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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §69 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juni 1995, Zl. 114.504/2-III/11/95, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens i.A. Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund eines Antrages vom 13. Oktober 1993 am 13. September 1994 eine Aufenthaltsbewilligung für den Zeitraum 8. Dezember 1993 bis 29. März 1995 erteilt (vgl. Seite 35 des Verwaltungsaktes).
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juni 1995 wurde das Verfahren über den Antrag vom 13. Oktober 1993 von Amts wegen aus dem Grunde des § 69 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 AVG wiederaufgenommen und der genannte Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 AVG könne die Wiederaufnahme eines Verfahrens von Amts wegen verfügt werden, wenn der durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbare Bescheid erschlichen worden sei. Der Beschwerdeführer habe auf dem Antragsformular angegeben, er sei verheiratet, und auch eine Heiratsurkunde vom 18. November 1989 vorgelegt, aus welcher eine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin hervorgehe. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung jedoch mit einer türkischen Staatsangehörigen, die Mutter seiner sechs Kinder sei, verheiratet gewesen, während die aus der dem Antrag beigelegten Heiratsurkunde hervorgehende Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin bereits mit Beschluß des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 9. Oktober 1991, der am 11. November 1991 in Rechtskraft erwachsen sei, geschieden worden sei. Diese Tatsache habe der Beschwerdeführer dem Landeshauptmann von Wien bewußt "vorbehalten", um ohne Schwierigkeiten eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens seien daher gegeben.
Der gegenständliche Antrag sei im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer zur Last liegende Täuschungshandlung gemäß § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abzuweisen gewesen. Die öffentlichen Interessen an der Versagung einer Bewilligung überwögen die privaten Interessen des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid - unter anderem - "sonstwie erschlichen" worden ist. Aus dem Grunde des § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 leg. cit. die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden.
Die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die ihm am 13. September 1994 erteilte Aufenthaltsbewilligung durch falsche Angaben über seine familiären Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung erschlichen, erweist sich als aktenwidrig, weil die Tatsache, daß der Beschwerdeführer von seiner österreichischen Ehegattin seit dem Jahr 1991 geschieden ist, bereits aus seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 28. Juli 1994 (Seite 32 des Verwaltungsaktes), seine Eheschließung mit einer türkischen Staatsangehörigen und seine Vaterschaft zu sechs Kindern aber aus einer noch im Verfahren über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aufgenommenen Niederschrift vom 13. September 1994 (vgl. Seite 36 des Verwaltungsaktes) hervorging.
Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung am 13. September 1994 durch den Landeshauptmann von Wien erfolgte daher in Kenntnis dieser Umstände; von einer Erschleichung derselben durch den Beschwerdeführer kann keine Rede sein.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid aufgrund der amtswegig wahrzunehmenden Aktenwidrigkeit der Annahmen der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wäre die Einbringung der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung sowie die Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ausreichend gewesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190670.X00Im RIS seit
20.11.2000