TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/17 95/19/0136

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.1996
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. April 1995, Zl. 300.878/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. April 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 31. August 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 iVm § 13 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, über den Beschwerdeführer sei mit Bescheid vom 21. Februar 1985 ein Aufenthaltsverbot verhängt worden, dessen Vollstreckung mehrmals aufgeschoben worden sei, zuletzt bis zum 31. Jänner 1993. Der Beschwerdeführer habe am 27. Jänner 1993 erneut einen Antrag auf Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes gestellt, der aber am 24. Februar 1993 in einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abgeändert worden sei. Mit Bescheid vom 5. Oktober 1993 sei das Aufenthaltsverbot aufgehoben worden.

Der Beschwerdeführer habe am 31. August 1993 einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes an die Bundespolizeidirektion Wien gestellt, der gemäß § 7 Abs. 7 des Fremdengesetzes an die zuständige Behörde weitergeleitet worden sei.

Der Beschwerdeführer habe sich vom 31. Jänner 1993 bis 5. Oktober 1993, und somit auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Es sei in diesem Fall kein Verlängerungsantrag im Sinne des § 13 AufG zu stellen, sondern ein Erstantrag. Aus diesem Grund und infolge der Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen und auf das Vorbringen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer tritt der maßgeblichen Tatsachenannahme der belangten Behörde, er habe seinen Antrag vom Inland aus gestellt, nicht entgegen. Er bestreitet auch nicht, daß im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bestand, dessen Vollstreckung nicht (mehr) aufgeschoben war.

Im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 4. Mai 1995 hatte die belangte Behörde die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle 1995, BGBl. Nr. 351, anzuwenden.

Gemäß § 6 Abs. 2 A.F. AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann auch vom Inland aus gestellt werden. Nach § 13 Abs. 1 AufG bleiben die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften beantragen.

Der im bekämpften Bescheid gezogene Schluß, daß für den Beschwerdeführer - mangels rechtmäßigen Aufenthaltes im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes - die Übergangsregelung des § 13 Abs. 1 AufG nicht zum Tragen komme, begegnet keinen Bedenken. Doch übersieht die belangte Behörde, daß der zur Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers herangezogene § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zwei - in einem untrennbaren Zusammenhang miteinander stehende - Voraussetzungen enthält. Einerseits hat die Antragstellung "vor der Einreise" und andererseits "vom Ausland aus" zu erfolgen.

Das Erfüllen der Voraussetzung der Antragstellung vor der Einreise nach Österreich setzt allerdings denklogisch voraus, daß sich der Antragsteller jemals im Ausland befunden hat, da andernfalls schon begrifflich eine Einreise nach Österreich nicht denkbar ist, was gleichzeitig mit sich bringt, daß er auch das Erfordernis der Antragstellung vom Ausland aus nur dadurch zu erfüllen vermöchte, daß er (nur) zum Zweck der Antragstellung ausreist. Da die Festlegung eines solchen (bloßen) Formerfordernisses sinnlos wäre - was der Verwaltungsgerichtshof dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen vermag -, ergibt sich, daß auf einen Antragsteller, der in Österreich geboren ist und das Bundesgebiet bis zur Antragstellung nicht verlassen hat, § 6 Abs. 2 AufG nicht anwendbar ist. Es besteht daher insoferne eine (echte) Gesetzeslücke, die im Falle des Beschwerdeführers analog zu § 6 Abs. 3 AufG zu schließen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/0129).

Die Begründung des angefochtenen Bescheides läßt nicht erkennen, ob die belangte Behörde diese Rechtslage ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat. Jedenfalls hätte sie davon ausgehend Feststellungen darüber zu treffen gehabt, ob der in Österreich geborene Antragsteller bis zur Antragstellung jemals aus Österreich ausgereist ist. Denn aus dem Verwaltungsakt ergeben sich mehrfache Anhaltspunkte (Hinweise auf ungeklärte Staatsangehörigkeit, ausschließlich vorhandener Postausweis, Versuch der Erlangung eines fremden Passes), daß der Beschwerdeführer seit seiner Geburt in Österreich lebt. Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde diesbezüglich ausdrücklich vor, daß sein Vater als volksdeutscher Flüchtling letztendlich von Juli 1945 bis 1951 in Wien lebte. Der aus einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zwar entstammende, jedoch erst nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe geborene Beschwerdeführer wisse nicht, ob sein Vater im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers staatenlos gewesen sei oder nicht. Daher sei auch seine eigene Staatsangehörigkeit bis dato nicht geklärt. Er habe sich zeit seines Lebens in Österreich aufgehalten, denn er verfüge über kein gültiges Reisedokument. Die österreichischen Behörden sähen ihn als ehemaligen jugoslawischen Staatsangehörigen an, die ehemals jugoslawischen Behörden seien jedoch nicht bereit, ihn als Staatsangehörigen anzuerkennen. Er könne das Bundesgebiet der Republik Österreich mangels gültigen Reisedokumentes nicht verlassen, ohne sich strafbar zu machen.

Da die belangte Behörde trotz der in die Richtung einer niemals erfolgten Ausreise im Verwaltungsakt hinweisenden Indizien keine diesbezüglichen Ermittlungen durchgeführt hat, obwohl solche Ermittlungen im Hinblick auf § 39 Abs. 2 AVG nahegelegen wären, ist der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegte Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Umfang des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190136.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten