Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §13 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des NR in W, vertreten durch seine Eltern MR und DR als gesetzliche Vertreter (im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung), diese vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juni 1994, Zl. 4.344.470/1-III/13/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juni 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen "der Jugosl. Föderation", der in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1994 in das Bundesgebiet eingereist war und am 18. Februar 1994 den Asylantrag gestellt hatte - gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Mai 1994, mit welchem dem Asylantrag des Beschwerdeführers nicht stattgegeben worden war -, gemäß § 66 Abs. 4 AVG (als verspätet) zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
In der Begründung des bekämpften Bescheides wird ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei der seinen Asylantrag erledigende Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Mai 1994 am 13. Mai 1994 "durch Hinterlegung" zugestellt worden. Der letzte Tag für die fristgerechte Einbringung der Berufung wäre der 27. Mai 1994 gewesen. Die gegenständliche Berufung sei aber erst am 1. Juni 1994 eingebracht worden, weshalb spruchgemäß (mit Zurückweisung) zu entscheiden gewesen sei.
Der zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes im 16. Lebensjahr stehende Beschwerdeführer macht geltend, daß er von diesem abweislichen Bescheid erst mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Baden als Jugendwohlfahrtsträger vom 17. Mai 1994, eingelangt am 19. Mai 1994, Kenntnis erlangt habe. Diesem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft sei eine Belehrung hinsichtlich seiner Rechte nicht zu entnehmen gewesen. Es sei lediglich die Rechtsmittelbelehrung erteilt worden, daß binnen "14 Tagen ab Zustellung" eine Berufung "an das Bundesministerium für Inneres" möglich sei. Ausgehend von der Zustellung dieses Schreibens am 19. Mai 1994 habe der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter am 1. Juni 1994 Berufung eingebracht. Der Beschwerdeführer sei der Ansicht, daß, "wenn auch die Rechtsmittelbelehrung unrichtig bzw. irreführend erfolgt" sei, sein Rechtsmittel rechtzeitig erstattet worden sei.
Zunächst ist festzuhalten, daß die in der Begründung des bekämpften Bescheides enthaltene Annahme, der Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Mai 1994 sei dem Beschwerdeführer am 13. Mai 1994 "durch Hinterlegung" zugestellt worden, mit dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten nicht in Einklang zu bringen ist. Vielmehr erliegt in den vorgelegten Verwaltungsakten ein Rückschein, dem sich durch Aufdruck einer Stampiglie der Bezirkshauptmannschaft Baden entnehmen läßt, daß der an den Beschwerdeführer "zu Handen der Jugendabteilung der BH Baden" adressierte Bescheid am 13. Mai 1994 übernommen wurde.
Nach § 13 Abs. 1 Asylgesetz 1991 sind Asylwerber, die das 19. Lebensjahr vollendet haben, in Verfahren nach diesem Bundesgesetz handlungsfähig. Asylanträge können auch von unbegleiteten Fremden, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, gestellt werden. Nach der weiteren Bestimmung des Abs. 2 dieses Paragraphen obliegt im übrigen die Vertretung von Asylwerbern, die - wie der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides der Erstbehörde - das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in Verfahren nach diesem Bundesgesetz dem örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger, soweit ihre Interessen von ihrem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können.
Nach § 5 Abs. 1 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 (JWG) richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Jugendwohlfahrtsträgers nach dem gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines solchen nach dem Aufenthalt des Betroffenen.
Wie sich aus dem in den vorgelegten Verwaltungsakten erliegenden schriftlichen Asylantrag des Beschwerdeführers vom 18. Februar 1994 ergibt, war dieser zum Zeitpunkt der Antragstellung in W, M-Gasse 6/3, wohnhaft. Davon, daß der Beschwerdeführer dort seinen Aufenthalt im Sinne des § 5 JWG genommen hat, ging auch die belangte Behörde aus, erließ sie doch den im Akt erliegenden Ladungsbescheid vom 16. März 1994 an den Beschwerdeführer an diese Adresse. Es kann vorliegendenfalls dahinstehen, ob unter der genannten Adresse vom gewöhnlichen oder dem bloßen Aufenthalt des Beschwerdeführers auszugehen war, weil feststeht, daß der örtliche Anknüpfungspunkt jedenfalls nicht im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Baden gelegen war. Diese war daher nicht der gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz 1991 i.V.m. § 52 Abs. 2 NÖ Jugendwohlfahrtsgesetz 1991 (NÖ JWG 1991), LGBl. 9270-0, örtlich zuständiger Jugendwohlfahrtsträger; es kam ihr daher eine Vertretung des Beschwerdeführers nicht zu. Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Mai 1994 konnte dem Beschwerdeführer daher nicht rechtwirksam zuhanden (der Jugendabteilung) der Bezirkshauptmannschaft Baden zugestellt werden. Die Zustellung dieses Bescheides ist daher mangelhaft erfolgt, da eine Zustellung nur zuhanden des nach dem damaligen gewöhnlichen bzw. bloßen Aufenthalt örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträgers - das wäre zufolge §§ 4 Abs. 3 i.V.m. 5 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz 1990, LGBl. 36/1990 i.d.F. 5/1994, der Magistrat der Stadt Wien gewesen - zulässig gewesen wäre (vgl. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I (1987), 229, zitierte Judikatur). Die Annahme einer Heilung des der Erstbehörde unterlaufenen Zustellmangels im Sinne des § 7 Zustellgesetz durch die Übermittlung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 5. Mai 1994 durch die Bezirkshauptmannschaft Baden mit dem bereits erwähnten Schreiben vom 17. Mai 1994 an den Beschwerdeführer verbietet sich deshalb, weil der Bescheid nicht an den Beschwerdeführer selbst, sondern an den nach seinem damaligen Aufenthalt zuständigen Jugendwohlfahrtsträger zu richten gewesen wäre.
Die belangte Behörde hätte also - da ein erstinstanzlicher Bescheid, gegen den Berufung hätte erhoben werden können, noch nicht erlassen war - die Berufung schon aus diesem Grunde zurückweisen müssen, weshalb sich die Zurückweisung der Berufung als verspätet als rechtswidrig erweist. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie ist darauf zu verweisen, daß die Interessen des Beschwerdeführers - die Rechtskraft der in den vorgelegten Akten erliegenden Bewilligung der Annahme an Kindesstatt von 21. Juli 1995 vorausgesetzt - nunmehr von seinen Wahleltern wahrzunehmen sind. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beschwerdeschrift lediglich in zweifacher Ausfertigung zu erstatten war.
Schlagworte
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994010587.X00Im RIS seit
20.11.2000