TE Vwgh Beschluss 2021/12/6 Ra 2021/03/0290

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Veröffentlicht am 06.12.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/04 Sprengmittel Waffen Munition

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
WaffG 1996 §25 Abs3
WaffG 1996 §8 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des R R in W, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das am 6. Mai 2021 verkündete und mit 23. Juli 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW-103/040/2140/2021-7, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht - durch Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde - dem Revisionswerber gemäß § 25 Abs. 3 iVm § 8 Abs. 2 Z 1 WaffG die Waffenbesitzkarte entzogen; die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

2        Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen zu Grunde, der Revisionswerber sei - wenngleich „derzeit trocken“ - alkoholkrank. Dies sei anlässlich seines Antrages auf Erweiterung seiner Waffenbesitzkarte zutage gekommen, weil er seinen Wohnsitz zeitweise an jener Adresse gehabt habe, an dem ein näher genannter, im Bereich Rehabilitation und Integration von suchtkranken Menschen tätiger Verein etabliert sei.

Diesen Aufenthalt und sein „Alkoholproblem“ habe der Revisionswerber bei der amtsärztlichen Untersuchung am 19. August 2020 bestätigt, die regelmäßige Einnahme eines näher genannten Antidepressivums eingeräumt und vorgebracht, „trocken“ zu sein.

Die Amtsärztin sei zu dem Schluss gekommen, der Revisionswerber sei „alkoholkrank und in Therapie stehend“.

Dieses Gutachten habe sie infolge einer Stellungnahme des Revisionswerbers zur Frage der Einstufung als alkoholkrank am 9. Dezember 2020 dahin ergänzt, dass „jeder ehemalige Alkoholiker, auch wenn dieser jetzt schon einige Zeit trocken [sei], als alkoholkrank zu bezeichnen [sei], da dies eine chronische Erkrankung [sei] und nur durch strikte Alkoholabstinenz aufrechterhalten werden [könne].“

Der Revisionswerber habe die Möglichkeit gehabt, während des behördlichen Ermittlungsverfahrens, anlässlich der Beschwerdeerhebung und im Beschwerdeverfahren dem amtsärztlichen Gutachten ein Privatgutachten entgegenzustellen. Davon habe er keinen Gebrauch gemacht, sondern nur angekündigt, einen Befund jenes Vereins, bei dem er sich in Behandlung befunden habe, vorzulegen. Dies sei aber - ebenso wie die Vorlage eines Arztbriefs - nicht erfolgt.

Der Revisionswerber sei dem, zwar nur rudimentär begründeten, aber schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der Amtsärztin, die beruflich regelmäßig und häufig mit der Frage von Alkoholkonsum beschäftigt sei, trotz rechtlicher Vertretung nur durch „allgemeine Ausführungen und Verweise“ entgegengetreten.

3        Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, ausgehend von der Feststellung, der Revisionswerber sei alkoholkrank, sei nach § 8 Abs. 2 Z 1 WaffG ex lege von einer waffenrechtlichen Unverlässlichkeit auszugehen, weshalb die Waffenbesitzkarte zu entziehen gewesen sei.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zusammengefasst geltend, das Verwaltungsgericht sei von der (näher bezeichneten) ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Grundsätzen des Beweisverfahrens abgewichen: Der Revisionswerber habe umfangreich begründet, warum er nicht alkoholkrank sei, zu welchem Zweck ihm ein näher genanntes Präparat verschrieben worden sei und dazu verschiedene Unterlagen vorgelegt. Das Verwaltungsgericht habe sich aber über seine Anträge auf Parteienvernehmung und auf Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens hinweggesetzt und seine Entscheidung lediglich auf das - im Zeitpunkt der Verkündung des Erkenntnisses zudem bereits fast neun Monate alte - Gutachten der Amtsärztin gestützt. Dabei habe es verkannt, dass es sich dabei um kein „qualifiziertes Gutachten“, sondern nur um „die Darlegung der persönlichen Meinung“ der Amtsärztin handle, die bloß eine Allgemeinmedizinerin ohne spezielle Facharzt- bzw. Sachverständigenausbildung sei.

9        Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Revisionswerber nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

10       Gemäß § 25 Abs. 3 WaffG sind waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich aus Anlass einer Überprüfung der Verlässlichkeit gemäß § 25 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG ergibt, dass die berechtigte Person nicht mehr verlässlich ist.

11       Nach § 8 Abs. 2 Z 1 WaffG ist ein alkoholkranker Mensch keinesfalls verlässlich.

12       Im Revisionsfall ist daher allein entscheidend, ob der Revisionswerber, wie vom Verwaltungsgericht angenommen und von der Revision bestritten, alkoholkrank ist.

13       Zwar können auch Rechtsfragen des Verfahrensrechts solche von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sein. Mit den von der Revision behaupteten Verfahrensfehlern wird aber die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt, weil nicht zugleich deren Relevanz dargelegt wird.

14       Die Revision zeigt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, das sich im Wesentlichen auf das Gutachten (samt Ergänzung) der Amtsärztin gestützt hat, in einer unschlüssigen und damit unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre. Dem Revisionswerber wäre es freigestanden, zur Entkräftung des Gutachtens ein auf gleicher fachlicher Ebene erstelltes „Gegengutachten“ vorzulegen. Diese Möglichkeit hat er jedoch ungenutzt verstreichen lassen. Zu betonen ist zudem, dass der Revisionswerber, der nie bestritten hat, wegen seines „Alkoholproblems“ in Behandlung gewesen zu sein und der auch seinen stationären Aufenthalt bei dem genannten Verein eingeräumt hat, weder einen auf seine gesundheitliche Situation bezogenen Entlassungsbericht noch einen solchen ärztlichen Befund vorgelegt hat.

15       Das Verwaltungsgericht hat die vom Revisionswerber vorgelegten Beweise (ein Zeitungsartikel und ein Auszug einer Internetseite zum Thema Alkoholsucht) als „allgemeine Ausführungen und Verweise“ qualifiziert, mit denen das Gutachten nicht entkräftet werden könne. Diese Beurteilung kann auf Basis der Aktenlage - der vorgelegte, etwa zwanzig Jahre alte Zeitungsartikel und die überblicksartig gestalteten Ausführungen bezüglich der Heilung von Alkoholsucht beziehen sich nicht auf den konkreten Fall - als vertretbar und überzeugend angesehen werden.

16       Auch mit dem Hinweis auf das Unterbleiben der Einvernahme des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung wird kein relevanter Verfahrensmangel dargelegt: Im Fall einer ordnungsgemäßen Ladung hat eine Partei zwingende Gründe für das Nichterscheinen darzutun. Das bedeutet, dass nicht allein die Tatsache des Vorliegens einer Erkrankung behauptet und bewiesen werden muss, sondern auch die Hinderung aus diesem Grunde, bei der Verhandlung zu erscheinen. Die Triftigkeit des Nichterscheinens zu einer Verhandlung muss überprüfbar sein (vgl. VwGH 15.12.2016, Ra 2016/02/0242, mwN).

17       Daran fehlt es im Revisionsfall: Der Revisionswerber hat zwar über seinen anwaltlichen Vertreter mittels E-Mail vom 5. Mai 2021 vorgebracht, am 2. Mai 2021 gegen COVID-19 geimpft worden zu sein, am 3. und 4. Mai 2021 „zur Untersuchung im Donauspital“ gewesen zu sein, und „auch heute noch“ „(auch mit den Auswirkungen einer Gallenkolik) darnieder“ zu liegen; er werde deshalb „morgen am 06.05.2021 nicht ausreichend ‚fit‘ für die Verhandlung sein und nicht erscheinen können“.

Die mit Schriftsatz vom 17. Mai 2021 zum Nachweis dafür, es sei ihm nicht möglich gewesen, am 6. Mai 2021 zur Verhandlung zu erscheinen, Arbeitsunfähigkeitsmeldung bestätigt „arbeitsunfähig von 06.05.2021“ und „letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit: 06.05.2021“, nennt als „Grund der Arbeitsunfähigkeit“ bloß „Krankheit“; zu den - formularmäßigen - Rubriken „Ausgehzeit“ und „Bettruhe“ werden keine Angaben gemacht. Wenn das Verwaltungsgericht unter den Umständen dieses Falles nicht von einer ausreichenden Entschuldigung ausgegangen ist, liegt diese Beurteilung im Rahmen der dem Verwaltungsgericht vorgegebenen Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. dazu nochmals VwGH 15.12.2016, Ra 2016/02/0242).

18       In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030290.L00

Im RIS seit

03.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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