügend ermittelt worden sei. Es wurde u.a. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

4. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 06.11.2020, zu der ein Vertreter des Bundesamtes entschuldigt nicht erschienen ist, wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme der BF im Beisein ihres rechtsfreundlichen Vertreters sowie einer Dolmetscherin der chinesischen Sprache, weiters durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die BF brachte in der Verhandlung u.a. neu vor, dass sie nach Österreich gebracht worden sei, um die Schulden ihres Gatten bzw. ihre Schleppung hier abzuarbeiten. Sie habe aber auch persönlich ins Ausland fahren wollen. In diesem Zusammenhang seien in Österreich monatlich Personen zu ihr gekommen und hätten von ihr Geld abkassiert. Sie sei dabei nicht bedroht worden, sie habe immer freiwillig das Geld bezahlt. Sie arbeite auch freiwillig im Rotlichtmilieu. Inzwischen habe sie die Schulden abbezahlt und habe weder in Österreich noch in China mehr Probleme. Von ihrem Gatten habe sie sich bereits XXXX scheiden lassen.

5. Am 30.11.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht u.a. eine vom rechtsfreundlichen Vertreter der BF übermittelte schriftliche Strafanzeige der BF an eine Landespolizeidirektion gegen ein nicht weiter individualisiertes „chinesisches Verbrechersyndikat“ wegen langjähriger schwerer Erpressung, Schlepperei und damit auch Menschenhandel vom XXXX ein.

Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren wurde laut Mitteilung einer Staatsanwaltschaft vom 04.08.2021 gemäß § 197 Abs. 2 StPO abgebrochen.

6. In der Zwischenzeit fand am 07.06.2021 eine weitere öffentliche mündlichen Verhandlung statt, in der die BF im Beisein ihres rechtsfreundlichen Vertreter u.a. ihre im Spruch genannte, wahre Identität offenbarte und dazu notariell beglaubigte chinesische Beurkundungen samt Lichtbild vorlegte. Weiters wurden der BF aktuelle Länderberichten zur Situation in China zu Kenntnis gebracht.

7. Laut Mitteilung der Rückkehrberatung der BBU vom XXXX 2021 ist die BF am XXXX 2021 freiwillig ins Herkunftsland zurückgekehrt. Die BF hat dazu einen 2013 ausgestellten gültigen chinesischen Reisepass vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Beschwerdeführerin

Die BF ist Staatsangehörige der Volksrepublik China, gehört der Volksgruppe der Han an, ist konfessionslos und stammt aus einer Stadt in der Provinz XXXX . Ihre Identität steht fest.

Die XXXX -jährige BF ist gesund. Sie hat im Herkunftsstaat neun Jahre die Schule besucht und Berufserfahrung als Fabriksarbeiterin.

In China halten sich zumindest XXXX auf.

In Österreich halten sich keine Familienangehörigen oder Verwandten der BF auf. Die BF konnte ein ÖSD Zertifikat A1 sowie entsprechende Deutschkenntnisse nachweisen. Sie hat kaum Grundversorgung bezogen und ist einer selbstständigen Erwerbstätigkeit im Rotlichtmilieu nachgegangen. Sie ist unbescholten.

Das Vorbringen der BF, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland schutzlos Übergriffen ihres Gatten ausgesetzt zu sein bzw. von Gläubigern ihres Gatten verfolgt worden zu sein, hat sich als unglaubwürdig erwiesen. Auch sonst konnte sie nicht glaubhaft dartun, dass ihr in China eine Verfolgung oder unmenschliche Behandlung droht.

Es liegen keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass die BF bei einer Rückkehr hinsichtlich ihrer Grundbedürfnisse (Nahrung, Unterkunft) im Herkunftsland einer existenzbedrohenden Notsituation ausgesetzt wäre.

Die BF ist am XXXX 2021 freiwillig ins Herkunftsland zurückgekehrt.

Im Übrigen werden die Ausführungen im Verfahrensgang der Entscheidung zugrunde gelegt.

1.2. Zur Situation in China

COVID-19

Letzte Änderung: 16.12.2020

Nach bekanntwerden von COVID-19 Fällen im Dezember 2019, wurde von den Behörden trotz eines umfassenden, landesweit ausgebauten Meldesystems für Epidemien die bestehenden Vorfälle verharmlost und vertuscht (TNYT 1.2.2020). Die chinesischen Behörden haben medizinische Fachkräfte, die über das "geheimnisvolle Lungenleiden" informierten, vorgeworfen, Falschinformationen zu verbreiten (DP 4.4.2020).

Wuhan wurde als Ausgangspunkt der Pandemie rund eineinhalb Monate nach der Registrierung des ersten Patienten unter Quarantäne gestellt (DW 12.2.2020), nachdem von staatlicher Seite mehr als 55.000 Infektionsfälle gemeldet wurden (TG 23.4.2020). Später folgten weitere Regionen, in denen – je nach Anzahl der Infektionen – unterschiedlich strenge Maßnahmen durch die Regierung angeordnet wurden. Von den ergangenen drastischen Regelungen waren rund 60 Millionen Menschen betroffen (Addendum 20.3.2020; vgl. ZO 14.4.2020, SF 9.4.2020).

Die Industrieproduktion ging im Januar und Februar um 13,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück (ZO 14.4.2020), was den stärksten Einbruch seit 30 Jahren bedeutet (LVAk 5.2020; vgl. ZO 14.4.2020). Mittlerweile meldet China kaum noch neue COVID-19 Fälle (DW 8.5.2020; vgl. FORBES 17.4.2020), doch treten vermehrt "importierte Fälle" auf (FORBES 17.4.2020; vgl. DS 27.3.2020). Verschwiegen wird jedoch in den Staatsmedien stets, dass es sich bei den eingereisten Infizierten bis zu 90 Prozent um Staatsbürger der Volksrepublik China handelt. Ausländer, darunter auch Diplomaten, durften damals nur in Ausnahmefällen ins Land (LVAk 5.2020).

Seit 28.3.2020 besteht ein Einreiseverbot für ausländische Staatsbürger (WKO 10.12.2020). Das chinesische Gesundheitssystem hielt nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung mit. Gemäß aktuellen Vergleichszahlen der OECD sind für 1.000 Einwohner 2,7 Krankenschwestern und -pfleger sowie zwei Ärzte verfügbar. Zwar räumt die Regierung Schwachstellen im zentralisierten Gesundheitswesen ein (HB 19.2.2020), jedoch haben Kritik am Vorgehen der Regierung, wie auch eine kritische Berichterstattung mitunter Verhaftungen wegen der "Verbreitung falscher Gerüchte" zur Folge (RSF 14.4.2020). Der chinesische Präsident Xi Jinping hat sich währenddessen verpflichtet, ein leistungsfähiges öffentliches Gesundheitssystem aufzubauen, das für Chinas Entwicklungsstrategie und nationale Sicherheit von entscheidender Bedeutung ist (SCMP 5.6.2020).

Im März und April 2020 nahmen Fabriken und unterschiedliche Unternehmen, ihre Arbeit wieder auf (LVAk 5.2020). In der Jahresmitte 2020 stellte sich die COVID-19-Gesamtsituation sich landesweit stabil dar, sporadische Fälle traten auf (XN 4.6.2020; vgl. FR 26.5.2020) und es wird von vereinzelten (XN 4.6.2020; vgl. DW 30.5.2020, FR 26.5.2020), vorrangig aus dem Ausland importierten Fällen von Neuinfektionen berichtet (CGTN 8.6.2020; vgl. FR24 1.6.2020, AnA 26.5.2020, TG 23.5.2020). Das seit 28.3.2020 gültige Einreiseverbot für ausländische Staatsbürger nach Festlandchina, auch für solche mit gültiger Aufenthaltsberechtigung ist weiterhin aufrecht (BMEIA 24.11.2020; vgl. MoFA CH 26.3.2020).

Im Ursprungsland des Coronavirus bleiben die Neuinfektionen seit Monaten derart niedrig, dass an den offiziellen Zahlen Zweifel bestehen. Konstant vermelden die chinesischen Behörden zwar neue Infektionen, aber die sind nahezu täglich im niedrigen zweistelligen Bereich. Tauchen doch kleinere Cluster auf, müssen sich alle Bewohner einem Test unterziehen. Zudem werden für einzelne Stadtviertel oder gesamte Städte strikte Ausgangssperren verhängt. Verwunderlich aber ist es dennoch, dass die Zahl der Neuinfektionen so gut wie nie 30 überschreitet (DS 12.10.2020).

Quellen:

?        Addendum (20.3.2020): Chinas Kampf gegen das Coronavirus: Europa, sei gewarnt!
https://www.addendum.org/coronavirus/china-und-das-coronavirus/, Zugriff 15.12.2020

?        AnA – Anadolu Agency (26.5.2020): COVID-19: 7 new cases in China, 19 in South
Korea, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/covid-19-7-new-cases-in-china-19-in-south-korea/1853895, Zugriff 15.12.2020

?        BMEIA – Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten (24.11.2020): China (Volksrepublik China), Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/china/, Zugriff 15.12.2020

?        CGTN – China Global Television Network (8.6.2020): Chinese mainland reports 4 new COVID-19 cases, no new deaths, https://news.cgtn.com/news/2020-06-08/Chinese-mainland-reports-4-new-COVID-19-cases-no-new-deaths-R9cUqfA6re/index.html, Zugriff 15.12.2020

?        DP – Die Presse (4.4.2020): Was China vertuscht und die WHO ignoriert hat, https://www.diepresse.com/5795657/was-china-vertuscht-und-die-who-ignoriert-hat, Zugriff 11.12.2020

?        DS – Der Standard (12.10.2020): China, das Reich der rätselhaften Corona-Zahlen, https://www.derstandard.at/story/2000120861503/china-das-reich-der-raetselhaften-corona-zahlen, Zugriff 15.12.2020

?        DS – Der Standard (27.3.2020): China riegelt wegen Corona seine Grenzen ab,
https://www.derstandard.at/story/2000116236843/china-riegelt-wegen-corona-seine-grenzen-ab, Zugriff 15.12.2020

?        DW – Deutsche Welle (30.5.2020): Kaum noch Neuinfektionen: China lockert
Corona-Auflagen, https://www.dw.com/de/kaum-noch-neuinfektionen-china-lockert-corona-auflagen/av-53366246, Zugriff 15.12.2020

?        DW – Deutsche Welle (8.5.2020): Kaum noch Neuinfektionen: China lockert Corona-
Auflagen, https://www.dw.com/de/kaum-noch-neuinfektionen-china-lockert-corona-auflagen/av-53366246, Zugriff 15.12.2020

?        DW – Deutsche Welle (12.2.2020): China setzt auf Massen-Quarantäne gegen Corona-Virus, https://www.dw.com/de/china-setzt-auf-massen-quarant%C3%A4ne-gegen-corona-virus/a-52348053, Zugriff 16.11.2020

?        FORBES (17.4.2020): China Just Admitted Coronavirus Death Toll In Wuhan Was 50%
Higher Than Reported, https://www.forbes.com/sites/isabeltogoh/2020/04/17/china-just-admitted-coronavirus-death-toll-in-wuhan-was-50-higher-than-reported/#15c7d120702f,
Zugriff 15.12.2020

?        FR – Frankfurter Rundschau (26.5.2020): China nach Corona: Stadt will Gesundheit
der Bürger überwachen, https://www.fr.de/panorama/corona-virus-schweden-internationale-lage-russland-lockerungen-infizierte-zr-13754379.html, Zugriff 15.12.2020

?        FR24 – F (1.6.2020): China reports highest number of new Covid-19 cases in nearly
3 weeks, https://www.france24.com/en/20200601-china-reports-highest-number-of-new-covid-19-cases-in-nearly-3-weeks, Zugriff 15.12.2020

?        HB – Handelsblatt (19.2.2020): Coronavirus offenbart gravierende Mängel an Chinas
Gesundheitssystem, https://www.handelsblatt.com/politik/international/krankenversorgung-coronavirus-offenbart-gravierende-maengel-an-chinas-gesundheitssystem/25561166.html?ticket=ST-1039047-CrBiznv23udUClzvzT0p-ap4, Zugriff 15.12.2020

?        LVAk – Landesverteidigungsakademie Hauser, Gunther (5.2020): Chinas Aufstieg zur Globalmacht der Weg einer Regionalmacht zum weltpolitischen Akteur, Seite 167.

?        MoFA Ch – Ministry of Foreign Affairs of the People‘s Republic of China (26.3.2020):
Ministry of Foreign Affairs of the People's Republic of China National Immigration
Administration Announcement on the Temporary Suspension of Entry by Foreign Nationals
Holding Valid Chinese Visas or Residence Permits, https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/wjbxw/t1761867.shtml?from=groupmessage&isappinstalled=0, Zugriff 15.12.2020

?        RSF – Reporters Sans Frontières (14.4.2020): Whistleblowing doctor missing after
criticizing Beijing's coronavirus censorship, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027934.html,
Zugriff 15.12.2020

?        SCMP – South China Morning Post (5.6.2020): Xi Jinping vows to build strong public health
system to ensure China’s stability, https://www.scmp.com/news/china/politics/article/3087609/xi-jinping-vows-build-strong-public-health-system-ensure-chinas, Zugriff 15.12.2020

?        SF – Sience Focus (9.4.2020): Aggressive Wuhan lockdown ‘halted coronavirus
outbreak’ in China, https://www.sciencefocus.com/news/aggressive-wuhan-lockdown-halted-coronavirus-outbreak-in-china/, Zugriff 15.12.2020

?        TG – The Guardian (23.5.2020): Global report: China records no new Covid-19 cases
for first time as Hertz files for bankruptcy, https://www.theguardian.com/world/2020/may/23/global-report-china-no-new-covid-19-cases-hertz-bankruptcy, Zugriff 15.12.2020

?        TG – The Guardian (23.4.2020): China coronavirus cases may have been four times
official figure, says study, https://www.theguardian.com/world/2020/apr/23/china-coronavirus-cases-might-have-been-four-times-official-figure-says-study, Zugriff 15.12.2020

?        TNYT – The New York Times (1.2.2020): As New Coronavirus Spread, China’s Old Habits Delayed Fight, https://www.bundesheer.at/pdf_pool/publikationen/01_2020_s_iss_hauser_china_1949_2019_kern_ae_final1105webv.pdf, Zugriff 9.12.2020

?        https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/china-update-reisehinweise-quarantaenebestimmungen.html#heading_aktuell_wichtig,

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich (10.12.2020): Coronavirus: Situation in China, Aktuelle Lage und laufende Updates, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/china-update-reisehinweise-quarantaenebestimmungen.html#heading_aktuell_wichtig, Zugriff 15.12.2020

?        XN - XINHUANET (4.6.2020): China stresses targeted COVID-19 containment measures,
developing vaccines and drugs, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/04/c_139114738.htm, Zugriff 15.12.2020

?        ZO – Zeit Online (14.4.2020): Chinas Exporte sinken um 6,6 Prozent, https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-04/coronavirus-china-exporte-rueckgang, Zugriff 15.12.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 17.12.2020

Wegen der Ausbreitung von COVID-19 kommt es in China zu verschärften Einreisekontrollen, Gesundheitsüberprüfungen und seit 28.03.2020 zu einer Einreisesperre für Ausländer (BMEIA 24.11.2020). Die Fallzahlen haben sich in China auf einem niedrigen Niveau stabilisiert (AA 7.12.2020).

Aufgrund einer massiven Präsenz von Sicherheitskräften in besonders gefährdeten Regionen ist eine Wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen in China generell niedrig (GW 19.6.2020). Berichten zufolge wurden in den letzten zehn Jahren 170 Millionen Überwachungskameras in Städten und Gemeinden im ganzen Land installiert (DFAT 3.10.2020). Dennoch kann es vereinzelt zu Demonstrationen und Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften kommen. Auch sind in den letzten Jahren in China Anschläge verübt worden (EDA 23.7.2020). Konflikte und mutmaßliche Diskriminierung und Ungleichbehandlung durch die Han-Mehrheitsbevölkerung und die anhaltende harte Linie der lokalen Regierung, können die laufende Problematik der muslimischen Gemeinschaft über die uigurischen Minderheiten hinaus noch verschärfen (GW 17.6.2020).

Zwar gibt es in China noch keine unversöhnlichen ethnischen, sozialen oder religiösen Spaltungen, soziale Unruhen sind allerdings an der Tagesordnung. Auch wenn die meisten Demonstrationen als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik personell meist gering ausfallen, betreffen sie dennoch existentielle Fragen wie Lohnrückstände, dem Abriss von Häusern und der Umsiedlung oder Enteignung (BS 29.4.2020). Landerwerb ohne volle Einbeziehung der örtlich Betroffenen stößt zunehmend auf Proteste, insbesondere in Guangdong, Fujian, Zhejiang, Jiangsu, Shandong und Sichuan. Proteste wegen der Modalitäten von Zwangsumsiedlungen wie auch Entschädigungsleistungen sind an der Tagesordnung und die Behörden verfolgen einige der Anführer solcher Proteste strafrechtlich. Die Wahrscheinlichkeit von Protesten, vor allem in Form von Demonstrationen und Blockaden, wird in Bezug auf den Bau größerer Infrastrukturprojekte, dem Bergbau, etc. auch weiterhin hoch eingeschätzt. Wesentliche Störungen sind aufgrund einer starken Sicherheitspräsenz unwahrscheinlich (GW 17.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, BS 29.4.2020).

China hat anhand der Vorkommnisse der späten 1980er Jahre gelernt, dass soziale Spannungen zu einer ernsthaften Gefährdung des Systems führen können. Infolgedessen wurde ein engmaschiges Kontroll- und Regulierungssystem sowohl in urbanen Kerngebieten als auch in den peripheren Siedlungsgebieten der Minderheiten aufgebaut (LVAk 9.2019). Die staatliche Kontrolle durch eine massive, sichtbare Polizeipräsenz an strategischen Punkten und wichtigen Orten wird aufrechterhalten (BS 29.4.2020). Medienberichten zu Folge haben die chinesische Polizei und die Sicherheitsbehörden 2016 damit begonnen, Fotodatenbanken, künstliche Intelligenz und Überwachungskameras mit Gesichtserkennungstechnologie zu kombinieren, um Verdächtige und "destabilisierende Akteure" in der Gesellschaft aufzuspüren (DFAT 3.10.2020). Berichten zufolge werden auch gewonnene DNA-Proben, Urinproben, Sprachaufzeichnungen, Fingerabdrücke, Fotos und eine Vielzahl von persönlichen Daten von den Sicherheitsbehörden gesammelt (BBC 19.12.2019; vgl. RFA 23.8.2019, HRW 16.5.2017).

Auf der Tagung des Volkskongresses im Mai 2020 kündigte der Ministerpräsident an, dass auch trotz der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie sowie des Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten, der Verteidigungshaushalt im laufenden Jahr abermals deutlich steigen soll. Die Ankündigung erfolgte vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren gewachsenen Spannungen zwischen China und mehreren Nachbarstaaten sowie die USA wegen der von Peking erhobenen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer (SN 22.5.2020; vgl. FAZ 21.5.2020, WKO 12.5.2020)

China und Russland:

Die chinesisch-russischen Beziehungen werden aus chinesischer Sicht als eine "stabile strategische Partnerschaft" betrachtet (LVAk 5.2020; vgl. GH 17.2.2016). Diese politische, wirtschaftliche und auch militärische Partnerschaft beruht auf einer nüchternen Einschätzung der jeweiligen nationalen Interessen (CISR 2020; vgl. LVAk 5.2020). Langfristigen Aussichten für die chinesisch-russische Partnerschaft sind ungewiss. Vor dem Hintergrund eines unruhigen internationalen Umfelds stehen China und Russland vor großen Herausforderungen, um die Dynamik ihrer Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten (CISR 2020).

Seit 2003 arbeiten Russland und China eng im UN-Sicherheitsrat zusammen. Um die jeweiligen Positionen zu koordinieren, werden die diplomatische Rahmenstrukturen der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika)-Gruppe und die SCO (Shanghai Cooperation Organization – SCO), Russland, China, Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan genutzt. Äußerst relevant stellt sich die Sicherheitskooperation innerhalb der SCO dar. Diese widmet sich dem Kampf der "three evil forces", Terrorismus, Separatismus (Taiwan, Tibet und Xinjiang) und Extremismus. In diesen Bereichen soll auch ein Austausch nachrichtendienstlicher Informationen erfolgen und Auslieferungsabkommen exekutiert werden (LVAk 5.2020; vgl. BAMF 2.2020).

China und Indien:

Der südasiatische Subkontinent ist der bedeutendste geopolitische Rivale Chinas in Asien (IPG 15.10.2020). Die Streitigkeiten zwischen China und Indien über den Grenzverlauf im bevölkerungsarmen Himalaya-Gebiet ist seit dem Grenzkrieg von 1962 nicht beigelegt (LVAk 5.2020). China und Indien beanspruchen gegenseitig Geländeabschnitte, wobei es gelegentlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in diesem Grenzgebieten kommt (LVAk 5.2020; vgl. REUTERS 2.9.2020). Ein "Handgemenge" zwischen indischen und chinesischen Soldaten führte zuletzt am 15. Juni 2020 zum Tod von Soldaten auf beiden Seiten (WSJ 17.6.2020).

China betreibt im Zuge seiner "String of pearls Strategy" (CEFIP 13.8.2019; vgl. FA 9/10 2019) den weiteren Ausbau von Häfen in befreundeten Staaten an der nördlichen Küste des Indischen Ozeans wie Kambodscha, Myanmar, Bangladesch, Sri Lanka, Pakistan, den Malediven und darüber hinaus in Afrika forciert aus und bedroht damit im Zuge der "Belt and Road"-Initiative Einflusssphären Indiens in diesem Raum (DRM 26.8.2019). Die guten Beziehungen zwischen China und Pakistan stellen besonders im Hinblick auf den verbindenden Wirtschaftskorridor und die Unterstützung Chinas der pakistanische Anliegen im Kaschmir ein weiterer Konfliktpunkt zwischen China und Indien dar (SWP 2016; vgl. DRM 26.8.2019).

China und USA:

Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen China und den USA sowie eine zunehmend konfrontative diplomatische Sprache und militärische Haltung erhöhen das Risiko unbeabsichtigter Eskalationen in den umstrittenen Regionen (GW 23.8.2020; vgl. DRM 26.8.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (7.12.2020): China: Reise- und Sicherheitshinweise, Aktuelles, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/chinasicherheit/200466#content_1, Zugriff 11.12.2020

?        BBC – British Broadcasting Corporation (5.12.2019): Chinese residents worry about rise of facial recognition, https://www.bbc.com/news/technology-50674909, Zugriff 11.12.2020

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2.2020): Länderreport 22; China; Situation der Muslime, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025535/laenderreport-22-china.pdf, Zugriff 14.12.2020

?        BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (24.11.2020): China, Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/china/, Zugriff 11.12.2020

?        BS – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf, Zugriff 11.12.2020

?        CEFIP – Carnegie Endowmwnt for International Peace (13.8.2019): New Delhi Remains Washington’s Best Hope in Asia, https://carnegieendowment.org/2019/08/13/new-delhi-remains-washington-s-best-hope-in-asia-pub-79666, Zugriff 11.12.2020

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf, Zugriff 11.12.2020

?        DRM – De Re Militaria (26.8.2019): The Chinese String of Pearls or How Beijing is Conquering the Sea, https://drmjournal.org/2019/08/26/the-chinese-string-of-pearls-or-how-beijing-is-conquering-the-sea/, Zugriff 11.12.2020

?        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (23.7.2020): Reisehinweise für China, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/china/reisehinweise-fuer-china.html, Zugriff 11.12.2020

?        FA – Foreign Affairs (9/10 2019): The India Dividend, New Delhi Remains Washington’s Best Hope in Asia, https://www.foreignaffairs.com/articles/india/2019-08-12/india-dividend?gpp=WlLQHrv60hOMo/LWqt4OfjptV0xxVkgyaFRqSTlDUWN3TFhkQmNUNmRnVDZ2T3g3cjFvOU9Udm4zRTFNKzRDdTZ4bG5wWWdpdlVXTUdkT1JJOjlmMGVkZTNjMTY2NTg0YjBlYjJmODI0MTVkN2Q4MzhlYzFlMmE0MmVlMDhiMGQxZGRlMjA2OGY1ZmU3ZmY2MmU%3D, Zugriff 11.12.2020

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (21.5.2020): China erstmals seit 1990 ohne Wachstumsziel, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/volkskongress-eroeffnet-china-erstmals-seit-1990-ohne-wachstumsziel-16780739.html, Zugriff 11.12.2020

?        GH – Gateway House (17.2.2016): How China Sees Russia, https://www.gatewayhouse.in/how-china-sees-russia/, Zugriff 11.12.2020

?        GW – GardaWorld (23.8.2020): China Country Report, Executiv Summary https://www.garda.com/crisis24/country-reports/china, Zugriff 11.12.2020

?        GW – GardaWorld (19.6.2020): China Country Report, Terrorism, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/china, Zugriff 11.12.2020

?        GW – GardaWorld (17.6.2020): China Country Report, Social Stability, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/china, Zugriff 11.12.2020

?        HRW – Human Rights Watch (16.5.2017): China: Police DNA Database Threatens Privacy, https://www.ecoi.net/de/dokument/1400058.html, Zugriff 11.12.2020

?        IPG – Internationale Politik und Gesellschaft (15.10.2020): Indische Visionen, https://www.ipg-journal.de/regionen/asien/artikel/indien-4712/, Zugriff 11.12.2020

?        LVAk – Landesverteidigungsakademie (5.2020): Hauser, Gunther (5.2020): Chinas Aufstieg zur Globalmacht der Weg einer Regionalmacht zum weltpolitischen Akteur, Seite 101 - 108, 109 - 112.

?        LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.228

?        REUTERS (2.9.2020): Grenzkonflikt zwischen Indien und China flammt wieder auf, https://de.reuters.com/article/indien-china-grenzkonflikt-idDEKBN25Z181, Zugriff 11.12.2020

?        RFA – Radio Free Asia (23.8.2019): China Gears up to Collect Citizens' DNA Nationwide, https://www.rfa.org/english/news/china/collect-08232019115209.html, Zugriff 11.12.2020

?        SN – Salzburger Nachrichten (22.5.2020): Chinas Volkskongress eröffnet - Hongkong und Corona im Fokus, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/chinas-volkskongress-eroeffnet-hongkong-und-corona-im-fokus-87870631, Zugriff 11.12.2020

?        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (2016): Wagner, C.: Die Auswirkungen des China-Pakistan Economic Corridor (CPEC). Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, https://nbnresolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-46698-5, Zugriff 11.12.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 11.12.2020

?        WSJ – Wall Street Journal (17.6.2020): The China-India Clash, https://www.wsj.com/articles/the-china-india-clash-11592435121, Zugriff 11.12.2020

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 17.12.2020

Die Führung unternimmt Schritte, das Rechtssystem auszubauen (AA 1.12.2020). Auf der Plenartagung des Zentralausschusses der KPCh im Oktober 2019 wurde die Notwendigkeit betont, die Macht der KPCh zu festigen und ihre Kontrolle über alle Ebenen der chinesischen Gesellschaft auszuweiten (FH 4.3.2020). Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden abgelehnt (DP 27.6.2019). Im März 2018 wurden neue Kontroll- und Ausgleichsmechanismen in die Verfassung aufgenommen, um die Umsetzung zentraler Richtlinien und Vorschriften durchzusetzen. Die Zentralregierung verlässt sich zunehmend auf große Datenmengen, die sie zur Überwachung und Kontrolle der Umsetzung der Reformpolitik auf den verschiedenen Verwaltungsebenen einsetzt. Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 12.2020; vgl. FH 4.3.2020). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 10.2020). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen (FH 4.3.2020; vgl. AI 30.1.2020). Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen solche, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, den politisch-juristischen Ausschüssen (FH 4.3.2020). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, d.h. der Kommunistischen Partei (KP), keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 10.2020; vgl. AA 1.12.2020).

Die Richterernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahme seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es – vor allem auf unterer Gerichtsebene – noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 10.2020).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden (AA 1.12.2020).

Das umstrittene System der „Umerziehung durch Arbeit“ („laojiao“) wurde Ende 2013 offiziell abgeschafft. Missbräuchliche Einweisungen politisch missliebiger Personen (vor allem Petitionäre oder Dissidenten) in psychiatrische Anstalten aber auch willkürliche Festsetzungen in sogenannten schwarzen Gefängnissen („black jails“ bzw. „legal education center“) ohne faires Gerichtsverfahren oder aufgrund falscher oder gefälschter medizinischer Gutachten kommen weiterhin vor (AA 1.12.2020).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt die "Hochachtung und der Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft befindlichen Personen innerhalb von 24 Stunden über die erfolgte Festnahme informiert werden. Es müssen von den Behörden jedoch keine Angaben zum Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort der festgenommenen Person gegeben werden. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befinden, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein (ÖB 10.2020). Das Strafprozessgesetz sieht zudem vor, dass Verdächtige, die die staatliche Sicherheit gefährden, an einem "designierten Ort" bis zu sechs Monate unter "Hausarrest" gestellt werden können (ÖB 10.2020).

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "schwarzen Gefängnissen" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 1.12.2020).

Das 2019 erneut revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert dem Wortlaut nach die Stellung des Beschuldigten/Angeklagten und des Verteidigers im Ermittlungs- und Strafprozess. Die Umsetzung steht aber in jedem Fall unter dem politischen Eingriffsvorbehalt der jeweiligen Parteiorgane, die fester integrierter Bestandteil auch bei den Strafgerichten sind (AA 1.12.2020).

Seit 2014 wurden schrittweise Reformen zur Verbesserung der Justizleistung unter Wahrung der Parteivormachtstellung durchgeführt. Die Änderungen konzentrierten sich auf die Erhöhung der Transparenz, Professionalität und Autonomie gegenüber den lokalen Behörden (FH 4.3.2020).

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StGB) ersetzt. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 1.12.2020). Der Handlungsraum für Menschenrechtsanwälte zur Ausübung ihrer Tätigkeit wird immer weiter eingeschränkt. Menschenrechtsanwälte sind behördlicher Überwachung, Belästigungen, Einschüchterungen und Inhaftierungen ausgesetzt (AI 30.1.2020). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang in der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. Unter anderem wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 1.12.2020).

Das mehrjährige harte Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte hat den Zugang der Angeklagten zu unabhängigem Rechtsbeistand geschwächt (FH 4.3.2020). Anwälten und Mitarbeitern von Kanzleien und Aktivisten droht bei öffentlicher Kritik am System Festnahme und Haft (AI 1.10.2019; vgl. ZO 29.1.2019, DP 19.1.2018). Von schikanösen Maßnahmen können auch Familienangehörige betroffen sein (AI 1.10.2019; vgl. TT 29.3.2016).

Seit der offiziellen Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" werden Menschenrechtsaktivisten nicht mehr in administrativer Haft angehalten, sondern systematisch auf Basis von Strafrechtstatbeständen wie Staatsgefährdung, Separatismus, Volksverhetzung, oder gemeiner Vergehen oder Verbrechen verurteilt, womit der Anschein der Rechtsstaatlichkeit erweckt werden soll. Aufgrund der vagen Tatbestände, des Zusammenhalts der einzelnen Institutionen und des Mangels an unabhängiger engagierter anwaltlicher Vertretung, kann ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt relativ leicht "geschaffen" werden (ÖB 10.2020). Eine neue Form der außergerichtlichen Inhaftierung für Ziele von Antikorruptions- und offiziellen Fehlverhaltensuntersuchungen, die als „Liuzhi“ bekannt ist, wurde 2018 zusammen mit der Einrichtung der National Supervisory Commission (NSR) eingeführt. Einzelpersonen können unter Anwendung dieser Maßnahmen bis zu sechs Monate lang ohne Zugang zu Rechtsbeistand inhaftiert werden (FH 4.3.2020).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen seit einigen Jahren ab. Petitionäre, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um unliebsame Personen aus dem Verkehr zu ziehen (AA 1.12.2020; vgl. ÖB 10.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023866.html, Zugriff 10.12.2020

?        AI – Amnesty International (1.10.2019): Sippenhaft in China, https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/china-sippenhaft-china, Zugriff 10.12.2020

?        DP – Die Presse (27.6.2019): Chinesische Höchstrichterin: „Gewaltentrennung ist für China ungeeignet“, https://www.diepresse.com/5650654/chinesische-hochstrichterin-bdquogewaltentrennung-ist-fur-china-ungeeignetldquo, Zugriff 10.12.2020

?        DP – Die Presse (19.1.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://www.diepresse.com/5356720/haft-fur-anwalt-china-setzt-verfolgungswelle-gegen-kritiker-fort, Zugriff 10.12.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 10.12.2020

?        ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

?        TAZ – Die Tageszeitung (29.3.2016): Peking setzt auf Sippenhaft, https://taz.de/Neue-Stufe-der-Repression-in-China/!5291032/, Zugriff 20.11.2019

?        ZO – Zeit Online (29.1.2019): Bürgerrechtsanwalt zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-01/tianjin-buergerrechtsanwalt-china-viereinhalb-jahre-haft, Zugriff 10.12.2020

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 17.12.2020

Zivile Behörden haben die Kontrolle über die Militär- und Sicherheitskräfte (USDOS 11.3.2020). Xi Jinping, Präsident und Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas, ist Oberkommandierender der Streitkräfte, welche seit 1997 direkt der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt sind (GX 10.11.2019). Die Ausgaben für die innere Sicherheit sind in allen Provinzen und Regionen im Zeitraum von 2007 bis 2016 um 215 Prozent angestiegen und erhöhten sich 2018 insbesondere in sensiblen Minderheitenregionen wie Xinjiang und Tibet weiter (DFAT 3.10.2019).

Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit und die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen Zivilisten vor. Die Zuständigkeiten des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit sind die innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Verantwortung für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen (ÖB 10.2020).

Im Juni 2017 wurde mit dem Aufklärungsgesetz ("Intelligence Law" 2017; geändert 2018), durch das Ständige Komitee des Nationalen Volkskongresses Chinas ein neues Gesetz erlassen, welches über die staatlichen Sicherheitsbehörden hinaus jedes einzelne Mitglied der chinesischen Gesellschaft aufruft, zur nationalen Aufklärungsarbeit beizutragen und nachrichtendienstlich relevante Informationen über Dritte, die an Aktivitäten beteiligt sind, welche der nationalen Sicherheit Chinas oder seinen Interessen schaden können, an die Behörden weiterzugeben (DFAT 3.10.2019). Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger „Blockwarte“ die Bewegungen der Bewohner einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 10.2020).

Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.4.2017).

Quellen:

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf, Zugriff 10.12.2020

?        GX – German Xinhuan (10.11.2019): Xi nimmt an Sitzung der ZMK zur militärischen Entwicklung auf der Primarstufe teil, http://german.xinhuanet.com/2019-11/11/c_138545144.htm, Zugriff 10.12.2020

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (11.4.2017): Peking belohnt Bürger für Enttarnung ausländischer Spione, http://www.faz.net/aktuell/politik/china-bezahlt-buerger-fuer-enttarnung-auslaendischer-spione-14967307.html, Zugriff 10.12.2020

?        ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 10.12.2020

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 17.12.2020

China ratifizierte bereits 1988 die UN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 1.12.2020; vgl. ÖB 10.2020).

In den letzten Jahren wurden außerdem einige Verordnungen erlassen, die formell für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren einen besseren Schutz vor Folter bieten sollen. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente. Die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum. Sicherheitskräfte setzen sich routinemäßig über rechtliche Schutzbestimmungen hinweg. Für die Polizei stellt Straflosigkeit im Falle von Brutalität und bei verdächtigen Todesfällen in Gewahrsam die Norm dar (ÖB 10.2020; vgl. FH 4.3.2020, AI 30.1.2020). 2019 kam es landesweit zu einer ungewöhnlich hohen Zahl gut dokumentierter Fälle, in denen politische und religiöse Gefangene in der Haft oder kurz nach ihrer Entlassung aufgrund der Verweigerung angemessener medizinischer Versorgung starben. Bürger, die Wiedergutmachung für Misshandlungen in der Haft oder Aufklärung verdächtiger Todesfälle von Familienmitgliedern einfordern, werden oft mit Repressalien oder mit Gefängnisstrafen belegt (FH 4.3.2020).

Menschenrechtsaktivisten äußern Besorgnis darüber, dass Rechtsanwälte und Aktivisten weiterhin nach Inhaftierung verschiedenen Formen von Folter, Misshandlung oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind (USDOS 11.3.2020). Angehörige der ethnischen Minderheit der Uiguren berichten von systematischer Folter und anderer erniedrigender Behandlung durch im Strafvollzug und in den Internierungslagern beschäftigte Beamte (USDOS 11.3.2020; vgl. DFAT 3.9.2019).

Die chinesische Führung erklärte 2014 das Ziel, die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern und Folter, Misshandlungen und Missstände in der Justiz zu verhindern. Gleichzeitig wird radikal gegen unabhängige Rechtsanwälte, Menschenrechtsverteidiger, und Medien vorgegangen, sodass das Ziel einer Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt wird. Neben politischen Absichtserklärungen und einigen wenigen "Vorzeigefällen", in denen Fehlurteile - etwa nach vollzogener Todesstrafe posthum - revidiert wurden, oder einzelne Polizisten nach tödlicher Folter (und öffentlicher Empörung) entlassen werden, ist jedoch nicht bekannt, dass strukturelle Maßnahmen getroffen werden, um das Risiko von Folter und Misshandlungen zu vermindern (ÖB 10.2020; vgl. AI 22.2.2018).

Das revidierte Strafverfahrensrecht verbietet die Verwendung von Geständnissen und Zeugenaussagen, die unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommen sind (neuer Art. 53), sowie sonstiger illegal erlangter Beweismittel (Art. 54) im Strafprozess. Trotzdem soll Folter in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 1.12.2020). Die Anwendung von Folter ist nach wie vor weit verbreitet und wird eingesetzt, um Geständnisse zu erhalten oder politische und religiöse Dissidenten zu zwingen, ihre Überzeugungen zu widerrufen (FH 4.3.2020).

Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe "unterer Amtsträger" dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 1.12.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023866.html, Zugriff 9.12.2020

?        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424999.html, Zugriff am 9.12.2020

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf, Zugriff 9.12.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 9.12.2020

?        ÖB Peking (102020): Asylländerbericht Volksrepublik China

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 9.12.2020

Korruption

Letzte Änderung: 18.12.2020

Korruption stellt nach wie vor ein großes Problem im Land dar (USDOS 11.3.2020). China scheint im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International (TI) für das Jahr 2019 mit einer Bewertung von 41 (von 100) (0 sehr korrupt, 100 kaum korrupt) auf dem 80. Rang von 180 Staaten (TI 2020) auf. 2018 erreichte China eine Reihung auf dem 87. Rang von 180 Staaten mit 39 Punkten (TI 2019).

Trotz diverser Anti-Korruptionsmaßnahmen bewirken Korruption und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes nach wie vor deutliche Zeichen von Unzufriedenheit in der Bevölkerung (LVAk 9.2019). Die weitest verbreiteten Formen von Korruption in China sind Bestechung, Veruntreuung öffentlicher Gelder und Günstlingswirtschaft durch Regierungsvertreter. Korruption, politische Einmischung und Vermittlungsleistungen sind beim Erwerb öffentlicher Dienstleistungen und im Umgang mit dem Rechtssystem üblich (DFAT 3.10.2019) und sind zum Teil auf politische und kulturelle Gründe zurückzuführen (LI 2020). Korruption ist in China Teil des politischen Systems (LVAk 5.2020). Auch sind die von der Regierung stark regulierten Bereichen wie Landnutzung, Immobilien, Bergbau und Entwicklung der Infrastruktur sind anfällig für Betrug, Bestechung und Schmiergeldzahlungen (USDOS 11.3.2020).

Bei seinem Amtsantritt startete Präsident Xi eine landesweite Anti-Korruptionskampagne (DFAT 3.10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Ziel dieser Kampagne ist es, korrupte Beamte zu finden (DFAT 3.10.2019; vgl. ÖB 10.2020). Im ersten Halbjahr 2018 wurden 302.000 Untersuchungen m Zusammenhang mit Korruption durchgeführt (DFAT 3.10.2019). 350.000 bis mehr als eine Million Beamte wurden nach offiziellen Angaben bisher überprüft und bestraft (FH 4.3.2020; vgl. ÖB 10.2020). Unter den Gemaßregelten befinden sich hochrangige Staats- und Parteifunktionäre aus dem Sicherheitsapparat, dem Militär, dem Außenministerium, staatlichen Unternehmen und den staatlichen Medien (DFAT 3.10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Das parteiinterne Untersuchungssystem, das von der KP-Zentralkommission für Disziplininspektion (CCDI) gegen KP-Mitglieder durchgeführt werden kann (shuanggui), ist im chinesischen Recht nicht geregelt. Laut NGO-Berichten werden im Rahmen der Shuanggui-Untersuchungen auch verschiedene Formen der Folter und unmenschlichen Behandlung angewendet (darunter Schläge, Schlafentzug, Einzelhaft), um die Beschuldigten zu Geständnissen zu bewegen. Auch sollen Richter mit den außergerichtlichen KP-Organen bei der "Beschaffung" von Geständnissen zusammengearbeitet haben (ÖB 10.2020).

Obwohl die Beamten mit strafrechtlichen Sanktionen wegen Korruption konfrontiert waren, setzen die Regierung und die KP Chinas das Gesetz nicht konsequent und transparent um (USDOS 11.3.2020), jedoch haben die Anti-Korruptionsbemühungen bei den Beamten eine abschreckende Wirkung erzeugt und die Zurschaustellung demonstrativen Reichtums verringert. Man geht davon aus, dass die Korruption auf allen Regierungsebenen nach wie vor weit verbreitet ist (FH 4.3.2020).

In der Praxis bedeutet dies aber auch eine Politik der verstärkten Unterdrückung Andersdenkender, sowie die strikte, aber in der Praxis selektive und intransparente Bekämpfung von Korruption in Partei und Gesellschaft (AA 1.12.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (1.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041768/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_China_%28Stand_Oktober_2020%29%2C_01.12.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf, Zugriff 9.12.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 9.12.2020

?        LI – Laenderdaten.Info (2020): Korruption in China, https://www.laenderdaten.info/Asien/China/korruption.php, Zugriff 16.12.2020

?        LVAk – Landesverteidigungsakademie (5.2020): Hauser, Gunther (5.2020): Chinas Aufstieg zur Globalmacht der Weg einer Regionalmacht zum weltpolitischen Akteur, Seite 177

?        LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.):Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.193

?        ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

?        TI – Transparency International (2020): Corruption Perceptions Index 2019, https://www.ti-austria.at/wp-content/uploads/2020/01/download_cpi_2019_pdf.pdf, Zugriff 9.12.2020

?        TI –

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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