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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Juli 1995, Zl. 301.858/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenaufwand wird abgewiesen.
Begründung
Mit der als Bescheid intendierten Erledigung des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Februar 1995 sollte der Antrag der Beschwerdeführerin vom 10. Juni 1994 auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 5 Abs. 1 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes abgewiesen werden. Ohne daß nach der Aktenlage eine Zustellung an die Beschwerdeführerin erfolgt wäre, erhob diese am 10. April 1995 gegen diese Erledigung Berufung. Mit Bescheid vom 19. Juli 1995 wies die belangte Behörde diese Berufung "gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes und § 10 Abs. 1 Z. 6 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes" ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend macht, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Über Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes, daß nach der Aktenlage eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides nicht erfolgt ist, erstattete die belangte Behörde eine Äußerung dahingehend, die österreichische Vertretungsbehörde in Belgrad sei mit der Zustellung des Bescheides beauftragt worden. Eine derartige Zustellung sei jedoch aus den Unterlagen dieser Behörde nicht nachvollziehbar. Für die am 10. April 1995 erfolgte Berufungserhebung durch die Beschwerdeführerin sei die Kenntnis des angefochtenen Bescheides Voraussetzung, "womit für die Berufungsbehörde dies als gegeben zu erkennen war". Zugunsten der Beschwerdeführerin sei eine rechtzeitige Berufungserhebung angenommen worden.
Die Beschwerdeführerin äußerte sich dahingehend, daß eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an sie nicht erfolgt sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus der Äußerung der belangten Behörde (arg.: "womit für die Berufungsbehörde dies (gemeint wohl: die Zustellung) als gegeben zu erkennen war") ist abzuleiten, daß diese im Gegensatz zur Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides sei erfolgt, wobei sie als Indiz dafür die Kenntnis der Beschwerdeführerin von diesem Bescheid nennt. Die Frage, ob der erstinstanzliche Bescheid zugestellt wurde, ist aufgrund der Äußerungen der Parteien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren strittig. Geht - wie hier - aus den Verwaltungsakten eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides nicht hervor und hegt die Berufungsbehörde dessenungeachtet die Vermutung, eine solche sei tatsächlich erfolgt, so ist sie verpflichtet, den maßgeblichen Sachverhalt amtswegig zu ermitteln und in ihrem Bescheid Feststellungen über jene Tatsachen zu treffen, aus denen sich der rechtliche Schluß ableiten läßt, der erstinstanzliche Bescheid sei durch Zustellung an die Partei erlassen worden. Allein aus dem Umstand, daß die Beschwerdeführerin gegen die als Bescheid intendierte Erledigung des Landeshauptmannes von Wien Berufung erhob, könnte nicht der Schluß gezogen werden, diese Erledigung sei ihr auch zugestellt worden.
Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen darüber zu treffen haben, ob eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an die Beschwerdeführerin erfolgte. Bejahendenfalls ist sie berechtigt, eine Sachentscheidung zu fällen. Demgegenüber darf die Behörde zweiter Instanz die Berufung eines Berufungswerbers, gegen den ein erstinstanzlicher Bescheid nicht ergangen ist und der daher zur Erhebung der Berufung nicht legitimiert ist, nicht in sachliche Behandlung nehmen, sondern muß sie als unzulässig zurückweisen.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wäre lediglich die Einbringung der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung sowie die Vorlage des angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung erforderlich gewesen. Der - allein für die Beschwerde samt Beilagen geltend gemachte - Stempelgebührenaufwand war daher nur im Ausmaß von S 270,-- zuzusprechen.
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190899.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
03.12.2012