TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/16 L516 2242025-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.2021
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Entscheidungsdatum

16.06.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch


L516 2242025-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch Mag. Ali POLAT, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2021, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 68 Abs 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und stellte am 10.05.2021 (im angefochtenen Bescheid irrtümlich: „07.05.2021“; siehe §17 Abs 1 AsylG) den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Folgeantrag mit Bescheid vom 19.05.2021 (I.) hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und (II.) hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.

Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 09.06.2021 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes des BFA; NS=Niederschrift; EB=Erstbefragung; EV=Einvernahme vor dem BFA; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich]

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in der Türkei

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei, kurdischer Herkunft sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht nicht fest. (NS EB 14.04.2021 S 1, 2 (AS 1 ff); EV 16.04.2021 S 5 (AS 9); BVwG 06.05.2021, L504 2242025-1/8E S 4 (AS 157 ff))

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Ort XXXX . Er besuchte in der Türkei das Gymnasium und schloss dieses 2015 mit Matura ab. Von 2016 bis März 2021 arbeitete er als als Eisenbieger in XXXX . Er ist ledig und hat keine Kinder. In der Türkei leben seine Eltern, seine zwei Schwestern, seine zwei Brüder und weitere Verwandten. Sein Vater hat die Familie verlassen und eine andere Frau geheiratet. Das Verhältnis des Beschwerdeführers zu seinem Vater ist nicht so gut. Er wohnte vor seiner Ausreise zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern im Großelternhaus. Sein jüngerer Bruder arbeitet in einem Lebensmittelgeschäft und versorgt die ganze Familie. Eine Schwester hat fertig studiert. Er verließ die Türkei im März 2021 legal und mit seinem eigenen türkischen Reisepass, für den er persönlich zum Passamt in XXXX gegangen ist, und seinem Nüfüs. (NS EB 14.04.2021 S 2, 4 (AS 1 ff); NS EV 16.04.2021 S 5-7, 9 (AS 9 ff); BVwG 06.05.2021, L504 2242025-1/8E S 5-6)

1.2 Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich

Der Beschwerdeführer reiste am 12.04.2021 mit einem Flug von XXXX am Flughafen Wien-Schwechat in Österreich ein und hält sich seither ununterbrochen in Österreich auf. Er ist das erste Mal in Österreich und hat hier keine verwandtschaftlichen oder privaten Bezugspunkte. Er ist strafrechtlich unbescholten. (IZR; ZMR; NS EV 16.04.2021 S 7 (AS 9 ff); Strafregister der Republik Österreich)

1.3 Zum Gesundheitszustand

Der Beschwerdeführer ist gesund. (NS 17.05.2021 S 2)

1.4 Zum ersten Antrag auf internationalen Schutz

Der Beschwerdeführer stellte am 12.04.2021 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 06.05.2021, L504 2242025-1/8E, im Rahmen eines Flughafenverfahrens (§ 33 AsylG) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt. Jene Entscheidung wurde dem BFA am 07.05.2021 um 08:48:39 Uhr im Wege eines elektronischen Zustelldienstes zugestellt und dem Vertreter des Beschwerdeführers am selben Tag um 08:52:33 Uhr im elektronischen Rechtsverkehr erfolgreich hinterlegt. (BVwG 06.05.2021, L504 2242025-1/8E inkl Zustellnachweise)

Zur Begründung seines ersten Antrages auf internationalen Schutz vom 12.04.2021 führte der Beschwerdeführer – zusammengefasst – aus, dass in XXXX , wo er lebe, die Menschen am meisten unterdrückt würden. Er habe persönlich das erste Mal 2001 Probleme bekommen, als ihm in der Schule sein Lehrer gesagt habe, dass er (der Beschwerdeführer) nicht zur Schule kommen müsse, da er ohnehin PKK-Mitglied und Terrorist werde. Im Jahr 2009 habe der Beschwerdeführer im Altern von 13-14 Jahren an einer Newroz-Feier teilgenommen und dabei sei er von der Polizei festgenommen und geschlagen worden sei, sodass er danach im Bereich der Augenbraue habe genäht werden müssen. Im Jahr 2015 sei es zu Kämpfen zwischen der türkischen Armee und der PKK gekommen und im Zuge dessen sei ihr Haus und Geschäft von Granaten getroffen und zerstört worden. Im Mai 2016 habe sein Vater die Familie verlassen und der Beschwerdeführer habe dann als Ältester seine ganze Familie versorgen und arbeiten gehen müssen, habe nicht studieren können. Seine Schwester habe fertig studiert und man habe ihr gesagt, sie müsse AKP-Mitglied werden, sonst werde sie keine Arbeit finden; und da sie zu keinem Parteimitglied gemacht worden sei, sei die Schwester jetzt zu Hause. Er habe nun die Verantwortung für seine Familie und wolle für sie eine gute Zukunft. Er habe dort keine Zukunft, weil er Kurde und ein Mensch zweiter Klasse sei. Es gebe bald wieder Wahlen, da werde es Unruhen geben. Dies sei der Grund seiner Ausreise. Sonstige Vorfälle habe es nicht gegeben. Er habe die Türkei schon länger verlassen wollen, aber er habe erst jetzt Geld dazu gehabt und habe die Türkei deshalb zum jetzigen Zeitpunkt verlassen. Es gebe keinen aktuellen Grund für seine Ausreise, es sei nichts passiert. Wenn er nun zurückkehre, komme er direkt ins Gefängnis, da er schon einmal nach Europa gereist sei und nun wieder ausgereist sei. Man werde sagen, dass er schlecht über das Land gesprochen hätte und würden ihn deshalb bestrafen. (NS EV 16.04.2021 S 8- 12 (AS 9 ff; BVwG 06.05.2021, L504 2242025-1/8E S 6, 7 (AS 157 ff))

Der Beschwerdeführer gab im Zuge der Einvernahme vor dem BFA auch an, er sei seit 2013 aktiv in der HDP Parteimitglied und habe auch für die Partei Propaganda gemacht und Zeitschriften verteilt und an Veranstaltungen teilgenommen. Er gab dazu jedoch an, dass er wegen der Parteimitgliedschaft kein individuelles Problem gehabt habe. Vom BFA dazu befragt, ob es einen Haftbefehl gebe, gab er an, nein, es bestehe keiner. Er gab am Ende der Einvernahme auch an, den Dolmetscher in der Einvernahme sehr gut verstanden zu haben. (NS EV 16.04.2021 S 8, 10 (AS 9 ff); BVwG 06.05.2021, L504 2242025-1/8E S 6-7 (AS 157 ff))

Der Beschwerdeführer legte bei seiner Einvernahme am 16.04.2021 ein Schreiben der Polizei Istanbul vom 01.04.2021 vor, aus dem sich ergibt, dass der Beschwerdeführer nicht in der Türkei gesucht wird und nach der Anhaltung seine Wertgegenstände zurückbekommen hat und freigelassen wurde. (NS EV 16.04.2021 S 4 (AS 9 ff); AS 23-27)

Mit der Beschwerde zu diesem ersten Antrag wurde – zusammengefasst – darin das im Verfahren vor dem BFA erstattete Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und behauptet, dass der Beschwerdeführer wegen Propaganda, Teilnahme an Veranstaltungen und Mitgliedschaft zur HDP verfolgt werde und bei einer Rückkehr direkt in das Gefängnis komme, da er bereits einmal nach Europa gereist sei und man sagen würde, dass er schlecht über das Land gesprochen habe und er deshalb bestraft werde. Gleichzeitig wurde ein Foto eines vom Beschwerdeführer als „Haftbefehl“ bezeichneten Schreibens vorgelegt (AS 155-156) und dazu vorgebracht, dass dieser in erster Instanz nicht habe vorgelegt werden können, dieser nun vorliege, und das BFA durch gezielte Fragestellung den Haftbefehl hätte ermitteln können. Der Beschwerdeführer habe vom Dolmetscher gewonnen unwohlen Gefühls Angst bekommen und auf Grund des fehlenden Vertrauens seine Asylgründe nicht zur Gänze mitteilen können. (Beschwerdeschriftsatz vom 28.04.2021 zum ersten Antrag auf internationalen Schutz (AS 133 ff))

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete im Verfahren das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer von ihm persönlich erlittenen und ihm bei seiner Rückkehr persönlich drohenden Verfolgung mit näherer Begründung für nicht glaubhaft und führte aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege und eine Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dabei auch im Einzelnen mit dem erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegten Foto eines als „Haftbefehl“ bezeichneten Schreibens auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt, weshalb dieses vom Bundesverwaltungsgericht als falsches bzw. verfälschtes Beweismittel beurteilt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht erstattete dazu auch eine Sachverhaltsdarstellung gemäß § 78 StPO iVm § 293 StGB wegen des Verdachts, dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein falsches oder verfälschtes Beweismittel gebracht wurde. Die vom Bundesverwaltungsgericht in jenem Erkenntnis getroffenen Länderfeststellungen beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 26.01.2021 (Erkenntnis BVwG 06.05.2021, L504 2242025-1/8E S 80-98; 14-80 (AS 157 ff))

1.5 Zum gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz

Mit einem per E-Mail am 07.05.2021 um 15:45 Uhr dem BFA übermittelten Schriftsatz vom selben Tag beantragte der Vertreter für den Beschwerdeführer ohne Angaben zu Fluchtgründen internationalen Schutz und am 10.05.2021 um 10:00 stellte der Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs 1 AsylG vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den nun gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. (AS 277-279; 293)

Zur Begründung gab der Beschwerdeführer bei der folgenden Erstbefragung am 11.05.2021 an, er mache ohne seinen Rechtsanwalt keine Aussage (NS EB 11.05.2021 S 4)

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 17.05.2021 brachte der Beschwerdeführer im Beisein seines Vertreters, eines Rechtsberaters nach dem AsylG sowie eines Dolmetschers für die kurdische und türkische Sprache auf Wunsch des Beschwerdeführers in türkischer Sprache – zusammengefasst – vor, er habe Beweise, dass in seinem Haus und seinem Geschäft türkische Polizisten gewesen seien, sein Vater sei 32 Stunden verhaftet und verhört worden und sie hätten wissen wollen, wo sich dessen Sohn aufhalte. Zu seinem Folgeantrag führe er aus, dass er am 12. April in Österreich gewesen sei und bei seiner Antragstellung keine Beweise gehabt habe. Wenig Tage danach habe er eine Unterlage – einen Haftbefehl – abgegeben, wonach er in der Türkei gesucht werde, doch dieser sei vom Gericht (gemeint: Bundesverwaltungsgericht) nicht akzeptiert worden. Deswegen habe er zum zweiten Mal den Antrag auf internationalen Schutz gestellt und denke, dass jener Haftbefehl nicht genug gewürdigt worden sei und er bitte höflich, dass man dies ausforsche. Sein erster Grund bleibe damit aufrecht. Nach seinem zweiten Antrag, ungefähr fünf Tage später, habe er von seiner Familie erfahren, dass vor ca. 5 Tagen die Polizisten im Haus und Geschäft des Beschwerdeführers gewesen seien und am nächsten Abend sei das Haus des Beschwerdeführers von Polizisten besucht worden. Diesbezüglich habe er schriftliche Dokumente, die er gerne abgeben wolle. Am 14. Mai in der Nacht sei die Polizei bei ihm zu Hause gewesen. Am 13. Mai seien sie im Geschäft, auf der Baustelle gewesen. Die Baustelle und sein Haus seien in XXXX . Er habe nun keine schriftlichen Beweismittel, da Lockdown sei und man nichts besorgen könne. Die Polizei sei bei ihm gewesen, da er aus XXXX sei, das Problem von XXXX kenne man in der ganzen Welt. Er sei immer gegen die Regierung gewesen, von seiner Gesinnung her. Er habe für die kurdische HDP gearbeitet und vom Staat würden Kurden und die Partei als Terroristen eingestuft. Er habe einen Zeugen, dass er für die kurdische Partei gearbeitet habe, der für die HDP im Parlament Abgeordneter gewesen sei und jener habe auch wegen der Unterdrückung das Land verlassen müssen und lebe nun in Deutschland; jener heiße Faysal SARIYILDIZ und diesem sei auch vorgeworfen, ein Terrorist zu sein. Der Vater des Beschwerdeführers habe in der Früh (gemeint am Tag der Einvernahme) mit dem Beschwerdeführer telefoniert. Dem Vater gehe es gut, die Polizisten hätten wissen wollen, wo sich der Beschwerdeführer aufhalte. Das sei es gewesen. Sonst habe der Beschwerdeführer mit niemandem gesprochen. Es bestehe ein Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer, den er im ersten Verfahren beim Gericht (gemeint: Bundesverwaltungsgericht) abgegeben habe. Bei seinem Erstantrag habe er angegeben, dass er seine Familie habe verlassen müssen, doch es sei dokumentiert worden, dass sein Vater die Familie verlassen habe. Er habe auch gesagt, dass er beim Newroz-Fest 2019 durch Polizisten eine Verletzung am rechten Auge erhalten habe, er geschlagen worden sei, doch sei übersetzt worden, dass dies 2009 gewesen sei. Das seien zwei Fehler gewesen. Er mach sich große Sorgen, sein Leben sei in der Türkei in Gefahr. Sein Haus und sein Geschäft bzw seine Baustelle, seien von Polizisten besucht worden. Am 08.01.2021 am Abend um 18:00 Uhr nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause, gleich bei XXXX , vor der Stadt, sei er bei einer Polizeikontrolle verhaftet und für 48 Stunden bei der Polizeiwache geblieben. Er habe dort gefragt, weshalb er verhaftet worden sei und man habe ihm gesagt, er sei nicht verhaftet, er lebe nicht mehr. Zwei Tage lang hätten die Polizisten von ihm wissen wollen, wo zwei seiner Freunde seien. Dies habe ich im ersten Verfahren nicht angeführt; dort sei der Dolmetscher gewesen und der Rechtsanwalt sei nicht anwesend gewesen und er habe sich nicht wohlgefühlt, dies auszusagen. Bei jenem Vorfall in der Türkei sei er nach 48 Stunden entlassen worden. Ungefähr vier Stunden später sei er ins Krankenhaus und er habe dort ein ärztliches Attest wollen, doch er sei darauf hingewiesen worden, das er zuerst zur Polizei und dann ins Krankenhaus. Er hätte dort zuerst einfach alles erzählen sollen. Er sei dort gewesen und habe gesagt, dass er zwei Tage in der Polizeiwache gewesen sei und er habe ein ärztliches Attest wollen, da er geschlagen worden sei. Die Krankenhauspolizei sei bei den Ärzten gewesen und so habe er keinen Arztbrief bekommen. Er habe Verletzungen im Gesicht und hinten bekommen und ihm sei mit der Faust ins Gesicht und am Rücken geschlagen worden. Es seien blaue Flecken gewesen. Die Krankenhauspolizei habe bei der Polizei angerufen und gefragt, ob der Beschwerdeführer zwei Tage dort gewesen sei. Die Polizei habe die jedoch verneint.

Vom Rechtsberater zu seiner Tätigkeit für die kurdische Partei befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe seit sieben Jahren bei Meetings mitgeholfen, Flugblätter ausgeteilt, Leute benachrichtigt und herangezogen, sei aber kein direktes, offizielles sondern nur einfaches Mitglied gewesen. Mit der PKK habe er nichts zu tun, er sei Kurde und kein Terrorist Er sei während seiner Tätigkeit bei der kurdischen Partei ein paar Mal verhaftet worden, er habe die Arbeit geheim gemacht, damit man ihn nicht sehe, er habe sich nicht auffällig machen wollen. Bei Parteimeeting wurde ich von türkischen Polizisten angegriffen.

Der Vertreter des Beschwerdeführers führte aus, dass mit den Verhaftungen wortwörtlich Untersuchungshaft angeführt worden sei und wo der Beschwerdeführer gemeint habe, beim Spital wegen des Attestes gewesen zu sein, sei erklärt worden, dass er nicht offiziell in Untersuchungshaft gewesen sei, es sei keine offizielle Haft gewesen. Der Vater sei 32 Stunden bei der Polizei angehalten worden. Und der Haftbefehl sei im Erstverfahren vom Bundesverwaltungsgericht nicht ausreichend gewürdigt worden, wie das Bundesverwaltungsgericht zu seinem Ergebnis gekommen sei, sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Haftbefehl noch aktuell sei. (NS EV 17.05.2021 S 5 ff (AS 357 ff)

Der Beschwerdeführer legte in der Einvernahme eine schriftliche WhatsApp-Konversation vom 14.05.2021 vor, die laut Beschwerdeführer mit einer Person namens XXXX geführt wurde, sowie laut Beschwerdeführer mehrere mit WhatsApp gespeicherte Tonaufnahmen vom 15.05.2021 von Mitteilungen seiner Mutter, die in der Einvernahme vor dem BFA unter Beiziehung des Dolmetschers in die deutsche Sprache verschriftlicht wurden (NS EV 17.05.2021 S 6-8 (AS 359-363))


1.6 Kein neues Vorbringen, welches einen glaubhaften Kern in Bezug auf die behauptete Bedrohung aufweist

Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren vor dem BFA zur Begründung seines nunmehrigen Antrages kein neues Vorbringen erstattet, welches einen glaubhaften Kern in Bezug auf die von ihm behauptete Bedrohung aufweist.

1.7 Keine entscheidungswesentliche Änderung der Allgemeinen Lage in der Türkei

Eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage in der Türkei seit Eintritt der Rechtskraft des im Verfahren zum ersten Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht erlassenen Erkenntnisses vom 06.05.2021 ist, soweit für den Beschwerdeführer relevant, auch nicht eingetreten.

2. Beweiswürdigung

2.1 Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den vorgelegten Verwaltungsverfahrensakt des BFA und den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.2. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft sowie zu den allgemeinen Lebensverhältnissen in der Türkei, die er im Zuge der Verfahren vor dem BFA gemacht hat (oben 1.1), waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Mangels Vorlage von unbedenklichen Identitätsdokumenten konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht als feststehend erkannt werden.

Seine Ausführungen zu seiner Schulbildung und Ausbildung sowie zu seinen Angehörigen waren insoweit im Wesentlichen kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei, sodass auch dieses Vorbringen als glaubhaft erachtet werden konnte.

2.3 Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt in Österreich seit April 2021 (oben 1.2) ergeben sich aus den seither geführten Verfahren, den unbedenklichen Eintragungen im Zentralen Fremdenregister und im Strafregister der Republik, aus seinen diesbezüglich widerspruchsfreien Angaben.


2.4 Die Feststellungen zum Gesundheitszustand (oben 1.3) des Beschwerdeführers beruhen auf seinem eigenen Vorbringen.

2.5 Die Feststellungen zum ersten Antrag auf internationalen Schutz (oben 1.4) ergeben sich aus den dazu geführten Verwaltungsakten des BFA und den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, welche die dazu geführten Niederschriften und Entscheidungen beinhalten.

2.6 Die Feststellungen zum gegenständlichen Folgeantrag (oben 1.5), beruhen auf den dazu geführten Befragungen und Einvernahmen des Beschwerdeführers und dem angefochtenen Bescheid, welche im vorgelegten Verwaltungsakt des BFA enthalten sind.

2.7 Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren vor dem BFA zur Begründung seines nunmehrigen Antrages kein neues Vorbringen erstattet hat, welches einen glaubhaften Kern in Bezug auf die von ihm behauptete Bedrohung aufweist (oben 1.6), war aufgrund der folgenden Erwägungen zu treffen.

2.7.1 Das BFA erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren als nicht glaubhaft und begründete dies im angefochtenen Bescheid im Rahmen der Beweiswürdigung folgendermaßen (Bescheid 19.05.2021, S 96 ff (AS 472 ff):

Das BFA verwies zunächst darauf, dass der Beschwerdeführer bereits am 07.05.2021 [richtig: 10.05.2021] gestellt hat, obwohl er in der Einvernahme vor dem BFA am 17.05.2021 vorbrachte, erst fünf Tage nach seiner neuerlichen Antragstellung von angeblich neuen Vorfällen – den Besuchen der Polizei an seiner Arbeitsstelle bzw seinem Haus – erfahren habe. Für das BFA ergab sich dadurch der Anschein, dass er den neuerlichen Antrag nur deshalb eingebracht habe, um einer Zurückweisung nach XXXX XXXX zu entgehen.

Das BFA billigte den vom Beschwerdeführer bei der Einvernahme am 17.05.2021 vorgelegten WhatsApp-Kommunikationen – einem schriftlichen Konversationsverlauf sowie mehrere Tonaufnahmen – keine Beweiskraft zu und begründete dies damit, dass man sich aus Gefälligkeiten Nachrichten jeglicher Art schicken lassen könne und der Beschwerdeführer bereits einmal im Erstverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein gefälschtes Beweismittel – einen ge- bzw verfälschten Haftbefehl – vorgelegt habe. Das BFA führte dazu ergänzend aus, dass die Nachrichten am 14.05.2021 und 15.05.2021 auf das Handy des Beschwerdeführers übermittelt worden seien und zwischen der Stellung des Folgenantrages und den „neuen“ Beweisen Tage liegen würden und zumal dem Beschwerdeführer am 14.05.2021 die Ladung zur Einvernahme vor dem BFA übermittelt worden sei, ergebe sich der Anschein, dass sich der Beschwerdeführer eines „Freundschaftsdienstes“ bedient habe und schnell noch irgendwelche „Beweise“ habe vorlegen wollen. Das BFA verwies zudem darauf, dass sich nicht beweisen lasse, ob bei der Sprachnachricht der Mutter die Frauenstimme tatsächlich der Mutter zuzuordnen sei, und für das BFA war es bei dieser Sprachnachricht auffällig, dass die Mutter dabei von einer Festnahme des Vaters des Beschwerdeführers gesprochen habe. Das BFA führte dazu an, dass der Beschwerdeführer noch im ersten Asylverfahren angegeben habe, dass sein Vater die Familie verlassen und eine andere Frau geheiratet habe und das Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Vater nicht gut sei und der Beschwerdeführer damals angegeben hatte, dass der Beschwerdeführer mit der Mutter und seinen Geschwistern im Haus der Großmutter wohnen würde. Das BFA leitete daraus ab, dass nach den damaligen Aussagen der Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Vater gelebt habe und es daher nicht glaubhaft sei, dass die Polizisten im Haus des Beschwerdeführers gewesen seien und den Vater mitgenommen hätten.

Das BFA führte zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er am 08.01.2021 bei einer Polizeikontrolle verhaftet, für 48 Stunden festgenommen und dabei geschlagen worden sei, sowie zu seiner Erklärung, dass er dies im ersten Verfahren deshalb nicht schon angegeben habe, da er sich „unwohl“ gefühlt habe und der Rechtsanwalt damals noch nicht dabei gewesen sei, aus, dass der Beschwerdeführer im Erstverfahren vor dem BFA noch nicht vertreten gewesen sei und zudem eine Person, die wirklich verfolgt werde, alles in der Einvernahme angeben würde. Zudem verwies das BFA, dass der Beschwerdeführer bei der Einvernahme am 16.04.2021 im Erstverfahren noch angegeben hatte, dass er nur ein einziges Mal bei einem Vorfall im Jahr 2009 geschlagen worden sei, er danach noch bei Feiern gewesen sei, ihm aber nichts passiert sei, er nie erwischt worden sei und immer davongelaufen sei, sobald es Unruhen gegeben habe.

Das BFA führte zur Erklärung des Beschwerdeführers in der Einvernahme am 17.05.2021, wonach bei der Einvernahme am 16.04.2021 eine fehlerhafte Übersetzung erfolgt sei und er die Verletzung an seinem Auge nicht 2009, sondern tatsächlich 2019 erlitten habe, aus, dass der Beschwerdeführer bei jener Einvernahme im Erstverfahren dazu angegeben habe, bei jenem Vorfall 13-14 Jahre alt gewesen zu sein. Es könne zwar vorkommen, dass man sich in der Jahreszahl irre, aber dass der Beschwerdeführer angegeben habe, zum Vorfallszeitpunkt 13-14 Jahre alt gewesen zu sein und er bei einem Vorfall im Jahr 2019 bereits 22-23 Jahre alt gewesen wäre, daran hätte er sich erinnern können und sein neuerliches Vorbringen entbehre daher jeglicher Glaubwürdigkeit.

Das BFA verwies des Weiteren darauf, dass sich der Beschwerdeführer nach wie vor auf den im ersten Verfahren mit der damaligen Beschwerde vorgelegten Haftbefehl beziehe und sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 06.05.2021 mit dem Haftbefehl eingehend befasst habe.

Das Bundesamt kam nach diesen Ausführungen zu dem Schluss, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert sei und entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vorliege.

Das BFA ging deshalb auch davon aus, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Türkei keine Bedrohungen, Haft etc drohe und er bei einer Rückkehr in die Türkei mit keinen Problemen zu rechnen habe, zumal er (seinen eigenen Angaben zufolge) auf legalem Wege mit seinem Reisepass die Türkei verlassen habe und es auch keine Hinweise darauf gebe, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Asylantragstellung bei einer Rückkehr mit Schwierigkeiten zu rechnen hätte. Das BFA verwies dabei auf die Begründung des BFA im ersten Verfahrens, wonach der Beschwerdeführer bereits einmal von Serbien aus in die Türkei zurückgewiesen wurde – ohne Probleme gegen seine Person; der Beschwerdeführer habe diesbezüglich im ersten Verfahren Schriftstücke der Flughafenpolizei Istanbul vorgelegt, denen zufolge der Beschwerdeführer nicht gesucht werde und die bereits im ersten Verfahren gewürdigt worden seien.

Das BFA führte schließlich aus, dass der Beschwerdeführer ein junger, arbeitsfähiger Mann sei und bis kurz vor seiner Ausreise auf Baustellen tätig gewesen sei, er im Heimatland über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte verfüge und sich bei einer Rückkehr nicht in einer existenziellen Notlage befinde.

2.7.2 Die Beschwerde bringt – zusammengefasst – vor (siehe Beschwerde 02.06.2021 (AS 491 ff)), der Beschwerdeführer habe als neue Gründe vorgebracht, dass die Polizei in dessen Heimat bei der Arbeitsstelle und in der Wohnung der Eltern nach ihm gesucht habe und er dazu auch Sprachnachrichten seines Freundes XXXX uns seiner Mutter erhalten habe. Der Beschwerdeführer sei Mitglied der HDP und wegen seiner Tätigkeit politisch verfolgt. Der Minister von 2011 bis 2018 der HDP bestätige mit beiliegendem Schreiben, dass der Beschwerdeführer HDP-Wähler und aktiver Mitarbeiter sei und 2015 und 2016 Ausgangssperren erfolgt seien und die Stadt im großem Teil bombardiert und zerstört worden sei. Die Familienwohnung sei 2015 und 2016 gezielt zerstört worden, Fotos davon seien ebenso der Beschwerde beigefügt.


Der Beschwerdeführer habe schon im Erstverfahren Anhaltung angegeben und, dass er dabei geschlagen worden sei und man ihm gesagt habe, dass man ihn kenne. Dass es illegale kriminelle Handlungen durch Mitglieder von Mafiaorganisationen gebe, die in der Staatsgewalt eingesetzt werden, werde vom Mafiaboss „Sedat Peker“ in sozialen Medien sowie in der Süddeutschen Zeitung bestätigt. Gegen den Beschwerdeführer bestehe ein Haftbefehl. Der Haftbefehlt habe erst in der zweiten Instanz vorgelegt werden können und sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer sei von Kindheit an wegen seiner kurdischen Herkunft und politischen Weltansicht Konflikten mit staatlichen Behörden ausgesetzt gewesen.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer, soweit er zur Begründung seines gegenständlichen Folgeantrages Ereignisse anführt, wie seine vorgebrachte HDP-Mitgliedschaft und –Tätigkeit und daraus resultierende Verfolgungshandlungen, die vorgebrachte Zerstörung des Familienhauses im Jahr 2015 und 2016 und die vor seiner Ausreise behaupteten Diskriminierungshandlungen und Verfolgungshandlungen gegen ihn und ebenso die behauptete Erlassung des von ihm bereits im Erstverfahren vorgelegten und als Haftbefehl bezeichneten Schriftstückes, er seinen Folgeantrag damit auf Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Asylantrag mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2021 vorlagen und schon deshalb nicht zu einer neuen Sachentscheidung führen können (VwGH 13.05.2019, Ra 2018/18/0506).

Die Beschwerde führte unter Bezugnahme auf die Beweiswürdigung des BFA aus, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme am 17.05.2021 falsche Übersetzungen aus dem Erstverfahren korrigiert habe. So habe der Beschwerdeführer seine Familie verlassen müssen und nicht der Vater, wie dies im Erstverfahren übersetzt worden sei. Und er habe seine Verletzung während des Newroz-Festes 2019 erlitten und nicht 2009, wie dies im Erstverfahren übersetzt worden sei. Die belangte Behörde gehe immer noch zu Unrecht von 2019 aus. Dazu ist jedoch festzuhalten, dass die bloße Wiederholung eines bestimmten Tatsachenvorbringens in der Beschwerde weder ein substantiiertes Bestreiten der behördlichen Beweiswürdigung noch eine relevante Neuerung dar. (VwGH 20.10.2015, Ra 2015/18/0056). Der Argumentation des BFA, dass der Beschwerdeführer im Erstverfahren angegeben habe, zum Vorfallszeitpunkt 13-14 Jahre alt gewesen zu sein und er bei einem Vorfall im Jahr 2019 bereits 22-23 Jahre alt gewesen wäre und er sich daran hätte erinnern können, ist die Beschwerde nicht entgegengetreten. Auch zeigt sich, dass in der im Erstverfahren erhobenen Beschwerde vom 28.04.2021, die bereits vom gegenwärtigen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erhoben wurde, ebenso jener Vorfall mit 2009 datiert wurde und ebenso wiederholt wurde, dass es der Vater war, der die Familie verlassen hat. (Beschwerde 28.04.2021 S 4 und erneut S 11: „Im Jahr 2009 hat er bei einer Newroz-Feier teilgenommen und die Polizei ist gekommen und sie haben ihn festgenommen.“; vgl auch Seite 11: „als Kind“; Beschwerde 28.04.2021 S 5: „Im Mai 2016 hat mein Vater uns verlassen. Ich war der älteste und musste meine ganze Familie versorgen und arbeite[n] und konnte nicht studieren.“) Wären die vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Folgeverfahren behaupteten Übersetzungsfehler tatsächlich passiert, wäre wohl zu erwarten gewesen, dass diese spätestens in der Beschwerde aufgezeigt und korrigiert worden wären, was jedoch nicht geschehen ist.

Die Beschwerde bringt vor, dass der Haftbefehl im Erstverfahren erst in zweiter Instanz habe vorgelegt werden können und dieser nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Dazu ist festzustellen, dass es sich auch dabei um ein Dokument handelt, dass bereits vor Abschluss des Erstverfahrens vorlag. Zudem erweist sich die Behauptung in der Beschwerde, wonach dieser nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, als unzutreffend: Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im Vorverfahren in seinem Erkenntnis vom 06.05.2021 im Einzelnen mit dem erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegten Foto eines als „Haftbefehl“ bezeichneten Schreibens auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt, weshalb dieses vom Bundesverwaltungsgericht als falsches bzw. verfälschtes Beweismittel beurteilt wurde BVwG 06.05.2021, L504 2242025-1/8E S 93-96), worauf auch vom BFA im gegenständlich angefochtenen Bescheid hingewiesen wurde (Bescheid 19.05.2021, S 100). Das Bundesverwaltungsgericht erstattete dazu auch eine Sachverhaltsdarstellung gemäß § 78 StPO iVm § 293 StGB wegen des Verdachts, dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein falsches oder verfälschtes Beweismittel gebracht wurde. Jenes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2021 wurde auch im Erstverfahren dem gegenwärtigen Rechtsvertreter zugestellt. Das Beschwerdevorbringen, wonach das als „Haftbefehl“ nicht ausreichend berücksichtigt worden sei und die Gründe dafür nicht bekannt seien, erweist sich somit als falsch.

Neu brachte der Beschwerdeführer vor, dass die Polizei in dessen Heimat bei der Arbeitsstelle und in der Wohnung der Eltern nach ihm gesucht habe und er dazu auch Sprachnachrichten seines Freundes XXXX uns seiner Mutter erhalten habe. Wie zuvor dargelegt, billigte das BFA den vom Beschwerdeführer bei der Einvernahme am 17.05.2021 vorgelegten WhatsApp-Kommunikationen – einem schriftlichen Konversationsverlauf sowie mehrere Tonaufnahmen – keine Beweiskraft zu und begründete dies damit, dass man sich aus Gefälligkeiten Nachrichten jeglicher Art schicken lassen könne und der Beschwerdeführer bereits einmal im Erstverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein gefälschtes Beweismittel – einen ge- bzw verfälschten Haftbefehl – vorgelegt habe. Das BFA führte dazu ergänzend aus, dass die Nachrichten am 14.05.2021 und 15.05.2021 auf das Handy des Beschwerdeführers übermittelt worden seien und zwischen der Stellung des Folgenantrages und den „neuen“ Beweisen Tage liegen würden und zumal dem Beschwerdeführer am 14.05.2021 die Ladung zur Einvernahme vor dem BFA übermittelt worden sei, ergebe sich der Anschein, dass sich der Beschwerdeführer eines „Freundschaftsdienstes“ bedient habe und schnell noch irgendwelche „Beweise“ habe vorlegen wollen. Das BFA verwies zudem darauf, dass sich nicht beweisen lasse, ob bei der Sprachnachricht der Mutter die Frauenstimme tatsächlich der Mutter zuzuordnen sei, und für das BFA war es bei dieser Sprachnachricht auffällig, dass die Mutter dabei von einer Festnahme des Vaters des Beschwerdeführers gesprochen habe. Das BFA führte dazu an, dass der Beschwerdeführer noch im ersten Asylverfahren angegeben habe, dass sein Vater die Familie verlassen und eine andere Frau geheiratet habe und das Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Vater nicht gut sei und der Beschwerdeführer damals angegeben hatte, dass der Beschwerdeführer mit der Mutter und seinen Geschwistern im Haus der Großmutter wohnen würde. Das BFA leitete daraus ab, dass nach den damaligen Aussagen der Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Vater gelebt habe und es daher nicht glaubhaft sei, dass die Polizisten im Haus des Beschwerdeführers gewesen seien und den Vater mitgenommen hätten.

Die Beschwerde bringt dazu vor, dass die Identität der Mutter durch Übermittlung eines Identitätsausweises sehr wohl festgestellt werden hätte können und durch eine Vor-Ort-Recherche festgestellt hätte werden können, dass die Mutter und der Freund die Sprachnachrichten gesendet hätten. Die Beschwerde tritt damit jedoch nicht der zentralen Argumentation des BFA entgegen, wonach man sich aus Gefälligkeiten Nachrichten jeglicher Art schicken lassen könne und – im vorliegenden Fall – der Beschwerdeführer bereits einmal im Erstverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein gefälschtes Beweismittel – einen ge- bzw verfälschten Haftbefehl – vorgelegt hat und zudem der Beschwerdeführer im ersten Verfahren noch angegeben hatte, dass der Vater die Familie des Beschwerdeführers verlassen und eine andere Frau geheiratet habe. Bereits zuvor wurde darauf verwiesen, dass noch im Erstverfahren vom Beschwerdeführer durch seinen Vertreter in der Beschwerde bekräftigt wurde, dass der Vater die Familie verlassen habe (Beschwerde 28.04.2021 S 4). Dagegen hat die Beschwerde nichts substantiiert vorgebracht. Mit den Beschwerdeausführungen gelingt es nicht, die Beweiswürdigung des BFA mit Erfolg anzugreifen, da es dafür nicht ausreicht, dessen Feststellungen diesen widersprechende Behauptungen entgegenzustellen (vgl VwGH 01.10.2014, Ra 2014/09/0022).

Mit den Ausführungen in der Beschwerde tritt diese den zuvor dargestellten beweiswürdigenden Erwägungen des BFA im angefochtenen Bescheides zur Begründung der Unglaubhaftigkeit dieser Angaben nicht entgegen (siehe oben 2.7.1), sondern sie wiederholt die vor dem BFA gemachten Angaben des Beschwerdeführers lediglich. Die bloße Wiederholung eines bestimmten Tatsachenvorbringens in der Beschwerde stellt jedoch weder ein substantiiertes Bestreiten der behördlichen Beweiswürdigung noch eine relevante Neuerung dar (vgl VwGH 27.05.2015, Ra 2015/18/0021)

2.7.3 Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher den zuvor dargestellten beweiswürdigenden Argumenten des BFA an, welche von diesem in nachvollziehbarer, schlüssiger und vertretbarer Weise dargelegt wurden und welche mit der Beschwerde in zentralen Punkten nicht entkräftet werden konnten. Angesichts dieser Erwägungen gelangte das Bundesverwaltungsgericht ebenso wie bereits das BFA zur Überzeugung, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Begründung seines Folgeantrages keinen glaubhaften Kern aufweist.

2.8 Die Feststellung, dass die allgemeine Situation in der Türkei – soweit sie den Beschwerdeführer betrifft – seit der Erlassung des Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgericht vom 06.05.2021 im Verfahren zum ersten Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in der Türkei für den Beschwerdeführer nicht geändert hat (oben 1.7), ergibt sich aus den vom BFA im gegenständlichen Verfahren herangezogenen Länderinformationsquellen (Länderfeststellungen im Bescheid vom 19.05.2021, S 20-94) denen der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren vor dem BFA und auch in der Beschwerde nicht substantiiert behauptet, dass sich die allgemeine Lage in der Türkei seit dem 07.05.2021 entscheidungswesentlich geändert habe.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs 1 AVG)

3.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall ist somit das seit der Zustellung an das BFA seit 07.05.2021 08:48:39 Uhr rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2021, L504 2242025-1/8E.

Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides)

3.3 Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass das vom Beschwerdeführer erstmals zur Begründung des gegenständlich zweiten Folgeantrags erstattete neue Vorbringen, die polizeiliche Suche nach ihm im Mai 2021, keinen glaubhaften Kern aufweist.

Soweit der Beschwerdeführer zur Begründung seines gegenständlichen Folgeantrages Ereignisse anführt, wie seine vorgebrachte HDP-Mitgliedschaft und –Tätigkeit und daraus resultierende Verfolgungshandlungen, die vorgebrachte Zerstörung des Familienhauses im Jahr 2015 und 2016 und die vor seiner Ausreise behaupteten Diskriminierungshandlungen und Verfolgungshandlungen gegen ihn und ebenso die behauptete Erlassung des von ihm bereits im Erstverfahren vorgelegten und als Haftbefehl bezeichneten Schriftstückes, er seinen Folgeantrag auf Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Asylantrag mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2021 vorlagen und schon deshalb nicht zu einer neuen Sachentscheidung führen können (VwGH 13.05.2019, Ra 2018/18/0506).

3.4 Mit dem gegenständlich zweiten Antrag auf internationalen Schutz wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache ohne nachträgliche Änderungen der Sachlage und Rechtslage bezweckt, was durch § 68 Abs 1 AVG verhindert werden soll (vgl VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029).

3.5 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird daher abgewiesen.

Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides)

3.6 Durch die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 06.05.2021 im Erstverfahren wurde rechtskräftig darüber abgesprochen, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Türkei kein reales Risiko einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht bzw relevante exzeptionelle Umstände nicht vorliegen. Die Rechtskraft dieser Entscheidung wäre daher nur durchbrochen, wenn der Beschwerdeführer im Folgeverfahren den Beweis des realen Risikos einer derartigen Behandlung bzw des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände erbracht hätte.

3.7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es nach der ständigen Judikatur des EGMR – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art 3 MRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134). Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 MRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 MRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art 3 MRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Derartige Nachweise hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht erbracht. Das Vorbringen einer (nach Abschluss des Vorverfahrens bestehenden) allgemeinen prekären Sicherheits- bzw Versorgungslage in der Türkei reicht nicht; die behauptete Lageänderung war für sich daher von vornherein nicht geeignet, eine maßgebliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts zu bewirken. Besondere, in der Person des Beschwerdeführers (neu) begründete Umstände, die dazu führten, dass gerade bei ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung der Türkei im Allgemeinen – höheres Risiko bestünde, einer dem Art 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen, wurden nicht glaubhaft vorgebracht und sind nicht ersichtlich.


Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den vom im angefochtenen Bescheid getroffenen de Länderfeststellungen zur Lage in der Türkei als gesichert angenommen werden. Es liegen keine aktuellen Hinweise auf das Vorliegen von akut existenzbedrohenden Krankheitszuständen oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Rückverbringung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat vor. Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig. Es ist nicht erkennbar, warum er in eine aussichtslose Lage geraten sollte oder ihm eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte, zumal auch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervorgeht, dass die Lage für alle Personen (ohne Hinzutreten von besonderen Umständen) dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre. Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 26.06.2019, Ra 2019/20/0050). Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass selbst bei einem etwa acht Jahre dauernden inländischen Aufenthalt ein Fremder dadurch nicht gehindert ist, sich wieder eine existenzielle Grundlage im Herkunftsland aufzubauen (VwGH 23.11.2017, Ra 2015/22/0162).

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus: Der Beschwerdeführer gehört zu keiner Risikogruppe (siehe oben 1.6); es besteht daher für den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in die Türkei kein "real risk" einer Verletzung von Art 3 EMRK im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH.

3.8 Es wird daher auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides abgewiesen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.9 Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen ist. Bei der Frage, ob das Prozesshindernis der entschiedenen Sache vorlag, handelt es sich bloß um eine nicht übermäßig komplexe Rechtsfrage (VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0056).

Zu B)

Revision

3.10 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.11 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Folgeantrag glaubhafter Kern Identität der Sache Prozesshindernis der entschiedenen Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L516.2242025.2.00

Im RIS seit

29.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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