TE Vwgh Beschluss 2021/12/6 Ra 2021/11/0166

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Veröffentlicht am 06.12.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E05100000
E3L E05202000
E3L E06202000
40/01 Verwaltungsverfahren
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

AVRAG 1993 §7b
AVRAG 1993 §7f Abs1 Z3
EURallg
LSD-BG 2016 §12 Abs1 Z3
LSD-BG 2016 §21
LSD-BG 2016 §21 Abs3
LSD-BG 2016 §22
LSD-BG 2016 §22 Abs1
LSD-BG 2016 §22 Abs2
VStG §44a Z1
31996L0071 Entsende-RL
32014L0067 Durchsetzung-RL Entsendung Arbeitnehmern Art9 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des B P in T (Slowakei), vertreten durch Mag. Petra Cernochova, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Habsburgergasse 3/20, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich jeweils vom 5. Februar 2021, 1. Zl. LVwG-302805/12/Kl/Rd, 2. Zl. LVwG-302806/10/Kl/Rd und 3. Zl. LVwG-302807/10/Kl/Rd, jeweils betreffend Übertretungen des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Wels), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1.1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 17. Juli 2020 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft mit Sitz in der Slowakei zu verantworten, dass diese als Arbeitgeberin für jeweils namentlich genannte Arbeitnehmer die (im folgenden genannten) Lohnunterlagen nicht bereitgehalten oder elektronisch zugänglich gemacht habe, und zwar hinsichtlich von

- 18 Arbeitnehmern Arbeitsaufzeichnungen für Jänner 2020,

- fünf Arbeitnehmern Arbeitsaufzeichnungen für November 2019,

- zwei Arbeitnehmern Arbeitsaufzeichnungen für September/Oktober 2019,

- fünf Arbeitnehmern Lohnzettel für November 2019,

- zwei Arbeitnehmern Lohnzettel für September/Oktober 2019,

- fünf Arbeitnehmern Lohnauszahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege für den Auszahlungszeitraum November 2019,

- zwei Arbeitnehmern Lohnauszahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege für den Auszahlungszeitraum September/Oktober 2019 und

- 18 Arbeitnehmern „Lohnaufzeichnungen (z.B. Aufzeichnungen über die Berechnung von Zuschlägen, Zulagen, Fahrtkosten, Aufwandsentschädigungen, Sozialversicherungsbeiträge, Familienverhältnisse, Urlaubsaufzeichnungen oder lt. gesonderten nebenstehenden Angaben, Lohnkontoblätter, Lohnlisten, Lohnsteuerkarten, Zulagen- und Zuschlagsverrechnungslisten, Aufzeichnungen über Überstunden, Provisionen, Akkordarbeit und sonstige Grundlagen leistungsabhängiger Entlohnung)“.

2        Dadurch habe der Revisionswerber § 22 LSD-BG verletzt, weswegen über ihn gemäß § 28 Z 1 LSD-BG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 10.000,-- verhängt werde. Unter einem sprach die belangte Behörde aus, dass der Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens zu leisten habe.

3        Begründend führte die belangte Behörde, soweit hier maßgeblich, zur Strafbemessung aus, auf Grund „eines EuGH-Urteils und in der Folge ergangener Urteile des VfGH und VwGH“ sei § 28 LSD-BG so zu lesen, als würde die Formulierung „für jeden Arbeitnehmer“ nicht im Gesetzestext stehen. Folglich sei eine Gesamtstrafe und keine Ersatzfreiheitsstrafe zu verhängen.

4        1.1.2. Mit dem erstangefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit hier nicht relevanten Maßgaben ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe und dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Das Verwaltungsgericht stellte, soweit hier maßgeblich, fest, in der Entsendemeldung sei gemäß § 19 Abs. 3 Z 3 LSD-BG ein bestimmter berufsmäßiger Parteienvertreter einer Steuerberatungskanzlei als Ansprechperson iSd. § 23 LSD-BG genannt worden. Zum Kontrollzeitpunkt seien die in der Anzeige und im Straferkenntnis aufgelisteten Lohnunterlagen hinsichtlich der genannten Arbeitnehmer der vom Revisionswerber vertretenen Gesellschaft nicht vor Ort bereitgehalten oder in elektronischer Form zugänglich gemacht worden. Die Unterlagen seien trotz Aufforderung und Übermittlung einer Namensliste nicht in den der Finanzpolizei von der Ansprechperson und vom Revisionswerber übermittelten E-Mails enthalten gewesen. Zur Vorgehensweise der Steuerberatungskanzlei stellte das Verwaltungsgericht fest, diese erhalte von der Gesellschaft ein Datenpaket, welches bei einer Kontrolle an die Finanzpolizei weitergeleitet werde. Ansprechperson bei der vom Revisionswerber vertretenen Gesellschaft sei eine namentlich genannte Person. Die übermittelten Datenpakete würden nicht durch die Steuerberatungskanzlei hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit nach dem LSD-BG kontrolliert. Eine Rückfrage bei der Finanzpolizei hinsichtlich des Einlangens der versendeten Unterlagen finde gelegentlich, aber nicht immer statt. Die Ansprechperson habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, keine genaue Kenntnis davon zu haben, welche Unterlagen nach dem LSD-BG gefordert seien.

6        Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, da die gemäß § 22 Abs. 1 LSD-BG erforderlichen Unterlagen anlässlich der Kontrolle nicht vorgelegt oder elektronisch zugänglich gemacht worden seien, sei der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt. Zur subjektiven Tatseite führte das Verwaltungsgericht aus, bei der Verwaltungsübertretung des § 22 Abs. 1 iVm. § 28 Z 1 LSD-BG handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt. Der Revisionswerber habe sich einer Steuerberatungskanzlei als Ansprechperson für die Übermittlung von Unterlagen nach dem LSD-BG bedient. Diese fordere die Unterlagen im Zuge einer Kontrolle von der vom Revisionswerber vertretenen Gesellschaft an und leite diese, ohne Kontrolle auf deren Vollständigkeit und Richtigkeit, an die Finanzpolizei weiter. Der Revisionswerber habe kein Kontrollsystem dargelegt, nach welchem die mit der Übermittlung der Unterlagen an die Steuerberatungskanzlei betraute Mitarbeiterin (der von ihm vertretenen Gesellschaft) auf die Einhaltung von Weisungen kontrolliert werde. Durch das gänzliche Fehlen einer Kontrolle der übermittelten Dokumente „seitens der jeweils übermittelnden Personen (Angestellte des Revisionswerbers und des Steuerberaters)“ könne von keinem effizienten und effektiven Kontrollsystem gesprochen werden, zumal auch keine Nachfrage bei der Finanzpolizei erfolgt sei. Auch handle es sich „bei der Steuerberatungskanzlei“ um eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person, von welcher besondere Rechtskenntnis und sohin Sorgfalt verlangt werden könne. Ein Verschulden dieser Person („zumindest Auswahlverschulden“) sei dem Revisionswerber anzulasten. Auch die vom Revisionswerber eingewendete Unkenntnis, welche Unterlagen genau gefordert seien, entlaste den Revisionswerber nicht, da ihm als Wirtschaftstreibenden und häufig entsendenden Unternehmer die entsprechende Kenntnis zugemutet werden könne bzw. er im Fall mangelnder Kenntnis verpflichtet gewesen wäre, vor Entsendung sich bei der zuständigen Behörde zu erkundigen. Es sei daher zumindest von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

7        Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht aus, bei der Festsetzung der verhängten Geldstrafe habe die belangte Behörde die aus der Verwaltungsstrafevidenz ersichtlichen elf (bzw. zehn) Vormerkungen miteinfließen lassen. Ebenso sei „auf das Erkenntnis Maksimovic und die Folgejudikatur“ Rücksicht genommen worden. Angesichts des anzuwendenden Strafrahmens von bis zu EUR 50.000,-- sei die verhängte Strafe im untersten Bereich des Strafrahmens gelegen und angemessen.

8        1.1.3. Mit Beschluss vom 7. Juni 2021, E 1296/2021-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 27. Juli 2021, E 1296/2021-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

9        1.2.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde ebenfalls vom 17. Juli 2020 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ derselben Gesellschaft mit Sitz in der Slowakei zu verantworten, dass diese als Arbeitgeberin für jeweils namentlich genannte - bereits von der Bestrafung mit dem erstangefochtenen Erkenntnis betroffene - Arbeitnehmer die (im folgenden genannten) nachweislich angeforderten Unterlagen nicht übermittelt habe, und zwar hinsichtlich von

- zwei Arbeitnehmern Arbeitsaufzeichnungen für November 2019,

- zwei Arbeitnehmern Lohnzettel für November 2019,

- zwei Arbeitnehmern Lohnauszahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege für den Auszahlungszeitraum November 2019 und

- 18 Arbeitnehmern „Lohnaufzeichnungen (z.B. Aufzeichnungen über die Berechnung von Zuschlägen, Zulagen, Fahrtkosten, Aufwandsentschädigungen, Sozialversicherungsbeiträge, Familienverhältnisse, Urlaubsaufzeichnungen oder lt. gesonderten nebenstehenden Angaben, Lohnkontoblätter, Lohnlisten, Lohnsteuerkarten, Zulagen- und Zuschlagsverrechnungslisten, Aufzeichnungen über Überstunden, Provisionen, Akkordarbeit und sonstige Grundlagen leistungsabhängiger Entlohnung)“.

10       Dadurch habe der Revisionswerber § 12 Abs. 1 Z 3 LSD-BG verletzt, weswegen über ihn gemäß § 27 Abs. 1 LSD-BG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.500,-- verhängt werde. Unter einem sprach die belangte Behörde aus, dass der Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens zu leisten habe.

11       Zur Strafbemessung enthält das Straferkenntnis dieselben Ausführungen wie jenes, das mit dem erstangefochtenen Erkenntnis bestätigt wurde.

12       1.2.2. Mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit hier nicht relevanten Maßgaben ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe und dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

13       Das Verwaltungsgericht stellte - soweit hier maßgeblich und über die auch im erstangefochtenen Erkenntnis enthaltenen Feststellungen hinaus - fest, mit nachweislicher schriftlicher Aufforderung der Finanzpolizei sei die Übermittlung von genau bezeichneten Unterlagen hinsichtlich von namentlich genannten Arbeitnehmern verlangt worden. Einzelne (im Detail bezeichnete) Unterlagen seien in den beiden folgenden Tagen übermittelt worden, nicht jedoch die im Spruch des Straferkenntnisses genannten.

14       Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, da die geforderten Unterlagen nicht fristgerecht vorgelegt worden seien, habe der Revisionswerber den objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt. Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die Bereithaltungspflicht schließe nicht die daran anschließende Verpflichtung aus, die Unterlagen über behördliche Aufforderung zu übermitteln (Hinweis auf VwGH 25.2.2020, Ra 2018/11/0110). Im Übrigen entsprechen die Entscheidungsgründe (zur subjektiven Tatseite und zur Strafbemessung) sinngemäß jenen des erstangefochtenen Erkenntnisses.

15       1.2.3. Mit Beschluss vom 7. Juni 2021, E 1300/2021-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 27. Juli 2021, E 1300/2021-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

16       1.3.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde ebenfalls vom 17. Juli 2020 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ derselben Gesellschaft mit Sitz in der Slowakei zu verantworten, dass diese als Arbeitgeberin eines namentlich genannten Arbeitnehmers das A1-Sozialversicherungsdokument nicht bereitgehalten oder in elektronischer Form zugänglich gemacht habe.

17       Dadurch habe der Revisionswerber § 21 Abs. 1 Z 1 LSD-BG verletzt, weswegen über ihn gemäß § 26 Abs. 1 Z 3 LSD-BG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- verhängt werde. Unter einem sprach die belangte Behörde aus, dass der Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens zu leisten habe.

18       Zur Strafbemessung enthält das Straferkenntnis dieselben Ausführungen wie jenes, das mit dem erstangefochtenen Erkenntnis bestätigt wurde.

19       1.3.2. Mit dem drittangefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit hier nicht relevanten Maßgaben ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe und dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

20       Das Verwaltungsgericht stellte - soweit hier maßgeblich - fest, zum Kontrollzeitpunkt sei kein gültiges A1-Sozialversicherungsdokument vorgelegt worden.

21       Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, da diese Unterlage nicht bereitgehalten oder zugänglich gemacht worden sei, habe der Revisionswerber den objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt. Im Übrigen entsprechen die Entscheidungsgründe (zur subjektiven Tatseite und zur Strafbemessung) sinngemäß jenen des erstangefochtenen Erkenntnisses.

22       1.3.3. Mit Beschluss vom 24. Juni 2021, E 1302/2021-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 27. Juli 2021, E 1302/2021-10, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

23       1.4. Gegen alle drei Erkenntnisse richtet sich die vorliegende - in einem gemeinsamen Schriftsatz erhobene - (außerordentliche) Revision.

24       2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

25       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

26       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

27       2.2. Die im Tatzeitpunkt maßgeblichen Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes, BGBl. I Nr. 44/2016, in der Fassung BGBl. I Nr. 64/2017, lauteten (auszugsweise):

Erhebungen der Abgabenbehörden

§ 12. (1) Die Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach den §§ 21 und 22 zu überwachen sowie in Bezug auf Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort außerhalb Österreichs, die nicht dem ASVG unterliegen, die zur Kontrolle des unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts (Lohnkontrolle) im Sinne des § 29 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und

...

3.   in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§ 21 und 22) Einsicht zu nehmen, Ablichtungen dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung dieser Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Erfolgt bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten die Kontrolle nicht am ersten Arbeits(Einsatz)ort, sind die Unterlagen der Abgabenbehörde nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

...

Bereithaltung von Meldeunterlagen, Sozialversicherungsunterlagen und behördlicher Genehmigung

§ 21. (1) Arbeitgeber mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft haben folgende Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort im Inland während des Entsendezeitraums bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen:

1.   Unterlagen über die Anmeldung des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E 101 nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, oder Sozialversicherungsdokument A 1 nach der Verordnung (EG) Nr. 883/04 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit), sofern für den entsandten Arbeitnehmer in Österreich keine Sozialversicherungspflicht besteht; kann der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Erhebung durch Nachweise in deutscher Sprache belegen, dass ihm die Erwirkung der Ausstellung dieser Dokumente durch den zuständigen Sozialversicherungsträger vor der Entsendung nicht möglich war, sind gleichwertige Unterlagen in deutscher Sprache (Antrag auf Ausstellung des Sozialversicherungsdokuments E 101 oder A 1, und Bestätigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers, dass der Arbeitnehmer für die Dauer der Entsendung der ausländischen Sozialversicherung unterliegt) bereitzuhalten;

...

Bereithaltung von Lohnunterlagen

§ 22. (1) Arbeitgeber im Sinne der §§ 3 Abs. 2, 8 Abs. 1 oder 19 Abs. 1 haben während der Dauer der Beschäftigung (im Inland) oder des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 19 Abs. 3 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel im Sinne der Richtlinie 91/533 des Rates über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem entsandten Arbeitnehmer für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache, ausgenommen den Arbeitsvertrag, am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen, auch wenn die Beschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers in Österreich früher geendet hat. Der Arbeitsvertrag ist entweder in deutscher oder in englischer Sprache bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Ein Beschäftiger, der einen Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet, gilt in Bezug auf die Verpflichtung nach dieser Bestimmung als Arbeitgeber. § 21 Abs. 2 findet sinngemäß Anwendung.

...

Verstöße im Zusammenhang mit den Melde- und Bereithaltungspflichten bei Entsendung oder Überlassung

§ 26. (1) Wer als Arbeitgeber oder Überlasser im Sinne des § 19 Abs. 1

...

3.   die erforderlichen Unterlagen entgegen § 21 Abs. 1 oder Abs. 2 nicht bereithält oder den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vor Ort nicht unmittelbar in elektronischer Form zugänglich macht,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 Euro bis 20.000 Euro zu bestrafen.

...

Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle

§ 27. (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen den §§ 12 Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen den §§ 14 Abs. 2 oder 15 Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.

...

Nichtbereithalten der Lohnunterlagen

§ 28. Wer als

1.   Arbeitgeber entgegen § 22 Abs. 1 oder Abs. 1a die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen.“

28       2.3. Die Revision ordnet ihre Zulässigkeitsargumente nicht den einzelnen bekämpften Erkenntnissen zu, sondern bringt diese lediglich pauschal vor. Sie zeigt aber eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf:

29       2.3.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit - den Schuldspruch des erst- und des zweitangefochtenen Erkenntnisses betreffend - zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG abgewichen (Verweis auf VwGH 13.12.2018, Ra 2017/11/0301), weil hinsichtlich der nicht bereitgehaltenen Lohnaufzeichnungen - insbesondere angesichts der bloß beispielhaften Aufzählung im Klammerausdruck des Spruches des Straferkenntnisses - nicht klar sei, welche Unterlagen tatsächlich gefehlt hätten. So sei dem Revisionswerber beispielhaft vorgeworfen worden, er habe keine Aufzeichnungen über Familienverhältnisse, Sozialversicherungsbeiträge oder Lohnsteuerkarten bereitgehalten, ohne darzulegen, warum es sich dabei um Lohnaufzeichnungen iSd. § 22 Abs. 1 LSD-BG handle.

30       Damit wird eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan:

31       Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu § 44a Z 1 VStG hat die Tatumschreibung so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (vgl. etwa VwGH 1.10.2018, Ra 2017/03/0086, mwN). Ausgehend von der Zielrichtung des Konkretisierungsgebotes des § 44a Z 1 VStG sind die an die Tatumschreibung zu stellenden Erfordernisse nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall unterschiedlich zu beurteilen. Eine derartige - notwendigerweise einzelfallbezogene - Beurteilung ist im Regelfall (wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde) nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 13.12.2018, Ra 2017/11/0301, mwN).

32       Im hg. Erkenntnis vom 2. Juni 2020, Ro 2019/11/0009, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Begriff der „Unterlagen betreffend die Lohneinstufung“, welche ebenso wie die Lohnaufzeichnungen zu den gemäß § 22 Abs. 1 LSD-BG vom Arbeitgeber bereitzuhaltenden Lohnunterlagen zählen, Folgendes ausgeführt:

„Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass ‚Unterlagen betreffend die Lohneinstufung‘ gemäß § 7d Abs. 1 AVRAG ‚zur Überprüfung des dem/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts‘ geeignet sein müssen, und darauf hingewiesen, dass angesichts der Verschiedenheit der von § 7d AVRAG erfassten beruflichen Tätigkeiten (und damit der Unterschiedlichkeit jener Rechtsvorschriften, wie insbesondere der Kollektivverträge, die die Entlohnung dieser Tätigkeiten regeln) die im konkreten Fall in Betracht kommenden Unterlagen betreffend die Lohneinstufung nicht im Vorhinein und generell präzisiert werden können, sondern vom Einzelfall abhängig sind (vgl. VwGH 6.3.2018, Ra 2018/11/0022). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch klargestellt, dass die Lohneinstufung eines entsendeten Arbeitnehmers nicht zwingend einem eigenen Dokument entnommen werden muss, sondern etwa auch aus einem ordnungsgemäß bereitgehaltenen Dienstzettel oder Arbeitsvertrag hervorgehen kann (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2017/11/0276, Rn 49; 18.1.2019, Ra 2018/11/0248). Diese Rechtsprechung ist auf die Nachfolgeregelung des § 22 Abs. 1 LSD-BG übertragbar.“

33       Sinngemäß gleiches, so der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis Ro 2019/11/0009, Rn. 21, weiter, gelte für den Begriff der „Lohnaufzeichnungen“. Welche Unterlagen als Lohnaufzeichnungen im konkreten Fall bereitzuhalten sind, ist daher vom jeweiligen Einzelfall abhängig.

34       Im Revisionsfall stellte das Verwaltungsgericht (im erstangefochtenen Erkenntnis) fest, dass die in der Anzeige der Finanzpolizei und im Straferkenntnis der belangten Behörde aufgelisteten Lohnunterlagen, darunter Lohnaufzeichnungen, nicht bereitgehalten worden seien. Die Revision bestreitet dies auch nicht und behauptet gar nicht, dass (irgendwelche) Lohnaufzeichnungen bereitgehalten worden seien. Sie stellt vielmehr die Erforderlichkeit einzelner der in der Anzeige und im Straferkenntnis lediglich beispielhaft („z.B.“) genannten Unterlagen, welche als Lohnaufzeichnungen in Betracht kämen, in Frage. Die Revision legt aber fallbezogen nicht dar, dass es dem Revisionswerber unklar oder unmöglich gewesen wäre, Lohnaufzeichnungen - welcher Art auch immer - vorzulegen, die geeignet gewesen wären, den Tatvorwurf zu widerlegen. Nichts anderes gilt für das zweitangefochtene Erkenntnis.

35       Das behauptete Abweichen von der hg. Rechtsprechung liegt somit nicht vor.

36       2.2.2. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit - ebenfalls die Schuldsprüche des erst- und des zweitangefochtenen Erkenntnisses betreffend - weiter vor, der Revisionswerber sei nicht nur (mit dem erstangefochtenen Erkenntnis) wegen der Nichtbereithaltung der Lohnunterlagen gemäß § 28 Z 1 (iVm. § 22 Abs. 1) LSD-BG, sondern auch (mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis) wegen der Nichtübermittlung dieser Lohnunterlagen gemäß § 27 Abs. 1 (iVm. § 12 Abs. 1 Z 3) LSD-BG bestraft worden, was gegen die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV verstoße.

37       Auch damit wird eine zur Zulässigkeit der Revision führende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargelegt:

38       Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Würdigung des einschlägigen Unionsrechts und unter Bezugnahme auf sein - zu den Vorgängerbestimmungen des AVRAG ergangenes - Erkenntnis vom 20. September 2018, Ra 2017/11/0233, ausgeführt, das LSD-BG verfolge denselben Zweck wie bereits die §§ 7b ff AVRAG, nämlich die Sicherstellung einer Mindestentlohnung der nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer und in weiterer Folge die Hintanhaltung von Lohn- und Sozialdumping. Zusätzlich zur Verpflichtung, den entsprechenden Mindestlohn zu entrichten, enthalte das LSD-BG weitere Verpflichtungen des Arbeitgebers, die als - im Sinne der in Art. 9 Abs. 1 erster Satz der Richtlinie 2014/67/EU (zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen) - notwendige, wirksame und verhältnismäßige Kontrollmaßnahmen (vgl. erneut zu den §§ 7b ff AVRAG VwGH 20.9.2018, Ra 2017/11/0233, mwN) anzusehen seien. Daher schließe ein Verstoß des Arbeitgebers bzw. des Beschäftigers gegen die Bereithaltungspflicht nicht die daran anschließende Verpflichtung aus, die Unterlagen über behördliche Aufforderung zu übermitteln. Nur die tatsächliche Sichtung dieser Dokumente könne den Zweck des LSD-BG sicherstellen, weswegen es im Sinne dieses Gesetzes sei, dass Unterlagen (sofern sie existieren und ihre Beschaffung auch zumutbar ist) der Behörde übermittelt werden müssten, damit die Einhaltung sämtlicher Bestimmungen überprüft werden könne (vgl. VwGH 25.2.2020, Ra 2018/11/0110; vgl. auch VwGH 12.8.2021, Ra 2019/11/0173).

39       2.3.3. Ihre Zulässigkeit begründet die Revision auch damit, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob bei Heranziehung eines berufsmäßigen Parteienvertreters im Sinne des § 21 Abs. 2 Z 4 (iVm. § 23) LSD-BG „allfällige Versäumnisse dieser Person“ dem Arbeitgeber überhaupt anzulasten seien.

40       Das Verwaltungsgericht stellte im erst- und im zweitangefochtenen Erkenntnis fest, dass die in den jeweiligen Straferkenntnissen der belangten Behörde genannten Lohnunterlagen nicht vor Ort bereitgehalten und auch nicht (durch den genannten Steuerberater) elektronisch zugänglich gemacht worden seien. Diesen Feststellungen tritt die Revision mit der lediglich allgemeinen Behauptung, der genannte Steuerberater habe der Finanzpolizei „sämtliche Unterlagen“ übermittelt, nicht substantiiert entgegen. Insbesondere legt sie nicht konkret dar, dass eben jene Lohnunterlagen, wegen deren Nichtbereithaltung bzw. Nichtzugänglichmachung der Revisionswerber bestraft wurde, beim genannten Steuerberater bereitgehalten worden seien, und dieser die Unterlagen der Finanzpolizei bloß nicht in elektronischer Form zugänglich gemacht habe. Schon deswegen wird mit dem das Verschulden des Steuerberaters als Ansprechperson betreffenden Zulässigkeitsvorbringen eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt.

41       2.3.4. Schließlich bringt die Revision - den Strafausspruch aller drei angefochtenen Erkenntnisse betreffend - zu ihrer Zulässigkeit vor, es bestehe „konträre Rechtsprechung“ (gemeint: des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes) zu den Auswirkungen des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 12. September 2019, C-64/18 ua., Maksimovic ua. Der Verfassungsgerichtshof habe die Auffassung vertreten, dass eine partielle Weiteranwendung der Strafbestimmungen der §§ 26 bis 28 LSD-BG nicht erfolgen und Strafen nicht verhängt werden dürften. Dass diese Strafbestimmungen bis zu einer unionsrechtskonformen Neuregelung durch den Gesetzgeber unangewendet bleiben müssten, ergebe sich auch aus Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, wonach der Vorrang des Unionsrechts nicht als Grundlage für eine Auslegung (des nationalen Rechts) contra legem dienen dürfe (Hinweis auf EuGH 4.10.2018, C-384/17, Link Logostic N&N), was aber bei der „Verhängung einer Strafe ohne Mindeststrafe und als Gesamtstrafe“ der Fall wäre.

42       Mit den Auswirkungen des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union in den Rechtssachen C-64/18 ua., Maksimovic ua., auf die nationale Rechtslage hat sich der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033 und 0034 (zum AVRAG; zum LSD-BG vgl. etwa VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0171; 10.12.2020, Ra 2020/11/0170 bis 0172) auseinandergesetzt, mit der behaupteten Judikaturdivergenz im hg. Erkenntnis vom 9. November 2020, Ra 2020/11/0188, Rn. 16 (vgl. zu einem solchen Zulässigkeitsvorbringen auch VwGH 15.10.2021, Ra 2020/11/0173 bis 0176).

43       Soweit die Revision auf Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union verweist, wonach der Vorrang des Unionsrechts nicht zu einer Auslegung contra legem dienen dürfe, wird damit schon deswegen keine zur Zulässigkeit der Revision führende Rechtsfrage dargelegt, weil der Verwaltungsgerichtshof die angefochtenen Erkenntnisse gemäß § 72 Abs. 10 letzter Satz LSD-BG am Maßstab der - mit 1. September 2021 in Kraft getretenen - §§ 26 bis 28 LSD-BG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 zu prüfen hat (vgl. VwGH 12.10.2021, Ra 2021/11/0033, 0034). § 26 Abs. 1 Z 3, § 27 Abs. 1 und § 28 Z 1 LSD-BG in der Fassung dieser Novelle sehen jeweils ausdrücklich vor, dass ein Arbeitgeber unabhängig von der Anzahl der von der Verwaltungsübertretung betroffenen Arbeitnehmer eine einzige Verwaltungsübertretung begeht, die mit einer (einzigen) Geldstrafe zu bestrafen ist; eine Mindeststrafe ist nicht (mehr) vorgesehen.

44       2.4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 6. Dezember 2021

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021110166.L00

Im RIS seit

31.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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