TE Vwgh Beschluss 2021/12/3 Ra 2020/05/0248

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Veröffentlicht am 03.12.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr.in Gröger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der A GmbH in W, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 31. August 2020, Zl. LVwG-AV-820/001-2020, betreffend einen Bauauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde Purkersdorf; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Stadtamtes der Stadtgemeinde P. vom 22. Mai 2019 wurde der Revisionswerberin - soweit im vorliegenden Revisionsverfahren von Interesse - aufgetragen, binnen einer näher bezeichneten Frist für die in sämtlichen Wohnungen vorhandenen Notkamine einen vom zuständigen Rauchfangkehrer erstellten Baubefund vorzulegen (Spruchpunkt 1.) sowie die bestehende Elektroleitung vom Technikraum zum danebenliegenden Aufzugsschacht im Kellergeschoss durch einen konzessionierten Elektriker zu befunden (Spruchpunkt 3.).

2        Mit dem Berufungsbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde P. vom 5. März 2020 wurde die Berufung der Revisionswerberin zu Spruchpunkt 1. als unzulässig zurückgewiesen und zu Spruchpunkt 3. der Berufung teilweise Folge gegeben und der Spruch dahingehend abgeändert, dass aufgetragen wurde, die bestehende Elektroleitung vom Technikraum zum danebenliegenden Aufzugsschacht im Kellergeschoss entsprechend den geltenden Vorschriften herzustellen oder entsprechend rückzubauen.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) vom 31. August 2020 wurde der Berufungsbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde P. im Umfang der Spruchpunkte 1. (Rauchfangkehrerbefund) und 3. (Elektroleitungsbefund) sowie des Ausspruchs im Zusammenhang mit der Mängelbehebungsfrist in teilweiser Stattgebung der Beschwerde aufgehoben und das Verfahren zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.

4        Gegen diesen Ausspruch des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes vom 31. August 2020 richtet sich die vorliegende Revision.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Zur Zulässigkeit der Revision bringt die Revisionswerberin vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, welche besage, dass die Verwaltungsgerichte primär verpflichtet seien, in der Sache zu entscheiden. Nur in Ausnahmefällen - bei qualifizierten Ermittlungsmängeln, welche gegenständlich nicht vorlägen - seien sie zu kassatorischen Entscheidungen befugt. Im gegenständlichen Fall habe die belangte Behörde aber nicht jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen. In Fällen, in denen die Behörde eine Reihe von Beweisthemen klären müsse, könne das Unterbleiben von Ermittlungen in Bezug auf einzelne Fragen nicht als qualifizierter Mangel im Sinne eines „vollständigen Unterbleibens der erforderlichen Ermittlungstätigkeit“ gewertet werden. Bei Beachtung der bisherigen Judikatur zur § 28 VwGVG wäre das Verwaltungsgericht zum Ergebnis gekommen, dass die belangte Behörde mehrere Beweisthemen behandelt habe, und dass die Aufhebung und Zurückverweisung daher unzulässig sei.

9        Weiters übersehe das Verwaltungsgericht, dass auch objektiv rechtswidrige Bescheide, wenn sie in Rechtskraft erwachsen, allseitige Bindungswirkung entfalten. Das angefochtene Erkenntnis verstoße damit gegen die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 5.9.2008, 2005/12/0158). Richtigerweise sei die Aufhebung eines Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde mit der Begründung, dass ein anderer Bescheid (der zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig sei), aufgehoben werden könnte, per se unzulässig.

10       Die „Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Spruchpunkts“ hätten über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung; gehe das Verwaltungsgericht in Fällen wie diesen regelmäßig mit Aufhebung und Zurückverweisung vor, werde das Verhältnis zwischen Regel und Ausnahme ins Gegenteil verkehrt.

11       Damit vermag die Revisionswerberin keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen:

12       In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht oder konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 28.9.2021, Ra 2020/05/0206).

13       Zur behaupteten Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG legt die Revision nicht konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes dar, von welcher hg. Rechtsprechung ihrer Ansicht nach das Verwaltungsgericht in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. VwGH 29.7.2021, Ra 2021/06/0113). Soweit die Revision im Zusammenhang mit der Behauptung der Missachtung der Bindungswirkung die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 2008, 2005/12/0158, zitiert, verabsäumt sie gleichzeitig darzulegen, worin konkret fallbezogen die behauptete Abweichung von dieser Rechtsprechung zu erblicken wäre. Das gesamte Zulässigkeitsvorbringen lässt den von der Judikatur geforderten Bezug zum konkreten Sachverhalt vermissen; auf Grund eines bloß pauschalen Vorbringens kann jedoch nicht beurteilt werden, ob das Schicksal der Revision von der in der Zulässigkeitsbegründung geltend zu machenden Rechtsfrage abhängt.

14       Die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen stellen zudem der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) dar und werden in der Zulässigkeitsbegründung auch als „Einwände gegen die Rechtmäßigkeit“ bezeichnet. Damit wird dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG nicht entsprochen (vgl. wiederum VwGH 28.9.2021, Ra 2020/05/0206).

15       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020050248.L00

Im RIS seit

30.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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