TE Vwgh Beschluss 2021/12/3 Ra 2021/20/0306

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Veröffentlicht am 03.12.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Revisionssache des S Y in W, vertreten durch Dr. Michael Sedlaczek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2021, W107 2177603-1/19E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger Afghanistans und stellte am 19. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2        Mit dem Bescheid vom 13. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 25. Juni 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 20.9.2021, Ra 2021/14/0288, mwN).

8        Wenn die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorbringt, dass Blutrache in Afghanistan eine langjährige Tradition habe, die auch von den Mitgliedern der Taliban ausgeübt werde, wendet sie sich der Sache nach gegen die der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Revisionswerber nicht durch Blutrache bedroht werde, zugrunde liegende Beweiswürdigung. Das Vorbringen vermag aber nicht darzutun, dass die (unter Bedachtnahme auf die Aussagen des Revisionswerbers, die von diesem vorgelegten Urkunden und die Stellungnahme eines Sachverständigen vorgenommene) Beweiswürdigung eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit aufweist (zum im Revisionsverfahren maßgebenden Prüfkalkül vgl. VwGH 14.9.2021, Ra 2020/20/0405, mwN).

9        Zur Begründung ihrer Zulässigkeit bringt die Revision ferner vor, in den Länderfeststellungen werde „völlig lebensfremd“ auf die Situation von Rückkehrern Bezug genommen, was der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche. Insbesondere die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach dem Revisionswerber die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif zumutbar sei, sei nicht nachvollziehbar. Die Revision stützt dieses Vorbringen darauf, dass sich „die Lage für Rückkehrende aus Europa zufolge eines Berichts von ACCORD vom 30. April 2020 ... zur Sicherheits- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif und Umgebung in völlig anderem Licht“ darstelle, insbesondere weil deren Aufenthalt in Europa aus Sicherheitsgründen „gar nicht erst bekannt“ werden dürfe (Hinweis auf einen näher bezeichneten Bericht vom 3. April 2020).

10       Die Zulässigkeitsbegründung, die der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts ausschließlich unter Anführung von zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses über ein Jahr alten Berichten entgegentritt, lässt weder deren ausreichende Aktualität erkennen noch deren Relevanz zur Widerlegung der - nicht auf Mazar-e Sharif beschränkten und auf jüngere Berichte gegründeten - Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dass dem Revisionswerber (auch in Herat) die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zumutbar sei. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung deren Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (zum Erfordernis, die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler in konkreter Weise darzulegen, vgl. zB VwGH 17.5.2021, Ra 2020/20/0399, mwN), was mit dem vorliegenden Zulässigkeitsvorbringen, in dem auf die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Berichtslage nicht inhaltlich Bezug genommen wird, nicht gelungen ist.

11       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 3. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200306.L00

Im RIS seit

03.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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