TE Vwgh Beschluss 2021/12/6 Ra 2021/03/0303

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Veröffentlicht am 06.12.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art92 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Stadtgemeinde R, vertreten durch Mag. Josef Wimmer, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Bahnhofstraße 35a/I. Stock/Top 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 16. August 2021, Zl. LVwG-851528/11/RK/FE, betreffend eine Angelegenheit nach dem Rohrleitungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die belangte Behörde hatte der Revisionswerberin als Eigentümerin einer unter näher genannten - dem „öffentlichen Gut“ zugehörigen - Grundstücken befindlichen Rohrleitung (Teile einer früheren Transport- und Gaspendelleitung) mit Bescheid vom 28. Oktober 2020 gemäß § 34 Abs. 1 Rohrleitungsgesetz im Einzelnen genannte Maßnahmen (im Wesentlichen: Sanierungsarbeiten an der Leitung) aufgetragen, die bis 30. Juni 2021 - unter Anzeige an die Behörde samt Nachweis der ordnungsgemäßen Umsetzung - abzuschließen seien.

2        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde (ebenso wie die Beschwerde einer weiteren Partei, der I, die sich gegen einen ebenfalls Sanierungsmaßnahmen im Bereich anderer Grundstücke auftragenden Bescheid richtete) mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Leistungsfrist mit 31. August 2022 festgesetzt wird; die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

3        Dem legte das Verwaltungsgericht (auf das Wesentliche zusammengefasst) Folgendes zu Grunde:

4        Nach Genehmigung der Errichtung der Leitungen, die unterirdisch über Grundstücke unterschiedlicher Eigentümer verliefen, darunter auch solche der nunmehrigen Revisionswerberin, sei ein Betrieb der Leitungen zunächst zwar erfolgt, eine Betriebsanlagengenehmigung ebenso wie eine Konzession aber nie erteilt worden. Seit 2011 sei die Leitung nicht mehr betrieben worden; im Jahr 2012 sei über das Vermögen der vormaligen Betreiberin L der Konkurs eröffnet und diese in der Folge aufgelöst und im Firmenbuch gelöscht worden. Spätestens damit wäre ein allfälliges Sondereigentum an der Rohranlage untergegangen bzw. mit dem Grundeigentum zusammengefallen, weil eine Rechtsnachfolge nach der vormaligen Betreiberin nicht eingetreten sei.

5        Am 30. September 2016 sei ein Kaufvertrag zwischen dem Masseverwalter jener Gesellschaft, die Eigentümerin der vormaligen Betriebsliegenschaften gewesen sei, als Verkäuferin und der I als Käuferin geschlossen worden. Dieser Kaufvertrag habe die Liegenschaften samt ober- und unterirdischen Bauteilen umfasst, nicht aber über die Liegenschaftsgrenzen hinausreichende Rohrleitungen. Das Verwaltungsgericht verwies auf die darin vereinbarte „Mitübertragung des gesamten mit der Liegenschaft verbundenen Zubehörs“ und das dem Kaufvertrag zu Grunde gelegte, in einem vorher geführten Exekutionsverfahren eingeholte Gutachten zur Verkehrswertermittlung, das zwecks Ermittlung des Werts der Liegenschaft auch allfällige Grenzüberbauten und bestehende Bestandverträge berücksichtigen hätte müssen, aber Rohrleitungsanlagen auf dem (angrenzenden) öffentlichen Gut nicht genannt habe; vielmehr sei auf den Ablauf der Frist für die Inbetriebnahme und das Fehlen einer Betriebsgenehmigung verwiesen worden. Besondere Vereinbarungen, die ausnahmsweise zu einer sachenrechtlichen Selbständigkeit von Teilen des Untergrunds der Liegenschaft hätten führen können, hätten daher nicht bestanden. Dieser Kaufvertrag könne daher auch deshalb keine Grundlage für einen Erwerb des Eigentums an den im öffentlichen Gut gelegenen Teilen der Rohrleitung durch die I sein.

6        Es sei daher - im Sinne des Grundsatzes superficies solo cedit - dabei geblieben, dass die Revisionswerberin als Eigentümerin des öffentlichen Guts auch Eigentümerin der darunter verlaufenden Rohrleitung sei, weshalb der Auftrag iSd § 34 Abs. 1 Rohrleitungsgesetz an sie zu richten gewesen sei.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zusammengefasst Folgendes geltend:

12       Das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (zitiert wird OGH 5.3.1969, „Ob 11/69“) ab. Zudem sei die im Revisionsfall zu lösende Rechtsfrage, ob eine unterirdische Anlage wie die gegenständliche Rohrleitung superädifikatsfähig sei, in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht einheitlich beantwortet, weil die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu „50 Ob 278/07d“ im Widerspruch zur vorgenannten OGH 5.3.1969, „Ob 11/69“, stehe.

13       Damit wird schon deshalb keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG dargelegt, weil die Regelung des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf - gegebenenfalls abweichende, fehlende oder uneinheitliche - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, nicht aber des Obersten Gerichtshofs abstellt und der Oberste Gerichtshof (vgl. Art. 92 Abs. 1 B-VG), nicht aber der Verwaltungsgerichtshof vom Gesetz als Leitinstanz in Zivilsachen berufen wird.

14       Auch wenn man davon ausgeht, dass die Revision tatsächlich die Entscheidungen des OGH vom 5. März 1969, 5 Ob 11/69, bzw. vom 19. Februar 2008, 5 Ob 278/07d, ansprechen wollte, wird von der Revision weder der behauptete Widerspruch zwischen der nun in Revision gezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts und 5 Ob 11/69 noch eine uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dargelegt:

15       Das Verwaltungsgericht hat die Passivlegitimation der Revisionswerberin als Eigentümerin der Rohrleitungsanlage iSd § 34 Abs. 1 Rohrleitungsgesetz darauf gestützt, dass sie Eigentümerin jener Grundstücke ist, unter denen die verfahrensgegenständlichen Teile der Rohrleitung verlaufen. Ein gesondertes Eigentum eines Dritten an der Rohrleitung als Superädifikat komme jedenfalls seit der Vollbeendigung jener Gesellschaft, die vormals die Anlage betrieben hatte, mangels eines Rechtsnachfolgers dieser Gesellschaft nicht in Betracht. Zudem hat das Verwaltungsgericht auf die Bestimmungen des Kaufvertrags vom 30. September 2016 verwiesen, aufgrund dessen die I das Eigentum an der Liegenschaft mitsamt den darunter verlaufenden Leitungen erworben habe. Eine besondere Vereinbarung, die gegebenenfalls die Annahme eines selbständigen Eigentums an den Rohrleitungen erlaubt hätte, sei nicht getroffen worden. Vielmehr erfasse der Kaufvertrag die vertragsgegenständliche Liegenschaft samt den dazu gehörigen ober- und unterirdischen Bauteilen, nicht aber über die Grenzen der Liegenschaft hinausreichende Rohrleitungen. Abgesehen davon fehle es jedenfalls an dem für einen allfälligen Eigentumserwerb an der Rohrleitungsanlage als Superädifikat notwendigen Modus (Urkundenhinterlegung).

16       Im Erkenntnis vom 5. März 1969, 5 Ob 11/69, hat der OGH festgehalten, dass das Eigentum an einem Grundstück mangels anderer Vereinbarung oder gesetzlicher Einschränkung sowohl dessen Ober- als auch Unterfläche umfasst und insbesondere nach unten nicht begrenzt ist. Nur soweit besondere Vorschriften vorliegen oder besondere Vereinbarungen getroffen wurden, können ausnahmsweise Teile des Untergrundes selbständige Sachen sein. Sonst gehört aber alles, was „erd-, mauer-, niet- und nagelfest“ ist (§ 297 ABGB), somit auch alle Teile der Unterfläche, zur unbeweglichen Sache.

17       Im Beschluss vom 19. Februar 2008, 5 Ob 278/07d, hat sich der Oberste Gerichtshof mit der Wirkung der Vereinigung von Eigentum an Liegenschaft und Superädifikat befasst und festgehalten, dass dann, wenn der Eigentümer eines in stabiler und massiver Bauweise ausgeführten Superädifikats auch die Liegenschaft erwirbt, auf der dieses errichtet ist, das Bauwerk seine rechtliche Selbständigkeit verliert und unselbständiger Bestandteil (Zuwachs) des Grundstücks wird.

18       Inwieweit das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts im Widerspruch zu OGH 5 Ob 11/69 stehen sollte, wird von der Revision ebensowenig aufgezeigt wie ein Widerspruch zwischen letzterer Entscheidung und OGH 5 Ob 278/07d.

19       In der Revision werden also keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

20       Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 6. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030303.L00

Im RIS seit

03.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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