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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Juli 1995, Zl. MA 61/IV-D 190/94, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Juli 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 22. April 1994 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 und 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) abgewiesen.
Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer lebe seit 1974 in Österreich und bestreite seinen Lebensunterhalt aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer einer Imbißstube. Im durchgeführten Ermittlungsverfahren sei bekanntgeworden, daß der Beschwerdeführer im Jahre 1991 wegen Betreibens einer Bar ohne gewerbliche Genehmigung mit einer Geldstrafe von S 7.000,-- belegt worden sei, weiters sei er in den Jahren 1993 und 1994 jeweils wegen Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz zu einer Gesamtgeldstrafe von S 17.000,-- (richtig: S 17.500,--) "verurteilt" worden. Außerdem schienen hinsichtlich des Beschwerdeführers neun Verwaltungsübertretungen des Kraftfahrgesetzes und der Straßenverkehrsordnung auf, wobei es sich überwiegend um Beanstandungen wegen Mißachtung der Pflichten eines Zulassungsbesitzers handle. Daraus folgerte die Behörde, daß zwar im gegebenen Fall kein Verleihungshindernis im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 8 StbG vorliege, die Verleihungsbehörde jedoch in Anbetracht der wiederholten Rechtsverletzungen des Bewerbers von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen positiven Gebrauch machen könne, weil der Beschwerdeführer den im Gastland geltenden Rechtsvorschriften bisher nur wenig Bedeutung beigemessen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer, der die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht in Abrede stellt, vertritt den Standpunkt, die 1991 erfolgte Bestrafung wegen eines Verstosses gegen die Gewerbeordnung könne nicht mehr von Bedeutung sein, weil mittlerweile die gewerberechtlichen Voraussetzungen zur Führung seines Lokales gegeben seien. Ähnliches gelte auch für die Bestrafung wegen Beschäftigung eines Ausländers ohne vorläufige Arbeitsbewilligung bzw. Befreiungsschein nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz. Die ihm zur Last gelegten Verwaltungsdelikte nach der Straßenverkehrsordnung bzw. dem KFG könnten in ihrer Bedeutung vernachlässigt werden. Es sei zu seinen Gunsten vielmehr in Anschlag zu bringen, daß er anstandslos und vor allem ohne jedwedes gerichtliche Delikt seit über zwei Jahrzehnten in Österreich wohnhaft sei, weshalb ihm allenfalls vorzuwerfende Verwaltungsdelikte in ihrer Bedeutung "gegen Null konvergierten", aus dem zwingenden Umkehrschluß aus § 10 Abs. 1 Z. 1 (richtig: 2) lit. a StbG ergebe sich, daß lediglich sechs Monate übersteigende Freiheitsstrafen ein Einbürgerungshindernis darstellten. Daraus aber sei abzuleiten, daß ein doloses Delikt, dessentwegen über ihn eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt worden wäre, kein Hindernis darstellte, ihm die Staatsbürgerschaft zu verleihen. Wenn dies nicht einmal bei einem Verbrechen der Fall sei, wenn nur die Strafe ein halbes Jahr nicht übersteige, könne dies umso weniger für Verwaltungsdelikte zutreffen, deretwegen lediglich Geldstrafen verhängt würden. Wohl schließe das Fehlen eines Verleihungshindernisses die Ausübung des freien Ermessens mit negativem Ergebnis für den Bewerber nicht aus, doch müsse auf die Gleichwertigkeit Bedacht genommen werden, sofern die Ausübung des Ermessens nicht in einen Ermessensmißbrauch ausarten solle. Genau dies liege aber im konkreten Fall vor.
Die belangte Behörde hat ihre, für den Beschwerdeführer ungünstige Entscheidung im Rahmen des von ihr gemäß § 11 StbG auszuübenden freien Ermessens getroffen. Nach dieser Gesetzesstelle hat sich die Behörde dabei von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen.
Die belangte Behörde hat ihre im Rahmen des gemäß § 11 leg. cit. auszuübenden freien Ermessens getroffene Entscheidung daher so zu begründen, daß eine Überprüfung, ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, möglich ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 93/01/0077, und die darin enthaltenen Verweise). Zwar hat die belangte Behörde einzelne Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Einrichtung der von ihm auch derzeit noch betriebenen Imbißstube, sowie weitere Verwaltungsübertretungen nach der StVO und dem KFG, die nach ihren eigenen Ausführungen überwiegend Ordnungsvorschriften für den Zulassungsbesitzer eines Fahrzeuges betreffen (§ 103 Abs. 2 KFG), zur Beurteilung herangezogen, dem angefochtenen Bescheid ist aber nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen dadurch eine (nach wie vor bestehende) negative Einstellung des Beschwerdeführers zur österreichischen Rechtsordnung zum Ausdruck komme, sowie aus welchen Gründen diese in der Vergangenheit liegenden Ordnungswidrigkeiten die für den Beschwerdeführer sprechenden Gründe überwiegen. In der Beschwerde wird zutreffend darauf verwiesen, daß die im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Gewerbeordnung und das Ausländerbeschäftigungsgesetz durch die mittlerweile erteilten Genehmigungen keine "Wiederholungsgefahr" in sich bergen und die Verwaltungsdelikte nach dem KFG in ihrer Bedeutung geringfügig sind. Als an sich gravierende Verwaltungsübertretung scheint lediglich der aus dem Jahr 1994 stammende Verstoß gegen § 8 Abs. 5 StVO (Überfahrens einer Kreuzung trotz Rotlicht) auf. Eine negative Zukunftsprognose wäre aber trotzdem umso notwendiger zu begründen gewesen, als der Beschwerdeführer bereits über 20 Jahre in Österreich lebt, hier mit seiner Familie integriert ist und jedenfalls nicht ohne weiteres von einem Überwiegen der aufgezeigten, gegen den Beschwerdeführer sprechenden Umstände gegenüber jenen zu seinen Gunsten gesprochen werden kann.
Mangels entsprechender Ausführungen leidet der angefochtene Bescheid daher an einem wesentlichen Begründungsmangel, der gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zu einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führen mußte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. An Bundesstempelmarken konnte lediglich jener Betrag zugesprochen werden, der für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung unumgänglich notwendig war (zwei Ausfertigungen der Beschwerde plus Beilage).
Schlagworte
Begründung von Ermessensentscheidungen Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrecht AVG VStG VVG VwGGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995010469.X00Im RIS seit
25.01.2001