TE Bvwg Beschluss 2021/12/9 L517 2246199-1

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Veröffentlicht am 09.12.2021
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Entscheidungsdatum

09.12.2021

Norm

AlVG §49
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


L517 2246199-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. SIGHARTNER und Frau NEULINGER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des AMS Grieskirchen, vom XXXX , nach ergangener Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , XXXX in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid vom XXXX , XXXX , behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS XXXX zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

07.07.2021 – Schreiben des AMS XXXX (in der Folge „AMS“ bzw. „bB“) an XXXX (in der Folge „bP“), Vorschreibung Kontrollmeldetermin 14.07.2021

08.07.2021 – Anruf bP beim AMS

12.07.2021 – Schreiben der bP an AMS

14.07.2021 – Mitteilung AMS an bP über Einstellung des Leistungsbezugs

20.07.2021 – Anruf der bP beim AMS

20.07.2021 – erneute Übermittlung der Mitteilung über die Leistungseinstellung an die bP

20.07.2021 – Stellungnahme der bP

27.07.2021 – Bescheid der bB

11.08.2021 – Beschwerde der bP

16.08.2021 – Parteiengehör

20.08.2021 – Stellungnahme der bP und Übermittlung diverser Unterlagen

30.08.2021 – Beschwerdevorentscheidung der bB

07.09.2021 – Vorlageantrag der bP

09.09.2021 – Beschwerdevorlage beim BVwG

15.09.2021 – Schreiben der bP an BVwG

16.09.2021 – Schreiben der bP an BVwG

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen (Sachverhalt):

Die bP bezieht seit 16.10.2019 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Seit 20.05.2020 erhält die bP staatliche Unterstützung in Form von Notstandshilfe.

Mit Schreiben vom 07.07.2021 wurde der bP ein Kontrollmeldetermin gem. § 49 AlVG für den 14.07.2021, 9 Uhr beim AMS vorgeschrieben. Das Schreiben enthält eine Belehrung über die Rechtsfolgen bei unentschuldigtem Nichteinhalten des Kontrollmeldetermins.

Am 08.07.2021 rief die bP beim AMS an und gab bekannt, dass sie zum vorgeschriebenen Termin nicht kommen würde, sie habe eine Wegunfähigkeitsbescheinigung und könne nicht zum AMS kommen. In diesem Gespräch wurde die bP von der zuständigen Beraterin darauf hingewiesen, dass der Kontrollmeldetermin verbindlich sei.

Daraufhin übermittelte die bP dem AMS ein am 12.07.2021 dort einlangendes Schreiben, in welchem sie darauf verwies, dass sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation und den fehlenden Beförderungsmöglichkeiten nicht erscheinen könne. Die bP wies unter anderem auf eine dem AMS vorliegende Wegunfähigkeitsbescheinigung und auf eine anhängige Klage gegen einen Bescheid der PVA, Landesstelle XXXX vom 24.06.2021 hin, mit dem der Antrag der bP vom 11.02.2020 auf Zuerkennung der Invaliditätspension mangels Vorliegens der erforderlichen Beitragsmonate abgelehnt worden war.

Der Kontrollmeldetermin 14.07.2021 wurde von der bP nicht eingehalten.

Am 14.07.2021 erging eine Mitteilung des AMS an die bP, dass ihr Leistungsbezug wegen der versäumten Kontrollmeldung ab 14.07.2021 eingestellt werde und eine Weitergewährung des Leistungsanspruchs erst nach einer persönlichen Wiedermeldung erfolgen könne. Eine E-Mail, ein Anruf oder eine Mitteilung über das eAMS-Konto reiche als Wiedermeldung für eine Weitergewährung der Leistung bzw. zur Fortsetzung der Vormerkung zur Arbeitssuche nicht aus. Die bP werde daher ersucht, unverzüglich bei ihrer regionalen Geschäftsstelle vorzusprechen.

Die bP meldete sich am 20.07.2021 telefonisch bei der Serviceline des AMS. Beim Rückruf durch ihre Beraterin gab die bP an, dass sie chronisch krank sei, allerdings seit über einem Jahr nicht in ärztlicher Behandlung sei, weil sie keinen Hausarzt im Ort habe. Sie gab wiederholt an, dass sie nirgendwo hinkommen würde, sie hätte auch eine Wegunfähigkeitsbescheinigung und könnte täglich auch maximal 4 Stunden arbeiten. Die bP wurde in diesem Gespräch nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie persönlich beim AMS vorsprechen müsse, um ihre Ansprüche zu klären. Sie entgegnete darauf, dass sie keine Verkehrsverbindung habe, weswegen ihr das nicht möglich sei. Am selben Tag wurde der bP nochmals die Mitteilung über die Leistungseinstellung wegen Versäumung der Kontrollmeldung übermittelt.

Am 20.07.2021 ging beim AMS eine schriftliche Stellungnahme der bP ein, in der sie sich im Wesentlichen über eine Stellenzuweisung beschwerte und vorbrachte, dass sie kein Auto habe. Sie habe den Kontrollmeldetermin bei ihrer Beraterin am 08.07.2021 schriftlich begründet abgesagt, außerdem sei das Invaliditätsverfahren noch nicht abgeschlossen.

Die bB erließ am 27.07.2021 einen Bescheid und sprach aus, dass die Notstandshilfe der bP ab 14.07.2021 wegen Versäumung eines Kontrolltermins gem. § 49 Arbeitslosenver-sicherungsgesetz eingestellt werde.

Gegen diesen Bescheid erhob die bP am 11.08.2021 fristgerecht Beschwerde. Sie führte darin aus, dass „diese Schreiben/Kürzungen unberechtigt seien, da dem AMS Atteste ihres Hausarztes, des KH- XXXX und des KH- XXXX vorliegen würden, die eine schwehrwiegende Erkrankung (chronisch) ihres Bewegungsapparates bescheinigen würden. Ebenfalls habe sie den Termin (14.07.21) telefonisch und schriftlich abgesagt.“ Die bP verwies darauf, dass dem AMS anscheinend die vorgelegten Atteste von verschiedenen Ärzten nicht ausreichen würden und ersuchte, ihr klar schriftlich mitzuteilen, was man wolle, damit sie dies mit der ÖKK abklären könne.

Mit Schreiben vom 16.08.2021 wurden der bP die Ermittlungen im gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu Kenntnis gebracht. Die bP wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass kein triftiger Grund für die versäumte Kontrollmeldung vorliege. Auch wurde die bP erneut darauf hingewiesen, dass ein Fortbezug erst dann erfolgen könne, wenn sie persönlich wieder beim AMS vorsprechen würde. Auch wurde die bP darauf hingewiesen, dass sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln das AMS mit einer direkten Busverbindung in 23 Minuten Fahrzeit und anschließendem Fußweg von 5 Minuten hätte erreichen können. Das Schreiben enthält auch einen Screenshot der Busverbindung für den Kontrolltermin der bP am 14.07.2021, woraus ersichtlich ist, dass der bP um 07:11 Uhr ein Bus ab XXXX Ortsmitte zur Verfügung gestanden wäre und sie um 07:39 Uhr in XXXX angekommen wäre, wo sie dann noch einen Fußweg von 5 Minuten bis zum AMS gehabt hätte.

Am 20.08.2021 nahm die bP dazu Stellung und gab an, dass sie Frau XXXX am 08.07.2021 davon in Kenntnis gesetzt hätte, dass sie den Termin am 14.07.2021 aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation und den fehlenden Beförderungsmöglichkeiten nicht wahrnehmen könne. Bei dem Ihr vorgeschlagenen Bus 651 wäre sie um 7.39 Uhr beim AMS gewesen - Rückfahrt 10.31 bzw. 12.31; diese Wartezeiten seien für sie unmöglich. Ebenfalls sei die Wegstrecke XXXX (340m 5 min) und die Wegstrecke Wohnort-Bushaltestelle XXXX , ca. 5 Minuten, nicht ohne Weiteres für sie zu bewältigen. Busfahrten in beengten, schaukelnden Bussen seien sehr schmerzhaft für sie. Wenn es sich bei der Prüfung der „Arbeitsfähigkeit" erneut um eine Teilnahme einer „Vereinstätigkeit" in Wels handelt, bei der kein Facharzt vorhanden ist, sehe sie das als „Schikane" und sei das auch nicht nachvollziehbar. Die Mitteilung über die Leistungseinstellung vom 14.07.2021 habe sie erst am 27.07.2021 erhalten. Den Bescheid vom 27.07.2021 habe sie am 28.07.2021 erhalten. Auch hätte sie im Telefongespräch mit Frau XXXX am 20.07.2021 mitgeteilt, dass sie nicht die Möglichkeit hätte einen Arzt zu konsultieren und auch keine ärztliche Bestätigung vorlegen könne, weil sich ihr Hausarzt, wie dem AMS auch bekannt sei, in XXXX befinde. Massagen, Krankengymnastik seien aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen zu Corona nicht zugelassen. Eine leichte Tätigkeit in erreichbarer Entfernung, 4 Stunden pro Tag. würde sie sich zutrauen. Frau XXXX habe einem potentiellen Arbeitgeber gegenüber angegeben, dass sie gesund sei und voll arbeitsfähig. Zum gegenständlichen Verfahren würde sie ausführen, dass sie der Arbeitsvermittlung im Rahmen ihrer gesundheitlichen Verfassung zur Verfügung stehen würde. Eine wöchentliche persönliche Meldung beim AMS sehe sie aufgrund Ihrer gesundheitlichen Verfassung, die dem AMS durch die vorliegenden Atteste auch bekannt sei und der sehr schlechten Beförderungssituation (Öffis) als zurzeit sehr schwierig. Den vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin hätte sie telefonisch und schriftlich begründet abgesagt. Den Antrag auf Invaliditätspension vom 11.02.2020 hätte sie auf Aufforderung von Frau XXXX und Frau XXXX von der BH- XXXX gestellt. Ihrer Meinung nach lägen sehr wohl Ausschlussgründe vor, weshalb sie dem AMS nicht uneingeschränkt zur Verfügung stehe. Sie habe dem AMS beim ersten persönlichen Gespräch ärztliche Unterlagen aus Deutschland und Österreich vorgelegt. Dieses Sammelsurium würde sie nun auch mit der Stellungnahme vorlegen. Sie hätte sich aufgrund der Aufforderung des AMS, BH und der PVA auch um eine Aktualisierung der Unterlagen beim Krankenhaus XXXX bemüht, was sich aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen in Österreich als schwierig herausgestellt habe und auch dazu führte, dass sie keine Leistungen mehr von der Krankenkasse erhalte. Weitere Untersuchungen seien bisher aufgrund der Corona-Maßnahmen nicht möglich gewesen. Sie hätte auch bereits mit Herrn XXXX von der ÖGK Kontakt aufgenommen, bisher jedoch keine Antwort erhalten. Zu Ihrer Erwerbstätigkeit in XXXX führte sie aus, dass diese inklusive An* und Abfahrt maximal 4 Stunden täglich betragen habe: Eilmärsche (340 m/5min) gehörten dabei nicht zum Arbeitsablauf. Ihr Arbeitsablauf habe darin bestanden Pferde aufzuwecken, Kraftfuttervergabe, danach sei die automatische “Scheiß-weg-mach-Maschine" von einem Übersichtspunkt zu überwachen gewesen, danach sei das federleichte Dinkelspreu zu verteilen gewesen. Im Bedarfsfall habe sie lose Bretter mit einem Akkuschrauber zu befestigen gehabt. Die gesamte Wegstrecke habe ca. 500m in 3 Stunden betragen. Sie könne keinesfalls längere Wegstrecken mit ihren kaputten Füßen zurücklegen. Das würde sich auch aus den Attesten ergeben. Diese Teilzeittätigkeit habe auch die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit dargestellt. Außerdem werde auch im Bescheid der PVA vom 24.06.202 1 klar dargelegt, dass “durch die Klage der Bericht im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft trete." Die Sperre des AMS vom 14.07.2021 sei daher unzulässig und fordere sie die Aufhebung und Nachzahlung der ihr zustehenden Bezüge. Die Dinge des täglichen Lebens, zu welchen keinesfalls längere Fußmärsche und längeres Sitzen in beengter, schaukelnder Sitzhaltung gehören würden oder heben könnte sie gerade noch so, mal besser und mal schlechter erledigen. Aktuelle ärztliche Unterlagen seien angesichts der Coronabestimmungen, der kurzen Zeitvorgabe und der Stellungnahme von Herrn Dr. XXXX nicht möglich vorzulegen. Einer umfassenden fachärztlichen Neubeurteilung ihrer schweren Erkrankung des Bewegungsapparats würde sie positiv gegenüberstehen; vorausgesetzt, es sei dabei eine schmerzschonende Beförderung mit einem Krankentransport zu einem geeigneten Ort (Fachklinik) vorgesehen. Ihrer Meinung nach seien jedoch die vorgelegten Atteste gültig und habe das AMS diese zu beachten. Dinge zu tun, welche ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich seien, sehe sie als Nötigung und Aufforderung zur Selbstverstümmelung. Wenn sie aufgrund Ihrer schweren chronischen Erkrankung nicht den Anforderungen des AMS entsprechen würde, so benötige sie dies schriftlich, um Ersatzleistungen zur Lebensführung beantragen zu können. Im Anhang an ihre Stellungnahme übermittelten die bP erneut die Arztbriefe von Frau Dr. XXXX , (im Zeitraum von Jänner 2015 bis Februar 2017) sowie die „Wegeunfähigkeitsbescheinigung" von Frau Dr XXXX vom 28.04.2017; ferner eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 22.11.2019 (ÖGK), eine Krankentransportbescheinigung ins KH Wels vom 17.01.2020 sowie einen Ambulanzbericht von Prim. Prof Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie vom 21.01.2020 und vom 28.01.2020. Die Wegeunfähigkeitsbescheinigung weist folgenden Inhalt auf: „o.g. Patient ist es aufgrund seines Krankheitsbildes nicht möglich viele Treppen zu steigen, oder lange zu sitzen, wegen seiner chronischen Schmerzen in der Wirbelsäule.“

Am 30.08.2021 erging eine Beschwerdevorentscheidung der bB gem. § 14 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) iVm § 56 AlVG (Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977), die Beschwerde der bP wurde abgewiesen. Begründend führte die bB nach Darlegung von Verfahrensgang und Sachverhalt im Wesentlichen aus, die bP habe dann, wenn sie aktuell gehindert sei, Kontrollmeldungen wahrzunehmen, das auch durch aktuelle Unterlagen zu belegen. Das Vorbringen der bP, die Vorlage von aktuellen Unterlagen sei ihr wegen der Corona-Maßnahmen nicht möglich, sei dabei nicht überzeugend, da bei einer medizinischen Indikation die medizinische Versorgung zu jedem Zeitpunkt gewährleistet gewesen sei. Es sei vielmehr so, dass die bP sich immer wieder auf dieselben bekannten chronischen Beschwerden beziehen würde, welche sie jedoch weder daran gehindert hätten, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, noch die Dinge des täglichen Lebens alleine zu bewerkstelligen. Sie habe einen akuten bedenklichen Gesundheitszustand weder vorgebracht noch belegt, weshalb auch anzunehmen sei, dass kein akuter Zustand vorliege, welcher sie hindern würde, die Kontrollmeldung wahrzunehmen. Aus den ihr zuletzt im Krankenhaus XXXX ausgestellten Ambulanzberichten der Orthopädie vom 21.021.2020 und 28.01.2020 gehe hervor, dass eine Indikation für eine chirurgische Korrektur der Wirbelsäule aufgrund der vorhandenen Fehlstellung nicht vorliege. Es sei der bP eine Schmerztherapie mit NSAR und eine begleitende Physiotherapie empfohlen worden. Die Einwände der bP, sie hätte aus gesundheitlichen Gründen den Kontrollmeldetermin am 14.07.2021 nicht wahrnehmen können, seien jedenfalls nicht berechtigt. Sie habe bei ihrem Aufenthalt im Krankenhaus XXXX im Jänner 2020 außerdem angegeben, dass sie Wegstrecken von 3 Kilometern zu Fuß zurücklegen könne. Ihr Einwand, sie könne die Wegstrecke von ihrem Wohnort zur Bushaltestelle sowie vom Stadtplatz zum AMS in XXXX , bei welchen es sich jeweils um ca. 5 Minuten Fußweg handle, nicht zurücklegen, sei daher nicht nachvollziehbar. Es stehe ihr auch frei, sich für den Fußweg eine längere Zeit einzuplanen und diese Wegstrecke von 340 Metern in einer für sie passenden Zeit zurückzulegen. Niemand schreibe ihr dabei einen Eilmarsch vor, die bP könne die Zeit selbst frei wählen. Es sei vollkommen unplausibel, wenn die bP darlege, dass sie zwar tätlich im Rahmen ihrer Beschäftigung bei der Firma „ XXXX “ vom 12.06.2017 bis 15.10.2019 einer körperlichen Arbeit habe nachgehen können, zu welcher auch handwerkliche Tätigkeiten wie das Montieren von Brettern mit einem Akkuschrauber gehört hätten, es ihr aufgrund derselben Beschwerden jedoch nicht möglich sei, eine Wegstrecke von ca. 28 Minuten mit dem Bus auf sich zu nehmen, um ihren Kontrollmeldetermin beim AMS wahrzunehmen. Es sei der bP auch mit Parteiengehör vom 16.08.2021 zur Kenntnis gebracht worden, dass eine direkte Busverbindung von XXXX Ortsmitte nach XXXX bestanden hätte. Der Einwand, es hätte keine öffentliche Verbindung gegeben, sei daher nicht berechtigt. Ein Kontrollmeldetermin dürfe nur aus einem triftigen Grund entschuldigt werden, ein solcher liege gegenständlich nicht vor. Aus diesem Grund könne ein Fortbezug erst dann erfolgen, wenn die bP persönlich wieder beim AMS vorspreche.

Bis zur Beschwerdevorentscheidung vom 30.08.2021 kam es zu keiner Anhörung des Regionalbeirats gem. § 49 Abs. 2 letzter Satz AlVG.

Am 07.09.2021 beantragte die bP die Vorlage ihrer Beschwerde beim BVwG und führte aus, sie habe sich telefonisch und schriftlich für die Kontrollmeldung am 14.07.21 entschuldigt. Sie habe erneut ärztliche Atteste über ihre gravierenden gesundheitlichen Schädigungen vorgelegt, sie habe in der Vergangenheit (ca. 1,5 Jahre) im KH- XXXX keine neuen Atteste erwirken können, da dies nach Auskunft von Chefarzt Dr. XXXX nicht möglich sei. Auf Anschreiben vom 09.08.21, 28.07.21, 21.07.21 an die ÖGesundheitskasse/Hr. XXXX um Zuweisung und Verbringung an geeigneten Arzt/Klinik wurde nicht/nicht ausreichend reagiert. Ein geeigneter Arzt stand und stehe nicht zur Verfügung. Durch ihren Krankenstand 22.11.19 – 20.02.20 und anschließendes Pensionsfeststellungsverfahren, welches bis zum heutigen Tag andauern würde, stehe sie dem Arbeitsmarkt schon länger nicht zur Verfügung, obwohl sie sich auf Anweisung von BH- XXXX 10x/Woche erfolglos beworben habe. Eine Weigerung des AMS einer fachgerechten ärztlichen Untersuchung aller ihrer Schäden sei für sie unbegreiflich. Die Angabe ihrerseits, eine Wegstrecke von 3 km zurücklegen zu können, beziehe sich auf 24 St. An guten Tagen mit der Möglichkeit Wirbelsäule und Füße zu entspannen. Dies sei in Bus/Bahn bzw. AMS nicht möglich. Die vom AMS nachgefragte „Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustands“ versuche sie zu vermeiden, insbesondere durch „Unterlassung gesundheitsschädigender Tätigkeiten“ wie Fußmärsche- Busfahren usw. Die Schlussfolgerung des AMS, wer ein Brett mit einem Akkuschrauber montiere, könne auch eine Wegstrecke zu Fuß + Bus zurücklegen sei für sie nicht nachvollziehbar. Sie habe tägliche Schmerzen, diese seien chronisch und akut. Die bP begehrte unter anderem eine fachgerechte Untersuchung aller ihrer gesundheitlichen Leiden/Einschränkungen und Verbringung mit Krankentransport zu einem geeigneten Untersuchungsort und nach Hause.

Am 09.09.2021 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG.

Die bP richtete am 13. Und 14.09.2021 jeweils ein Schreiben an das BVwG und führte unter anderem aus, dass ihr eine Verweigerung einer umfassenden medizinischen Untersuchung des AMS bzw. KH Wels unverständlich sei, bzw. bezog sie sich auf zurückliegende Bewerbungen und Vorstellungsgespräche, die jedoch im gegenständlichen Fall nicht zur Beurteilung des Sachverhaltes heranzuziehen sind, da in diesem Verfahren ausschließlich die von der bB ausgesprochene Sanktion und die ihr zugrundeliegende Versäumnis eines Kontrollmeldetermins zu prüfen sind.

2.0 Beweiswürdigung

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht nicht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.

Wie der nachfolgenden rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, hat die bB es unterlassen, den für eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts maßgeblichen Sachverhalt ordnungsgemäß zu ermitteln.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

- Arbeitslosenversicherungsgesetz AlVG, BGBl. Nr. 609/1977 idgF

- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet der Vorsitzende die Geschäfte des Senates und führt das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Er entscheidet, ob eine mündliche Verhandlung anberaumt wird, eröffnet, leitet und schließt diese. Er verkündet die Beschlüsse des Senates, unterfertigt die schriftlichen Ausfertigungen, arbeitet den Erledigungsentwurf aus und stellt im Senat den Beschlussantrag.

Gemäß § 9 Abs. 2 BVwGG hat der Vorsitzende die Entscheidung auszuarbeiten, wenn zumindest die Hälfte der Beisitzer dem Erledigungsentwurf des Vorsitzenden zustimmt. Anderenfalls hat ein dem Erledigungsentwurf nicht zustimmender Beisitzer binnen zwei Wochen einen Erledigungsentwurf auszuarbeiten und dem Vorsitzenden vorzulegen. Stimmt zumindest die Hälfte der sonstigen Senatsmitglieder diesem Entwurf zu, hat der Beisitzer die Entscheidung auszuarbeiten. Ist dies nicht der Fall oder hat der Beisitzer den Erledigungsentwurf nicht binnen zwei Wochen vorgelegt, hat der Vorsitzende einen anderen Beisitzer mit der Ausarbeitung eines Erledigungsentwurfs zu betrauen oder diesen selbst auszuarbeiten.

Gemäß Abs. 3 arbeitet in jedem Fall der Vorsitzende den Erledigungsentwurf aus, wenn im Senat fachkundige Laienrichter mitwirken.

Gemäß 56 Abs. 1 AlVG entscheidet über Ansprüche auf Leistungen die regionale Geschäftsstelle. Über die Anerkennung von Maßnahmen gemäß § 18 Abs. 6 entscheidet die Landesgeschäftsstelle.

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.

In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 56 Abs. 2 AlVG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28 VwGVG lautet:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.         der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.         die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

3.3. Steht der maßgebliche Sachverhalt fest oder ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Hierzu führt der VwGH aus, dass angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Obig angeführte Ermittlungsmängel liegen aus Sicht des erkennenden Gerichtes vor und ist der Bescheid nach § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und zur neuerlichen Erlassung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Dies auch unter dem Aspekt der Raschheit und Wirtschaftlichkeit iSd § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG, da aufgrund des organisatorischen Aufbaues der bB und des ho. Gerichts und der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der einzelnen Verfahrensabschnitte sich ergibt, dass die Führung des Verfahrens durch die bB eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens darstellt.

Es ist somit letztlich im Rahmen einer Gesamtschau im Lichte der oa. Ausführungen davon auszugehen, dass in diesem konkreten Fall vom Primat der inhaltlichen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht ausnahmsweise abzugehen und aufgrund der qualifizierten Unterlassung wesentlicher Ermittlungsschritte der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zu beheben war.

Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung des maßgeblichen Sachverhaltes im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf der derzeit vorhandenen Grundlage nicht möglich.

Nach Abschluss der Ermittlungen hat die bB einen einzelfallbezogenen Bescheid zu erlassen, welcher den Sachverhalt, von dem er ausgeht, klar und übersichtlich wiedergibt, eine nachvollziehbare, einzelfallbezogene Beweiswürdigung enthält, und die zu lösende Rechtsfrage schlüssig darstellt.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde folgt konzeptionell dem des § 66 Abs. 2 AVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2018] § 28 VwGVG Anm. 11). Bei der Ausübung des Ermessens nach § 66 Abs. 2 f AVG sind auch die Bedeutung und die Funktion der Rechtmittelbehörde ins Kalkül zu ziehen. Die Einräumung eines Instanzenzugs darf nicht mangels sachgerechten Eingehens und brauchbarer Ermittlungsergebnisse [in erster Instanz] „zur bloßen Formsache degradiert“ werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. Als Sachverhalt hat sie daher alle Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 28.07.1994, 90/07/0029 mwH).

Dennoch kommt eine Aufhebung des Bescheids nach § 28 Abs. 2 Z. 1 f VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen, besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (§ 37 AVG) „lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden“ (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Das AMS hat bei seinen Ermittlungen wesentliche Erhebungen unterlassen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Werden von der bP Gründe für die Kontrollterminversäumnis geltend gemacht (hier: schlechter Gesundheitszustand), hat sich die Behörde im Bescheid damit auseinanderzusetzen. Ist die Frage offensichtlich strittig, ob ein triftiger Grund vorliegt, muss sich aus dem dem BVwG vorgelegten Akt ergeben, ob der Regionalbeirat in dieser Angelegenheit angehört wurde.

Die Sanktion des § 49 Abs 2 AlVG tritt dann nicht ein, wenn die Kontrolltermin-festsetzung zwar ordnungsgemäß erfolgt ist, wenn der Arbeitslose jedoch seine Säumnis mit triftigen Gründen entschuldigen kann, wobei diese Entschuldigung tunlichst vor der Versäumung des Termins erfolgen muss. Grundsätzlich hat die Prüfung eines Entschuldigungsgrundes einzelfallbezogen zu erfolgen. Triftige Gründe, die zum Ausschluss einer Sanktionsverhängung führen, sind zB Erkrankung des Arbeitslosen bzw eines Kindes, wichtige persönliche Gründe (vergleichbar den Dienstverhinderungsgründen gem § 8 AngG), Arbeitssuche. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorgelegen ist, muss der Regionalbeirat angehört werden. Im gegenständlichen Fall hat der Arbeitslose das AMS rechtzeitig darüber informiert, dass er den Termin nicht einhalten werde können und es lagen dem AMS bereits Befunde der bP aus den Jahren 2015 bis 2020 vor, die auf gesundheitliche Einschränkungen der bP hinweisen. Das AMS hat ohne jegliche weitere Überprüfung einen Anspruchsverlust gem. § 49 AlVG ausgesprochen und ist in keiner Weise auf die von der bP aufgeworfenen Schwierigkeiten in Bezug auf die Beischaffung aktueller Befunde eingegangen. Es wurde zwar die Problematik "triftiger Grund“ thematisiert, das AMS verwies jedoch lediglich darauf, dass die bP keine aktuellen Befunde vorgelegt habe, ohne selbst entsprechende Erhebungen vorzunehmen. Auch wurde, obwohl die Frage, ob ein "triftiger Grund" vorliegt, strittig ist, der Regionalbeirat nicht angehört.

Das AMS wird sich daher im fortgesetzten Verfahren näher damit auseinandersetzen müssen, ob ein "triftiger Grund" gem. § 49 AlVG vorliegt und dazu ein aktuelles medizinisches Gutachten über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zum verfahrensgegenständlichen Zeitraum 14.07.2021 einzuholen haben. Dabei wird der Gutachter dazu zu befragen sein, wie der Gesundheitszustand der bP zum Zeitpunkt der Kontrollmeldeversäumnis war bzw. ob es aus gutachterlicher Sicht der bP möglich und zumutbar gewesen wäre, den Weg zum AMS und retour mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen sowie den dazwischenliegenden Kontrollmeldetermin beim AMS wahrzunehmen.

Aufgrund obiger Ausführungen kann nicht davon gesprochen werden, dass hier ein maßgeblicher Sachverhalt, auf dessen Grundlage das Rechtmittelgericht eine meritorische Entscheidung treffen könnte, vorhanden wäre. Auch wäre die bB wenn sie den maßgeblichen Sachverhalt ordnungsgemäß erhoben und festgestellt hätte, letztlich womöglich zu einem anderen Ergebnis gekommen, als dies der Fall war. Die von der bB getroffene Entscheidung beruht daher auf einer falschen Sachverhaltsgrundlage, was dem Art 18 B-VG widerspricht. Zusammenfassend liegen im gegenständlichen Fall für das erkennende Gericht gravierende Ermittlungsdefizite der bB vor, sodass der angefochtene Bescheid gem. § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die bB zurückzuverweisen war.

Gegenständliche Entscheidungsform stellt nach Ansicht des ho. Gerichtes ein verfahrensökonomisches Instrument, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche verfahrensbeschleunigende Wirkung, dar, welches generell bereits vorab durch die Behörde zu prüfen und einzelfallbezogen in Betracht zu ziehen gewesen wäre.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1 im Generellen und die in den Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ermittlungspflicht Gesundheitszustand Gutachten Kassation Kontrollmeldetermin mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L517.2246199.1.00

Im RIS seit

04.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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