TE Vwgh Beschluss 2021/12/6 Ra 2020/11/0201

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2021
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ZustG §17 Abs2
ZustG §17 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des G M in B, vertreten durch Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwalt in 9100 Völkermarkt, Hauptplatz 24, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 24. August 2020, Zl. KLVwG-82-87/2/2020, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. Februar 2019 wurde der Revisionswerber als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft mit Sitz in Österreich wegen Übertretungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes bestraft.

2        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Das Verwaltungsgericht stellte fest, das Straferkenntnis vom 4. Februar 2019 sei dem Revisionswerber nach einem Zustellversuch am 7. Februar 2019 durch Hinterlegung bei einem näher genannten Postamt zugestellt worden. Der Beginn der Abholfrist sei mit dem 8. Februar 2019 festgesetzt worden.

4        Mit Eingabe vom 24. Juli 2019 habe der Revisionswerber den Antrag auf ordnungsgemäße Zustellung des genannten Straferkenntnisses, in eventu auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und Beschwerde gegen das Straferkenntnis erhoben.

5        Begründend habe der Revisionswerber vorgebracht, er habe erst durch Akteneinsicht seines Vertreters am 16. Juli 2019 vom Stand des Verfahrens erfahren. Auf Grund der Verfügung im Straferkenntnis der belangten Behörde wäre dieses zu seinen eigenen Handen zuzustellen gewesen. Es liege ein Zustellmangel vor, weil das Straferkenntnis nach erfolgter Hinterlegung nicht an den Revisionswerber, sondern an einen Ersatzempfänger ausgehändigt und somit bislang noch nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Vorsichtshalber werde auch ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt, welcher damit begründet werde, dass der Revisionswerber im Zeitraum von 5. bis einschließlich 7. Februar 2019 auf Grund eines Aufenthalts in Berlin ortsabwesend gewesen sei, sodass er vom Zustellversuch bzw. von der Hinterlegung keine Kenntnis erlangt habe. Die Ehefrau habe die Hinterlegungsanzeige an sich genommen und ohne Rücksprache mit dem Revisionswerber das Poststück beim Postamt abgeholt. Auf Grund eines akuten Krankheitsfalles des Vaters der Ehefrau des Revisionswerbers und der daraus resultierenden Nichtverständigung des Revisionswerbers liege ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis vor, welches den Revisionswerber daran gehindert habe, ein Rechtsmittel gegen das Straferkenntnis einzubringen. Der Revisionswerber habe erstmals am 12. Juli 2019 nach einer urlaubsbedingten Rückkehr durch Aushändigung eines Schreibens über die Androhung der Exekution vom Verfahrensstand Kenntnis erlangt.

6        Das Verwaltungsgericht stellte weiter fest, die Österreichische Post AG habe der belangten Behörde über Aufforderung mitgeteilt, dass die tatsächliche Übernahme des gegenständlichen Schriftstückes nicht habe festgestellt werden können, da RSa- und RSb-Briefe nichtbescheinigte Sendungen seien, die in ihren Systemen nicht erfasst würden. Mit Schreiben vom 26. November 2019 habe die belangte Behörde dem Revisionswerber mitgeteilt, dass in Entsprechung seines Antrages eine Neuzustellung des Straferkenntnisses vorgenommen werde, weil das Zustellpostamt nicht in der Lage gewesen sei nachzuweisen, von welcher Person und mit welcher Berechtigung das an den Revisionswerber eigenhändig zuzustellende Poststück „zugestellt“ (gemeint wohl: behoben) worden sei. Eine Bearbeitung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei daher nicht erforderlich, weil kein Nachweis einer gültigen Zustellung vorliege. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen begonnen habe und daher auch keine Verspätung vorliege. Das Straferkenntnis vom 4. Februar 2019 sei dem Revisionswerber am 28. November 2019 neuerlich zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2019 habe der Revisionswerber Beschwerde erhoben.

7        Das Verwaltungsgericht legte seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde, aus dem im Akt erliegenden Zustellnachweis gehe hervor, dass das angefochtene Straferkenntnis nach einem Zustellversuch am 7. Februar 2019 bei dem genannten Postamt hinterlegt und der Beginn der Abholfrist mit 8. Februar 2019 festgesetzt worden sei. Dem Zustellnachweis sei zu entnehmen, dass die Verständigung über die Hinterlegung durch das Zustellorgan an der Eingangstür angebracht worden sei. Es stehe unbestritten fest, dass der Revisionswerber nach seiner urlaubsbedingten Abwesenheit innerhalb der Abholfrist an die Abgabestelle zurückgekehrt sei. Unbestritten sei auch, dass eine Verständigung über die Hinterlegung im Sinn des § 17 Abs. 2 ZustG an der Eingangstür angebracht gewesen sei. Selbst wenn die Ehefrau des Revisionswerbers, wie von diesem vorgebracht, diese ohne sein Wissen entfernt habe, hätte dies gemäß § 17 Abs. 4 ZustG auf die Gültigkeit des Zustellvorgangs keinen Einfluss, sondern könne allenfalls in einem Wiedereinsetzungsverfahren von Bedeutung sein. An der Gültigkeit des Zustellvorgangs könne auch der Umstand nichts ändern, dass die belangte Behörde dem Revisionswerber das gegenständliche Straferkenntnis zu Unrecht nochmals zugestellt habe.

8        Zuständig zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag sei gemäß § 71 Abs. 4 AVG die belangte Behörde. Nach (näher genannter) Rechtsprechung sei über die Verspätung eines Rechtsmittels unabhängig von einem anhängigen Wiedereinsetzungsantrag sogleich auf Grund der Aktenlage zu entscheiden.

9        Eine mündliche Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen können.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, die Voraussetzungen für eine wirksame Zustellung des Straferkenntnisses an den Revisionswerber seien nicht vorgelegen, weil dieses dem Revisionswerber zu eigenen Handen zuzustellen gewesen wäre, aber nach Hinterlegung an eine Ersatzempfängerin ausgefolgt worden sei. Zu diesem Ergebnis wäre das Verwaltungsgericht gekommen, wenn es eine mündliche Verhandlung durchgeführt und die beantragten Zeugen, insbesondere die Ehefrau des Revisionswerbers, einvernommen hätte. Das angefochtene Erkenntnis sei auch mit einem Begründungsmangel behaftet, weil das Verwaltungsgericht „festgestellt“ habe, dass kein Nachweis vorliege, ob eine gültige (erste) Zustellung des Straferkenntnisses vorgelegen sei. Die Rechtsauffassung, die nochmalige Zustellung des Straferkenntnisses an den Revisionswerber habe an der Gültigkeit der ersten Zustellung nichts geändert, weiche daher von den Feststellungen ab. Auch habe das Verwaltungsgericht das Vorbringen des Revisionswerbers nicht berücksichtigt, dass der von der Ehefrau des Revisionswerbers beauftragte Vater auf Grund einer unvorhersehbaren plötzlichen Erkrankung das angefochtene Erkenntnis nicht beim Steuerberater des Revisionswerbers zwecks Erhebung einer Beschwerde habe abgeben können.

15       Damit wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt:

16       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die in § 17 Abs. 2 ZustG genannte Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung (Hinterlegungsanzeige) unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG. Unterbleibt die Hinterlegungsanzeige, so tritt eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG nicht ein. Zwar macht ein ordnungsgemäßer Zustellnachweis als öffentliche Urkunde Beweis über die Zustellung; allerdings ist der Gegenbeweis (etwa dass der in der Urkunde bezeugte Vorgang unrichtig sei; vgl. § 292 Abs. 2 ZPO) möglich (vgl. VwGH 25.2.2021, Ra 2020/19/0248 bis 0250, mwN).

17       Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zu Grunde, es sei unbestritten, dass eine Verständigung über die Hinterlegung im Sinn des § 17 Abs. 2 ZustG an der Eingangstür des Revisionswerbers angebracht und auf dieser der Beginn der Abholfrist mit dem 8. Februar 2019 angegeben worden sei. Dem tritt die Revision nicht entgegen, weswegen die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung gemäß § 17 Abs. 4 ZustG nicht schon deswegen ungültig sein könnte, weil diese Verständigung von der Ehefrau des Revisionswerbers ohne dessen Kenntnis entfernt worden wäre.

18       Die Revision behauptet auch nicht, dass das zuzustellende Straferkenntnis nicht bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes hinterlegt worden sei. Dies ergibt sich im Übrigen auch nicht aus dem in den Verfahrensakten befindlichen Zustellnachweis. Gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG galt das Straferkenntnis daher mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Der Zustellvorgang war mit der Hinterlegung abgeschlossen; die Frage, wer die hinterlegte Sendung wann behoben hat, war für den Zustellvorgang nicht von Bedeutung, weil die Abholung nicht mehr zur Zustellung gehört (vgl. VwGH 9.11.2004, 2004/05/0078, mwN). Auf die Einvernahme der beantragten Zeugen kam es daher ebenso wenig an wie auf eine allfällige Erkrankung einer von der Ehefrau des Revisionswerbers mit der Weiterleitung des behobenen Straferkenntnisses beauftragten dritten Person.

19       Die Revision zeigt folglich mit dem Vorbringen, die Zustellung sei unwirksam, weil das zu eigenen Handen des Revisionswerbers zuzustellende Straferkenntnis nicht von ihm selbst, sondern (ohne seine Kenntnis) von seiner Ehefrau behoben worden sei, nicht auf, dass das Verwaltungsgericht von einer - in der Revision auch gar nicht genannten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre. Im Übrigen kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn die Zustellung durch Hinterlegung ordnungsgemäß erfolgt ist, auf die Kenntnis des Empfängers von dieser Zustellung nicht an (vgl. VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011; 29.5.2008, 2005/07/0166).

20       Das Revisionsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe selbst festgestellt, dass „kein Nachweis vorliege, ob eine gültige Zustellung erfolgt sei“, geht schon deswegen ins Leere, weil es sich bei diesen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis um die Wiedergabe eines Schreibens der belangten Behörde und nicht um eine Feststellung des vom Verwaltungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegten Sachverhalts handelt.

21       In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 6. Dezember 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110201.L00

Im RIS seit

30.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten