TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/21 L525 2183540-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.05.2021
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Entscheidungsdatum

21.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L525 2183540-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch Dr. Martin ENTHOFER, Rechtsanwalt in 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 4.5.2021 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer – ein Staatsangehöriger von Pakistan – stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am 6.7.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am Folgetag einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass eine Feindschaft wegen ihres Grundstücks gewesen sei. Das sei sein Fluchtgrund, sonst könne er nichts sagen. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat sei er in Lebensgefahr. Er sei oft geschlagen worden, daher wolle er nicht zurück nach Pakistan.

2. Am 22.2.2017 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "BFA") einvernommen. Eingangs der Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, dass er den Dolmetscher sehr gut verstehe und vollkommen gesund sei. Er sei Sunnit und gehöre zur Volksgruppe der Bhatti. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen einen alten Grundstücksstreit an. Die Gegner hätten das Land vor seiner Geburt unrechtmäßig übernommen und seine Familie bedroht. Sie seien bei der Polizei gewesen, aber diese habe ihnen nicht geholfen und nicht auf sie gehört. Dann habe es zwei Anzeigen gegen den Beschwerdeführer gegeben, er sei per Haftbefehl gesucht worden und habe fliehen müssen. Im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan befürchte er Gefahr von der Polizei und den Gegnern.

Der Beschwerdeführer legte im Verfahren vor dem BFA zwei pakistanische FIRs in englischer Übersetzung, einen pakistanischen Zeitungsartikel sowie eine Teilnahmebestätigung von Menschen für Menschen in Mauer vom 10.1.2017 über einen Deutschkurs vor. Der vorgelegte urdusprachige Zeitungsartikel wurde im Auftrag des BFA in die deutsche Sprache übersetzt.

3. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 17.10.2017 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Fragen zu seiner aktuellen Situation in Österreich schriftlich zu beantworten. Der Beschwerdeführer erstatte mit Schreiben vom 23.10.2017 eine entsprechende Stellungnahme.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 29.12.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, dass die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen seines Herkunftslandes, nämlich eine lange bestehende Grundstücksfehde, wegen welcher er zweimal zu Unrecht angezeigt worden wäre und ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden wäre, nicht glaubhaft sei. Eine Gefährdungslage im Heimatland sei nicht glaubhaft vorgebracht worden. Die Schilderungen des Beschwerdeführers seien als äußerst vage und oberflächlich, vor allem aber als widersprüchlich zu bezeichnen und würden jegliche persönlichen Eindrücke fehlen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe bis zu seiner Ausreise im Dezember 2015 durchgehend in seinem Elternhaus gewohnt, sei nicht mit dem behaupteter Weise gegen ihn erlassenen Haftbefehl zu vereinbaren. Der Beschwerdeführer habe sich offenbar auch nicht mit den Inhalten der Anzeigen auseinandergesetzt. Er habe einen anderen Namen eines Anzeigers genannt und darüber hinaus die vorgeworfenen Straftaten vertauscht. Zu einem eklatanten Widerspruch sei es auch hinsichtlich des Grundes für die Anzeigen gekommen. Des Weiteren erscheine tatsachenwidrig, dass dem Beschwerdeführer am 1.5.2016, somit zu einem Zeitpunkt, als er laut seinem Vorbringen bereits wegen schwerer Straftaten per Haftbefehl gesucht worden wäre und selbst gar nicht mehr in Pakistan gewesen sei, ein Personalausweis ausgestellt worden wäre. Auch habe der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung nur eine Feindschaft wegen eines Grundstücks als Fluchtgrund genannt, wohingegen er in seiner Einvernahme gegen ihn bestehende Anzeigen und einen Haftbefehl behauptet habe. Das Fluchtvorbringen weiche in zahlreichen Punkten eklatant von den Ausführungen in den vorliegenden Beweismitteln ab. Für die Unglaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe spreche aber auch, dass der Beschwerdeführer bei seiner Reise sichere EU-Staaten passiert habe, ohne dort einen Asylantrag zu stellen bzw. diesen abzuwarten.

5. Mit Schriftsatz vom 16.1.2018 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 29.12.2017. Darin brachte er nach Darstellung des behaupteten Sachverhaltes im Wesentlichen vor, dass die getroffenen Länderfeststellungen unvollständig und teilweise unrichtig seien; sie würden zwar allgemeine Aussagen über Pakistan beinhalten, sich jedoch kaum/nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen. Die belangte Behörde habe es insbesondere unterlassen, sich mit Grundstücksstreitigkeiten in Pakistan und daraus resultierender Verfolgung auseinanderzusetzen. Auf im Beschwerdeschriftsatz zitierte Länderberichte wurde verwiesen. Die Feststellung der belangten Behörde, dass sie den Beschwerdeführer als unglaubwürdig erachte, basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung. Die belangte Behörde sehe fälschlicherweise einen Widerspruch darin, dass der Beschwerdeführer nicht zu Hause verhaftet worden sei und begründe diese Ansicht nicht. Wäre die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht nachgekommen, so hätte sie feststellen müssen, dass der Beschwerdeführer nicht zu Hause verhaftet worden sei, da die pakistanischen Behörden nur auf Grund des Drucks der Gegner des Beschwerdeführers mit erlogener Begründung tätig worden seien und nicht von sich aus den Beschwerdeführer in für eine Festnahme ausreichendem Maße gesucht hätten. Der Beschwerdeführer sei oft nicht zu Hause anzutreffen gewesen. Der Beschwerdeführer hätte sich gerne eingehender mit den ihn betreffenden Anzeigen auseinandergesetzt, jedoch sei er der englischen Sprache nicht in ausreichendem Maße mächtig. Wieso die belangte Behörde dennoch darin einen Widerspruch sehe, begründe sie nicht. Wieso die belangte Behörde nicht nachvollziehen könne, dass der Beschwerdeführer den Namen eines seiner Verfolger nicht genau nennen habe können, begründe sie nicht. Dass der Beschwerdeführer die Anzeigen vertauscht habe, liege darin, dass er der englischen Sprache nicht ausreichend mächtig sei und diese daher nicht lesen habe können. Wieso der belangten Behörde Tatsachenwidrigkeiten bezüglich des Personalausweises des Beschwerdeführers erschienen seien, begründe sie nicht, insbesondere nicht, welchen Tatsachen Widersprüche gegenüberstünden. Entgegen der nicht näher begründeten allgemeinen Lebenserfahrung der belangten Behörde müsste notorisch sein, dass Menschen regelmäßig über weite Strecken und durch viele Staaten flüchten würden, um einen Staat zu erreichen, in dem es ihnen möglich sei, in Sicherheit sich ein neues Leben aufzubauen. Insoweit die Behörde die vermeintliche Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung vom 7.7.2016 und den weiteren Einvernahmen vor der belangten Behörde anlaste, werde auf die Judikatur des VfGH verwiesen, wonach Asylwerber im Zuge der Erstbefragung gar nicht näher zu ihren Fluchtgründen befragt werden dürften. In rechtlicher Hinsicht wurde gefolgert, dass dem Umstand Rechnung tragend, dass der Beschwerdeführer in Pakistan wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von Grundstücksstreitigkeiten betroffenen Familien, welche vom pakistanischen Staat keinen Schutz zu erwarten hätten bzw. von diesem selbst auch verfolgt würden, verfolgt werde, für ihn die Definition eines Flüchtlings im Sinne der GFK zutreffen lasse, weil sich die Verfolgungshandlungen und asylrelevanten Diskriminierungen unter Art. 10 Abs. 1 lit. a Statusrichtlinie subsumieren ließen. Dem Beschwerdeführer stehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Somit wäre ihm internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren gewesen. Eine Verletzung des Art. 3 EMRK würde im gegebenen Fall der Abschiebung nach Pakistan auf jeden Fall vorliegen und mache jene somit unzulässig. Die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer daher den Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkennen müssen. Der Beschwerdeführer nehme regelmäßig an Deutschkursen teil, habe Lernerfolge vorzuweisen und das Modul 1 der Basisbildung des BFI Niederösterreich abgeschlossen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer sei auf Dauer unzulässig.

Mit der Beschwerde wurden eine Teilnahmebestätigung von Menschen für Menschen in Mauer vom 16.5.2017 über einen Deutschkurs sowie eine Kursbestätigung des bfi Niederösterreich vom 15.12.2017 über den Besuch des Moduls 1 im Rahmen der Basisbildung vorgelegt.

6. Am 19.1.2018 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7. Mit Schriftsatz vom 26.4.2021 gab der im Spruch genannte Rechtsvertreter seine Vollmacht bekannt. Unter einem wurden (soweit im Verfahren noch nicht vorgelegt) eine Anmeldebestätigung des bfi vom 16.7.2020 über ein Deutsch-Basisseminar (A2), Kursbestätigungen des bfi vom 9.3.2018 und 9.10.2020 über den Besuch der Module 2 und 3 im Rahmen der Basisbildung, ein Führerschein (Klassen AM, B), eine e-card, eine Nutzungsvereinbarung über eine Wohnung vom 28.6.2020, Stundenaufstellungen des Landesklinikums XXXX von März bis Juli 2017, GISA-Auszüge vom 2.1.2020 und 1.4.2020, ein ZMR-Auszug, eine Aufenthaltsberechtigungskarte, Einkommensteuerbescheide 2018 und 2019 sowie eine Reisekostenabrechnung 2020 vorgelegt.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 4.5.2021 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters eine mündliche Verhandlung durch.

Im Zuge der Ladung zur Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderberichte zu Pakistan übermittelt; der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter verzichteten auf eine Stellungnahme. Informationen zur COVID-19-Pandemie sowie aktuelle Zahlen der WHO zu COVID-19 in Pakistan und Österreich wurden vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingebracht; der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gab dazu an, dass die Zahlen zu Corona in Pakistan offensichtlich falsch seien.

Der Beschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung eine Anmeldebestätigung des bfi vom 27.4.2021 über einen Deutsch-Intensivkurs (A2), einen Versicherungsdatenauszug vom 27.4.2021 sowie Werklohnabrechnungen Mai bis Dezember 2020 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und der Volksgruppe der Bhatti zugehörig. Er bekennt sich zum sunnitischen Islam. Der Beschwerdeführer spricht Punjabi als Muttersprache sowie Urdu; weiters spricht er ein wenig Englisch. Der Beschwerdeführer verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache, die es ihm erlauben, sich auf Deutsch vorzustellen und in einfachen Sätzen Auskunft über seine Lebenssituation und Hobbys zu geben. Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt XXXX , Provinz Punjab, und lebte dort im Viertel XXXX , Straße XXXX . Er besuchte zunächst fünf bzw. sechs Jahre die Schule, danach – im Anschluss an zwei bis drei Jahre des Besuchs einer Koranschule – die zehnte Klasse der Schule. Er verfügte in Pakistan auch über einen Führerschein. Der Beschwerdeführer lebte gemeinsam mit seinem Vater, seinen drei Schwestern sowie den Ehegatten seiner beiden verheirateten Schwestern in einem Haus an der Heimatadresse. Die Mutter des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Der Vater des Beschwerdeführers ist Beamter und arbeitet als Grundstücksregistrator; zudem verfügt er über landwirtschaftliche Gründe. Die Schwager des Beschwerdeführers sind ebenfalls berufstätig.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Vater des Beschwerdeführers und eine seiner Schwestern leben weiterhin an der Heimatadresse in XXXX . Der Beschwerdeführer steht mit seinen Familienangehörigen ca. ein bis zwei Mal pro Woche in Kontakt.

Der Beschwerdeführer reiste im Dezember 2015 aus Pakistan aus.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.

Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde.

1.3. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer reiste im Juli 2016 illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein und stellte am 6.7.2016 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft oder mit einer ihm sonst nahestehenden Person zusammen. Der Beschwerdeführer verfügt über soziale Kontakte in Österreich; engere freundschaftliche Kontakte oder Beziehungen zu Österreichern konnten nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Von März bis Juli 2017 war der Beschwerdeführer im Landesklinikum XXXX freiwillig tätig und hat dort die Gartenarbeit bzw. sonst anfallende Arbeiten, z.B. Malerarbeiten, erledigt. Dass der Beschwerdeführer über diesen Zeitraum hinaus dort tätig war, kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer unterstützt auch bedürftige Menschen, hilft ihnen etwa im Garten, geht für sie einkaufen oder begleitet sie ins Spital. Seine Freizeit verbringt der Beschwerdeführer mit Fußballspielen oder im Fitnessstudio. Er wohnt in einer Mietwohnung in XXXX .

Im Jahr 2017 nahm der Beschwerdeführer regelmäßig an einem Deutschkurs teil. Im Zeitraum von 24.10.2017 bis 15.12.2017 nahm der Beschwerdeführer an Modul 1 des Basisbildungskurses des bfi teil; von 23.1.2018 bis 9.3.2018 bzw. 24.8.2020 bis 9.10.2020 besuchte er die Module 2 und 3 dieses Kurses. Zuletzt war der Beschwerdeführer im Jahr 2020 für ein Deutsch-Basisseminar (A2) (pandemiebedingt verschoben) bzw. im Jahr 2021 für einen Deutsch-Intensivkurs (A2) (Beginn im Oktober 2021) des bfi angemeldet. Deutschzertifikate legte der Beschwerdeführer nicht vor.

Der Beschwerdeführer verfügt über aufrechte Gewerbeberechtigungen als Werbemittelverteiler und Marktfahrer. Er ist als selbständiger Zeitungs- und Werbemittelverteiler berufstätig und als gewerblich selbständig Erwerbstätiger nach GSVG sozialversichert. Der Beschwerdeführer verfügt über österreichische Lenkberechtigungen der Klassen AM und B und besitzt auch ein eigenes Fahrzeug. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr und ist selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Von ihm begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.

1.4. Länderfeststellungen:

Länderspezifische Anmerkungen

Letzte Änderung: 29.01.2021

Covid-19

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die epidemiologische Situation in Pakistan ist weiterhin angespannt. In Pakistan wurden bisher mehr als 457.288 Infektionen mit dem Covid-19-Virus sowie mehr als 9.330 Todesfälle bestätigt (Stand 21.12.2020; Einwohnerzahl: 220 Millionen). Nach Angaben des National Command and Operation Center (NCOC) stieg die Zahl der durch das Coronavirus verursachten Todesfälle zum ersten Mal seit fünf Monaten um mehr als 100 innerhalb eines Tages. Die Positiv-Rate aller durchgeführten Testungen liegt in verschiedenen pakistanischen Großstädten bei etwa 7 bis 8%, während sie in der Millionenmetropole Karatschi etwa 19% beträgt. Landesweit wird weiterhin auf „Smart Lockdowns“ gesetzt, wobei zuletzt in Bezirken Peshawars und Karatschis Ausgangssperren verhängt wurden. Die Landesregierungen von Sindh und Khyber Pakhtunkhwa haben zudem angeordnet, alle religiösen Seminare („Madrassas“) wegen der Covid-19-Pandemie zu schließen. Laut Angaben des Sonderassistenten des pakistanischen Premierministers werde geplant, dass der Impfstoff – sofern verfügbar – der pakistanischen Bevölkerung kostenlos zur Verfügung gestellt werde. Wie gering die Impfbereitschaft der Pakistanis zeigt der Umgang mit der Polio-Impfung für Kinder im Land (ÖB 21.12.2020). Gleichzeitig geraten Krankenhäuser angesichts gestiegener Corona-Neuinfektionen landesweit an ihre Kapazitätsgrenzen. Mindestens sieben Patienten starben laut Medienberichten in der Nacht zum 6. Dezember 2020 in einem öffentlichen Krankenhaus in der nordwestlichen Stadt Peshawar (Khyber Pakhtunkhwa), weil der Sauerstoffnachschub ausging (BAMF 7.12.2020).

Als Folge des COVID-19-Schocks verschlechterte sich die wirtschaftliche Aktivität deutlich, wobei das Wirtschaftswachstum 2020 wird vorläufig auf -0,4% geschätzt. Um die zweite Welle abzumildern, wurden Lockdownmaßnahmen wieder eingeführt. Hinsichtlich anstehender Impfungen hat die Regierung bei der COVAX-Organisation der UN um Unterstützung angesucht. Diese wird die Impfung von vorrangig zu impfenden Gruppen - etwa 20% der Bevölkerung - abdecken. Die Regierung führt außerdem Gespräche mit mehreren Impfstoffherstellern und mit Gebern (Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank) über die Beschaffung zusätzlicher Impfstoffe, die mit einem Budget von 250 Millionen US-Dollar finanziert werden sollen. Der Start der Impfkampagne wird für das zweite Quartal des Jahres 2021 erwartet (IMF 8.1.2021).

Am 24. März 2020 wurde von der Bundesregierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen PKR (ca. 6,2 Milliarden Euro) angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische Notfallausrüstung (kürzlich bis Dezember 2020 verlängert); Bargeldtransfers an 6,2 Millionen Tagelöhner (75 Mrd. PKR); Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache Familien (150 Mrd. PKR); Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form von Aufschub der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sah außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. PKR), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. PKR), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise (mit einem geschätzten Nutzen für die Endverbraucher in Höhe von 70 Mrd. PKR), Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. PKR), Erleichterungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. PKR), einen Notfallfonds (100 Mrd. PKR) und eine Überweisung an die National Disaster Management Authority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. PKR) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wird auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das "COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program" (70 Mrd. PKR), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. PKR) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und Zementunternehmen), die im Rahmen der zweiten Welle bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden (IMF 8.1.2021).

Quellen:

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.12.2020): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041897/briefingnotes-kw50-2020.pdf, Zugriff 28.12.2020

?        IMF – International Monetary Fund (8.1.2021): Policy Responses to COVID-19, Pakistan, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#P, Zugriff 28.1.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft Bangkok [Österreich] (21.12.2020): Asylländerbericht Pakistan, per E-Mail

Politische Lage

Letzte Änderung: 29.01.2021

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa sowie dem Hauptstadtterritorium Islamabad (AA 25.9.2020). Die vormaligen FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden (ET 25.5.2018). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir auf der pakistanisch verwalteten Seite Kaschmirs (AA 25.9.2020).

Pakistan ist gemäß seiner Verfassung eine parlamentarische Demokratie. Seit der Unabhängigkeit wurde die demokratische Entwicklung jedoch mehrfach von längeren Phasen der Militärherrschaft unterbrochen. Zuletzt kehrte Pakistan 2008 zur Demokratie zurück. Bei den Parlamentswahlen am 25.7.2018 gewann die bisherige Oppositionspartei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI). Seit August 2018 führt PTI-Chef Imran Khan als Premierminister eine Koalitionsregierung an (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Die Wahlbeobachtermission der EU beurteilte den Wahlverlauf am Wahltag als transparent und gut durchgeführt. Allerdings waren Journalisten und Medien von starken Einschränkungen und Beschneidungen der Meinungsfreiheit betroffen, was zu einem außerordentlichen Maß an Selbstzensur geführt hat. Auch wurde im Vorfeld der Wahl systematisch versucht, die frühere Regierungspartei durch Fälle von Korruption, Missachtung des Gerichts und Anschuldigungen gegen ihre Führer und Kandidaten zu untergraben (EUEOM 27.7.2018). Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf, jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 28.7.2018). Zudem wurde die Wahl überschattet von einer Reihe gewalttätiger Zwischenfälle in verschiedenen Provinzen; von Strafverfahren, die gegen Mitglieder der Regierungspartei eingeleitet worden waren; und vom Vorwurf des Premierministers, das Militär habe sich eingemischt (EASO 10.2019).

Das pakistanische Parlament besteht gemäß der Verfassung von 1973 aus zwei Kammern. Die Nationalversammlung hat insgesamt 342 Mitglieder, wobei 60 Sitze für Frauen und 10 für Nicht-Muslime reservierte sind. Die Sitze in der Nationalversammlung werden den einzelnen Provinzen auf der Grundlage der Bevölkerungszahl zugewiesen, die in der letzten vorhergehenden Volkszählung offiziell veröffentlicht wurde (NAP o.D).

Das pakistanische Militär ist ein wichtiger Akteur in der pakistanischen Politik, insbesondere in den Bereichen innere Sicherheit, Außenpolitik und Wirtschaft. In den ersten Monaten des Jahres 2019 haben die wirtschaftlichen Probleme des Landes (höhere Steuern und steigende Inflation) die Regierung unter Druck gesetzt. Anfang 2018 entstand in Pakistan die Paschtunische Tahafuz-(Schutz-)Bewegung (PTM), eine Bürgerrechtsbewegung, die sich für die Rechte der paschtunischen Minderheit des Landes einsetzt (EASO 10.2019).

Die im September gegründete PDM (Demokratische Bewegung Pakistan) plant landesweite Proteste gegen die Regierung unter Premierminister Imran Khan. Elf Parteien unterschiedlicher politischer Strömungen haben sich dem Bündnis angeschlossen. Die Politiker fordern unter anderem eine Neuwahl und Khans Rücktritt (ORF 25.10.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (25.9.2020): Pakistan: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/politisches-portraet/205010, Zugriff 15.10.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2019): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019113/2019_EASO_Pakistan_Security_Situation_Report.pdf, Zugriff 16.10.2020

?        EUEOM – European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        ET – The Express Tribune (25.5.2018): Senate passes FATA-KP merger bill with 71-5 vote, https://tribune.com.pk/story/1718734/1-ppp-pti-set-throw-weight-behind-k-p-fata-merger-bill-senate/, Zugriff 15.10.2020

?        HRW – Human Rights Watch (28.7.2018): Controversial Election in Pakistan, https://www.hrw.org/news/2018/07/28/controversial-election-pakistan, Zugriff 15.10.2020

?        NAP – National Assembly of Pakistan [Pakistan] (o.D): About the National Assembly, http://www.na.gov.pk/en/composition.php, Zugriff 15.10.2020

?        ORF (25.10.2020): Zehntausende versammeln sich in Pakistan gegen Regierung, https://orf.at/stories/3186671/, Zugriff 27.10.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026342.html, Zugriff 15.10.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020).

Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und der mit ihnen verbundenen HQN [Anm.: the Haqqani Network], sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT [Anm.: Lashkar-e Taiba] und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM [Anm.: Jaish-e Muhammad], von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020). Andererseits führen Armee und Polizei auch weiterhin Kampagnen gegen militante und terroristische Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 29.9.2020). Die Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs, die 2017 begonnen wurde, wurde das ganze Jahr 2019 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Antiterrorismuskampagne mit dem Ziel, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-2017) zu konsolidieren, mit der ausländische und einheimische Terroristen in den ehemaligen FATA bekämpft wurden. Die Sicherheitsbehörden schwächen terroristische Gruppen auch, indem sie mutmaßliche Terroristen und Bandenmitglieder festnehmen, welche den Militanten angeblich logistische Unterstützung leisten (USDOS 11.3.2020).

Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch (nicht)-staatliche Akteure tragen zu Menschenrechtsproblemen bei. Angriffe von militanten und terroristischen Gruppen, darunter die pakistanischen Taliban (TTP; Tehrik-e-Taliban Pakistan), Lashkar-e-Jhangvi und die Provinz Chorasan im islamischen Staat (ISIS-K), richten sich gegen Zivilisten, Journalisten, Gemeindeführer, Sicherheitskräfte, Vollzugsbeamte und Schulen. Hunderte von Menschen wurden 2019 durch Sprengsätze, Selbstmordattentate und andere Formen der Gewalt getötet oder verletzt. Angriffe der genannten Gruppen richten sich häufig gegen religiöse Minderheiten (USDOS 11.3.2020).

Tatsächlich ist seit 2009 ein allmählicher Rückgang der Terroranschläge und der Zahl der Opfer zu verzeichnen. Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen, diesen rückläufigen Trend ab 2013 aufrechtzuerhalten (USDOS 24.6.2020). Auch 2019 war das Maß an Gewalt geringer, als in den vergangenen Jahren. Dies steht mit einem allgemeinen Rückgang der terroristischen Aktivitäten in Zusammenhang (USDOS 11.3.2020). Die Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle ist also weiter rückläufig, bei gleichzeitiger Stagnation in einigen Landesteilen. Laut dem Think Tank Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) gab es im Jahr 2019 insgesamt 229 Terroranschläge in Pakistan (13% weniger verglichen mit 2018), bei denen 357 Personen ums Leben gekommen sind (40% weniger als 2018). Größte Unruheherde bleiben die ehemaligen Stammesgebiete (besonders Nordwaziristan) und Belutschistan. Die aktivsten gegen den pakistanischen Staat gerichteten Terrorgruppen sind die TTP sowie belutschische Separatisten (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 24.6.2020). Beide verübten in den vergangenen Monaten eine Serie von tödlichen Anschlägen auf Sicherheitskräfte (AA 29.9.2020). Auch ISIS-K ist aktiv. Separatistische militante Gruppen führen Terroranschläge gegen verschiedene Ziele in den Provinzen Belutschistan und Sindh durch (USDOS 24.6.2020). Gewisse Teile von Belutschistan und dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet sind weiter nicht gänzlich unter staatlicher Kontrolle. Dies begünstigt neben dem Terrorismus auch den Schmuggel sowie Menschen- und Drogenhandel (AA 29.9.2020).

Insgesamt dokumentierte PIPS im Jahr 2019 433 Vorfälle von Gewalt. Die Gesamtzahl der Gewaltvorfälle führte zu 588 Todesopfer und 1.030 Verletzte. Mehr als die Hälfte der Gewaltvorfälle (229 Vorfälle) wurden laut PIPS als terroristische Angriffe bezeichnet. Im Vergleich zu 2018 ist die Zahl der gewalttätigen Vorfälle um etwa 15 % zurückgegangen (EASO 10.2020).

Es besteht jedoch weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Rawalpindi, Lahore, Karachi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der TTP sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen, insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur sowie gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) (AA 27.10.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Die Regierung betreibt fünf De-Radikalisierungslager, wo religiöse Erziehung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie angeboten wird. Eine pakistanische NGO verwaltet das auf Jugendliche ausgerichtete Sabaoon Rehabilitation Center im Swat-Tal, das sie in Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Militär gegründet hatte (USDOS 24.6.2020).

Anzahl der Anschläge von 1.1.2020-31.7.2020 (EASO 10.2020)

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2020): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Stand 21.12.2020), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_1, Zugriff 21.12.2020

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 21.12.2020

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 21.12.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html, Zugriff 21.12.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/pakistan/, Zugriff 21.12.2020

Relevante Terrorgruppen

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die pakistanische Regierung setzt die Umsetzung des Antiterrorism Act von 1997, des National Counterterterrorism Authority (NACTA) Act, des Investigation for Fair Trial Act von 2014 und der Änderungen des Antiterrorism Act (ATA) von 2014 fort, die allen Strafverfolgungsbehörden, Staatsanwälten und Gerichten erweiterte Befugnisse in Terrorismusfällen einräumen. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten in ganz Pakistan CT-Operationen gegen staatsfeindliche Kämpfer durch. Das pakistanische Recht erlaubt präventive Inhaftierung, lässt die Todesstrafe für terroristische Straftaten zu und ermächtigt spezielle Anti-Terrorismus-Gerichte, über Terrorismusfälle zu verhandeln (USDOS 24.6.2020).

Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP): Die TTP (auch pakistanische Taliban genannt) wurde 2007 von Baitullah Mehsud gegründet, der 2009 durch einen US-Drohnenangriff getötet wurde. Die ursprünglichen Ziele der Organisation waren die Umsetzung der Scharia und die Vertreibung der Koalitionstruppen aus Afghanistan. Die TTP ist eine Dachorganisation, die aus 13 verschiedenen pakistanischen Taliban-Fraktionen gebildet wird - ungefähr die Hälfte aller pakistanischen Taliban-Fraktionen. Die TTP besteht aus ca. 3.000 bis 5.000 aktiven Kämpfern in Afghanistan. Während die TTP auf der anderen Seite der Grenze im Osten Afghanistans Zufluchtsorte unterhält, hat sie Schläferzellen und Sympathisanten in Pakistan zurückgelassen. Afghanistan ist die Operationsbasis, aber die Gruppe führt im Allgemeinen keine Angriffe in Afghanistan durch. Die TTP konzentriert sich auf den Kampf gegen die pakistanische Regierung (EASO 10.2020).

Jamaat-ul Ahrar (JuA): Jamaatul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Ziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Im August 2020 schloss sich JuA wieder der TTP an. Das Pakistan Institute for Peace Studies dokumentierte, dass die JuA im Jahr 2019 an einem Terroranschlag beteiligt war, verglichen mit 15 im Jahr 2018 (EASO 10.2020).

Islamic State Khorasan Province (ISKP): Die ersten Berichte über den ISKP (auch ISIS, ISIL, IS oder Daesh genannt) in Pakistan gehen auf Anfang 2015 zurück. Der ISKP sah eine weltweite Expansion des Kalifats vor und bezeichnete die Region Afghanistan, Pakistan, Iran und die zentralasiatischen Republiken als Wilayat Khorasan (ISKP - Islamischer Staat Provinz Khorasan). Im Mai 2019 kündigte der islamische Staat die Gründung des "Wilayat Pakistan" (Islamischer Staat - Provinz Pakistan, ISPP) an, nachdem er mehrere Angriffe in der Provinz Belutschistan für sich beansprucht hatte. Der ISKP hatte es geschafft, seinen Einfluss zu vergrößern, indem er taktische Bündnisse mit ähnlichen lokalen militanten Gruppen eingegangen war. Einem Bericht vom Januar 2020 zufolge ist der ISKP hauptsächlich in der Provinz Belutschistan präsent. Laut dem jährlichen Sicherheitslagebericht von PIPS 2019 haben die Sicherheitsbehörden mehrere Operationen in Belutschistan gegen den ISKP durchgeführt. PIPS dokumentierte im Jahr 2019 einen Terroranschlag des ISKP, im Vergleich zu fünf im Jahr 2018. Der ISKP ist für einige der tödlichsten Anschläge in Pakistan in den vergangenen zwei Jahren verantwortlich, darunter ein Anschlag auf eine Wahlkundgebung in Mastung, bei dem im Juli 2018 mehr als 130 Menschen getötet und 300 verletzt wurden (EASO 10.2020).

Lashkar-e Jhangvi (LeJ): Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen. Laut PIPS war LeJ im Jahr 2019 für acht terroristische Angriffe in Pakistan verantwortlich, verglichen mit sieben solcher Angriffe im Jahr 2018. Fünf dieser Angriffe fanden in Karachi und drei in Belutschistan statt. In seinem jährlichen Sicherheitsbericht für 2019 erwähnte PIPS, dass mehrere Berichte darauf hindeuten, dass sich LeJ wieder auf Karachi konzentriert (EASO 10.2020).

Nationale Bewegungen in Beluchistan: Der PIPS-Jahresbericht 2019 zur Sicherheitslage gab an, dass etwa sieben belutschische nationalistische Bewegungen in Belutschistan aktiv sind. Die operativen Fähigkeiten dieser Gruppen unterscheiden sich. Die Balochistan Liberation Army (BLA) ist eine bewaffnete nationalistische Bewegung der Belutschen. Ihr Ziel ist ein unabhängiges Belutschistan, frei von pakistanischer und iranischer Herrschaft. Wegen ihrer gewalttätigen Methoden, wie z.B. Bombenanschläge, wurde sie im April 2006 in Pakistan verboten. PIPS gab an, dass die BLA im Jahr 2019 27 terroristische Angriffe in Belutschistan durchführte, was eine leichte Steigerung im Vergleich zu 2018 darstellt, als sie 25 Angriffe durchführte. Im Juli 2019 wurde die Gruppe vom US-Außenministerium als terroristische Vereinigung eingestuft. Die Baloch Liberation Front (BLF) ist vor allem im so genannten Makran-Gürtel (Küstenregion von Beluchistan, Anm.) aktiv. Im Jahr 2010 wurde die Gruppe verboten. Laut PIPS hat sich die Führung der BLF in die Nachbarländer verlagert, was sich negativ auf ihre operativen Fähigkeiten auswirkt. Im Jahr 2019 übernahm die BLF die Verantwortung für 11 Terroranschläge im Vergleich zu 22 im Jahr 2018. Weitere belutschische Gruppen sind die Baloch Republican Army (BRA), die United Baloch Army (UBA) und die Baloch Raji Ajoi Sangar (BRAS) (EASO 10.2020).

Quellen:

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 16.12.2020

?        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019

?        USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html, Zugriff 19.10.2020

Punjab und Islamabad

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d; vgl. EASO 10.2020). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Beim einzigen 2019 aus Islamabad gemeldeten Terroranschlag wurden zwei Polizisten getötet und ein weiterer bei einem Angriff auf eine Sicherheitsposten verletzt (PIPS 2020).

Im südlichen Punjab sind militante Netzwerke und Extremisten präsent, Lashkar-e Taiba (LeT) und JeM haben dort ihre Hauptquartiere und unterhalten religiösen Einrichtungen. Die Abteilung für Terrorismusbekämpfung im Punjab (CTD) hat 2019 und im ersten Halbjahr 2020 ihre Operationen gegen Militante fortgesetzt. Es kam dabei zu Festnahmen und zur Tötung von (mutmaßlichen) Kämpfern der TTP, HuA, LeJ und ISKP. Vom 1. Jänner bis 31. Juli 2020 zählte PIPS neun Vorfälle im Punjab, fünf davon wurden als Terroranschläge erfasst (EASO 10.2020; vgl. PIPS 2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2020): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), Stand (22.12.2020), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_1, Zugriff 22.12.2020

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 22.12.2020

?        PBS – Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (2017d): Province wise Provisional Results of Census – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 22.12.2020

?        PIPS – Pak Institute for Peace Studies (2020): Pakistan Security Report 2019, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2020/03/sr2019full.pdf, Zugriff 22.12.2020

Rechtsschutz, Justizwesen

Letzte Änderung: 29.01.2021

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 11.3.2020). Nach der Verfassung ist die politische Gewalt zwischen Legislative, Exekutive und Judikative aufgeteilt. In der Praxis wird diese Aufteilung in Pakistan jedoch nicht strikt eingehalten (BS 2020). Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung trotz Bestehens des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology jedoch eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 5.2020).

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht und kann sich in Fällen von öffentlichem Interesse auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gemäß Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen. Die fünf High Courts fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Bezirksgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll. Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court, der zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen wird und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in Teilen etwas entschärft wurden. In Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es eigene Justizsysteme (ÖB 5.2020).

Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings als glaubwürdig eingestuft (USDOS 11.3.2020).

Im Zivil-, Straf- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann auf öffentliche Kosten ein Anwalt zur Verfügung gestellt werden (USDOS 11.3.2020). Das National Accountability Bureau (Antikorruptionsbehörde) kann Verdächtige 15 Tage lang ohne Anklageerhebung festhalten (mit gerichtlicher Zustimmung verlängerbar) und ihnen vor der Anklageerhebung den Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigern. Für Straftaten im Rahmen dieser Behörde kann keine Kaution hinterlegt werden, und nur dessen Vorsitzender ist befugt, über die Freilassung von Gefangenen zu entscheiden (USDOS 11.3.2020; vgl. BS 2020).

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Gleichzeitig steht sie weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 29.9.2020). Zudem ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen beeinträchtigt: Korruption, Einschüchterung und Unsicherheit; einem großen Rückstau an Fällen und niedrigen Verurteilungsquoten bei schweren Straftaten; von Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen (USDOS 11.3.2020; vgl. HRCP/FIDH 10.2019; HRW 14.3.2020). Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben für Korruption und den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren anfällig. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 11.3.2020). Zivile Streitigkeiten, insbesondere wegen Eigentum und Geld, sind ein häufiger Grund für Mordfälle in Pakistan. Die oftmals Jahrzehnte dauernden Verzögerungen bei Urteilen durch Zivilgerichte können zu außergerichtlicher Gewaltanwendung zwischen den Streitparteien führen (JPP 4.10.2018).

De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für die meisten Pakistaner kaum eine Rolle. Rechtsstreitigkeiten werden nach Scharia-Recht oder nach lokalen Rechtsbräuchen gelöst. Im WJP Rule of Law Index belegt Pakistan Platz 120 von 128 untersuchten Staaten (AA 29.9.2020). Neben dem bisher dargestellten staatlichen Justizwesen bestehen also vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen. Hier drohen vor allem Frauen menschenunwürdige Bestrafungen (ÖB 5.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf , Zugriff 17.12.2020

?        BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Country Report Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029416/country_report_2020_PAK.pdf, Zugriff 17.12.2020

?        HRCP/FIDH – Human Rights Commission of Pakistan / International Federation for Human Rights (10.2019): Punished for being vulnerable; How Pakistan executes the poorest and the most marginalized in society, https://www.fidh.org/IMG/pdf/pakistan740angweb.pdf, Zugriff 17.12.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.3.2020): World Report 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022680.html, Zugriff 18.12.2020

?        JPP – Justice Project Pakistan (4.10.2018): Counting the Condemned – Data Analysis of Pakistan’s Use of the Death Penalty, https://www.jpp.org.pk/wp-content/uploads/2018/10/2018_10_04_Counting-the-Condemned-Final.pdf, Zugriff 17.12.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (5.2020): Asylländerbericht Pakistan

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026342.html, Zugriff 17.12.2020

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 29.01.2021

Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, Geheimdiensten (AA 29.9.2020), dem Heer, das dem Verteidigungsministerium untersteht (MoD o.D.) sowie militärischen Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen (EASO 10.2020).

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol und verfügt über eine Abteilung zur Terrorismusbekämpfung (Counter Terrorism Wing – CTWI). Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI). Das IB ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig. Der ISI wird vom Militär dominiert. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste gibt es nicht (AA 29.9.2020).

Frontier Corps (FC) und Rangers sind paramilitärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie bei der Grenzsicherung (EASO 10.2020).

Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte v.a. in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verletzungen. Ein nach wie vor ungelöstes, tabuisiertes Problem sind in diesem Zusammenhang die sog. enforced disappearances, das „Verschwindenlassen“ von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen (AA 29.9.2020).

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 11.3.2020). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 29.9.2020). Zum geringen Ansehen der Polizei tragen Korruptionsanfälligkeit, unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam Genommenen ebenso bei (AA 29.9.2020; vgl. HRCP 4.2020).

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den District Nazims, Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine strafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 11.3.2020).

Nach der Integration der FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Mai 2018 wurde die Provinzpolizei auch in den ehem. FATA tätig, jedoch muss erst neues Personal aufgenommen und ausgebildet werden, um die ehem. FATA komplett abzudecken (USDOS 11.3.2020).

Insgesamt sind die Polizeikapazitäten in Pakistan begrenzt, was auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung, unzureichende und veraltete Ausrüstung und konkurrierenden Druck von Vorgesetzten, politischen Akteuren, Sicherheitskräften und der Justiz zurückzuführen ist. In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein hohes Maß an Korruption bei der Polizei weit verbreitet [siehe Kapitel Korruption], insgesamt ist das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit gering. Inländische und internationale Beobachter sehen das Militär als eine der fähigsten Organisationen in Pakistan. Es verfügt über erhebliche Macht und dominiert die Außen- und Sicherheitspolitik. Militärangehörige werden gut bezahlt, und eine Karriere beim Militär ist hoch angesehen, nicht nur wegen der Vorteile, sondern auch wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens und der Verbindungen, die Militärangehörige genießen (DAFT 20.2.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020

?        DAFT – Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc, Zugriff 16.12.2020

?        EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 16.12.2020

?        MoD – Ministry of Defense [Pakistan] (o.D.): Ministry Overview, http://www.mod.gov.pk/, Zugriff 16.12.2020

?        HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf, 18.12.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Reports on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html, Zugriff 16.12.2020

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 29.01.2021

Obwohl die Verfassung Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung verbietet, enthält das Strafgesetzbuch keinen speziellen Abschnitt gegen Folter (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020). Folter im Polizeigewahrsam ist jedoch bislang nicht strafbar (AA 29.9.2020).

Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen gilt als weitverbreitet. Gefoltert wird u.a., um bei polizeilichen Ermittlungen Geständnisse oder Kooperation zu erzwingen; besonders vulnerabel sind Angehörige von Minderheiten und marginalisierten Gruppen. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat gibt es häufig Berichte über die Anwendung von Folter durch Sicherheitskräfte. Letztere entziehen sich oft gerichtlicher Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse sind zwar als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen, dies gilt aber laut Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus nicht für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten und Offizieren (AA 29.9.2020). Die meisten Menschen, die einer Straftat angeklagt sind, werden so lange gefoltert, bis sie gestehen - auch wenn sie ein Verbrechen gar nicht begangen haben. Die Polizei kennt keine gewaltfreien Ermittlungs-/Verhörmethoden. Pakistan wird oft dafür kritisiert, dass es grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung und Bestrafung von Personen zulässt, die nicht nur krimineller, sondern auch ziviler Vergehen beschuldigt werden (Dawn 21.2.2019). Berichten zufolge ist es aufgrund körperlicher Misshandlungen während der Haft zum Tod einiger Tatverdächtiger gekommen (USDOS 11.3.2020). Es liegen keine zuverlässigen Daten über Todesfälle in der Haft in Pakistan vor, aber Menschenrechtsgruppen weisen auf einen Anstieg der Fälle von Folter durch die Polizei hin. Dabei ist Polizeifolter in Pakistans bevölkerungsreichster Provinz Punjab weiter verbreitet als in anderen Teilen des Landes (HRCP 30.4.2020; vgl. AI 30.1.2020).

Die Regierung unternimmt keine ernsthaften Anstrengungen, um die Anwendung von Folter einzudämmen. Täter - vor allem Angehörige der Polizei, Militär und Geheimdiensten - agieren ungestraft. Lange Prozessverzögerungen und das Versäumnis, die für die Tötungen Verantwortlichen zu bestrafen und strafrechtlich zu verfolgen, trugen zu einer Kultur der Straflosigkeit bei (USDOS 11.3.2020). Die Strafverfolgung ist landesweit generell so unzureichend, dass bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge Täter so gut wie nie verurteilt wurden (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet (AA 29.9.2020). Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten über Fälle

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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