TE OGH 2021/11/15 6Ob175/21k

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Veröffentlicht am 15.11.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in Götzis, gegen die beklagte Partei A***** Bau GmbH, *****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 192.244,49 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Juli 2021, GZ 1 R 90/21a-156, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

[1]       Die Beklagte ist als Verkäuferin von einem Kaufvertrag mit der Klägerin über die Unternehmensbeteiligung an einer Kommanditgesellschaft, einer Projektgesellschaft für ein Immobilienentwicklungsprojekt, wegen Verzugs mit der Kaufpreiszahlung berechtigt zurückgetreten. Der Verkehrswert der Beteiligung wurde vom Erstgericht in einer Bandbreite zwischen dem Mindestmarktwert im Fall einer Zerschlagung der Gesellschaft und dem sonst am Markt erzielbaren Erlös festgestellt, was seinen Grund darin hatte, dass sich der erzielbare Marktpreis nach dem vom künftigen Erwerber bei der Vermarktung der Immobilien angestrebten Geschäftsmodell richtete. Der zwischen den Streitteilen vereinbarte Kaufpreis lag innerhalb dieser Bandbreite.

[2]                     Die Klägerin begehrt die Rückerstattung des teilweise bezahlten Kaufpreises.

[3]            Die Beklagte wendet – soweit in dritter Instanz noch relevant – einen abstrakt zu berechnenden Nichterfüllungschaden in Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und einem (niedrigeren) Verkehrswert als Gegenforderung ein.

[4]            Die Vorinstanzen gaben dem restlichen Klagebegehren statt und sprachen aus, dass die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.

[5]                     Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

[6]                     1.1 Der Gläubiger kann das Recht auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens nach § 921 ABGB mit dem Differenzanspruch geltend machen. Dieser besteht in der Differenz zwischen dem Schaden, der dem Gläubiger durch das Unterbleiben des Leistungsaustausches entstanden ist, und dem Wert der ersparten eigenen Leistung des Gläubigers. Der Differenzanspruch kann konkret oder abstrakt berechnet werden. Der konkrete Schaden besteht in der Differenz zwischen dem Aufwand, den der Gläubiger gemacht hat, um sich eine Leistung gleicher Art anderweitig zu beschaffen (Deckungsgeschäft) und seiner ersparten Gegenleistung. Das abstrakt berechnete Erfüllungsinteresse besteht in der Differenz zwischen dem Marktpreis der vereitelten bzw verzögerten und der eigenen Leistung, die der Rücktrittsberechtigte an den vertragsuntreuen Teil hätte erbringen müssen (6 Ob 167/04h mwN). Bei Anwendung der abstrakten Berechnungsmethode ist bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Kaufgegenstand mit identen Belastungen zugrunde zu legen und der Differenzanspruch unter Berücksichtigung der Lasten, die mit dem Kaufgegenstand verbunden sind, zu ermitteln (vgl 5 Ob 273/04i). Der Oberste Gerichtshof hat überdies mehrfach ausgesprochen, dass der vertragstreue Teil ein Wahlrecht hat, ob er seinen Schaden konkret oder abstrakt (worauf sich im vorliegenden Fall die Beklagte festgelegt hat) berechnet, ein einheitlicher Schaden aber nicht durch Kombination beider Berechnungsmethoden ermittelt werden kann (RS0018398).

[7]       1.2 Die von der Beklagten angesprochenen Gesellschaftsschulden haben bereits im Rahmen der Kaufpreisabrede des Beteiligungskaufvertrags insoweit Berücksichtigung gefunden, als der diesen Verbindlichkeiten entsprechende Teil des Kaufpreises von der Käuferin nicht (in bar) bezahlt, sondern durch Übernahme dieser Verbindlichkeiten geleistet werden sollte.

[8]            Die Ansicht des Berufungsgerichts, bei Gegenüberstellung des vereinbarten Kaufpreises und des Verkehrswerts die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in gleicher Weise zu berücksichtigen, entspricht der erörterten Judikatur.

[9]            1.3 Weshalb aus dem bloßen Vorliegen von zwei jeweils unter dem Liquidationswert liegenden Kaufanboten, die der Geschäftsführer der Beklagten jeweils als zu gering ausgeschlagen hat, die alleinige Maßgeblichkeit des Mindestunternehmenswerts (vgl dazu

6 Ob 25/12p) folgen sollte, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar. Mit ihrem Hinweis, eine Veräußerung der Kommanditanteile zumindest zum Liquidationswert sei nicht möglich gewesen, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt.

[10]           1.4 Die Auffassung des Berufungsgerichts, die von der Beklagten verlangte Mitberücksichtigung einerseits ihrer nach Scheitern des Beteiligungsverkaufs weiter bestehenden wirtschaftlichen Risken aus dem Immobilienprojekt und andererseits der erheblichen Aufwendungen im Zusammenhang mit der späteren Einzelverwertung der Wohnungen sowie der weiteren Finanzierungskosten, liefen im Ergebnis auf eine unzulässige Kombination einer objektiv-abstrakten und einer subjektiv-konkreten Schadensberechnung hinaus, findet Deckung in den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen.

[11]           2.1 Bei verschuldeter Nichterfüllung richtet sich der Schadenersatzanspruch nach allgemeinen Regeln (RS0018309). Daher hat der Geschädigte den Eintritt des behaupteten Schadens und dessen Höhe zu beweisen (6 Ob 150/01d; vgl 10 Ob 17/19a; RS0022862).

[12]           2.2 Die Beklagte räumt selbst ein, dass sich die festgestellte Bandbreite des Marktwerts der Beteiligung nicht aufgrund eines kurzfristig schwankenden Marktpreises ergab, sondern aufgrund unterschiedlicher Verwertungsvarianten in der Zukunft. Schon deshalb ist aus ihrem Hinweis auf die Risikozurechnung derartiger Marktpreisschwankungen für das gewünschte Abgehen von der erörterten Beweislastverteilung und für eine Heranziehung (nur) des Liquidationswerts nichts zu gewinnen.

[13]           2.3 Die Vorinstanzen haben – ausgehend von einer Beweislast der Beklagten – die festgestellte Bandbreite des Verkehrswerts dahin berücksichtigt, dass sie den höheren erzielbaren Marktpreis zugrunde gelegt haben. In ihrer Ansicht, bei einer Gegenüberstellung mit dem darunter liegenden Kaufpreis des gescheiterten Geschäfts sei der Beklagten der Beweis nicht gelungen, dass ihr ein abstrakt ermittelter Schaden entstanden sei, ist keine aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken (vgl 3 Ob 140/19p).

[14]           2.4 Ob sich durch Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Liegenschaftsbewertung ein niedrigerer Liquidationswert ergeben hätte können, ist daher nicht relevant.

Textnummer

E133375

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00175.21K.1115.000

Im RIS seit

03.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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