TE Vwgh Beschluss 2021/12/2 Ra 2021/03/0292

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Veröffentlicht am 02.12.2021
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Index

L40013 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung Polizeistrafen Niederösterreich
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
PolStG NÖ 1975 §5 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/03/0293

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und den Hofrat Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revisionen 1. der M S und 2. des F B, beide in S, beide vertreten durch Mag. Alfred Schneider, Rechtsanwalt in 3180 Lilienfeld, Dörflstraße 2, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 3. September 2021, Zl. LVwG-S-497/006-2019, betreffend Ersatz von Verfahrenskosten in einem Privatanklageverfahren(belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld; mitbeteiligte Partei: V M in S), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2020, Ra 2020/03/0056, verwiesen: Das Verwaltungsgericht hatte - im Beschwerdeweg über Privatanklage der (nunmehrigen) Revisionswerber - mit Erkenntnis vom 15. April 2020 die (nunmehr) Mitbeteiligte einer Übertretung des § 3 lit. c NÖ Polizeistrafgesetz schuldig erkannt, weil sie die Revisionswerber beschimpft und somit den Tatbestand der Ehrenkränkung erfüllt hatte. Über die Mitbeteiligte wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 170,-- verhängt und sie wurde verpflichtet, den Revisionswerbern zu Handen ihres Rechtsvertreters einen Kostenersatz von EUR 10.522,31 zu leisten. Über die dagegen von der Mitbeteiligten erhobene Revision entschied der Verwaltungsgerichtshof dahin, dass die Revision bezüglich der Übertretung zurückgewiesen wurde, während der Spruchpunkt über die Kostenersatzpflicht der Mitbeteiligten gegenüber den Revisionswerbern wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde.

2        Maßgeblich für diese Entscheidung war im Wesentlichen Folgendes:

§ 5 Abs. 1 NÖ Polizeistrafgesetz sieht nur eine Kostenersatzpflicht für die zur Verfolgung des Deliktes notwendigen Kosten vor. Das Verwaltungsgericht war ohne nähere Begründung davon ausgegangen, die von den Revisionswerbern geltend gemachten Kosten seien notwendig und gerechtfertigt. Da das Gesetz die Kostenersatzpflicht nur für die zur Verfolgung des Delikts notwendigen Kosten vorsieht, erfordert dies eine Prüfung, ob die Schwere des Delikts und die Komplexität seiner Verfolgung, insbesondere allfällige besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage, die rechtsfreundliche Vertretung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig machen. Dabei sind auch die persönlichen Umstände und die besondere Bedeutung des Rechtsfalls für die in ihrer Ehre gekränkte Person zu berücksichtigen, während die Schwere der drohenden Sanktion, die als Prüfkriterium für den Beschuldigten von wesentlicher Bedeutung wäre, für die Opfer der Tat nicht so sehr ins Gewicht fällt. Im Revisionsfall war die gebotene Beiziehung eines Rechtsanwaltes ob der Umstände (bloß verbale Beleidigung in Anwesenheit weniger Personen, keine komplizierte Rechtslage; besondere persönliche Umstände der Betroffenen, die eine andere Sichtweise rechtfertigen würden, waren weder geltend gemacht noch aus der Aktenlage ersichtlich) nicht ohne weiteres erkennbar.

3        Im fortgesetzten Rechtsgang wies das Verwaltungsgericht mit dem nun angefochtenen Beschluss den Antrag der Revisionswerber, die Mitbeteiligte zum Kostenersatz zu verpflichten, ab. Die ordentliche Revision erklärte es für unzulässig.

4        In der Begründung legte das Verwaltungsgericht u.a. dar, dass die Revisionswerber nach Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs mit Schriftsatz vom 21. April 2021 einen Antrag auf Durchführung einer Tagsatzung gestellt hätten „zur Prüfung der Persönlichkeitsstruktur und der Fähigkeit der [Revisionswerber] zur Klärung der Frage, ob diese auch in der Lage sind, selbst ein derart komplexes Verfahren zu führen“. Davon sei aber Abstand genommen worden, weil beide Revisionswerber in der am 25. Februar 2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung anwesend gewesen seien, beide ausführlich einvernommen worden seien und sich das Gericht daher einen ausreichenden Eindruck über die angesprochene Persönlichkeitsstruktur und die Fähigkeit zur Führung eines derartigen Verfahrens verschaffen habe können.

Ein konkretes Vorbringen dahingehend, dass die Revisionswerber aus besonderen Umständen nicht in der Lage wären, ein derartiges Verfahren selbst zu führen, sei gar nicht erstattet worden.

5        Der Kostenersatzantrag sei - unter Bezugnahme auf das Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs - abzuweisen gewesen, zumal auch keine Umstände in der Persönlichkeitsstruktur der Revisionswerber hervorgekommen seien, die die Beiziehung eines Rechtsanwaltes unbedingt notwendig erscheinen ließen.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zusammengefasst geltend, der angefochtene Beschluss weiche „von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes“ (erkennbar gemeint: vom Vorerkenntnis) ab, und er verletze zudem elementare Verfahrensgrundsätze wie das Parteiengehör.

11       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

12       Das einen Verstoß gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend machende Vorbringen genügt den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen schon deshalb nicht, weil nicht dargetan wird, in welchen Punkten das Verwaltungsgericht vom Vorerkenntnis abgewichen sein soll. Im Übrigen ist ein Abweichen auch nicht erkennbar, hat doch das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs im Vorerkenntnis und unter Hinweis darauf, dass keine Besonderheiten der Persönlichkeitsstruktur und der Fähigkeiten der Revisionswerber bestünden, die eine anwaltliche Vertretung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig machten, den Kostenersatzantrag abgewiesen.

13       Mit den behaupteten Verfahrensfehlern wird die Zulässigkeit der Revision schon deshalb nicht aufgezeigt, weil nicht zugleich deren Relevanz dargetan wird.

14       Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Revisionswerber - insoweit in Wahrung ihres Parteiengehörs - ohnehin Gelegenheit hatten, nach Zustellung des Vorerkenntnisses ihren Standpunkt darzulegen und allfällige Gründe, welche die Beiziehung eines Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig erscheinen ließen, geltend zu machen, was sie allerdings unterlassen haben.

15       In der Revision werden nach dem Gesagten keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030292.L00

Im RIS seit

03.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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