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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §13a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Oktober 1995, Zl. 4.347.221/1-III/13/95, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages und Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Juni 1995 wurde der am selben Tag gestellte Antrag des Beschwerdeführers, eines sudanesischen Staatsangehörigen, der am 23. Juni 1995 illegal in das Bundesgebiet eingereist ist, abgewiesen und durch persönliche Übergabe an den Beschwerdeführer zugestellt, der unmittelbar darauf in Schubhaft genommen wurde. Innerhalb der 14-tägigen Berufungsfrist wurde vom Beschwerdeführer kein Rechtsmittel eingebracht. Erst mit Eingabe vom 23. August 1995 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes und holte unter einem die versäumte Prozeßhandlung durch Erhebung einer detailliert begründeten Berufung nach. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag auf Wiedereinsetzung wie folgt:
"Ich bin sofort nach Erhalt dieses Bescheides festgenommen und in Schubhaft überstellt worden. Nach einem Hungerstreik wurde ich in ein Krankenhaus überstellt und dort am 16.8.1995 entlassen. Ich bin des Schreibens nicht genügend kundig, um eine Berufung ohne Hilfe selbst abzufassen. Auch konnte ich vom Inhalt und den Abweisungsgründen keine Kenntnis erlangen, da ich der deutschen Sprache nicht mächtig bin und mir kein Dolmetscher zur Verfügung stand. Dies habe ich auch den Wachebeamten mitgeteilt und darauf hingewiesen, daß ich eine Berufung erheben möchte. Ich habe sie um Hilfe gebeten, die mir jedoch verwehrt wurde. Auch konnte ich keinen telefonischen Kontakt zur Außenwelt aufnehmen, da ich nicht wußte, an wen ich mich wenden sollte. Ich kenne niemanden in Österreich. In Folge des Hungerstreikes bis zur Entlassung aus dem Spital war meine Gesundheit auch derart angegriffen, daß es mir nicht möglich war, rechtliche Schritte zu ergreifen bzw. in die Wege zu leiten.
Es war mir daher während der Schubhaft und während des Aufenthales im Spital ohne mein Verschulden tatsächlich unmöglich, eine Berufung zu erheben."
Mit Bescheid vom 6. September 1995 wies das Bundesasylamt diesen Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 in Verbindung mit § 56 AVG ab und begründete dies im wesentlichen damit, keiner der im § 71 AVG aufgezählten Wiedereinsetzungsgründe, mithin auch kein minderer Grad des Versehens oder Verschuldens sei vorgelegen. Es wäre dem Beschwerdeführer vielmehr auch in der Schubhaft jederzeit möglich gewesen, gegen den abweislichen Asylbescheid fristgerecht ein Rechtsmittel zu ergreifen. Spruch und Rechtsmittelbelehrung des anzufechtenden Bescheides sei ihm in einer ihm verständlichen Sprache übermittelt worden, was er auch durch eigenhändige Unterschriftsleistung bestätigt habe. Von einem Hungerstreik könne überhaupt nicht die Rede sein, ebensowenig von einem längerdauernden Spitalsaufenthalt; Recherchen des Bundesasylamtes hätten vielmehr ergeben, daß er lediglich an einem einzigen Tag, nämlich dem 19. Juli 1995, zwecks Behandlung von Bauchschmerzen ins AKH eingeliefert und anschließend sofort wieder in fremdenpolizeiliche Gewahrsame genommen worden sei. Rechtsunkenntnis bzw. mangelnde Deutschkenntnisse stellten jedoch weder ein unvorhergesehenes noch ein unabwendbares Ereignis dar. Die Behauptung, die entsprechende Hilfe sei dem Beschwerdeführer seitens der Wachebeamten verwehrt worden, sei nicht glaubhaft, abgesehen davon, daß es dem Beschwerdeführer nicht unmöglich gewesen sei, etwa mit einem Flüchtlingsberater oder einer anderen hiefür geeigneten Person oder Institution Kontakt aufzunehmen. Auch Schreibutensilien stünden jedem Schubhäftling zur Verfügung, um im Notfall auch selbst eine Berufung zu verfassen. Dies habe der Beschwerdeführer jedoch nicht getan.
Infolge der dagegen gerichteten Berufung erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 2. Oktober 1995, mit welchem sie die Berufung gegen den den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid vom 28. Juni 1995 abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Juni 1995 wegen Asylgewährung gemäß § 66 Abs 4 in Verbindung mit § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückwies. Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der in Anwendung gebrachten Gesetzesbestimmungen begründete sie dies im wesentlichen damit, weder Unkenntnis eines Gesetzes, noch mangelnde Rechtskenntnis, noch auch mangelnde Deutschkenntnisse könnten als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der anzuwendenden Gesetzesbestimmung gelten. Selbst Erkrankung bilde nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund, wenn zufolge der Krankheit die Dispositionsfähigkeit der Partei ausgeschlossen worden seien. Dies habe der Beschwerdeführer nicht behauptet, ganz abgesehen davon, daß seine Behauptungen betreffend den Hungerstreik mit der Realität nicht übereingestimmt hätten, sodaß seine Glaubwürdigkeit insgesamt in Zweifel zu ziehen sei. Ebenso unglaubwürdig sei, daß er des Schreibens nicht genügend kundig sei, da er immerhin die Grundschule fünf Jahre lang besucht und der englischen Sprache mächtig sei, sodaß es ihm zugemutet hätte werden können, eigenhändig eine Berufung zu verfassen, zumal ihm Spruch und Rechtsmittelbelehrung in englischer Sprache zugegangen seien. Auch die Behauptung, es sei ihm während seiner Anhaltung in Schubhaft die Hilfe zur Erhebung einer Berufung von den Wachebeamten verwehrt worden, stelle eine Schutzbehauptung dar, die lediglich der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages diene. Im übrigen hielt die belangte Behörde der Argumentation des Beschwerdeführers entgegen, er hätte dann anläßlich der spitalsärztlichen Behandlung am 19. Juli 1995 die Möglichkeit gehabt, entsprechende Hilfe zu erhalten bzw. um Schreibmaterial oder die Möglichkeit eines Telefonates zu ersuchen. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen könne der Wiedereinsetzungsantrag daher nicht bewilligt werden, weshalb auch die außerhalb der gesetzlichen Frist des § 63 Abs. 5 AVG erhobene Berufung als verspätet zurückzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes geltend gemacht werden und über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Zunächst ist festzuhalten, daß - ausgehend von dem Tag der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, 28. Juni 1995, die Frist zur Erhebung der Berufung gegen diesen Bescheid am 13. Juli 1995 abgelaufen ist (weshalb der Hinweis der belangten Behörde auf eine allenfalls im Zuge der Spitalsbehandlung des Beschwerdeführers am 19. Juli 1995 offengestandenen Möglichkeit der Erhebung der Berufung unter entsprechender Hilfestellung unverständlich erscheint). Dem Akteninhalt ist ferner zu entnehmen, daß sich der Beschwerdeführer vom 28. Juni bis 16. August 1995 in Schubhaft befunden hat. Insoweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erstmals vorbringt, seine Muttersprache sei "Dinka" und daran im weiteren rechtliche Konsequenzen knüpft, ist ihm entgegenzuhalten, daß er nach dem Inhalt des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes unter Punkt 6. der niederschriftlichen Befragung als von ihm beherrschte Sprache lediglich "englisch" angegeben hat und sowohl die Aufnahme seiner Personalien als auch die nachfolgende Vernehmung in dieser Sprache erfolgte. Die belangte Behörde befindet sich auch auf dem Boden der geltenden Rechtslage, wenn sie die vom Beschwerdeführer geltend gemachten mangelnden Rechts- und Sprachkenntnisse als nicht geeignet erachtet hat, einen Wiedereinsetzungsgrund zu bilden. Daß sich die im Wiedereinsetzungsantrag behauptete gesundheitliche Beeinträchtigung durch den Hungerstreik und der nachfolgende Spitalsaufenthalt als mit den Tatsachen nicht übereinstimmend erwiesen haben, stellt der Beschwerdeführer nicht mehr in Abrede und greift auch die von ihm im Wiedereinsetzungsantrag behauptete mangelnde Schreibkenntnis in der Beschwerde nicht mehr auf (wohl im Hinblick auf die von ihm selbst ausgefüllten Angaben zu seiner Person, Aktenseite 5 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
Zu überprüfen bleibt daher die Behauptung des Beschwerdeführers, man habe ihm während der Anhaltung in Schubhaft die Hilfestellung zur Erhebung einer Berufung gegen den erstinstanzlichen, asylabweisenden Bescheid "verwehrt", es treffe ihn überdies im Hinblick auf den nach der Feststellung der belangten Behörde nicht besonders ausgeprägten Bildungsgrad bzw. seine Intelligenz, also unter Berücksichtigung seiner subjektiven Verhältnisse, allenfalls nur ein minderer Grad des Versehens. Der Beschwerdeführer verweist hiezu auf das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1994, Zl. 93/01/1117. Mit diesem Erkenntnis trug der Verwaltungsgerichtshof der Sondersituation eines in Schubhaft befindlichen Asylwerbers Rechnung, machte jedoch in diesem Erkenntnis auch deutlich, daß der Asylwerber - ohne zu ständigen Urgenzen gezwungen zu sein - sich um die fristgerechte Erhebung der Berufung bzw. der Erlangung einer entsprechenden Hilfestellung hiefür KONSEQUENT ZU BEMÜHEN HAT. Eine derartige Behauptung hat der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag jedoch nicht aufgestellt. Da aber nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sämtliche Wiedereinsetzungsgründe bereits in dem Antrag auf Wiedereinsetzung enthalten sein müssen und das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen auch von der Behörde nur in diesem Rahmen zu untersuchen ist, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird, war auf die diesbezüglichen neuen Ausführungen in der Beschwerde nicht mehr einzugehen.
Ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zu bewilligen, erweist sich aber auch der Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Juni 1995) infolge Verspätung - die im übrigen vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird - als zutreffend. Insgesamt war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996010195.X00Im RIS seit
20.11.2000