TE Bvwg Beschluss 2021/12/9 L517 2245165-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.12.2021

Norm

AlVG §14
AlVG §15
AlVG §33
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


L 517 2245165-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter*innen Mag. SIGHARTNER und Frau NEULINGER als Beisitz über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom XXXX nach ergangener Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , GZ: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde werden der Bescheid vom XXXX , XXXX und die Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , XXXX , behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS XXXX zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

03.10.2009 – Erfüllung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld durch XXXX (in der Folge „bP“), Ende des Bezugs mit 12.07.2010

21.12.2013 – 16.07.2014 – Bezug von Notstandshilfe durch bP

04.05.2021 – Antrag der bP auf Arbeitslosengeld beim AMS XXXX (in der Folge „AMS“ bzw. „bB“)

20.05.2021 – Bescheid der bB

01.06.2021 – Beschwerde der bP

19.07.2021 – Beschwerdevorentscheidung der bB

03.08.2021 – Vorlageantrag der bP

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen (Sachverhalt):

Die bP erfüllte zuletzt am 03.10.2009 eine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld mit der Bezugsdauer von 210 Tagen. Dieser Anspruch endete mit 12.07.2010.

In der Folge stellte die bP mehrmals einen Antrag auf Notstandshilfe, eine entsprechende Unterstützung bezog die bP zuletzt vom 21.12.2013 bis 16.07.2014.

Am 04.05.2021 stellte die bP einen Antrag auf Arbeitslosengeld und brachte diesen binnen offener Frist mit 17.05.2021 ein.

Laut Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger liegen seit Erfüllung der letzten Anwartschaft am 03.10.2009 folgende arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten der bP vor:

09.05.2011 – 12.07.2011: XXXX  65 Tage

13.08.2019 – 16.08.2019: XXXX     4 Tage
69 Tage

Damit hat die bP keine neue Anwartschaft für den Bezug von Arbeitslosengeld erfüllt.

Die bB prüfte im Anschluss daran, ob ein Folgeanspruch zu der zuletzt bezogenen Notstandshilfe bestehe und wertete den Antrag der bP auf Arbeitslosengeld daher „im Kundensinn als Antrag auf Notstandshilfe“.

Die bB nahm folgende rahmenfristerstreckende Tatbestände für die Beurteilung eines Anspruchs der bP auf Notstandshilfe an:

17.07.2014 – 15.07.2015: Krankengeld   364 Tage

09.08.2017 – 29.08.2017: geringfügige Beschäftigung  21 Tage
385 Tage

Mit Bescheid vom 20.05.2021 gab die bB dem Antrag der bP auf Gewährung von Notstandshilfe vom 04.05.2021 gem. § 33 Abs. 4 AlVG keine Folge. Begründend führte die bB an, dass gem. § 33 Abs. 4 AlVG Notstandshilfe nur gewährt werden könne, wenn sich der Arbeitslose innerhalb von fünf Jahren nach Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld um die Notstandshilfe bewerbe. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Frist zur Beantragung der Notstandshilfe am 05.08.2020 geendet habe.

Die bP brachte dagegen am 01.06.2021 Beschwerde ein und begründete diese damit, dass das letzte aufrechte Dienstverhältnis innerhalb der 5 Jahre vom 13.08.2019 – 16.08.2019 beim XXXX gewesen sei.

Am 19.07.2021 erließ die bB eine Beschwerdevorentscheidung gem. § 14 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) iVm § 56 AlVG (Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977), die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen. Nach Darlegung des Sachverhaltes begründete die bB ihre Entscheidung damit, dass die bP keine arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten von zumindest 28 Wochen (196 Tage) in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches aufweisen könne, sodass sie die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld vorausgesetzte Anwartschaft gem. § 14 Abs. 2 AlVG nicht erfülle. Es würden seit Erfüllung der letzten Anwartschaft mit 03.10.2009 lediglich 69 Tage arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten vorliegen.

Da die Voraussetzung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld nicht erfüllt sei, sei der gegenständliche Antrag vom 04.05.2021 als Antrag auf Notstandshilfe gewertet worden. Die bP habe zuletzt vom 21.12.2013 bis 16.07.2014 Notstandhilfe bezogen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen könne ihr Notstandshilfe nur gewährt werden, wenn sie sich innerhalb von fünf Jahren neuerlich um die Notstandshilfe bewerben würde.

Der letzte Bezugstag der Notstandshilfe sei am 16.07.2014 gewesen, daher beginne die 5-Jahres-Frist am 17.07.2014 und ende am 17.07.2019. Diese Frist werde gem. § 15 AlVG folgendermaßen durch rahmenfristerstreckende Tatbestände verlängert: Krankengeld vom 17.07.2014 – 15.07.2015: 364 Tage und geringfügige Beschäftigung vom 09.08.2017 – 29.08.2017: 21 Tage, insgesamt 385 Tage. Die Frist für die Beantragung der Notstandshilfe ende daher am 05.08.2020. Da die bP erst am 04.05.2021 und somit außerhalb der verlängerten 5-Jahres-Frist ihren Anspruch auf Notstandshilfe geltend gemacht habe, könne ihr keine Notstandshilfe gewährt werden.

Der von der bP in der Beschwerde angeführte Einwand, sie hätte innerhalb der 5-Jahres-Frist vollversicherungspflichtig gearbeitet, könne keine Änderung der Sach- und Rechtslage erwirken, da diese Beschäftigung nur auf einen möglichen Anspruch auf Arbeitslosengeld, nicht aber auf die Fortbezugsfrist (5-Jahres-Frist) der Notstandshilfe anzurechnen sei.

Am 03.08.2021 langte beim AMS ein als Vorlageantrag gewertetes Schreiben der bP ein, mit dem sie Einspruch gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 19.7.2021 erhob und vorbrachte, dass innerhalb dieser 5 Jahres Frist ein aufrechtes Dienstverhältnis laut ÖGK bestanden habe.

Am 09.08.2021 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH, vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.

Der vorliegende Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Die Feststellungen zu den Beschäftigungsverhältnissen der bP und dem Bezug von Unterstützungsleistungen wurden aufgrund einer Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger getroffen.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

- Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977 (WV) idgF

- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 56 Abs. 4 AlVG steht das Vorschlagsrecht für die Bestellung der erforderlichen Anzahl fachkundiger Laienrichter und Ersatzrichter für den Kreis der Arbeitgeber der Wirtschaftskammer Österreich und für den Kreis der Arbeitnehmer der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte zu. Die vorgeschlagenen Personen müssen über besondere fachliche Kenntnisse betreffend den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenversicherung verfügen. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BGBl. I Nr. 10/2013).

Gegenständlich liegt Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden. Abweichend dazu normiert § 56 Abs. 2 AlVG in Verfahren betreffend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung eine Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung von zehn Wochen.

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Die Beschwerdevorentscheidung tritt mangels einer gesetzlichen Regelung nicht außer Kraft, sondern wird zum Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. Dünser, ZUV 2013/1, 17; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 15 VwGVG, K 2; Hauer, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Rz. 178; jeweils unter Hinweis auf den diesbezüglich ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 5). Gemäß zweiter Satz des § 15 Abs. 1 hat ein Vorlageantrag, der von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt wird, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3) und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten. Im Umkehrschluss folgt aus dieser Vorschrift, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3). Damit ist im gegenständlichen Beschwerdefall der Prüfungsumfang auch mit dem Vorbringen im Vorlageantrag definiert.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

3.3. Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes lauten:

Gemäß § 7 Abs. 1 hat Anspruch auf Arbeitslosengeld wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Gemäß § 7 Abs. 2 steht der Arbeitsvermittlung insbesondere zur Verfügung, wer arbeitswillig ist.

Anwartschaft

§ 14. (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

(2) Bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt.

(3) In Zeiten empfindlicher Arbeitslosigkeit kann durch Verordnung der Bundesministerin oder des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz für einzelne Berufsgruppen, in denen die Beschäftigungslage besonders ungünstig ist, bestimmt werden, daß die Anwartschaft auch dann erfüllt ist, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld im Inland insgesamt 26 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

(4) Auf die Anwartschaft sind folgende im Inland zurückgelegte oder auf Grund inländischer Rechtsvorschriften erworbene Zeiten anzurechnen:
a)         Zeiten, die der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlagen, sowie sonstige Zeiten der Versicherung in der Arbeitslosenversicherung;
b)         die Zeit des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Bezuges von Kinderbetreuungsgeld, wenn innerhalb der für die Anwartschaft maßgeblichen Rahmenfrist mindestens 14 Wochen sonstige Anwartschaftszeiten liegen;
c)         Zeiten des Bezuges von Wochengeld oder Krankengeld aus einer Krankenversicherung auf Grund eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses;
d)         Zeiten einer krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung als Lehrling;
e)         Zeiten, für die ein Sicherungsbeitrag gemäß § 5d AMPFG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 148/1998 entrichtet wurde;
f)         Zeiten einer gemäß § 1 Abs. 2 lit. e von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommenen krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit;
g)         Zeiten der Teilnahme an beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation, wenn diese nicht ungerechtfertigt vorzeitig beendet wurden, nach Beendigung dieser Maßnahmen.

[…]

§ 15. (1) Die Rahmenfrist (§ 14 Abs. 1 bis 3) verlängert sich um höchstens fünf Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland
1.         in einem arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden ist;
2.         arbeitsuchend bei der regionalen Geschäftsstelle gemeldet gewesen ist, Sondernotstandshilfe bezogen hat oder als Vorschuss auf eine nicht zuerkannte Pension Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen hat;
3.         eine Abfertigung aus einem Dienstverhältnis bezogen hat;
4.         Umschulungsgeld bezogen hat oder sich einer Ausbildung oder einer beruflichen Maßnahme der Rehabilitation aus der gesetzlichen Sozialversicherung unterzogen hat, durch die er überwiegend in Anspruch genommen wurde;
5.         Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienst geleistet hat;
6.         einen Karenzurlaub im Sinne der gesetzlichen Vorschriften zurückgelegt oder Karenzgeld oder Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld bezogen hat;
7.         ein außerordentliches Entgelt im Sinne des § 17 des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes, BGBl. Nr. 235/1962, bezogen hat;
8.         eine Sonderunterstützung nach den Bestimmungen des Sonderunterstützungsgesetzes, BGBl. Nr. 642/1973, bezogen hat;
9.         auf behördliche Anordnung angehalten worden ist;
10.         bei Sterbebegleitung eines nahen Verwandten oder bei Begleitung eines schwersterkrankten Kindes gemäß § 29 oder § 32 krankenversichert war oder im Sinne des § 31 Anspruch auf Leistungen der Krankenfürsorge hatte;
11.         am Freiwilligen Sozialjahr, am Freiwilligen Umweltschutzjahr, am Gedenkdienst oder am Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach dem Freiwilligengesetz teilnimmt und gemäß § 4 Abs. 1 Z 11 ASVG versichert ist;
12.         am Integrationsjahr nach dem Freiwilligengesetz, BGBl. I Nr. 17/2012, teilnimmt und gemäß § 8 Abs. 1 Z 4a ASVG versichert ist;
13.         Pflegekarenzgeld bezogen hat.

(2) Die Rahmenfrist verlängert sich um höchstens fünf Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Ausland
1.         sich einer Ausbildung unterzogen hat, durch die er überwiegend in Anspruch genommen wurde;
2.         eine der in Abs. 1 angeführten vergleichbaren Leistungen wegen Arbeitslosigkeit oder Kindererziehung bezogen hat, soweit mit dem betreffenden Staat zwischenstaatliche Regelungen über Arbeitslosenversicherung getroffen wurden oder dies in internationalen Verträgen festgelegt ist.

(3) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland
1.         Krankengeld oder Rehabilitationsgeld oder Wochengeld bezogen hat oder in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht gewesen ist;
[…]

Notstandshilfe

Voraussetzungen des Anspruches

§ 33. (1) Arbeitslosen, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld erschöpft haben, kann auf Antrag Notstandshilfe gewährt werden.

(2) Notstandshilfe ist nur zu gewähren, wenn der (die) Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht (§ 7 Abs. 2 und 3) und sich in Notlage befindet.

(3) Notlage liegt vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.

(4) Notstandshilfe kann nur gewährt werden, wenn sich der Arbeitslose innerhalb von fünf Jahren nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld um die Notstandshilfe bewirbt. Die vorstehende Frist verlängert sich darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 und gemäß § 81 Abs. 10.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 103/2001)

3.4. Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lautet:

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.         der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.         die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

3.4. Die bP bezog zurückliegend bereits Arbeitslosengeld und zwar bis 12.07.2010, der Prüfung des gegenständlichen Antrags ist daher die Bestimmung des § 14 Abs. 2 AlVG zugrunde zu legen, da es sich um eine weitere Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes handelt. Die bP weist in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruchs (04.05.2021) keine arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten auf, die letzte arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung übte die bP von 13.08.2019 bis 16.08.2019 aus. Die erforderliche Anwartschaft in Form einer Beschäftigung von 28 Wochen innerhalb der letzten 12 Monate vor Geltendmachung des Anspruches ist daher nicht erfüllt und wäre der Antrag der bP auf Arbeitslosengeld von der bB abzuweisen gewesen.

Die bB führte nun in der Beschwerdevorentscheidung aus, sie habe den Antrag der bP „im Kundensinn als Antrag auf Notstandshilfe gewertet“ und nahm die bB in der Folge eine Prüfung vor, ob ein Folgeanspruch zur zuletzt bezogenen Notstandshilfe bestehe. Auf welcher Rechtsgrundlage die Umdeutung des Antrags der bP durch die Behörde erfolgte, wurde nicht angegeben. Nach Berücksichtigung von rahmenfristerstreckenden Tatbeständen in Form von Krankengeld und geringfügiger Beschäftigung gem. § 33 Abs. 4 AlVG iVm § 15 Abs. 3 Z 1 und Abs. 1 Z 1 kam die bB zu dem Ergebnis, dass die in § 33 Abs. 4 normierte 5-Jahres-Frist am 05.08.2020 geendet habe und damit keine Notstandshilfe zu gewähren sei. Sie wies daher die Beschwerde der bP gegen den Bescheid vom 20.05.2021, mit dem laut Spruch dem Antrag der bP auf Gewährung von Notstandshilfe vom 04.05.2021 gem. § 33 Abs. 4 AlVG keine Folge gegeben worden war, ab.

Damit spricht die bB aber über einen Antrag auf Notstandshilfe ab, der von der bP gar nicht gestellt wurde, eine bescheidmäßige Erledigung des Antrags auf Arbeitslosengeld ist hingegen bisher unterblieben. Es waren daher der Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung der bB aufzuheben und die Angelegenheit an das AMS zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen. Die bB wird in der Folge unter Abstandnahme von einer Umdeutung in einen Antrag auf Notstandshilfe über den Antrag der bP auf Arbeitslosengeld vom 04.05.2021 abzusprechen haben.

Es wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass die als Einspruch bezeichnete Eingabe der bP von der bB als Vorlageantrag gewertet wurde, ohne dass die bP zur Verbesserung der Eingabe dahingehend aufgefordert worden wäre, dass sie laut Rechtsmittelbelehrung in der Beschwerdevorentscheidung den Antrag zu stellen habe, dass die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werde.

Vorlageanträge sind (nach den allgemeinen Grundsätzen des § 12 VwGVG, auf den auch die ErläutRV verweisen) bei der Behörde einzubringen, wobei es nicht schadet, wenn die Entscheidung durch ein unrichtiges (sachlich oder örtlich nicht zuständiges) VwG begehrt wird). Als fristgebundene Anbringen sind sie schriftlich abzufassen, abgesehen davon bestehen aber keine Formerfordernisse und für die beschwerdeführende Partei auch keine Inhaltserfordernisse (zu Vorlageanträgen anderer Parteien s Rz 12). Es ist ausreichend, wenn die Partei ihren Willen zum Ausdruck bringt, dass das Verfahren nicht mit der BVE rechtskräftig beendet wird, sondern das VwG eine Entscheidung treffen soll. [Julcher in Brandtner/Köhler/Schmelz (Hrsg), VwGVG Kommentar (2020) § 15 VwGVG Rz 4]

Nachdem die Eingabe der bP das Erfordernis der Schriftlichkeit erfüllt und angenommen werden kann, dass die bP darin ihren Willen zum Ausdruck bringt, dass das Verfahren nicht mit der BVE rechtskräftig beendet werden solle, stand das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als „Antrag auf Vorlage“ einer Behandlung der Beschwerde durch das BVwG nicht entgegen.

3.5. Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Schlussfolgernd hat das erkennende Gericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen.

3.7. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum AlVG. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Anwartschaft Arbeitslosengeld Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Umdeutung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L517.2245165.1.00

Im RIS seit

30.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten