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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ASVG §110;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der H Ges.m.b.H. in I, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 9. Jänner 1996, Zl. 5 - 226 Ra 143/5 - 96, betreffend Entgeltfortzahlung (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse in Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ersuchte mit Schreiben vom 5. August 1994 die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Steiermark, ihr als Arbeitgeberin und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse (in der Folge: GKK) eine Mitteilung über die klare Einstufung - ob Krankheit oder Arbeitsunfall - zukommen zu lassen. Der in ihrem Betrieb seit 1. August 1977 beschäftigte Rauchfangkehrer Johann R. habe sich während seines am 11. April 1994 beginnenden Urlaubes als Mitglied einer Ortsfeuerwehr in der Feuerwehrschule Lebring aufgehalten. Am 12. April 1994 sei er bei einer Feuerwehrübung auf dem Gelände dieser Feuerwehrschule verunglückt und habe sich eine komplizierte Knieverletzung zugezogen. Die Folge sei ein Krankenstand bis 26. Juni 1994 gewesen. Die GKK habe diesen Unfall als Arbeitsunfall angesehen und habe sie zehn Wochen - bis 20. Juni 1994 - an Johann R. volles Entgelt weiterzubezahlen gehabt. Entgegen der Auffassung der GKK sei sie als Arbeitgeberin der Meinung, daß dieser Unfall nicht als Arbeitsunfall zu betrachten sei.
Am 5. September 1994 übermittelte die Beschwerdeführerin per Fax der mitbeteiligten GKK das ihr von der Wirtschaftskammer Steiermark übermittelte Schreiben vom 3. August 1994 mit der Bitte um Klärung mit der "EFZ-Stelle". Nach dem Inhalt dieses Schreibens sei Johann R. nicht durch einen Arbeitsunfall an der Leistung seiner Arbeit verhindert gewesen und hätte ihm daher lediglich ein Entgeltfortzahlungsanspruch für den Zeitraum von 8 Wochen (nach 15 anrechenbaren Dienstjahren) gebührt.
Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Graz, teilte mit Schreiben vom 7. Oktober 1994 der mitbeteiligten GKK mit, daß der Unfall, den der Versehrte (angesprochen damit Johann R.) als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr im Rahmen einer Übung erlitten habe, gemäß § 176 Abs. 1 Z. 7 ASVG als Arbeitsunfall anzusehen sei, jedoch nicht im ursächlichen Zusammenhang mit seiner Beschäftigung bei der Beschwerdeführerin stehe. Die mitbeteiligte GKK gab der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 7. Oktober 1994 bekannt, daß es sich beim Unfall des Johann R. um einen den Arbeitsunfällen gleichgestellten gehandelt habe. Der Anspruch auf Bezahlung des Entgeltes des Herrn Johann R. bleibe daher für die gesamte Zeit vom 12. April 1994 bis 20. Juni 1994 bestehen.
Die Beschwerdeführerin teilte mit Schreiben vom 31. Mai 1995 der mitbeteiligten GKK mit, daß sie den im Schreiben vom 7. Oktober 1994 ausgedrückten Rechtsstandpunkt der Kasse nicht vertrete. Der Unfall in der Feuerwehrschule in Lebring sei in keinem zeitlichen, örtlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit gestanden. Daher könne es sich um keinen Arbeitsunfall im Sinne der Entgeltfortzahlungsbestimmungen handeln. Als damaliger und derzeitiger Arbeitgeber ersuche sie darüber um Zusendung eines begründeten Bescheides. Johann R. sei aufgrund dieses Unfalles erneut vom 16. bis 28. Mai 1995 im Krankenstand gewesen und wolle im August einen dreiwöchigen Kuraufenthalt antreten.
Die mitbeteiligte GKK fertigte daraufhin den Bescheid vom 14. Juli 1995 aus, dessen Spruch wie folgt lautet:
"Gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 i.V.m. §§ 176 Abs. 1 Z. 7 ASVG und § 2
Abs. 5 EFZG in der jeweils geltenden Fassung wird festgestellt,
daß die bei Herrn Johann R., Versicherungsnummer ...,
eingetretene Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom 12.4.1994
bis 26.6.1994 auf einen dem Arbeitsunfall gleichgestellten
Unfall zurückzuführen ist und daher die Dienstgeberin ... (die
Beschwerdeführerin) ... verpflichtet ist, für den genannten
Krankenstand die Entgeltfortzahlung für die Dauer von acht Wochen, also bis zum 20.6.1994, zu leisten."
In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß sich aufgrund der Angaben der Dienstgeberin in ihren Schreiben vom 5. August 1994 (an die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt Landesstelle Steiermark) und vom 31. Mai 1995 sowie der Mitteilung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt Landesstelle Steiermark vom 7. Oktober 1994 ergebe, daß Johann R. am 12. April 1994 anläßlich einer Feuerwehrübung auf dem Gelände der Feuerwehrschule Lebring verunglückt sei. Aufgrund der dabei erlittenen Verletzungen habe er sich bis 26. Juni 1994 arbeitsunfähig im Krankenstand befunden. Dieser Unfall gelte gemäß § 176 Abs. 1 Z. 7 ASVG als ein den Arbeitsunfällen gleichgestellter Unfall. Die Kasse sei daher bei der Bearbeitung des Erstattungsantrages der Dienstgeberin gemäß § 8 EFZG davon ausgegangen, daß ein Arbeitsunfall vorliege, weshalb die Dienstgeberin gemäß § 2 Abs. 5 EFZG eine Entgeltfortzahlungspflicht im Ausmaß von 8 Wochen habe. In rechtlicher Hinsicht sei auszuführen, daß gemäß § 2 Abs. 5 EFZG ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung an der Leistung seiner Arbeit verhindert werde, ohne daß er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt habe, seinen Anspruch auf das Entgelt ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung bis zur Dauer von acht Wochen behalte. Der Anspruch auf das Entgelt erhöhe sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis 15 Jahre ununterbrochen gedauert habe. Gemäß § 176 Abs. 1 Z. 7 ASVG seien den Arbeitsunfällen jene Unfälle gleichgestellt, die sich in Ausübung der den Mitgliedern von Freiwilligen Feuerwehren etc. im Rahmen der Ausbildung, der Übungen und des Einsatzfalles obliegenden Pflichten sowie bei Tätigkeiten von freiwilligen Helfern dieser Organisationen und der Pflichtfeuerwehren im Einsatz ereigneten. Die Meinung der Beschwerdeführerin, daß ein Arbeitsunfall im Sinne des EFZG nur jener sein könne, der sich in einem zeitlichen, örtlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit ereigne, basiere auf einer zu restriktiven Interpretation. § 2 Abs. 5 EFZG spreche vom Arbeitsunfall im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung. § 175 Abs. 1 ASVG definiere einen Arbeitsunfall als Unfall, der sich in einem örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereigne. Es seien jedoch nicht nur die dadurch abgedeckten Ereignisse als Arbeitsunfälle zu werten, sondern auch jene, die gemäß § 175 Abs. 2 ASVG als sogenannte "Auch-Arbeitsunfälle" bezeichnet werden, wie z.B. Unfälle auf dem Weg zur Arbeit oder zum Arzt etc. Weiters seien gemäß § 176 ASVG gewisse Unfälle, wie im Beschwerdefall, die nur mehr in einem eher losen Zusammenhang zur eigentlichen betrieblichen Tätigkeit stünden, den Arbeitsunfällen gleichgestellt worden. Diese Gleichstellung bedeute, daß für diese Gruppe von Arbeitsunfällen die selben rechtlichen Folgen gälten wie für Arbeitsunfälle im engeren Sinn. § 2 Abs. 5 EFZG nenne lediglich den Oberbegriff "Arbeitsunfall" im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung, womit die Arbeitsunfälle im engeren Sinn, die sogenannten "Auch-Arbeitsunfälle" und die gleichgestellten Unfälle gemeint seien.
Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch, beantragte den Bescheid aufzuheben und auszusprechen, daß die Arbeitsverhinderung vom 14. April bis 26. Juni 1994 nicht auf einen Arbeitsunfall im Sinne des § 2 Abs. 5 EFZG zurückzuführen sei. Bei der Erkrankung vom 14. April 1994 bis 26. Juni 1994 habe es sich um keine Arbeitsunfähigkeit gehandelt, die auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen sei, sodaß ein Entgeltfortzahlungsanspruch sich nach § 2 Abs. 1 und nicht nach § 2 Abs. 5 EFZG bemesse. Es sei richtig, daß § 2 Abs. 5 EFZG von Verhinderungen spreche, die auf einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung zurückzuführen seien. Abgesehen davon, daß bei rein grammatikalischer Interpretationsmethode es durchaus denkbar erscheine, daß sich der Hinweis auf die Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung lediglich auf die Berufskrankheiten beziehen könnte, sprächen auch andere Überlegungen im gegebenen Fall dafür, daß der Verweis auf Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung nicht eine gänzliche Übernahme der in den Bestimmungen der §§ 175 bis 177 ASVG genannten Tatbestände meine. Vor allem die Übernahme der in § 176 genannten Tatbestände sei durch den Verweis in § 2 Abs. 5 EFZG keinesfalls gedeckt. § 176 ASVG spreche nämlich gar nicht von Arbeitsunfällen, sondern von Arbeitsunfällen "gleichgestellten Unfällen", sodaß allein schon bei der wörtlichen Interpretation Zweifel aufträten. Entscheidend sei aber, daß die in § 176 ASVG genannten Fälle mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers - also mit den arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - überhaupt nichts zu tun hätten. Sinn und Zweck dieser in § 176 ASVG normierten Gleichstellung bestehe darin, den Unfallversicherungsschutz wegen der besonderen sozialen Bedeutung der einzelnen aufgezählten Tätigkeit auf diese Personenkreise auszudehnen. Das Entgeltfortzahlungsgesetz erweitere den Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er sich bei einem Arbeitsunfall verletze, und sei die Erweiterung dieses Entgeltfortzahlungsanspruches und die damit erhöhte Belastung des Arbeitgebers verständlich. Warum aber gerade der Arbeitgeber durch Tätigkeiten, die mit der Arbeitsbeziehung in überhaupt keinem Zusammenhang stünden, entgeltmäßig länger belastet werden solle, bleibe unerfindlich. Es zeige sich daher, daß der Verweis in § 2 Abs. 5 EFZG auf die Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung einschränkend zu verstehen sei und nur die in §§ 175 und 177 ASVG erfaßten Geschehnisse, die mit der arbeitsvertraglichen Leistung in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stünden, erfasse. Dieses Ergebnis werde ganz besonders durch die in Lehre und Rechtsprechung und auch von der GKK unbestrittene Auslegung gestützt, daß ein Arbeitsunfall, den ein Arbeitnehmer beispielsweise in einem anderen Arbeitsverhältnis erleide, nicht als Arbeitsunfall beim ersteren Arbeitgeber zu werten sei und die Entgeltfortzahlungsansprüche als "normaler" Krankenstand abzuwickeln seien. Nach den Bestimmungen des ASVG bliebe aber auch dieser Unfall gänzlich unbestritten ein Arbeitsunfall. Damit zeige sich, daß sogar "klassische Arbeitsunfälle" vom Verweis des § 2 Abs. 5 EFZG nicht generell erfaßt seien. Zu diesem einschränkenden Ergebnis komme man nur durch eine sinnvolle Interpretation der Verweisbestimmung in § 2 Abs. 5 EFZG. Was für einen Arbeitsunfall bei einem anderen Arbeitgeber und die dafür aufgewendeten Argumente gelte, müsse umso mehr für Sachverhalte gelten, die nicht einmal Arbeitsunfälle, sondern lediglich gleichgestellt seien und mit der eigentlichen Arbeitsleistung in keinerlei Zusammenhang stünden.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 413 Abs. 1 Z. 1 und § 414 ASVG und § 18 EFZG keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus, daß Johann R. als Mitglied einer freiwilligen Feuerwehr am 12. April 1994 anläßlich einer Feuerwehrübung auf dem Gelände der Feuerwehrschule Lebring eine Verletzung erlitten habe, infolge derer er sich bis 26. Juni 1994 als arbeitsunfähig im Krankenstand befunden habe.
Dem § 176 ASVG sei zu entnehmen, daß gewisse Unfälle - wie der im vorliegenden Beschwerdefall - den Arbeitsunfällen gleichgestellt würden, obwohl der eigentliche Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit fehle. Diese Gleichstellung bedeute, daß für eine bestimmte Gruppe von "Arbeitsunfällen" dieselben rechtlichen Folgen gälten, wie für Arbeitsunfälle im engeren Sinn. Da die Autoren des Kommentars zum EFZG (Verlag W. Hötzenberger) Mitglieder des Expertenkommitees auf Arbeitgeberseite gewesen seien, käme diesem Kommentar zur Lösung der aufgetretenen Auslegungsfragen große Bedeutung zu. Diesem Kommentar sei zu entnehmen, daß dann, wenn ein Arbeitsunfall gemäß § 176 ASVG nicht dem Interessensbereich eines bestimmten Arbeitgebers zuzuordnen sei, die Verpflichtung zur Fortzahlung des Unfallentgeltes bei allen Dienstgebern eines Dienstnehmers anzunehmen sei. Da im gegenständlichen Fall nur eine Dienstgeberin vorliege, treffe auch nur diese die Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung für die Dauer von acht Wochen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, die Arbeitsunfähigkeit ihres Dienstnehmers als Arbeitsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. 1 EFZG zu behandeln und die entsprechenden Erstattungsbeträge gemäß § 8 EFZG unter diesem Titel begehren zu dürfen. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes vertritt die Beschwerdeführerin ihren bereits im Verwaltungsverfahren dargelegten Standpunkt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte GKK - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin begehrte im Verwaltungsverfahren den bescheidmäßigen Abspruch, daß es sich bei dem von Johann R. am 12. April 1994 erlittenen Unfall um "keinen Arbeitsunfall im Sinne der Entgeltfortzahlungsbestimmungen" handle. Mit dem ersten Teil des Bescheidspruches der mitbeteiligten GKK wurde demzufolge ausgesprochen, daß die bei Johann R. eingetretene Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom 12. April 1994 bis 26. Juni 1994 auf einem dem Arbeitsunfall gleichgestellten Unfall zurückzuführen sei.
Im Hinblick auf diese Formulierung des (ersten Teiles) des Spruches ist zunächst zu prüfen, aufgrund welcher Rechtsvorschriften die mitbeteiligte GKK ihre Zuständigkeit zu einem derartigen Abspruch in Anspruch genommen hat bzw. ob dies zu Recht geschehen ist. Gemäß § 18 Z. 3 lit. c EFZG gelten von den Bestimmungen des siebenten Teiles (des ASVG) die §§ 361, 367 und 368 entsprechend. Nach § 361 Abs. 1 ASVG sind Leistungsansprüche von den Versicherungsträgern im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit in der Kranken- und in der Pensionsversicherung auf Antrag, in der Unfallversicherung (auch) von Amts wegen festzustellen. In Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Antragsberechtigung behandelt. Während § 368 ASVG von der Frist für die Bescheiderteilung handelt, bezeichnet § 367 leg. cit. die Anträge, über welche ein Bescheid zu erlassen ist. Nach der zuletzt genannten Bestimmung ist über den Antrag auf Feststellung, daß eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls bzw. eine Berufskrankheit ist, auch wenn nach Eintritt einer Gesundheitsstörung eine Leistung aus der Unfallversicherung nicht anfällt, jedenfalls ein Bescheid zu erlassen. Gemäß § 28 Abs. 1 ASVG ist die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (in Ermangelung einer der in Z. 2 oder 3 dieser Gesetzesstelle genannten Spezialzuständigkeiten) zur Durchführung der Unfallversicherung zuständig. Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 ASVG ist im hier interessierenden Zusammenhang die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt mit dem Sitz in Wien Träger der Unfallversicherung und hat diese gemäß § 24 Abs. 2 leg. cit. nach den Vorschriften des ASVG durchzuführen (und im übrigen die in der zuletzt genannten Gesetzesstelle aufgezählten, für den Beschwerdefall nicht relevanten Vorkehrungen zu treffen). Aus diesem Regelungszusammenhang ergibt sich, daß die Feststellung, daß eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist, ausschließlich der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt zukommt (und überdies eine Leistungssache ist).
Mit dem zweiten Teil des Bescheidspruches wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin verpflichtet ist, für den genannten Krankenstand die Entgeltfortzahlung für die Dauer von acht Wochen, also bis zum 20. Juni 1994 zu leisten.
Das in den hier interessierenden Teilen am 1. September 1974 in Kraft getretene Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), BGBl. Nr. 399/1974, regelt in seinem Art. I, Abschnitt 1, die Entgeltfortzahlung und in seinem Art. I, Abschnitt 2, die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen. Der Arbeitnehmer besitzt demnach gegen den Arbeitgeber einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Der Arbeitgeber dagegen ist versicherungsmäßig abgedeckt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. November 1992, Zl. 91/08/0007). Die Entscheidung, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, ist gemäß § 1 EFZG i.V.m. § 1 und § 50 Abs. 1 Z. 1 ASGG vom Gericht zu treffen. Die GKK war daher auch insoweit zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht zuständig.
Der angefochtene Bescheid ist daher insofern mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, als die belangte Behörde nicht den bei ihr bekämpften Einspruchsbescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG unter Beachtung der dargelegten Rechtslage aufgehoben hat. Der Hinweis der mitbeteiligten GKK in ihrer Gegenschrift, es sollte nicht die Entgeltleistung an den Dienstnehmer sichergestellt werden, sondern die Verpflichtung der Dienstgeberin, im Sinne des § 49 i.V.m. § 44 Abs. 1 Z. 1 ASVG für die Dauer des Entgeltanspruches Beiträge abzuführen, geht schon deswegen fehl, weil der - oben wörtlich wiedergegebene - von der mitbeteiligten GKK erlassene Bescheidspruch nicht dahingehend gedeutet werden kann, daß damit für einen bestimmten Zeitraum die Höhe von Beitragsgrundlagen eines Versicherten festgestellt wird oder die Verpflichtung zur Zahlung ziffernmäßig bestimmter Beiträge festgestellt bzw. die unmittelbare Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen ausgesprochen wird. Für einen solchen Ausspruch gibt es auch sachverhaltsbezogen keinerlei Anhaltspunkte, hat doch die Beschwerdeführerin unbestrittenermaßen dem Johann R. das volle Entgelt bis 20. Juni 1994, also für 10 Wochen - im Gegensatz zum bescheidmäßigen Ausspruch von acht Wochen - geleistet.
Da der angefochtene Bescheid im Rahmen des Beschwerdepunktes an einer von Amts wegen aufzugreifenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit leidet, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Ersatz für Stempelgebühren konnte nicht zugesprochen werden, weil gemäß § 18 Z. 1 EFZG unter anderem die Bestimmungen des § 110 ASVG anzuwenden sind. Die verwiesene Bestimmung enthält eine sachliche Gebührenbefreiung, die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 685, vorletzter und letzter Absatz, zitierten hg. Erkenntnisse).
Schlagworte
Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Gebührenfreiheit der Beschwerde Ersatz bei GebührenfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996080037.X00Im RIS seit
20.11.2000