Index
L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / PrüfungsmaßstabLeitsatz
Abweisung von Beschwerden gegen die Enteignung von Grundflächen im Rahmen eines Straßenbauprojekts aufgrund der Bindungswirkung des unanfechtbar gewordenen Straßenbaubescheides im Enteignungsverfahren; bloß mittelbare Anwendung der bekämpften Trassenverordnung; keine Präjudizialität des §11 Abs2 Oö Natur- und LandschaftsschutzG 1982 betreffend die Antragsberechtigung im naturschutzbehördlichen Bewilligungsverfahren; eingeschränkte Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes bei Ersatzbescheiden nach Erkenntnis des VerwaltungsgerichtshofesSpruch
I. Die beschwerdeführenden Parteien J und M R sowie G und V T sind durch den zu B785/92, G und V T auch durch den zu B985/92 angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden werden insoweit abgewiesen und es wird die Beschwerde zu B985/92 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführenden Parteien G und V T durch diesen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.
II. Soweit die Beschwerde zu B 785/92 von W und H M sowie von K F erhoben wurde, wird das Beschwerdeverfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die OÖ Landesregierung erteilte mit Bescheid vom 10. September 1987 dem Land Oberösterreich - Landesstraßenverwaltung die straßenrechtliche Baubewilligung für die Baulose "Lembach II" und "Stritzlmühle" für die Umlegung der Falkenstein-Landesstraße L 584 und wies die von den beschwerdeführenden Parteien gegen das Projekt erhobenen Einwendungen ab. Ihre gegen diesen Bescheid ergriffene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 23. Feber 1988 als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof legte in diesem Erkenntnis insbesondere dar, daß im Verwaltungsverfahren lediglich im Rahmen der durch die "Trassenverordnung" (nämlich der Verordnung der OÖ Landesregierung LGBl. 73/1985) festgelegten Trasse die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens, also der konkreten Ausführung des durch die Trassenverordnung festgelegten Straßenbauvorhabens, zu prüfen sei, hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der bezeichneten Verordnung (unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen und das im Verwaltungsverfahren vorgelegte Privatgutachten) aber keine Zweifel bestünden.
2. Mit Bescheid vom 28. September 1987 verfügte die OÖ Landesregierung für die Umlegung der Straße und den Ausbau in den genannten Baulosen die Enteignung im einzelnen angeführter Grundstücksteile, darunter Grundflächen der beschwerdeführenden Parteien, setzte Entschädigungen hiefür fest und wies die von den beschwerdeführenden Parteien gegen die Enteignung erhobenen Einwendungen ab. Auch gegen diesen Bescheid ergriffen die beschwerdeführenden Parteien Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 17. Mai 1988 den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufhob. Soweit die beschwerdeführenden Parteien im Zusammenhang mit der Enteignungsentscheidung neuerlich die Notwendigkeit der Umlegung der Straße bekämpften, stehe dem - wie der Verwaltungsgerichtshof in den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses ausführte - nicht nur die Trassenverordnung, sondern insbesondere auch die straßenbaurechtliche Bewilligung entgegen, die infolge Abweisung der Beschwerden gegen den Bescheid der Landesregierung (vom 10. September 1987) unanfechtbar geworden sei. Zum Einwand der beschwerdeführenden Parteien, daß eine naturschutzrechtliche Bewilligung fehle, verwies der Verwaltungsgerichtshof zunächst auf seine ständige Rechtsprechung, daß die Notwendigkeit einer Enteignung (ua.) nur dann vorliege, wenn durch die Enteignung der Enteignungszweck unmittelbar verwirklicht werden könne; dies treffe dann nicht zu, wenn sich Hindernisse für den geplanten Straßenbau aus anderen Gesetzen (Denkmalschutzgesetz oder Naturschutzgesetz) ergäben. Nach einer Darstellung der Gesetzeslage gemäß dem OÖ Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982, LGBl. 80, insbesondere dem Hinweis auf dessen §11 Abs2 (wonach der Antrag auf - für die Zulässigkeit des Eingriffs in das Landschaftsbild erforderliche - Feststellung nur vom Eigentümer oder mit dessen Zustimmung gestellt werden darf), gelangte der Verwaltungsgerichtshof zur Auffassung, daß das Vorliegen eines naturschutzbehördlichen Feststellungsbescheides vor Entscheidung über den Enteignungsantrag nicht gefordert werden könne und daher eine Vorfragenbeurteilung im Rahmen des Enteignungsverfahrens erforderlich sei; eine solche sei jedoch unterlassen worden.
3. §11 Abs2 des OÖ Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 wurde durch ArtI Z9 der Novelle LGBl. 72/1988 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1989 dahin geändert, daß der Nachweis der Zustimmung des Grundeigentümers zur Antragstellung (ua.) dann nicht erforderlich ist, wenn für den Antragsteller die Enteignungsmöglichkeit besteht. Dieser Absatz lautet seither wie folgt:
"Im Antrag sind Art, Umfang sowie Lage des Vorhabens anzugeben und, soferne von der Behörde bei der Erlassung eines Bescheides eine Interessenabwägung durchzuführen ist, die Interessen am beabsichtigten Vorhaben darzustellen. Weiters hat der Antragsteller sein Eigentum an dem Grundstück glaubhaft zu machen oder, wenn er nicht selbst Eigentümer ist, die Zustimmung des Eigentümers nachzuweisen, es sei denn, daß zu seinen Gunsten für das beantragte Vorhaben die Möglichkeit der Enteignung oder der Einräumung von Zwangsrechten vorgesehen ist. Dem Antrag sind die zur Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Pläne oder gleichwertigen zeichnerischen Darstellungen und Beschreibungen anzuschließen."
Entsprechend der geänderten Gesetzeslage beantragte die Landesstraßenverwaltung sodann die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung zum Umlegen der Landesstraße, welche ihr mit dem (nach Berufungen der OÖ Umweltanwaltschaft und des Bezirksbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz im Instanzenzug erlassenen) Bescheid der OÖ Landesregierung vom 1. Oktober 1991 erteilt wurde. Dieser Bewilligungsbescheid erging nicht an die beschwerdeführenden Parteien, wurde ihnen aber im Enteignungsverfahren in Kopie zur Kenntnis gebracht.
4. Mit Bescheid vom 20. Mai 1992 verfügte die OÖ Landesregierung für die Umlegung der Landesstraße in den betreffenden Baulosen neuerlich die Enteignung im einzelnen angeführter Grundstücksteile, darunter Grundflächen der beschwerdeführenden Parteien, setzte Entschädigungen hiefür fest und wies die von den beschwerdeführenden Parteien erhobenen Einwendungen ab. In der Begründung wurde insbesondere angeführt, daß im Enteignungsverfahren ausschließlich die Frage zu prüfen sei, ob die in Anspruch genommenen Grundflächen für den Bau eines genehmigten Projektes erforderlich sind; daß die konkret in Anspruch genommenen Grundflächen für die Verwirklichung des Projektes unbedingt erforderlich seien, hätten die beschwerdeführenden Parteien nicht in Zweifel gezogen. Für eine Abwägung der Interessen der Liegenschaftseigentümer und des öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des Bauvorhabens lasse das OÖ StraßenG 1991 (im Enteignungsverfahren) keinen Raum. Im Hinblick auf das Vorliegen einer in Rechtskraft erwachsenen naturschutzbehördlichen Bewilligung sei eine Beurteilung der naturschutzrechtlichen Zulässigkeit des Projekts durch die Enteignungsbehörde als Vorfrage nicht mehr erforderlich.
5. Gegen den Bescheid der OÖ Landesregierung vom 20. Mai 1992 richtet sich die unter B785/92 eingetragene, von J und M R, W und H M, K F sowie G und V T erhobene Beschwerde. Die beschwerdeführenden Parteien machen eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums geltend, welches sie aus der Anwendung der von ihnen als gesetzwidrig angesehenen Trassenverordnung (Verordnung der OÖ Landesregierung LGBl. 73/1985) sowie des von ihnen als verfassungswidrig beurteilten §11 Abs2 des OÖ Natur- und LandschaftsschutzG 1982 idF der Novelle LGBl. 72/1988 ableiten, und begehren die Aufhebung des bekämpften Bescheides.
Soweit die Beschwerde von W und H M sowie von K F erhoben wurde, wurde sie zurückgezogen.
6. Mit dem als "Berichtigungsbescheid" bezeichneten und ausdrücklich auf §62 Abs4 AVG gestützten Bescheid vom 16. Juni 1992 wurden für das Straßenbauvorhaben zwei weitere, im Eigentum von G und V T stehende Grundstücksteile in Anspruch genommen. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Grundstücksteile im Bescheid vom 13. (richtig: 20.) Mai 1992 versehentlich bloß in den die Festsetzung der Entschädigung betreffenden Bescheidteil aufgenommen worden seien.
Gegen diesen Bescheid der OÖ Landesregierung richtet sich die von G und V T erhobene Beschwerde zu B985/92, welche inhaltlich vollständig der Beschwerde zu B785/92 entspricht; das Vorliegen der Voraussetzungen des §62 Abs4 AVG wird in ihr nicht in Zweifel gezogen.
7. Die OÖ Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete zur Beschwerde B785/92 eine Gegenschrift, in welcher die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
II. 1. Soweit die Beschwerde zu B 785/92 von W und H M sowie von K F erhoben wurde, war das Verfahren über sie infolge Beschwerderückziehung durch die genannten beschwerdeführenden Parteien einzustellen.
2. Im übrigen erweisen sich die Beschwerden als nicht gerechtfertigt.
a) Die beschwerdeführenden Parteien bezweifeln die Gesetzmäßigkeit der Trassenverordnung (d.i. die bereits erwähnte Verordnung der OÖ Landesregierung LGBl. 73/1985) einerseits mit dem Argument, daß die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der neuen Straße bereits im Zeitpunkt der Verordnungserlassung gefehlt habe. Andererseits machen sie geltend, daß die Verordnung infolge einer zwischenzeitigen Änderung der für ihre Erlassung maßgebend gewesenen Umstände (- das Verkehrsaufkommen im Bereich der geplanten Trasse habe infolge einer Änderung ökonomischer Parameter abgenommen -) nicht mehr gesetzeskonform sei.
Bei diesem Vorwurf verkennen die beschwerdeführenden Parteien aber, daß die angefochtenen Bescheide nicht etwa unmittelbar, sondern bloß mittelbar auf die Trassenverordnung zurückzuführen sind; der jeweils bekämpfte Enteignungsbescheid dient nämlich der Durchführung des - wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 17. Mai 1988 betont hat - unanfechtbar gewordenen straßenbaurechtlichen Bewilligungsbescheides. Der Verfassungsgerichtshof verweist hiezu auf sein (die gleiche Rechtslage nach dem OÖ LandesstraßenverwaltungsG 1975 betreffendes) Erk. VfSlg. 8358/1978 S. 531, in dem die Bindungswirkung des (auf der Trassenverordnung beruhenden) Straßenbaubescheides für das Enteignungsverfahren hervorgehoben wird, sowie darauf, daß diese Ansicht auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum vertreten wird (s. Korinek/Pauger/Rummel, Handbuch des Enteignungsrechts (1994) S. 129).
b) Auch die Auffassung der beschwerdeführenden Parteien, daß der von ihnen als verfassungswidrig kritisierte §11 Abs2 des OÖ Natur- und LandschaftsschutzG 1982 idF der Novelle LGBl. 72/1988 präjudiziell sei, ist verfehlt. Die in dieser Vorschrift enthaltene Regelung darüber, wer im naturschutzbehördlichen Bewilligungsverfahren antragsberechtigt ist, betrifft nur die Rechtmäßigkeit des von der Naturschutzbehörde erlassenen Bescheides, nicht aber die in den vorliegenden Beschwerdesachen maßgebliche Frage, ob der auf Antrag der Landesstraßenverwaltung erlassene Bescheid vom 1. Oktober 1991 die Straßenbehörde bei ihrer Entscheidung über die Enteignung bindet.
c) Das Beschwerdeverfahren hat auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die angefochtenen Bescheide mit einem beim Verfassungsgerichtshof im Rahmen der von ihm vorgenommenen Rechtskontrolle wahrzunehmenden Fehler behaftet wären (wobei in diesem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs - zB VfSlg. 10582/1985 - Bezug genommen wird, wonach sich der Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung eines Ersatzbescheides, soweit jener aufgrund einer unveränderten Rechtslage erlassen wurde, an die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs zum Ausdruck kommende Interpretation des von der Verwaltungsbehörde anzuwendenden Gesetzes gebunden erachtet, sofern nicht verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsgrundlage des Bescheides entstanden sind oder dem Gesetz ausschließlich aus Gründen verfassungskonformer Interpretation ein anderer als der ihm vom Verwaltungsgerichtshof zugemessene Inhalt zukommt).
Die nicht berechtigten Beschwerden waren sohin abzuweisen.
III.Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
Schlagworte
Straßenverwaltung, Enteignung, Straßenverlaufsfestlegung, VfGH / Präjudizialität, Trassierungsverordnung, Bindung (der Verwaltungsbehörden an Bescheide), VfGH / Bindung, Bindung (des VfGH an VwGH), Naturschutz, ErsatzbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:B785.1992Dokumentnummer
JFT_10058872_92B00785_2_00