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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
EO §1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der G GmbH in S, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2021, Zl. G309 2238719-1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 18. November 2020, mit dem der Antrag der Revisionswerberin auf Rückzahlung der halben Pauschalgebühr aus Anlass des Grundverfahrens zu X des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz abgewiesen worden war, als unbegründet ab. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
2 In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin sei die Klägerin im Verfahren X des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz. Mit der am 29. Jänner 2020 eingebrachten Klage habe sie die Zahlung von 105.523,05 € von den im Verfahren beklagten Parteien begehrt. Für die Einbringung der Klage habe die Revisionswerberin eine Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG iHv 3.210,90 € mittels Gebühreneinzugs entrichtet. Die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung am 25. August 2020 sei unbesucht geblieben. Am 28. August 2020 habe die Revisionswerberin eine Ruhensanzeige eingebracht. Mit Eingabe vom 6. Oktober 2020 habe die Revisionswerberin die Rückzahlung der halben Pauschalgebühr mit der Begründung beantragt, die Streitparteien hätten noch vor der Tagsatzung einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen.
3 Eine (nachträgliche) Ermäßigung der Pauschalgebühr nach Anmerkung 2 zu TP 1 GGG komme jedoch aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht in Betracht. Es sei weder ein prätorischer Vergleich nach einer Ladung zum Vergleichsversuch gemäß § 433 ZPO geschlossen, noch sei die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen worden. Der erst mit BGBl. I Nr. 81/2019 in Anmerkung 2 zu TP 1 GGG eingefügten Wortfolge „und wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird“ sei nicht die Absicht zugrunde gelegen, jede Form der Verfahrensbeendigung vor der ersten Tagsatzung mit einer Gebührenermäßigung zu privilegieren. Vielmehr habe der Gesetzgeber eindeutig nur den Fall eines Vergleichsabschlusses „in der ersten Verhandlung“ privilegieren wollen, weil dieser mit einem bereits bestehenden Ausnahmetatbestand, dem prätorischen Vergleich (§ 433 ZPO), vergleichbar sei. Dass der Gesetzgeber eine Gebührenermäßigung für den Fall jedweder Verfahrensbeendigung vor (oder während) der ersten Tagsatzung habe schaffen wollen, könne ihm nicht zugesonnen werden und hätte dies einer ausdrücklichen dahingehenden Regelung bedurft.
4 Auch Anmerkung 3 zu TP 1 GGG spreche gegen eine solche Auslegung. Danach bestehe eine Gebührenermäßigung u.a. für den Fall, dass eine Klage „a limine“ zurückgewiesen werde. Werde die Klage jedoch erst nach der Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgewiesen, sei selbst dann die volle Pauschalgebühr zu entrichten, wenn die Zurückweisung vor der ersten Tagsatzung erfolge. Hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass im Fall des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung eine Gebührenermäßigung wegen des Entfalls des Aufwands für die Durchführung der Verhandlung (bzw. der ersten oder der vorbereitenden Tagsatzung) eintreten solle, hätte er eine solche Rechtsfolge auch in Anmerkung 3 zu TP 1 GGG vorsehen müssen.
5 Im Übrigen knüpfe das Gerichtsgebührengesetz bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entferne, als sie über das Fehlen eines Elements des im Gesetz umschriebenen Tatbestands, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hiervon geknüpft sei, hinwegsehe, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden. Auch sei es insbesondere nicht möglich, im Wege der Analogie einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestand zu begründen.
6 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene ordentliche Revision legte das Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens und einer mit Schriftsatz vom 9. September 2021 eingereichten Revisionsbeantwortung des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz, worin ein Aufwandersatz begehrt wird, dem Verwaltungsgerichtshof vor.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
10 Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit der Revision vor, es stelle sich die Rechtsfrage, ob ein außergerichtlicher Vergleich, der nach Einbringung und Zustellung der Klage, aber noch vor der ersten Verhandlung abgeschlossen werde, die gleiche Rechtsfolge auslöse, wie ein in der ersten Verhandlung abgeschlossener gerichtlicher Vergleich, was die Rückzahlung der bezahlten Pauschalgebühr im Hälfteumfang gemäß Anmerkung 2 zu TP 1 GGG anlange.
11 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu beantwortende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung auch nach Einbringung der Revision bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 30.6.2021, Ra 2019/16/0002; 21.11.2017, Ro 2017/16/0005, jeweils mwN).
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. September 2021, Ra 2021/16/0051, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass die gebührenrechtlichen Ermäßigungstatbestände (prätorischer Vergleich und gerichtlicher Vergleich in der ersten Verhandlung) jeweils an den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs anknüpfen. Außergerichtliche Vergleiche erfordern zur Prozessbeendigung hingegen weitere Prozesshandlungen, wie z.B. die Klagsrückziehung. Soweit sie formlos abgeschlossen werden, sind sie keine Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber außergerichtliche Vergleiche Prozessvergleichen gebührenrechtlich gleichstellen wollte. Eine analoge Anwendung des Ermäßigungstatbestands „wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird“ auf einen vor der mündlichen Verhandlung abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleich kommt somit nicht in Betracht.
13 Auch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass eine analoge Anwendung der Ermäßigungstatbestände der Anmerkungen 2 und 3 zu TP 1 GGG nicht in Betracht kommt, wenn erst nach der Klagszustellung Ruhen des Verfahrens eintritt (vgl. VwGH 6.10.2020, Ra 2020/16/0126, mwN).
14 Das angefochtene Erkenntnis weicht von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.
15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 3. Dezember 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021160013.J00Im RIS seit
30.12.2021Zuletzt aktualisiert am
18.01.2022