TE Vfgh Erkenntnis 1994/11/28 B1949/93

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Veröffentlicht am 28.11.1994
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art117 Abs2
Bgld GdWO 1992 §24
Bgld GdWO 1992 §25 Abs3

Leitsatz

Keine Verletzung im aktiven und passiven Wahlrecht zum Gemeinderat (Art117 Abs2 B-VG) bzw im Gleichheitsrecht durch Streichung aus dem Wählerverzeichnis infolge erschöpfender Beurteilung der Frage des Wohnsitzes des Beschwerdeführers (vgl. WI-1/93 ua, E v 01.12.93). Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wegen gesetzwidriger Bescheidzustellung infolge Zustellung einer Vervielfältigung der eigenhändig gefertigten Erledigung.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid der Bezirkswahlbehörde Neusiedl am See vom 18. September 1992, ZII-G-12-1992, wurde der Berufung des Dr. G W gegen seine Streichung aus dem Wählerverzeichnis der Gemeinde Neusiedl am See - zu den Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen 1992 - gemäß §25 Abs3 Gemeindewahlordnung 1992 - GWO, Bgld. LGBl. 1992/54, nicht Folge gegeben.

1.2.1. Über eine gegen diesen Bescheid ergriffene Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG entschied der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. März 1993, B 1696-1723/92-8, daß der Beschwerdeführer Dr. G W im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Teilnahme an der Gemeinderatswahl verletzt wurde; zugleich wurde der bekämpfte Bescheid als verfassungswidrig aufgehoben.

1.2.2. In den Entscheidungsgründen dieses - auch über mehrere andere Beschwerden gegen im wesentlichen gleichartige Bescheide der Bezirkswahlbehörde Neusiedl am See absprechenden - Erkenntnisses führte der Verfassungsgerichtshof ua. wörtlich aus:

"Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs genießt das Wahlrecht zum Gemeinderat kraft der Vorschrift des Art117 Abs2 B-VG den gleichen verfassungsgesetzlichen Schutz wie das Wahlrecht zum Nationalrat (VfSlg. 5148/1965, 7017/1973 uam.), sodaß jede rechtswidrige Verweigerung der Eintragung in das entsprechende Wählerverzeichnis das in dem zitierten Verfassungsartikel verbürgte Recht verletzt. Das ist auch dann der Fall, wenn das zur Nichteintragung (Streichung) führende Verfahren an gravierenden Mängeln leidet (VfSlg. 10668/1985, 11676/1988 uam.).

Die angefochtenen Bescheide entbehren nun jedweder substantiellen Begründung. Sie lassen jegliche Tatsachenfeststellungen vermissen und berufen sich (nicht etwa auf konkretisierte notorische Umstände, sondern) nur mit wenigen Worten - floskelhaft - ganz allgemein auf ein 'Ermittlungsverfahren' (der belangten Behörde), das aber in den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Administrativakten nicht zureichend dokumentiert ist.

Damit fehlen für die erschöpfende Beurteilung der entscheidenden Frage des Wohnsitzes der Beschwerdeführer entsprechend geeignete Grundlagen; Behauptungen in der Gegenschrift im Verfahren vor dem angerufenen Verfassungsgerichtshof können weder ein erforderliches administratives Ermittlungsverfahren noch eine (Tatsachenfeststellungen umfassende) ausreichende Bescheidbegründung nachtragen und ersetzen."

1.3. In der Folge gab die Bezirkswahlbehörde Neusiedl am See mit (Ersatz-)Bescheid vom 1. Oktober 1993, ZII-G-2/115-1993, der Berufung des Dr. G W gegen die Entscheidung der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Neusiedl am See über seine Streichung aus dem Wählerverzeichnis abermals nicht Folge.

1.4.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde des Berufungswerbers an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 Abs1 B-VG, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, und zwar im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG iVm Art2 StGG) und - mit Beziehung auf die Gemeinderatswahl der Stadtgemeinde Neusiedl am See - im aktiven und passiven Wahlrecht (Art117 Abs2 B-VG), geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids begehrt wird.

1.4.2. Die Bezirkswahlbehörde Neusiedl am See als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintrat.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Der administrative Instanzenzug wurde ausgeschöpft (§25 Abs4 GWO).

2.1.2. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Beschwerde zulässig.

2.2.1. Die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptend, wendet der Beschwerdeführer - allerdings ohne hinreichende Substantiierung - ein, daß die belangte Behörde im Zeitpunkt ihrer Beschlußfassung nicht richtig zusammengesetzt gewesen sei. Er hebt in diesem Zusammenhang hervor, daß im angefochtenen Bescheid nur der Vorsitzende der Wahlbehörde genannt sei und die zugestellte Bescheidausfertigung lediglich eine kopierte Unterschrift aufweise und nicht den "allgemeinen Rechtsgrundsätzen" entspreche.

Die Rüge ist unbegründet. Die Verwaltungsakten ergeben keinerlei Hinweise dafür, daß die belangte Behörde die angefochtene Entscheidung in gesetzwidriger Zusammensetzung getroffen habe (s. dazu LABl. für das Burgenland 476/1992). Die Behauptung einer Gesetzwidrigkeit im Zusammenhang mit der Bescheidzustellung (Zumittlung einer unzulänglichen Bescheidausfertigung) ist, wie die Aktenlage zeigt, verfehlt. Dem Beschwerdeführer wurde nämlich eine Vervielfältigung der vom Vorsitzenden der Wahlbehörde ohnedies eigenhändig gefertigten Erledigung zugestellt (s. in diesem Zusammenhang auch VfGH 14.6.1993 B 179-205,219/93).

2.2.2. Aus diesen Erwägungen wurde der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG nicht verletzt.

2.3.1. Des weiteren wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde - in längeren Darlegungen - eine willkürliche Begründung des angefochtenen Bescheids vor.

Auch dieser Vorwurf erweist sich als unberechtigt. Schon eine Durchsicht der sehr ausführlichen und umfassenden Begründung des bekämpften Bescheids läßt erkennen, daß hier von willkürlicher Gesetzeshandhabung nicht die Rede sein kann, denn die belangte Behörde hat nun die im ersten Rechtsgang verabsäumten Erhebungen nachgeholt und sämtliche zur Beurteilung des Falls erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen. Es genügt, in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 1. Dezember 1993, WI-1,2,3/93 hinzuweisen, in dem bereits auf den hier angefochtenen (Ersatz-)Bescheid der Bezirkswahlbehörde Neusiedl am See vom 1. Oktober 1993, ZII-G-2/115-1993, Bezug genommen wurde. Der Verfassungsgerichtshof führte in der Begründung des zitierten Erkenntnisses wörtlich aus:

"Nach §19 GemWO sind in den Gemeinderat (nur) wahlberechtigte Männer und Frauen wählbar. In den Gemeinderat der Stadtgemeinde Neusiedl am See können demnach nur in dieser Gemeinde wahlberechtigte Personen gewählt werden. Dr. W war aber nicht in der Stadtgemeinde Neusiedl am See wahlberechtigt: In der Begründung des über seine Berufung gegen die Streichung aus dem Wählerverzeichnis der Stadtgemeinde Neusiedl am See ergangenen (Ersatz-)Bescheids der Bezirkswahlbehörde Neusiedl am See vom 1. Oktober 1993, ZII-G-2/115-1993, wurde festgehalten, daß der Berufungswerber dort keinen ordentlichen Wohnsitz hat. Dieser Bescheid erging zwar nicht an die FPÖ, die an dem entsprechenden Administrativverfahren nicht beteiligt war, doch zieht der Verfassungsgerichtshof diese von der Bezirkswahlbehörde auf Grund sehr umfangreicher Erhebungen getroffene Feststellung in der Wohnsitzfrage den Umständen nach nicht in Zweifel, zumal die Anfechtungswerberin ihre gegenteilige Behauptung weder weiter ausführt noch einläßlich begründet."

2.3.2. Der Verfassungsgerichtshof hält an diesen Ausführungen auch im Lichte aller neuen Einreden des Beschwerdeführers und der Ergebnisse des vorliegenden Beschwerdeverfahrens fest. Daraus folgt, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz noch in seinem aktiven oder passiven Wahlrecht verletzt wurde.

2.4. Eine Verletzung des Beschwerdeführers in nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm kam gleichfalls nicht hervor.

2.5.1. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

2.5.2. Der von der belangten Behörde begehrte Vorlage- und Schriftsatzaufwand konnte nicht zugesprochen werden, weil im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof eine sinngemäße Anwendung der für den Verwaltungsgerichtshof geltenden Kostenbestimmungen nicht in Betracht kommt (s. VfSlg. 9488/1982).

2.6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Satz 1 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Wahlen, Wahlrecht aktives, Wahlrecht passives, Wohnsitz, Wählerevidenz, Bescheidbegründung, Bescheid Unterschrift

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1949.1993

Dokumentnummer

JFT_10058872_93B01949_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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