Entscheidungsdatum
10.12.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W141 2185001-2/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Höllerer als Vorsitzender und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie den fachkundigen Laienrichter
Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich vom 07.01.2021, OB XXXX , betreffend Bewilligung von Ersatz des Verdienstentganges für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 24.01.2018 gemäß
§ 1 Abs. 1 und 3, § 2 Z 1, § 3 und § 10 Abs. 1 Verbrechensopfergesetz (VOG) nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 22.11.2021 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer wird der Verdienstentgang für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 24.01.2018 in der Höhe von 30% auf Basis seines Einkommens als unselbstständiger Erwerbstätiger zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer hat am 07.07.2006 beim Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Hilfeleistungen in Form des Verdienstentganges gestellt und dies mit einer am 18.06.2005 erlittenen Schädigung (Trümmerbruch des rechten Unterschenkels unterhalb des Knies), welche er durch die Straftat der schweren Körperverletzung erlitten hatte, begründet.
2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.01.2007 wurde dem Antrag stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Ersatz des Verdienstentganges nach dem Verbrechensopfergesetz aufgrund dieses sich ereignenden Vorfalles bewilligt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass laut dem eingeholten Sachverständigengutachten beim Beschwerdeführer aufgrund der kausal erlittenen Verletzungen hinsichtlich seines ursprünglichen Berufes (Arbeiter für Bodenmarkierungen) praktische eine Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei, da die Belastbarkeit des Beines hochgradig reduziert ist.
3. Die Ermittlungen des Verdienstentganges erfolgte über die Jahre durch eine Gegenüberstellung der Lage (Verdienst) vor und nach der Schädigung (erzielbarer Verdienst ohne Schädigung bzw. tatsächlicher Verdienst) unter Berücksichtigung von Vorteilen, welche sachlich und zeitlich kongruent sind. Der Beschwerdeführer war zunächst unselbständig erwerbstätig und infolge Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit („ XXXX “) wurde der Beschwerdeführer unternehmerisch tätig.
Die Verdienstengangsersatzleistungen der Folgejahre wurden jeweils auf Grundlage der vorgelegten Jahresabschlüsse der „ XXXX “ und der Einkommenssteuerbescheide im Nachhinein berechnet. Die Leistungsverrechnung erfolgte bis Ende 2015.
Dem Beschwerdeführer wurden Vorschüsse in Höhe von monatlich € 600,00 geleistet. Eine Leistungsverrechnung für diese Zeiträume erfolgte bis dato noch nicht.
4. Mit Bescheid vom 09.02.2015 [Anmerkung: bei der Datierung mag es sich um einen Schreibfehler handeln, zumal im Spruch des Bescheides über einen nach diesem Datum liegenden Zeitraum abgesprochen wird und der Bescheid erst im Dezember 2017 zugestellt wurde.] stellte die belangte Behörde amtswegig fest, dass die Leistungen auf Ersatz des Verdienstentganges rückwirkend mit 31.12.2015 eingestellt werden. Die im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.07.2017 bezogenen Vorschussleistungen in Höhe von monatlich € 600,00 – gesamter Überbezug € 12.000,00 – wurden zu Unrecht empfangen, so der bekämpfte Bescheid.
In der Begründung führte die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus, dass der Willensentschluss aus dem Einzelunternehmen eine GmbH zu gründen einzig vom Beschwerdeführer selbst ausgegangen sei und mit der anspruchsbegründenden Straftat und der damit verbundenen eingeschränkten Erwerbsfähigkeit in keinem Zusammenhang stehe. Der Beschwerdeführer habe für ein sich daraus ergebenes wirtschaftliches Risiko einzustehen und die Folgen dieses Entschlusses zu tragen. Es sei nicht im Sinne des Verbrechensopfergesetzes das wirtschaftliche Risiko eines (Einzel)Unternehmens auszugleichen und auf den Bund zu überwälzen. Konkret würde dies bedeuten, dass bei schlechtem Geschäftsgang der finanzielle Abgang bzw. der ausbleibende Gewinn mit den Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz ausgeglichen werden müsse. Zusammengefasst sei festzuhalten, dass der Entschluss eine GmbH zu gründen mit dem seinerzeitigen Ereignis nicht in Zusammenhang stehe und damit etwa zusammenhängende nachteilige wirtschaftliche Folgen nicht mehr mit dem schädigenden Ereignis zusammenhängen. Des Weiteren sei anzumerken, dass der Beschwerdeführer aus berufskundlicher Sicht als nunmehriger Geschäftsführer einer GmbH andere Aufgaben zu erledigen habe, als seinerzeit als Arbeiter einer Straßenmarkierungsfirma. Als Geschäftsführer habe er vielmehr auch eine Vielzahl von Verwaltungstätigkeiten zu verrichten, weshalb die noch vorhandene Gesundheitsschädigung des rechten Beines durch teils stehende teils sitzende Tätigkeiten weitgehend kompensiert und bei freier Einteilung der Arbeitszeit weitgehend ausgeglichen werden könne. Aus diesen Gründen bestehe ab 01.01.2016 kein kausaler Verdienstentgang mehr, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
5. Dagegen erhob der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers am 29.01.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin aus, dass durch die Einbringung des Einzelunternehmens in eine GmbH keine Änderung der Unternehmensstruktur selbst eingetreten sei. Das Unternehmen habe weder Mitarbeiter aufgenommen, noch sei es dem Beschwerdeführer möglich gewesen sich auf eine reine Büroarbeit zurückzuziehen. An seiner tatsächlich ausgeübten Tätigkeit habe sich durch die Umwandlung des Einzelunternehmens in eine GmbH nichts geändert.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz zur Zahl XXXX sei über die GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden. Davon unabhängig sei jedoch der grundsätzliche Anspruch auf Verdienstentgang des Beschwerdeführers zu beurteilen. Das Einkommen des Beschwerdeführers sei analog zu den Vorjahren, als er noch Einzelunternehmer gewesen sei, zu berechnen. Für die Beurteilung, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer aus berufskundiger Sicht andere Aufgaben zu erledigen habe, fehle es an Feststellungen. Eine derartige Begründung könne zudem nicht nachvollzogen werden. Auch habe eine dahingehende Befragung des Beschwerdeführers nicht stattgefunden.
6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.11.2018, W264 2185001-1, wurde der Beschwerde Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde nicht nachvollziehbar und ohne Darlegung konkreter, ihre Entscheidung stützende gesetzliche Bestimmungen davon ausgegangen sei, dass eine Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung den Verlust des dem Grunde nach zuerkannten Anspruches auf Ersatz von Verdienstentgang nach dem VOG zur Folge habe. Die belangte Behörde habe in Verkennung der Rechtslage bloß ansatzweise Ermittlungen durchgeführt und den bekämpften Bescheid in dessen Begründung auf Gründe gestützt, welche nicht durch Ermittlungstätigkeiten gestützt seien.
Im fortgesetzten Verfahren habe sich die belangte Behörde unter Berücksichtigung der entsprechenden maßgeblichen Bestimmungen nach dem Verbrechensopfergesetz mit der Rechtsfrage auseinanderzusetzen, in welchem Ausmaß dem Beschwerdeführer Verdienstentgang ab 01.01.2016 gebühre und dem Beschwerdeführer unter der Wahrung des Parteiengehörs die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den Ergebnissen einzuräumen haben.
7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.01.2021 hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass für die Zeit vom 01.01.2016 bis 24.01.2018 gemäß § 1 Abs. 1 und 3,
§ 2 Z 1, § 3 und § 10 Abs. 1 Verbrechensopfergesetz (VOG) in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung Hilfeleistungen in Form von Ersatz des Verdienstentganges in folgender Höhe bewilligt werden:
Von 01.01.2016 bis 30.04.2016 in Höhe von € 232,40
Von 01.05.2016 bis 30.04.2017 in Höhe von € 236,00
Von 01.05.2017 bis 31.12.2017 in Höhe von € 238,80
Von 01.01.2018 bis 24.01.2018 in Höhe von € 184,90.
Gemäß § 7 VOG wurde die im Zeitraum von 01.01.2016 bis 31.07.2017 bezogenen Vorschusszahlungen in Höhe von monatlich € 600,00 auf diese Leistungen angerechnet, sodass ein Überbezug an Ersatzleistungen in Höhe von € 6.143,10 entstanden sei. Über die Hereinbringung dieses Betrages werde nach Rechtskraft des Bescheides gesondert entschieden.
Für die Zeit nach Konkurseröffnung ab 25.01.2018 werde gesondert entschieden.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit 01.01.2016 Alleingesellschafter und Geschäftsführer der XXXX in Personalunion sei. Der Gewinn einer Kapitalgesellschaft sei von vielen Faktoren abhängig, wie die allgemeine Wirtschaftslage und die Finanzlage der GmbH sowie die persönlichen Kontakte in der Kundenbetreuung und die korrekte und pünktliche Durchführung der Arbeiten. Aufgrund der Vielzahl an externen und internen Faktoren, von denen der Ertrag bzw. Gewinn der Gesellschaft abhängig sei, könne keinesfalls geschlossen werden, dass er aufgrund der seinerzeit erlittenen Verletzungen nunmehr kein Einkommen aus der GmbH mehr erziele. Es könne jedoch nicht sein, dass der Staat aus dem Verbrechensopfergesetz den aus diversen Gründen nicht erzielten Gewinn ausgleiche und ersetze. Es könne daher nicht nachvollziehbar festgestellt werden, wie hoch der Gewinn der GmbH sei, und auch nicht, in welchem Ausmaß sich der Ertrag aufgrund der kausalen Minderung der Erwerbsfähigkeit verringere. Eine Gegenüberstellung des Verdienstes vor und nach dem Selbstständigmachen sei aufgrund der vielen akausalen Faktoren, von denen der Gewinn eines Einzelunternehmens oder einer Kapitalgesellschaft abhänge, nicht möglich. Eine Gegenüberstellung des Verdienstes, den der Beschwerdeführer als Unselbstständiger erzielt habe mit den allfälligen Gewinnen und Verlusten der GmbH zu verrechnen, könne aufgrund der vielen Faktoren nicht erfolgen. Die allfälligen Verluste seien keinesfalls ausschließlich auf die seinerzeit erlittene Gesundheitsschädigung zurückzuführen. Dies würde dazu führen, dass die Verluste aus den Jahren 2016 und 2017 zur Gänze durch Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz auszugleichen wären.
Nach ständiger Judikatur des OGH seien bei einem kausalen Verdienstentgang bei Selbstständigen die Kosten einer Ersatzkraft zu ersetzen. Laut dem eingeholten Sachverständigengutachten betrage die Minderung der Erwerbstätigkeit berufskundlich ca. 10 %, d.h. ca. 10 % der Gesamttätigkeit des Beschwerdeführers müsse an einen Mitarbeiter abgegeben werden. Da der Beschwerdeführer keinen Facharbeiter benötige, sei zur Berechnung das kollektivvertragliche Einkommen eines Helfers zugrunde gelegt worden.
8. Gegen diesen Bescheid hat der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben.
Der Beschwerdeführer führte im Wesentlichen aus, dass nach den Bestimmungen des VOG der Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges vorgesehen sei und nicht die Aufwendungen der Kosten einer Ersatzkraft. Dem Beschwerdeführer sei daher jener Betrag zu ersetzen, den er verloren habe, da er seine ursprünglich ausgeübte und an sich auch fortgesetzte Tätigkeit nicht mehr verrichten könne. Es sei von Beginn an bekannt gewesen, dass der Beschwerdeführer seine selbstständige Tätigkeit nicht alleine als Einzelunternehmer durchführen könne, sondern Mitarbeiter benötige. Durch die Änderung der Rechtsform sei keine Änderung des Einkommens eingetreten, da sich die Unternehmensstruktur nicht geändert habe. Daher sei weiterhin der Verdienstentgang zu ersetzen, welcher sich aus dem ursprünglich errechneten Einkommen, abzüglich des erzielten Einkommens, ergebe.
Für die Berechnung des Verdienstentganges sei daher das im Jahr 2005 erzielte Nettoeinkommen mit den geltenden Anpassungsfaktoren zu valorisieren. Das fiktive Einkommen liege daher über der jeweils gültigen Einkommensgrenze für den Ersatz des Verdienstentganges.
9. Am 11.03.2021 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
10. Am 25.10.2021 wurden von Seiten der belangten Behörde weitere Unterlagen nachgereicht.
11. Am 22.11.2021 fand eine öffentlich mündliche Verhandlung statt, welche hier zusammenfassend wiedergegeben wird. Bei dieser Verhandlung waren der Richtersenat mit Vorsitzendem Richter Mag. Gerhard HÖLLERER (VR) und die Beisitzer Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS (BR) und der fachkundige Laienrichter Mag. Michael SVOBODA (FLR), sowie die Schriftführerin Ass. Neslihan KAYA anwesend. Weiters nahmen der Sachverständige XXXX (SV), der Beschwerdeführer XXXX (BF), der Vertreter des Beschwerdeführers RA Mag. Roland SCHWAB, Rechtsanwalt in Linz (RV) und die Zeugen XXXX (Z1) sowie die Zeugin XXXX (Z2) an der Verhandlung teil. Die belangte Behörde ist entschuldigt nicht erschienen.
Im Wesentlichen geht aus der Einvernahme des Beschwerdeführers (BF) Folgendes hervor:
Der Beschwerdeführer führte aus, er habe nach Umwandlung des Einzelunternehmens zur GmbH das Gehalt plus Ertrag von der Firma gleich hoch angesetzt wie als Einzelunternehmer. Zum Schluss habe er € 2.000,00 als Gehalt bekommen, in schlechten Monaten habe er sich nichts ausbezahlen können. Die Obergrenze für den Verdienstentgang habe der Beschwerdeführer oft überschritten und habe dann nichts erhalten. Das Einkommen habe er jedoch nicht bewusst gesteuert, die schlechten Erträge bzw. Umsätze seien keine Mutwilligkeit gewesen.
Die GmbH sei auf Anraten eines Mitarbeiters des Z1 gegründet worden, da dann die Firma veräußert werden könne, wenn es gut laufe und der BF in den Ruhestand gehe. Für die Übernahme sei ein Mitarbeiter gedacht gewesen, welcher im Jahr 2018 verstorben sei.
Die Konkurseröffnung folgte aufgrund der Übernahme eines Großauftrages, welcher schiefgegangen sei. Die Insolvenz sei eine Verteilung geworden und hafte der Geschäftsführer bzw. Einzelunternehmer für den Kontokorrent-Kredit, daher sei ein Privatkonkurs gefolgt.
Im Wesentlichen geht aus der Einvernahme des Zeugen XXXX (Z1) Folgendes hervor:
Der Z1 ist seit 2010 oder 2011 der Steuerberater des BF und habe diesem empfohlen das Einzelunternehmen in eine GmbH einzubringen, insbesondere aus dem Grund des Unternehmensrisikos, da das persönliche Vermögen in einer GmbH geschützt sei. Nach Konkurseröffnung sei die Tätigkeit des Zeugen beendet gewesen.
Der Z1 führte aus, es habe sich bei der Gründung der GmbH an der operativen Tätigkeit nichts geändert, sondern ausschließlich die Rechtsform. Der BF habe sich vorher bereits als Einzelunternehmer bewerkstelligt und gute Gewinne erzielt, in der GmbH leider einmal einen Auftrag angenommen, bei welchem sich Mängel in der Durchführung herausgestellt hätten.
Im Wesentlichen geht aus der Einvernahme des Sachverständigen XXXX (SV) Folgendes hervor:
Der Sachverständige führte aus, dass der BF zu 30 % jemanden beauftragen müsste, der die manuelle Tätigkeit ausführen müsste. Das Gutachten sei daher insofern anzupassen, dass der BF 30 % zukaufen müsste, da er 30 % der Tätigkeit, die ein Gesunder machen könne, nicht mehr machen könne.
Im Wesentlichen geht aus der Einvernahme der Zeugin XXXX (Z2) Folgendes hervor:
Die Z2 war die Mitarbeiterin des BF und führte aus, es habe sich an der Struktur, der operativen Einheit und dem Alltagsgeschäft zwischen der Rechtsform Einzelunternehmen und Ein-Mann GmbH nichts geändert. Die Z2 habe keinen Mehraufwand dadurch gehabt. Es liege vier Jahre zurück, doch habe sich vom Gefühl her nichts geändert gehabt. Sie sei keine gelernte Buchhalterin gewesen, sondern in das Ganze hineingerutscht. Bei der Rechnungsstellung habe sich nur der Briefkopf geändert gehabt.
12. Mit Schreiben vom 25.11.2021 wurde den Parteien das Langprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2021 zur Stellungnahme binnen einer Woche übermittelt. Weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer haben eine Stellungnahme eingebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und wurde am XXXX geboren.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.01.2007 der Ersatz des Verdienstentganges nach dem Verbrechensopfergesetz aufgrund einer am 18.06.2005 erlittenen Schädigung (Trümmerbruch des rechten Unterschenkels unterhalb des Knies), welche er durch die Straftat der schweren Körperverletzung erlitten hatte, bewilligt.
Beim Beschwerdeführer liegt aufgrund dieses Vorfalles eine Vorfußheberlähmung rechts, eine Kniegelenksarthrose rechts mit Bandlockerung sowie eine Narbe am rechten Unterschenkel nach Hauttransplantation vor, die Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt
50 vH.
Der Beschwerdeführer bezog – wie bereits in den Vorjahren – beginnend ab Jänner 2016 bis jedenfalls 31.07.2017 Vorschussleistungen, basierend auf dem schadensbegründenden Ereignis vom 18.06.2005.
Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt des schadensbegründenden Ereignisses am 18.06.2005 unselbständig erwerbstätig.
Der Beschwerdeführer war ab 01.06.2009 gewerblich selbständig tätig (Betrieb des Einzelunternehmens XXXX ).
Der Beschwerdeführer brachte das Einzelunternehmen XXXX mit Stichtag 31.12.2015 in die XXXX ein. Der Beschwerdeführer fungiert als Geschäftsführer der XXXX .
Eine Veränderung der Minderung der Erwerbstätigkeit hat sich durch die Änderung der Rechtsform nicht ergeben. Die Bürotätigkeit, welche 40 % der Gesamttätigkeit ausmachen, kann vom Beschwerdeführer trotz objektivierbaren Funktionseinschränkungen selbstständig erledigt werden. Bei den weiteren 60 % der Gesamttätigkeit, welche vor Ort erfolgen, kann der Beschwerdeführer aufgrund des verbrechenskausalen Leidens zur Hälfte, insbesondere die tatsächlichen Markierungsarbeiten, nicht mehr selbstständig durchführen. Der Beschwerdeführer muss daher verbrechenskausal für 30 % der Gesamttätigkeit Mitarbeiter beauftragen.
Am 24.01.2018 wurde bei dem Landesgericht Linz zu Aktenzeichen XXXX über die XXXX der Konkurs eröffnet. Mit Beschluss vom 29.01.2018 wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet.
Im Zeitraum 10.01.2018 bis 30.04.2019 war der Beschwerdeführer im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
Seit 01.01.2019 bezieht der Beschwerdeführer einen Pensionsbezug wegen Erwerbsunfähigkeit von der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur österreichischen Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers sowie zum Bescheid betreffend Zuerkennung der Hilfeleistungen in Form von Verdienstentgang vom 30.01.2007 und zu den bezogenen Vorschussleistungen ab Jänner 2016 bis zumindest 31.07.2017 basieren auf dem Akteninhalt.
Dass der Beschwerdeführer bis zum schadensbegründenden Ereignis unselbstständig erwerbstätig und ab 01.06.2009 selbstständig erwerbstätig war, sowie über den Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung und der Pensionsversicherung ergibt sich aus dem Auszug aus dem Dachverband der Sozialversicherungsträger zum Stichtag 15.03.2021.
Die Feststellungen über die Gründung der XXXX basieren auf den im Fremdakt einliegenden Kopien zweier vor Notar XXXX errichteten Notariatsakte (vom 09.09.2016 und vom 20.09.2016) über die Gründung der XXXX , deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist und über die Einbringung des nicht protokollierten und vom Beschwerdeführer betriebenen Einzelunternehmens XXXX in die XXXX sowie auf der im Fremdakt einliegenden Kopie des Firmenbuchauszugs vom 21.08.2017, wonach der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer die XXXX selbständig vertritt.
Die Feststellung zur Insolvenz steht aufgrund der Aktenlage unstrittig fest.
Dass der Beschwerdeführer 30 % der Gesamttätigkeit aufgrund des verbrechenskausalen Leidens nicht selbst ausführen kann, ergibt sich aus den ergänzenden Ausführungen zum Sachverständigengutachten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.11.2021. Der Sachverständige führte bezogen auf die Angaben des Beschwerdeführers aus, dass die Tätigkeit sich in 40 % Bürotätigkeit, 60 % Tätigkeit vor Ort, wobei davon die Hälfte auf die Vorbereitungen der Arbeiten (Besichtigung, Vermessungen vor Ort) und die andere Hälfte auf die effektive Ausübung der Tätigkeit der Markierungen. Daraus folgt, dass 30 % der Gesamttätigkeit auf die reine Markierungstätigkeit fällt.
Aufgrund der beim Beschwerdeführer vorliegenden Leiden (Vorfußheberlähmung rechts, Kniegelenksarthrose rechts mit Bandlockerung, Narbe am rechten Unterschenkel nach Hauttransplantation) ist dem Beschwerdeführer die Ausübung der tatsächlichen Markierungstätigkeiten nicht mehr selbstständig möglich und muss er diese Arbeit an Mitarbeiter delegieren. Dies bedeutet, dass der Beschwerdeführer verbrechenskausal für diese 30 % der Gesamttätigkeit einen Mitarbeiter beauftragen muss, da er diese als Geschädigter nicht mehr ausführen kann.
Aus den Angaben des Beschwerdeführers sowie des Zeugen XXXX in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.11.2021 ergibt sich, dass bei der Umänderung in einer GmbH zwar in der Verwaltungstätigkeit (Bürotätigkeit) Änderungen stattgefunden haben, in der operativen Tätigkeit, insbesondere der Markierungsarbeiten, welche der Beschwerdeführer nicht mehr selbstständig ausführen kann, lagen jedoch keine Änderung hinsichtlich der selbstständigen Tätigkeit als Einzelunternehmer vor. Der Beschwerdeführer war daher auch nach Änderung der Rechtsform aufgrund der verbrechenskausalen Schädigung nicht in der Lage die 100 % der Gesamttätigkeit selbstständig zu erfüllen, sondern auf die Mitwirkung von Mitarbeitern angewiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Gemäß § 1 Abs. 1 VOG haben Anspruch auf Hilfe österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie
1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder
2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder
3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,
und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.
Gemäß § 1 Abs. 2 VOG ist Hilfe auch dann zu leisten, wenn
1. die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist oder der Täter in entschuldigendem Notstand gehandelt hat,
2. die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist oder
3. der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann.
Als Hilfeleistungen sind gemäß § 2 VOG vorgesehen:
1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;
2. Heilfürsorge
a) ärztliche Hilfe,
b) Heilmittel,
c) Heilbehelfe,
d) Anstaltspflege,
e) Zahnbehandlung,
f) Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§ 155 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955);
2a. Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten
3. orthopädische Versorgung
a) Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, deren Wiederherstellung und Erneuerung,
b) Kostenersatz für Änderungen an Gebrauchsgegenständen sowie für die Installation behinderungsgerechter Sanitärausstattung,
c) Zuschüsse zu den Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,
d) Beihilfen zur Anschaffung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,
e) notwendige Reise- und Transportkosten;
4. medizinische Rehabilitation
a) Unterbringung in Krankenanstalten, die vorwiegend der Rehabilitation dienen,
b) ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe, wenn diese Leistungen unmittelbar im Anschluß oder im Zusammenhang mit der unter lit. a angeführten Maßnahme erforderlich sind,
c) notwendige Reise- und Transportkosten;
5. berufliche Rehabilitation
a) berufliche Ausbildung zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit,
b) Ausbildung für einen neuen Beruf,
c) Zuschüsse oder Darlehen (§ 198 Abs. 3 ASVG 1955);
6. soziale Rehabilitation
a) Zuschuß zu den Kosten für die Erlangung der Lenkerberechtigung, wenn auf Grund der Behinderung die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar ist,
b) Übergangsgeld (§ 306 ASVG 1955);
7. Pflegezulagen, Blindenzulagen;
8. Ersatz der Bestattungskosten;
9. einkommensabhängige Zusatzleistung;
10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.
Der Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges wird im § 3 VOG normiert. Gemäß dessen Abs 1 ist Hilfe nach § 2 Z 1 monatlich jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der dem Opfer durch die erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 3) als Verdienst oder den Hinterbliebenen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen als Unterhalt entgangen ist oder künftighin entgeht. Sie darf jedoch zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 den Betrag von monatlich 2 068,78 Euro nicht überschreiten. Diese Grenze erhöht sich auf 2 963,23 Euro, sofern der Anspruchsberechtigte seinen Ehegatten überwiegend erhält. Die Grenze erhöht sich weiters um 217,07 Euro für jedes Kind (§ 1 Abs. 5). Für Witwen (Witwer) bildet der Betrag von 2 068,78 Euro die Einkommensgrenze. Die Grenze beträgt für Waisen bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres 772,37 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 1 160,51 Euro und nach Vollendung des 24. Lebensjahres 1 372,14 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 2.068,78 Euro. Diese Beträge sind ab 1. Jänner 2002 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden Jahres mit dem für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Die vervielfachten Beträge sind auf Beträge von vollen 10 Cent zu runden; hiebei sind Beträge unter 5 Cent zu vernachlässigen und Beträge von 5 Cent an auf 10 Cent zu ergänzen. Übersteigt die Hilfe nach § 2 Z 1 zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 die Einkommensgrenze, so ist der Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges um den die Einkommensgrenze übersteigenden Betrag zu kürzen.
Gemäß § 3 Abs 2 leg.cit. gelten als Einkommen alle tatsächlich erzielten und erzielbaren Einkünfte in Geld oder Güterform einschließlich allfälliger Erträgnisse vom Vermögen, soweit sie ohne Schmälerung der Substanz erzielt werden können, sowie allfälliger Unterhaltsleistungen, soweit sie auf einer Verpflichtung beruhen. Außer Betracht bleiben bei der Feststellung des Einkommens Familienbeihilfen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, Leistungen der Sozialhilfe und der freien Wohlfahrtspflege sowie Einkünfte, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindenzulage und gleichartige Leistungen). Auf einer Verpflichtung beruhende Unterhaltsleistungen sind nicht anzurechnen, soweit sie nur wegen der Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 gewährt werden.
Beginn und Ende der Hilfeleistungen, Rückersatz und Ruhen werden im § 10 VOG normiert: Gemäß dessen Abs 1 dürfen Leistungen nach § 2 nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so sind die Leistungen nach
§ 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist. Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs. 5 unterliegen keiner Frist.
Gemäß § 10 Abs 2 leg.cit. endet die Hilfeleistung, wenn sich die für die Hilfeleistung maßgebenden Umstände ändern, nachträglich ein Ausschließungsgrund (§ 8) eintritt oder nachträglich hervorkommt, dass die Voraussetzungen für eine Hilfeleistung nicht gegeben sind.
Ein Verdienstentgang ist dem Beschädigten demnach bis zur normierten Einkommensgrenze jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der ihm durch die verbrechenskausal erlittene Körperverletzung als Verdienst entgangen ist oder künftig entgeht.
Für die Beurteilung ist sohin der fiktive schadensfreie Verlauf maßgebend.
Zur Ermittlung des Verdienstentganges ist auf die zu § 1325 ABGB ergangene Judikatur des OGH zurückzugreifen, wonach jemand der an seinem Körper verletzt wird, einen Anspruch auf Ersatz des künftig entgehenden Verdienstes gegenüber dem Schädiger hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des OGH muss bei der Beurteilung des Begehrens auf Ersatz von Verdienstentgang auf jene Verhältnisse Bedacht genommen werden, die ohne die Beschädigung des Verletzten eingetreten wären, sodass dieser nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt sein soll, als er ohne die Körperbeschädigung gewesen wäre (RIS-Justiz RS0030628).
Bei der Berechnung des Schadenersatzes für den Verdienstentgang ist der Geschädigte so zu stellen, wie er stünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, bei welcher der hypothetische Vermögensstand ohne schädigendes Ereignis mit dem tatsächlich nach dem schädigenden Ereignis gegebenen verglichen wird. Dabei ist vom Nettoschaden auszugehen, weil dem Geschädigten vor dem Unfall auch nur die Nettoeinkünfte verblieben, also die um Steuer und sonstige Abgaben verminderten Bruttoeinkünfte. Vom hypothetischen Nettoverdienst, den der Geschädigte ohne den Unfall nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge erzielt hätte, ist der tatsächliche Nettoverdienst zuzüglich einer allenfalls zur Auszahlung gebrachten Sozialversicherungsrente abzuziehen (vgl OGH 09.09.2015, 2Ob1/15h mwN).
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt, wenn die Verfügbarkeit der individuellen Arbeitskraft des Verletzten unfallskausal beeinträchtigt wird, der entgehende Wert der Arbeitskraft einen Verdienstentgang dar. Für die Bemessung sind in der Regel die Kosten einer entsprechenden Ersatzkraft heranzuziehen. Der Verdienstentgang liegt bereits in der mangelnden Verfügbarkeit und Verwendbarkeit der eigenen Arbeitskraft des Verletzten (OGH vom 07.07.2008, 6 Ob 75/08 mwN).
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.01.2007, wurde bereits rechtskräftig festgestellt, dass der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Ersatz des Verdienstentganges nach dem Verbrechensopfergesetz aus dem schädigenden Ereignis vom 18.06.2005 hat.
Dass dem Beschwerdeführer für den genannten Zeitraum der Ersatz des Verdienstentganges zusteht ist daher unstrittig; strittig ist lediglich die Frage, in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer im schadensfreien Verlauf seine selbstständige Beschäftigung ohne eine Ersatzarbeitskraft ausüben könnte bzw. aufgrund der verbrechenskausalen Schädigung eine Ersatzarbeitskraft benötigt.
Die Tätigkeit des Beschwerdeführers beträgt zu 40 % Bürotätigkeit, welche von ihm selbstständig ausgeführt werden kann. 60 % der Tätigkeit wird vor Ort ausgeführt, wobei die Hälfte davon in Vorbereitung der Arbeit und die andere Hälfte in die effektive Ausübung von Markierungstätigkeiten fließt. Davon kann der Beschwerdeführer die effektive Markierungstätigkeit nicht selbstständig ausführen, sondern bedarf für diese 30 % der Gesamttätigkeit aufgrund der aus dem Vorfall vom 18.06.2005 erlittenen Folgeschäden einer Ersatzkraft.
Daher ist dem Beschwerdeführer der Verdienstentgang für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 24.01.2018 in der Höhe von 30 % auf Basis seines Einkommens als unselbstständiger Erwerbstätiger zuzuerkennen. Die tatsächliche Höhe des Verdienstentganges ist von der belangten Behörde zu berechnen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Berechnung Einzelunternehmer Ersatzarbeitskraft GmbH Minderung der Erwerbstätigkeit Sachverständigengutachten selbstständig Erwerbstätiger VerbrechensopferG VerdienstentgangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2185001.2.00Im RIS seit
05.01.2022Zuletzt aktualisiert am
05.01.2022