Entscheidungsdatum
18.10.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L515 2241400-1/7E
L515 2241402-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX ,
I. gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen – Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX vom 17.02.2021, OB: XXXX , betreffend die unterlassene Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass
II. gegen den vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen – Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , mit Schreiben vom 22.02.2021 versandten Behindertenpass, OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die beschwerdeführende Partei („bP“) beantragte am im Akt ersichtlichen Datum unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
I.2. In der Folge wurde am 25.08.2020 ein ärztliches Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin erstellt (Begutachtung am 28.07.2020). Das Gutachten ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH; die Voraussetzungen für die genannte begehrte Zusatzeintragung erachtete der medizinische Sachverständige als nicht vorliegend.
I.3. Mit Schreiben vom 26.08.2020 wurde der bP das eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Am 14.09.2020 langte eine entsprechende Stellungnahme ihres rechtsfreundlichen Vertreters ein, in welcher sie sich mit der beabsichtigten Nichtvornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ sowie mit dem festgestellten GdB nicht einverstanden erklärte.
I.4. Mit Schreiben vom 09.10.2020 wurde die Vollmachtsauflösung bekannt gegeben.
I.5. Mit Schreiben der bB vom 25.09.2020 und vom 13.10.2020 wird die bP um Vorlage aktueller aussagekräftiger Befunde hinsichtlich der in der Stellungnahme angeführten Beschwerden ersucht. Mit Mail vom 21.12.2020 übermittelte die bP ärztliche Befunde vom 09.09.2020 betreffend Hämorrhoidalknoten, vom 17.11.2020 betreffend Muskelperforans und Seitenastvaricose Unterschenkel links sowie ein ärztliches Attest vom 04.11.2020 betreffend der posttraumatischen Kniegelenksstabilität links und posttraumatischen Peronaeusparese links.
I.6. Ein daraufhin von einer Sachverständigen für Allgemeinmedizin erstelltes ärztliche Gutachten vom 04.02.2021 (Begutachtung 20.01.2021) ergab wiederum einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H; die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erachtete die medizinische Sachverständige als vorliegend.
I.7. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.02.2021 wurde der am 11.04.2020 bei der bB eingelangte Antrag der bP auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen.
Mit Schreiben vom 22.02.2021 wurde der bP ein Behindertenpass (im Scheckkartenformat) übermittelt. Das Gutachten des medizinischen Sachverständigen vom 05.02.2021 wurde den Bescheiden beigelegt.
1.8. Mit Mail vom 26.03.2021 erhob die bP Beschwerde gegen die ihrer Ansicht nach zu geringe Einschätzung sowie gegen die Nichteintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“. Im neuen Gutachten seien primär die nachgereichten Befunde berücksichtigt worden. Die im Hinblick auf die Wirbelsäulenbeschwerden im Vorgutachten angeführten Beschwerden seien unberücksichtigt geblieben, weswegen sie um Korrektur ersuche. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde die Ermüdung und der Konzentrationsmangel nach 9 – 12 stündiger Arbeitszeit nicht berücksichtigt. In Kombination mit ihren Funktionseinschränkungen sei eine Sturzneigung gegeben und wird dies auch durch das Attest vom 04.11.2020 eines FA f. Traumatologie, Orthopädie und orthopädische Chirurgie bestätigt.
I.9. Mit Schreiben vom 14.04.2021 erfolgte die Beschwerdevorlage, welche am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht einlangte.
I.10. Die Rechtssache wurde vorerst der ho. Gerichtsabteilung L511 und in weiterer Folge aufgrund eines Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses des ho. Gerichts vom 03.05.2021 der Gerichtsabteilung L515 zur Erledigung zugewiesen.
I.11. Mit Mail vom 22.05.2021 übermittelte die bP einen Arztbefund vom 06.05.2021.
I.12. Am 23.9.2021 beschloss der zuständige Senat, die Beschwerde abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Die bP ist österreichischer Staatsangehöriger und an der im Akt ersichtlichen Adresse wohnhaft.
1.2. Im Gutachten der medizinischen Sachverständigen vom 04.02.2021 (Begutachtung 20.01.2021), welches zu den Feststellungen des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben wird, ist in Bezug auf die bP von nachfolgendem Gesundheitszustand auszugehen:
„…
Derzeitige Beschwerden:
Ich bin alleine in meiner Arbeit, ich bin fürs Service und für alles alleine zuständig, nach 8-10 Stunden Arbeit, sprich immer auf den Beinen, lässt die Konzentration nach und es kann sein, dass ich über ganz kleine Erhöhungen im Boden stolpere, wenn ich nicht aufpasse, bin auch schon gestürzt (zeigt Fotos mit abgeschürften Knien), zusätzlich ist das linke Knie etwas instabil, deswegen stürze er aber nicht, ein Kniestrumpf wird nicht getragen. Habe Schmerzen im Knie beim Bergabgehen, kann ca. 20 Minuten oder einen Kilometer gut gehen.
Am Abend nachdem er den ganzen Tag auf den Beinen ist sind die Venen im Knöchelbereich links blau und geschwollen.
Wenn er länger stehe, bekommt er punktuelle Schmerzen im Rücken. Die Rückenschmerzen habe er mit physiotherapeutischen Maßnahmen unter Kontrolle.
[…]
Gesamtmobilität – Gangbild:
im Barfußgang deutlicher Steppergang links, mit Peroneusschiene leicht linksseitiges Hinken, Gang aber sonst flüssig wenig und schnell möglich, keine weiteren Hilfsmittel notwendig.
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1) Vorfußheberlähmung links
Fallfuß – Peronaeusschiene, posttraumatisch seit dem mit 17. Lebensjahr, Gangstörung
Pos. Nr. 04.05.13, GdB 40 %
2) degenerative Kniegelenksveränderungen links
mit Funktionseinschränkung, mit Knorpel, Band (Seiten und vorderes Kreuzband) - und Meniskusschaden, belastungsabhängige Schmerzen, Muskelverschmächtigung an Ober- und Unterschenkel wegen verminderter Belastung des Beines
Pos. Nr. 02.05.20, GdB 30 %
3) degenerative Wirbelsäulenveränderungen
Wegen wiederkehrender Reizzustände und Funktionseinschränkungen, keine sensomotorischen Ausfälle, keine aktuellen therapeutischen Maßnahmen, keine aktuellen Befunde
Pos. Nr. 02.01.01, GdB 20 %
4) Venenleiden bds. li.> re.
mit sichtbarer Varikose links und Besenreiservarikose rechts, Stützstrumpf der Klasse I wird links getragen, die Therapieoptionen sind beidseits nicht ausgeschöpft.
Pos. Nr. 05.08.01, GdB 10 %
5) lange Narben am linken Bein im Kniegelenksbereich
ohne Funktionseinschränkungen
Pos. Nr. 01.01.01, GdB 10 %
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Punkt 1 wird durch Punkt 2 wegen gegenseitiger Leidensverstärkung um eine Stufe auf GdB 50% angehoben.
Punkt 3 bis 5 steigern wegen Geringfügigkeit nicht weiter.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Hypercholesterinämie, Steatosis hepatis - ohne Dauerbeschwerden, ohne Therapiebedarf.
Nod. häm. int. Il.-Ill. Grades - mit fallweise medikamentöser Behandlung, die Therapieoptionen, (die zu Besserung führen würden) wie die fachärztlich vorgeschlagene Gummibandligatur sind noch nicht ausgeschöpft.
Z. n. Leistenbruch OP.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Keine Änderung der GdB in Punkt 1 und 2.
Punkt 3 wird um eine Stufe herabgesetzt, weil keine Dauerbeschwerden, aktuell keine therapeutischen Maßnahmen notwendig sind und keine aktuellen Befunde beigebracht werden.
Punkt 4 und 5 werden neu eingeschätzt.
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Keine Änderung des Gesamt - GdB von 50%.
Dauerzustand
[…]
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Kurze Wegstrecken und die üblichen Niveauunterschiede können bewältigt werden, nach eigenen Angaben kann er einen Kilometer gehen, zum Stolpern und Stürzen komme es wegen der Peroneuslähmung nach 8 -10 Stunden Arbeit in gehender und stehender Funktion durch zunehmende Ermüdung und Konzentrationsmangel, es werden dann Bodenunebenheiten und kleine Stufen übersehen, die Kniegelenksfunktion und die muskulären Funktionen sind ausreichend um Niveauunterschiede wie Stufen etc. überwinden zu können, die relative Instabilität im Knie führe (auch nach eigenen Angaben) zu keiner vermehrten Sturzneigung, stabilisierende Hilfsmittel wie Kniestrumpf etc. werden nicht gebraucht. Weiters ist die Benützung von Haltegriffen und -stangen gut möglich. Die körperlichen und geistigen Funktionen sind ausreichend um öffentliche Verkehrsmittel benützen zu können. Ein längerer Anmarschweg zur nächsten Haltestelle oder widrige Verbindungen sind kein Argument für eine Zusprechung der Unzumutbarkeit. Es wurden alle alten und neu beigebrachten Befunde und Stellungnahmen gelesen und im Gutachten gewürdigt.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten? nein, liegen nicht vor.
…“
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Die Feststellungen basieren auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Allgemeinmedizin vom 04.02.2021, welches auf einen im Rahmen einer klinischen Untersuchung erhobenen Befund unter Berücksichtigung und Einbeziehung der vorgelegten Beweismittel beruht, ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar ist sowie keine Widersprüche aufweist. Es werden Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen beschrieben sowie deren Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel. Die im Rahmen der Aufforderung zur Vorlage aktueller ärztlicher Bescheinigungsmittel vorgelegten Befunde vom 09.09.2020 und vom 17.11.2020 sowie das Attest eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 04.11.2020 vermochten keine Änderung der Einschätzung der Sachverständigen herbeiführen, vielmehr waren diese Anlass für das nunmehrige Sachverständigengutachten. Weder dem vorgelegten Befundbericht vom 17.11.2020 noch dem ärztlichen Attest vom 04.11.2020 kann eine nachvollziehbare Grundlage für die behauptete Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entnommen werden. Auf Grund der Wirbelsäulen- und Kniegelenksveränderungen sowie der Vorfußheberschwäche ist beim Barfußgang ein deutlicher Steppergang mit linksseitigem Hinken erkennbar, der Gang aber sonst flüssig und schnell möglich und sind keine weiteren Hilfsmittel notwendig. Kurze Wegstrecken und die üblichen Niveauunterschiede können bewältigt werden, nach eigenen Angaben kann die bP einen Kilometer gehen. Die Kniegelenksfunktion und die muskulären Funktionen sind ausreichend um Niveauunterschiede wie Stufen etc. überwinden zu können, die relative Instabilität im Knie führe (auch nach eigenen Angaben) zu keiner vermehrten Sturzneigung, stabilisierende Hilfsmittel wie Kniestrumpf etc. werden nicht gebraucht. Weiters ist die Benützung von Haltegriffen und -stangen gut möglich. Die körperlichen und geistigen Funktionen sind ausreichend um öffentliche Verkehrsmittel benützen zu können. Somit wurde von der Sachverständigen die in der Beschwerde der bP angeführten Leiden bereits ausführlich und einer entsprechenden medizinischen Beurteilung in Zusammenhang mit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel unterzogen.
Die bP wendet ein, dass nach 8 -10 Stunden Arbeit in gehender und stehender Funktion durch zunehmende Ermüdung und Konzentrationsmangel es wegen der Peroneuslähmung zum Stolpern und Stürzen komme, weil dann Bodenunebenheiten und kleine Stufen übersehen werden. Wie die rechtliche Beurteilung zeigt, ist dieser Umstand nicht von rechtlicher Relevanz. Den eigenen Angaben der bP im Rahmen des Amnesegespräches zur Folge kann sie ca. 20 Minuten oder einen Kilometer „gut“ gehen.
Die bP moniert die ihrer Ansicht nach zu Unrecht erfolgte Reduzierung des GdB in Pos. Nr. 3 (degenerative Wirbelsäulenveränderung). Der klinische Befund hinsichtlich der Wirbelsäule ergab, dass die Wirbelsäule im Lot ist, eher ein Flachrücken besteht, kein Klopfschmerz, der Finger-Bodenabstand 20 cm beträgt, die Reklination und Rotationbeweglichkeit endlagig eingeschränkt ist und ein Hartspann vorliegt. Die Sachverständige hat die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen unter die Pos. Nr. 02.01.01 als Funktionseinschränkungen geringen Grades mit dem oberen Rahmensatz eingeschätzt, weil keine Dauerbeschwerden vorliegen und auch aktuell keine therapeutischen Maßnahmen notwendig sind, sowie hat die bP keine aktuellen Befunde vorgelegt. Wirbelsäulenbeschwerden als Funktionseinschränkung mittleren Grades bedürfen unter anderem eines andauernden Therapiebedarfs wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika. Eine ärztlich bestätigte Medikamentenliste oder Bestätigungen von im Befund eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 16.10.2020 als sinnvoll erachtete Physiotherpie, Akkupunktur, Elektrotherapie, Ultraschall und physikalische Anwendungen, wurden nicht vorgelegt. Vielmehr gibt die bP zu den Medikamenten befragt selbst an, fallweise Schmerztabletten einzunehmen und bei Bedarf Voltaren Gel oder Mobilat zu verwenden. Die bP schildert im Rahmen des Amnesegespräches zu ihren derzeitigen Beschwerden selbst, dass sie die „Rückenschmerzen mit physiotherapeutischen Maßnahmen unter Kontrolle habe“. Den von der bP in der Beschwerde ins Treffen geführten Befunde von Dr. XXXX und Dr. XXXX mangelt es zudem an Aktualität und scheint in diesen auch keine Positionsnummer der Einschätzungsverordnung auf.
Dem seitens der bP vorgelegten Befund vom 06.05.2021 können die Gründe für die vorgenommene Einschätzung des Wirbelsäulenleidens mit 20 v. H. dagegen ebenso nicht entnommen werden, zumal keine Befundung aufscheint und die Funktionseinschränkungen weder einer Positionsnummer der Einschätzungsverordnung zugeordnet noch im Einzelnen begründet bewertet wurden; es mangelt sohin an Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit und stellt die Stellungnahme keine taugliche Grundlage für eine Entscheidung dar. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen – wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden – vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung – wie er vorgelegte Befund vom 06.05.2021 -, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar (vgl. VwGH vom 17.02.2004, 2002/06/0151).
Ungeachtet der im Vorabsatz dargelegten Ausführungen ist festzuhalten, dass mit der Novelle BGBl. I 57/2015 der Gesetzgeber für das Verfahren zur Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der Behinderten (in § 19 Abs. 1 BEinstG) und für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführte, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. § 46 BBG in der Fassung BGBl. I 57/2015 bestimmt, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen, weshalb der Befund vom 06.05.2021 im Verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtlich ist.
Im Übrigen sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die bP erfolglos mit Schreiben vom 25.09.2020 und vom 13.10.2020 zur Übermittlung aktueller Befunde aufgefordert wurde.
Soweit die bP in ihrer Stellungnahme vom 14.09.2020 vorbringt, dass im Bescheid des Landesinvalidenamtes XXXX 1987 die Längsnarbe auf der Knieoberseite und in der Kniebeuge, sowie die Seitenbandlockerung linkes Kniegelenk berücksichtigt wurden, so ist auf die zwischenzeitig eingetretene Änderung der Rechtslage zu verweisen. Der im Jahr 1987 erlassene Bescheid wurde gemäß der damals geltenden Rechtslage auf Grundlage der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes erlasen, weshalb der Grad der Behinderung gemäß § 7 Abs. 2 KOVG nach der Richtsatzverordnung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150/1965, einzuschätzen war. Aufgrund des mit 01.09.2010 in Kraft getretenen § 27 Abs. 1a BEinstG bzw. § 55 Abs. 5 BBG kommt gegenständlich jedoch nicht mehr die Richtsatzverordnung, sondern die Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF zur Anwendung.
Hinsichtlich des im Zuge der Stellungnahme vorgelegte Attestes eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 04.11.2020, worin dieser bescheinigt, dass aus seiner Sicht die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliege, wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Frage der Zumutbarkeit keine vom Arzt zu beantwortende Tatsachen- sondern eine von der Behörde zu lösende Rechtsfrage darstellt. Sachverständige erstatten den Befund und das Gutachten im engeren Sinne, legen daher die Grundlagen (Tatsachenfeststellungen) für die behördliche Entscheidung.
Im Ergebnis ließ sich aus der Befundlage und der klinischen Untersuchung keine Funktionseinschränkung objektivieren, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulässt.
Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach die bP eine kurze Wegstrecke bewältigt werden kann, die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert ist und eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit nicht vorliegt, zu entkräften.
Gemäß dem Gutachten vom 04.02.2021 – als objektivem Amtssachverständigengutachten aufgrund der Ermittlung der vorliegenden Gesundheitsschädigungen – ist den Ausführungen der belangten Behörde zu folgen und davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nicht vorliegen und der Gesamt GdB 50 vH beträgt.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Die von der bP eingebrachte Beschwerde vom 26.03.2021 erweist sich als fristgerecht und zulässig.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erlassen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen [….]
Gemäß Abs 4 leg cit ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen: [.…]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Gemäß Abs 5 leg cit bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist dem Behindertenpassinhaber/der Behindertenpassinhaberin, zum Nachweis, dass er/sie über die Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ verfügt, die im § 29b Abs 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit“ ist der Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gleichzuhalten.
Entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ua. dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080). Auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, kommt es nicht an (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).
Die Sachverständigengutachten vom 04.02.2021 (Allgemeinmedizin) und die Angaben der bP im Verfahren wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Das zitierte Gutachten erfüllt sämtliche der in den angeführten Verordnungen normierten Voraussetzungen.
Mit den Ausführungen im Verfahren, trat die bP den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen nicht substantiiert und nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen.
Die Prüfung, ob die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vorzunehmen ist, hat entlang der Kriterien der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, (konkret: ob bei der bP
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erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
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erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
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erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
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eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
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eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit
vorliegen) zu erfolgen; die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen erweisen sich in dieser Hinsicht als ausreichend.
Gemäß dem angeführten Gutachten vom 04.02.2021 liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 Ziff. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF - und damit die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung - bei der bP nicht vor.
Die bP wendet in ihrer Beschwerde ein, dass nach 8 -10 Stunden Arbeit in gehender und stehender Funktion durch zunehmende Ermüdung und Konzentrationsmangel es wegen der Peroneuslähmung zum Stolpern und Stürzen komme, weil dann Bodenunebenheiten und kleine Stufen übersehen werden. Hierzu verweist das erkennende Gericht auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung, wonach die oben genannten Schwierigkeiten nicht in der Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigungen liegen, auf die es aber entscheidend ankommt. Diese Einwendung berechtigt daher nicht zur begehrten Zusatzeintragung in den Behindertenpass. Für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Aus diesem Grund ist der Umstand betreffend die mangelnde Infrastruktur (Vorhandensein und Erreichbarkeit, Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel, "Leben am Land") oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und kann daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258). Den eigenen Angaben der bP im Rahmen des Amnesegespräches zur Folge kann sie ca. 20 Minuten oder einen Kilometer „gut“ gehen.
Ergänzend sei noch auf § 1 Abs. 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen aufmerksam zu machen, wonach alle zumutbaren therapeutischen Optionen und Kompensationsmöglichkeiten (wie z.B. Stützstrümpfe, Gehstock oder auch Krücken) zu berücksichtigen sind.
Beim Beschwerdeführer liegen weder relevante Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" gebieten, war eine entsprechende Eintragung in den Behindertenpass, nicht vorzunehmen. Im Hinblick auf den - wie in der Beweiswürdigung dargelegt - unbedenklichen Inhalt des Sachverständigengutachtens vom 04.02.2021 war ein Grad der Behinderung von fünfzig (50) von Hundert (vH) festzustellen.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3.5. Zur Verletzung des Parteiengehörs durch die belangte Behörde wird Folgendes angeführt:
Gemäß § 45 Abs. 3 AVG des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Der Mangel des Parteiengehörs wird im Berufungsverfahren durch die mit der Berufung [jetzt „Beschwerde“] gegebene Möglichkeit der Stellungnahme zu einem Beweismittel saniert (VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 24.11.1995, 95/17/0009 mit Hinweis auf E 30.9.1958, 338/56).
Eine im [damals] erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verletzung des Parteiengehörs wird jedenfalls dadurch saniert, dass die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung [nunmehr „Beschwerde“] und sodann im Zuge des Berufungsverfahrens [nunmehr „Beschwerdeverfahrens“] ihren Rechtsstandpunkt darzulegen und sohin an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (VwGH vom 28.05.1993, 92/17/0248 mit Hinweis auf E vom 20.11.1967, 0907/67).
Wenn der Beschwerdeführer Gelegenheit hatte, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Berufung [„Beschwerde“] gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen, und davon auch Gebrauch gemacht hat, so ist eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs durch die erste Instanz damit als saniert anzusehen (VwGH vom 11.09.2003, 99/07/0062; VwGH vom 26.02.2002, 98/21/0299).
Das Sachverständigengutachten vom 04.02.2021 wurde dem Beschwerdeführer zusammen mit dem angefochtenen Bescheid übermittelt. In der Beschwerde hatte die bP folglich – i.S. der obigen Ausführungen – die Möglichkeit, sich dazu zu äußern.
Ungeachtet der Heilung des Verfahensmangels im gegenständlichen Einzelfall erlaubt sich das ho. Gericht auf nachfolgenden Umstand hinzuweisen:
Wie bereits erwähnt, ist gem. § 45 Abs. 3 AVG den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. In den im gegenständlichen Verfahren anwendbaren verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen befindet sich keine solche, welche die belangte Behörde von ihrer Obliegenheit gem. § 45 AVG, welche sich auf das dem objektiven Tatsachensubstrat angehörige Elemente bezieht (Erk. d. VwGH vom 23. April 1982, 398/80, ebenso VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN; VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; VwSgl 16.423 A/1930; VwSlg 6580 A/1961; VwSlg 7509 A/1969; VwGH 16.11.1993, 90/07/0036; Erk. d. VwGH v. 9.11.1994, 92/13/0068; VwGH 28.3.1996, 96/20/0129; auch VwGH 13.5.1986, 83/05/0204/0209), entbinden würde.
§ 45 Abs. 3 AVG entsprechend hätte die bB gegenüber der bP das Parteiengehör zu wahren gehabt. Dieser Obliegenheit kam sie jedoch nicht nach und wurde von ihr das Parteiengehör vernachlässigt.
Im Verwaltungsverfahren ist das "Überraschungsverbot" zu beachten. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren (für viele: Erk. vom 29.10.2015, Ro 2015/07/0032 mwN).
Der VwGH legt der Gewährung des Parteiengehörs hohes Gewicht bei, und zeigt die ständige Rechtsprechung, dass die Höchstgerichte das Parteiengehör zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates, der Hoheitsverwaltung und eines geordneten Verwaltungs-verfahrens zählen (für viele: Erk. d. VwGH vom 1.9.2015, 2013/15/0295 mwN; Erk. d. VwGH vom 8.4.2014, 2012/05/0004 mwN) und dessen Verletzung einen besonders qualifizierten und schwerwiegenden Verfahrensmangel darstellt. Die völlige Vernachlässigung des Parteiengehörs stellt einen so wesentlichen Verfahrensmangel dar, dass er als willkürliches Vorgehen der Behörde und Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu qualifizieren ist (Erk. des VwGH vom 29.5.2013, 2011/01/0241; vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1998 in VfSlg. Nr. 15.149/1998; sowie das hg. Erkenntnis vom 3. September 2001, Zl. 2001/10/0004) und so in die Verfassungssphäre eingreift.
Es ist auch darauf hinzuweisen, dass im gegenständlichen Verfahren der Verletzung des Parteiengehörs eine besondere Gewichtung zukommt, weil im Beschwerdeverfahren ein Neuerungsverbot besteht.
In seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 befasste sich der EuGH mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts –bei entsprechender Untätigkeit der Behörde- der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen. Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben. Der EuGH führte weiters aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, sie sind nach ho. Ansicht jedoch auch im gegenständlichen Fall anwendbar.
Es ist davon auszugehen, dass die Gewährung des Parteiengehörs regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Stellungnahme der Partei zur Folge hat, wenn sie jenen Sachverhalt von dem die Behörde ausgeht, für unrichtig bzw. unvollständig hält. Diese Stellungnahme bzw. die im Rahmen dieser Stellungnahme angebotenen Beweismittel sind wiederum ein wesentliches Bescheinigungsmittel zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes, welches die Behörde zu beachten hat.
Durch die Verletzung des Parteiengehörs unterließ die Verwaltungsbehörde Ermittlungen, welche sie vorzunehmen gehabt hätte und die nunmehr durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden müssen (vgl. das bereits zitierte Erk. d. VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, aber auch Urteil des EuGH vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452). Dem Akteninhalt nach unterließ es die belangte Behörde, der bP die von ihr in Auftrag gegebene Gutachten der mit der Rechtssache befassten Sachverständigen zur Kenntnis zu bringen und hat somit den elementaren Grundsatz des Parteiengehörs ignoriert. Die Stellungnahme hierzu hätte ein entscheidendes Bescheinigungsmittel dargestellt, in dessen Rahmen es der bP auch möglich gewesen wäre, einen etwaig neu aufgetretenen, aber auch einen bis dato nicht vorgetragenen Sachverhalt zu schildern. Durch diese Vorgehensweise der belangten Behörde hatte die bP nicht die Möglichkeit, sich zum Sachverhalt zu äu