Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Casagrande als Schriftführer in der Strafsache gegen ***** K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten ***** K***** und ***** P***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 21. Jänner 2021, GZ 612 Hv 12/19z-82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K***** und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte P***** ebenso auf diese Entscheidung verwiesen wie der Angeklagte K***** und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden ***** K***** des Vergehens der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (II./) und des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB (III./) sowie ***** P***** des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (I./) und des Verbrechens der Geldwäscherei nach §§ 12 zweiter Fall, 165 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB (IV./) schuldig erkannt.
[2] Danach haben
I./ ***** P***** als Geschäftsführer der Pr***** GmbH seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, indem er in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstieß, die dem Vermögensschutz der wirtschaftlich Berechtigten dienten, und dadurch die genannte Gesellschaft in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, indem er einen Kreditvertrag zur Finanzierung eines Gesundheitsprojekts für Suchtkranke am Standort W***** mit der R***** eGen abschloss und diese am 1. August 2018 schriftlich anwies, aus den Kreditmitteln einen Teilbetrag von 120.000 Euro an die M***** GmbH zu überweisen, wobei deren in der Rechnung angeführte Leistung, nämlich eine Marktrecherche bzw -analyse, nur vorgetäuscht und tatsächlich nie erbracht wurde, sodass kein Grund für eine tatsächliche Auszahlung dieses Betrags bestand;
II./ ***** K***** als Geschäftsführer der M***** GmbH zu der unter I./ angeführten strafbaren Handlung beigetragen, indem er „das Unternehmenskonstrukt“ der M***** GmbH und deren Geschäftskonto zur Tatbegehung zur Verfügung stellte;
III./ ***** K***** am 7., 9. und 17. August 2018 in G***** und anderorts die Herkunft von Vermögensbestandteilen in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert, die aus einer mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung herrührten, nämlich des unter I./ und II./ angeführten Betrags von 120.000 Euro, verschleiert bzw zu verschleiern versucht, indem er als Geschäftsführer der M***** GmbH gegenüber Mitarbeitern der Ma***** eG und „gegenüber Polizeibeamten“ vortäuschte, den Betrag für die Bezahlung von Rechnungen für Marktrecherchen bzw -analysen von diversen Ärzten zu benötigen, und diesen am 7. August 2018 vom Geschäftskonto der M***** GmbH beheben wollte, wobei er schließlich am 9. August 2018 40.000 Euro und am 17. August 2018 60.000 Euro in bar behob;
IV./ ***** P***** ***** K***** zu der unter III./ angeführten strafbaren Handlung bestimmt, indem er ihn dem Tatplan zu I./ und II./ folgend dazu aufforderte, den Betrag von 120.000 Euro vom Geschäftskonto der M***** GmbH unter der Vorgabe, den Betrag für die Bezahlung von Marktrecherchen bzw -analysen diverser Ärzte zu benötigen, zu beheben.
[3] Gegen dieses Urteil richten sich die getrennt ausgeführten, jeweils auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Zu den Schuldsprüchen I./ und II./:
[4] Der Angeklagte K***** weist in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend darauf hin, dass die erstrichterlichen Feststellungen die Annahme eines dem Tatbestand der Untreue zu subsumierenden Verhaltens des P***** nicht zu tragen vermögen und solcherart keine ausreichende Sachverhaltsbasis für die rechtliche Annahme einer Beitragstäterschaft des K***** zur strafbaren Handlung des P***** bieten.
[5] Untreue zu Lasten einer GmbH setzt Missbrauch, also vorsätzlichen Fehlgebrauch, der (soweit hier von Interesse:) dem Geschäftsführer zukommenden Befugnis, über das Vermögen der Gesellschaft zu verfügen, und einen dadurch bei der GmbH eingetretenen Vermögensschaden (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 153 Rz 37; RIS-Justiz RS0094723 [T3]) voraus.
[6] Befugnisfehlgebrauch liegt vor, wenn der Geschäftsführer zwar nach außen wirksam Vertretungshandlungen setzt, dabei aber gegen die ihn intern bindenden, dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienenden (§ 153 Abs 2 StGB) Vorgaben des Machtgebers verstößt (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 153 Rz 2/2, Rz 28; RIS-Justiz RS0094545). Daraus folgt, dass das (mängelfreie, spätestens im Tatzeitpunkt gegebene) Einverständnis sämtlicher Gesellschafter der GmbH zu einer Vertretungshandlung Befugnisfehlgebrauch durch diese Handlung und damit die Tatbestandsverwirklichung ausschließt (Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 153 Rz 30/1 f; RIS-Justiz RS0132027). Folglich kann ein Geschäftsführer, der zugleich einziger Gesellschafter der GmbH ist, keine Untreue zu deren Nachteil begehen (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 153 Rz 2/11). Zudem kommt es in diesem Fall – ausgehend von der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 153 Rz 2/9) – angesichts der faktischen Identität des einzigen Gesellschafters mit der Gesellschaft zu keiner Vermögensschädigung eines „anderen“ (RIS-Justiz RS0094723 [T4]; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 153 Rz 37).
[7] Zur Beurteilung, ob durch das Verhalten des Geschäftsführers einer GmbH der Tatbestand der Untreue verwirklicht wurde, bedarf es demnach Feststellungen zu den Beteiligungsverhältnissen an der Gesellschaft im Tatzeitpunkt.
[8] In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Eintragung eines Gesellschafters im Firmenbuch (vgl § 78 Abs 1 GmbHG) nur deklarativ ist und sich die Übertragung der Gesellschafterrechte, die mit dem Geschäftsanteil verbunden sind, bei Einhaltung der Formvorschrift des § 76 Abs 2 GmbHG (Notariatsakt) rechtswirksam unabhängig von der Eintragung vollzieht (RIS-Justiz RS0112377, RS0059827; vgl auch Kodek/Csoklich in WK2 Wirtschaftsstrafrecht Rz 226; Rauter in Straube/Ratka/Rauter GmbHG § 76 Rz 31, 171). Demnach kann auch einer noch nicht ins Firmenbuch eingetragenen Person Gesellschafterstellung zukommen, sofern ihr der Geschäftsanteil bereits mittels entsprechendem Abtretungsvertrag in Notariatsaktform übertragen wurde.
[9] Nach den Urteilsfeststellungen ist ***** P***** seit der Gründung der Pr***** GmbH (Stammeinlage 35.000 Euro) im März 2016 deren alleiniger selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer und war „ursprünglich“ auch deren alleiniger Gesellschafter. Seit 8. September 2018 sind P***** mit einem Anteil von 17.850 Euro und die V***** GmbH, als deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin Dr. ***** B***** fungiert (US 5 letzter Absatz), mit einem Anteil von 14.000 Euro als Gesellschafter eingetragen; weiterer Gesellschafter war bis zumindest 9. Dezember 2020 ***** A***** mit einem Anteil von 3.150 Euro (US 5 iVm ON 4 S 31 f).
[10] Feststellungen zum Zeitpunkt der Übertragung der Geschäftsanteile an die V***** GmbH und an ***** A***** bzw zum Abschluss der entsprechenden Abtretungsverträge finden sich im Urteil nicht.
[11] Zwar ging das Schöffengericht davon aus, dass „die Gesellschafter“ – da sich jede Verfügung des Geschäftsführers P***** „im Ergebnis anteilsmäßig auf das Vermögen aller Mitgesellschafter“ auswirkt – am 2. Mai 2018 „zu Beginn ihrer Zusammenarbeit“ schriftlich eine (im Urteil auszugsweise wiedergegebene) „Verbindliche Vereinbarung“ abschlossen, „die ihrem Vermögensschutz als wirtschaftlich Berechtigte dient, indem sie die Möglichkeit eröffnet, bei vom Zweitangeklagten [P*****] veranlassten größeren Ausgaben vorab die Zweckmäßigkeit zu hinterfragen“ (US 6 f). Ob zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser (nicht in Form eines Notariatsakts errichteten) „Vereinbarung“ die Geschäftsanteile bereits wirksam an die V***** GmbH und an ***** A***** übertragen waren, kann den Feststellungen jedoch nicht entnommen werden.
[12] Insofern lässt das Urteil nicht erkennen, ob zum Zeitpunkt der inkriminierten, am 1. August 2018 von P***** veranlassten (und am 7. August 2018 durchgeführten) Überweisung von 120.000 Euro die V***** GmbH und ***** A***** bereits einen Geschäftsanteil an der Pr***** GmbH innehatten und ihnen Gesellschafterstellung zukam. Solcherart bleiben aber die Urteilspassage, wonach sich „die Mitgesellschafter“ gegen die Überweisung ausgesprochen hätten (US 9 dritter Absatz), und die Konstatierungen zum Vorsatz des P***** auf Schädigung „der Pr***** GmbH und damit deren wirtschaftlich Beteiligten, also seinen Mitgesellschaftern A***** und Dr. B*****“ (US 11 erster Absatz), ohne fassbaren Sachverhaltsbezug (vgl RIS-Justiz RS0119090).
[13] Mangels hinreichender Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen an der Pr***** GmbH ist eine abschließende Beurteilung, ob der Angeklagte P***** ein dem Tatbestand der Untreue zu unterstellendes Verhalten gesetzt hat, nicht möglich, weshalb auch für die inkriminierten Beitragshandlungen des K***** keine taugliche Subsumtionsbasis vorliegt.
[14] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erforderte die Aufhebung des den Genannten betreffenden Schuldspruchs II./.
[15] Da der dargelegte, auch dem Schuldspruch I./ anhaftende Rechtsfehler vom Angeklagten P***** nicht geltend gemacht wurde, diesem jedoch zum Nachteil gereicht, war diese materielle Nichtigkeit von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) und auch der Schuldspruch I./ aufzuheben. Insofern erübrigte sich ein Eingehen auf das darauf bezogene Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde des Genannten.
Zu den Schuldsprüchen III./ und IV./:
[16] Zu Recht macht der Angeklagte K*****, gestützt auf Z 9 lit a, weiters geltend, dass die Urteilskonstatierungen die rechtliche Unterstellung der vom Schuldspruch III./ erfassten Handlungen unter das Verbrechen der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB schon deshalb nicht zu tragen vermögen, weil das Urteil – im Sinn obiger Ausführungen – keine ausreichende Sachverhaltsbasis für die rechtliche Annahme einer (tatbestandsmäßig und rechtswidrig verübten [Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 165 Rz 13]) Vortat iSd § 165 Abs 1 StGB bietet. Dies erforderte die Aufhebung auch des Schuldspruchs III./.
[17] Dieser Rechtsfehler zur Vortat (Z 9 lit a) haftet auch dem P***** betreffenden Schuldspruch IV./ an, sodass (auch) insofern amtswegige Wahrnehmung dieser zum Nachteil des Angeklagten wirkenden materiellen Nichtigkeit durch Aufhebung des betreffenden Schuldspruchs geboten war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO). Ein Eingehen auf das gegen diesen Schuldspruch gerichtete Rechtsmittelvorbringen erübrigte sich daher.
[18] Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
[19] Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung war der Angeklagte P***** ebenso wie der Angeklagte K***** und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.
Textnummer
E133210European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00058.21Z.1020.000Im RIS seit
31.12.2021Zuletzt aktualisiert am
31.12.2021