TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/12 G308 2142557-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.2021
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Entscheidungsdatum

12.10.2021

Norm

ASVG §58
ASVG §59 Abs1
ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G308 2142557-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ralph FORCHER in 8010 Graz, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark (vormals: Steiermärkische Gebietskrankenkasse), vom 05.08.2016, Zahl: XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der „ XXXX “ für aushaftende Sozialversicherungsbeiträge auf dem Beitragskonten Nr. XXXX und XXXX der Österreichischen Gesundheitskasse gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 58 Abs. 5 und § 83 ASVG in Höhe von EUR 46.795,34 zuzüglich Verzugszinsen im gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gültigen Satz von derzeit 3,38 % p.a. aus dem Betrag von EUR 46.795,19, daher EUR 5.431,60, somit insgesamt in der Höhe von EUR 52.226,94, haftet und verpflichtet ist, diesen Betrag binnen 15 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses an die Österreichische Gesundheitskasse zu zahlen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark (vormals: Steiermärkische Gebietskrankenkasse; im Folgenden: belangte Behörde) vom 05.08.2016 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) als ehemaliger Geschäftsführer der „ XXXX “ (im Folgenden: Primärschuldnerin) der belangten Behörde gemäß § 67 Abs. 10 ASVG in Verbindung mit § 58 Abs. 5 ASVG und § 83 ASVG für aushaftende Sozialversicherungsbeiträge auf den Beitragskonten Nr. XXXX und XXXX der Primärschuldnerin den Betrag von EUR 45.173,06 zuzüglich Verzugszinsen im gemäß
§ 59 Abs. 1 ASVG gültigen Satz von derzeit 7,88 % p.a. ab 05.08.2016 aus dem Betrage von EUR 40.893,92 schulde und verpflichtet sei, diese Schuld binnen 15 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides zu bezahlen.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Primärschuldnerin in ihrer Eigenschaft als Dienstgeberin aufgrund zur Sozialversicherung angemeldeter Dienstnehmer der belangten Behörde die in der beiliegenden Rückstandsaufstellung als integrierender Bestandteil des Bescheides ersichtlichen Sozialversicherungsbeiträge und Nebengebühren für den Zeitraum Oktober 2013 bis Mai 2014 sowie für eine Gemeinsame Prüfung Lohnabhängiger Abgaben (GPLA) in der Höhe von insgesamt EUR 70.162,27 einschließlich Verzugszinsen im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß von 7,88 % p.a. (berechnet bis 04.08.2016) schulde. In diesem Betrag seien die Zahlungen gemäß IESG und die Quote gemäß § 139 IO bereits berücksichtigt. Die ausgewiesene Beitragsschuld habe trotz gerichtlicher Betreibung bei der Primärschuldnerin nicht zur Gänze eingebracht werden können. Über das Vermögen der Primärschuldnerin sei am 09.07.2014 ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dieses sei am 13.05.2016 gemäß § 139 IO rechtskräftig mit einer Quote von insgesamt 9,3266 % aufgehoben worden. Die darüber hinausgehende Forderung der belangten Behörde sei somit als uneinbringlich anzusehen. Der Insolvenzverwalter der Primärschuldnerin habe diese Forderung anerkannt und sei deren Höhe als rechtskräftig entschieden anzusehen. Der BF sei von 28.09.2002 bis zur Insolvenzeröffnung selbstständig vertretungsbefugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Die Haftungsprüfung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG sei anhand der vom BF vorgelegten Unterlagen durchgeführt worden, welche von der belangten Behörde als nachvollziehbar und plausibel beurteilt worden seien. Aufgrund dieser Entlastungsbeweise seien die Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin den darauf erfolgten Zahlungen monatsweise gegenübergestellt und eine Zahlungsquote berechnet worden. Ebenso sei dies für die Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin gegenüber der belangten Behörde vorgenommen worden. Vom ermittelten Haftungsrohbetrag in Höhe von EUR 82.153,01 seien zugunsten des BF die Quote gemäß § 139 IO sowie die auf den Haftungszeitraum entfallende Zahlung gemäß IESG abgezogen worden, sodass sich daraus der gegenständliche Haftungsbetrag wegen Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern von EUR 45.173,06 ergebe.

Der Bescheid samt der – einen integrierenden Bestandteil bildenden – Rückstandsaufstellung vom 05.08.2016 wurde dem BF am 08.08.2016 nachweislich zugestellt.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 05.09.2016, bei der belangten Behörde fristgerecht (Poststempel vom 05.09.2016) einlangend, das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid aufheben.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass der BF aufgrund der konkreten Vorgehensweise der belangten Behörde in seinem Recht auf Parteiengehör gemäß § 45 Abs. 3 AVG verletzt worden sei, da ihm vor Bescheiderlassung nicht die konkreten Ermittlungsergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere nicht die Höhe des Haftungsbetrages und die Berechnungsmethode dargelegt worden seien. Darüber hinaus wurden Begründungsmängel geltend gemacht. Im angefochtenen Bescheid werde nicht nachvollziehbar dargetan, wie sich konkrete Beträge errechnen, die vom Buchungsjournal zeitweise abweichen würden. Weiters leide der angefochtene Bescheid an einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Es sei hervorzuheben, dass der Beitragsrückstand der Primärschuldnerin primär in den Ereignissen der 2014 begründeten GPLA begründet sei. Zwischen der belangten Behörde und der Primärschuldnerin sei die Dienstnehmereigenschaft von Taxifahrern strittig gewesen (§ 4 Abs. 4 ASVG vs. § 4 Abs. 2 ASVG). Man habe sich in der Schlussbesprechung einvernehmlich auf eine Nachversicherung gemäß § 4 Abs. 2 ASVG für die Zeit vor dem 01.01.2014 geeinigt und eine pauschale Nachverrechnung in Höhe von EUR 65.235,98 festgestellt. Ein Antrag auf Ratenzahlung sei in der Folge von der belangten Behörde abgelehnt worden, sodass am 09.07.2014 das Insolvenzverfahren über die Primärschuldnerin eröffnet worden sei, in dessen Rahmen der Insolvenzverwalter die Zahlungen rückwirkend bis inklusive Jänner 2014 angefochten habe. Ein persönliches Verschulden des BF als Geschäftsführer am konkreten Ausfall der belangten Behörde könne dem BF daher nicht zugerechnet werden. Nach Ansicht des BF müsste rechtsrichtig auch beurteilt werden, wie viele Geldmittel im Beurteilungszeitraum insgesamt zur Verfügung gestanden seien und wie viel die belangte Behörde im Verhältnis zu anderen Gläubigern bekommen hätte, wenn die im Beobachtungszeitraum insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel gleichmäßig auf alle Gläubiger verteilt worden wären. Demgegenüber stelle die belangte Behörde aber auf die konkreten Zahlungen bzw. die Zahlungsquoten der übrigen Gläubiger im Bezugszeitraum ab (Zahlungstheorie). Selbst wenn man dieser Rechtsauffassung des BF nicht folge, so habe die belangte Behörde ausgehend vom Erkenntnis des VwGH vom 29.06.2014, 2012/08/0227, eine falsche Berechnung vorgenommen und keinen einheitlichen Beurteilungszeitraum gebildet. Tatsächlich läge nach näherer Darstellung der konkreten Berechnung eine Überzahlung der belangten Behörde in Höhe von EUR 10.713,80 vor.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde vorgelegt und langten dort am 19.12.2016 ein.

Im mit 16.12.2016 datierten Vorlagebericht der belangten Behörde wurde die Verfahrenschronologie wiedergegeben und dann ausführlich die Berechnungen der belangten Behörde dargelegt. Die Haftungssumme verringere sich aufgrund von im Monat Mai 2014 übergangener Zahlungen auf EUR 44.994,05 nach Anrechnung der Quote sowie Zahlungen gemäß IESG.

4. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.12.2016 wurde dem BF die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme zum Vorlagebericht vom 16.12.2016 binnen fünf Wochen eingeräumt.

5. Am 08.02.2017 langte eine mit 06.02.2017 datierte schriftliche Stellungnahme der Rechtsvertretung des BF ein. Fallbezogen wurde im Wesentlichen auf das Beschwerdevorbringen verwiesen. Im Gegensatz zur belangten Behörde, welche sich auf die „Zahlungstheorie“ berufe, sehe der BF die Anwendung der „Mitteltheorie“ als richtig an, um eine allfällige Haftung des BF gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zu beurteilen zu können.

6. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 15.03.2017 wurde die Stellungnahme des BF der belangten Behörde zur Gegenäußerung binnen drei Wochen übermittelt.

7. Am 28.03.2017 langte die Stellungnahme der belangten Behörde vom selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde im Wesentlichen die zum damaligen Zeitpunkt bestehende Rechtsansicht der belangten Behörde sowie die konkrete Berechnung des Haftungsbetrages wiederholt.

8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.02.2019 wurde das Verfahren gemäß §§ 31 Abs. 1, 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) zur Zahl Ra 2016/08/0170 über die Amtsrevision der belangten Behörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.09.2016, G308 2125480-1/7E, ausgesetzt.

Mit Beschluss des VwGH vom 19.08.2020, Ra 2016/08/0170, wurde die Revision zurückgewiesen.

9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes an die belangte Behörde und den BF vom 06.10.2020 wurde gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG die Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens mitgeteilt. Der BF und sein Rechtsvertreter sowie die belangte Behörde wurden zudem auf die Ausführungen im Beschluss des VwGH vom 19.08.2020, Ra 2016/08/0170, sowie im Erkenntnis des VwGH vom 27.04.2020, Ro 2020/08/0001, und die daraus hervorgehende Klarstellung in Bezug auf die Bildung eines Beurteilungszeitraumes sowie die konkrete Berechnung von Haftungsbeträgen gemäß § 67 Abs. 10 ASVG hingewiesen und die belangte Behörde in der Folge ersucht, eine erneute Berechnung der Ungleichbehandlung sowie eines allfälligen Haftungsbetrages entsprechend dieser klarstellenden und aktuellen Rechtsprechung (unter Verweis auf das bereits bestehende Erkenntnis des VwGH vom 29.01.2014, 2012/08/0027) durchzuführen und deren Berechnung dem Bundesverwaltungsgericht binnen vier Wochen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus wurde auch dem BF entsprechendes Parteiengehör eingeräumt.

10. Mit Schriftsatz der Rechtsvertretung des BF vom 19.10.2020, am 20.10.2020 beim Bundesverwaltungsgericht einlangend, beantragte der BF die Fristverlängerung für die Abgabe einer Stellungnahme binnen vier Wochen ab Zustellung der Neuberechnung durch die belangte Behörde.

Dem Antrag wurde seitens des erkennenden Gerichtes entsprochen.

11. Nach Gewährung einer Fristverlängerung langte am 09.12.2020 die neue Berechnung der belangten Behörde entsprechend der Rechtsprechung des VwGH samt einer mit 09.12.2020 datierten Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Demnach reiche die Haftungsperiode von 01.10.2013 bis 31.05.2014, betrage die Haftungsgrenze nunmehr EUR 64.142,76 und ergebe sich, basierend auf den vom BF vorgelegten Entlastungsbeweisen, eine neue Gleichbehandlungsrechnung wie folgt:

Der Stand der Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin gegenüber Dritten habe zum Ende des Beurteilungszeitraumes EUR 39.130,62 betragen. Im Beurteilungszeitraum selbst seien auf Verbindlichkeiten anderer Gläubiger insgesamt EUR 169.882,28 geleistet worden. Der Endstand der Beitragsverbindlichkeiten habe EUR 90.722,04 betragen (darin sei die GPLA 2014 bereits enthalten; gebucht 14.01.2014). Zahlungen an die belangte Behörde seien im Ausmaß von EUR 18.170,26 geleistet worden, wobei im Zuge des Insolvenzverfahrens EUR 3.908,75 davon erfolgreich angefochten worden wären.

Daraus ergebe sich, dass auf Verbindlichkeiten im Beurteilungszeitraum 01.10.2013 bis 31.05.2014 in Höhe von insgesamt EUR 317.955,20 insgesamt Zahlungen in Höhe von EUR 184.143,79 geleistet worden seien. Dies entspreche einer Gesamtzahlungsquote von 57,92 %. Die Sozialversicherungszahlungsquote betrage bei Sozialversicherungsverbindlichkeiten in Höhe von EUR 108.942,30 (Rückstände in Höhe von EUR 90.772,04 und geleistete Zahlungen in diesem Zeitraum von EUR 18.170,26) und Zahlungen in Höhe von EUR 14.261,51 (EUR 18.170,26 abzüglich angefochtene Zahlungen in Höhe von EUR 3.905,75) aber nur 13,09 %, sodass eine Ungleichbehandlung der belangten Behörde in Höhe von 44,82 % im Verhältnis zur Gesamtzahlungsquote bestanden habe. Die Beitragsverbindlichkeiten in Höhe von EUR 108942,30 multipliziert mit 44,82 % ergebe somit einen neuen Haftungsbetrag in Höhe von EUR 48.832,44.

Es werde daher beantragt, die Beschwerde mit der Maßgabe abzuweisen, dass der BF für einen Betrag in Höhe von EUR 48.832,44 zuzüglich Verzugszinsen im Ausmaß von 3,38 % p.a. aus EUR 43.752,50 binnen 15 Tagen zu bezahlen habe.

12. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 04.01.2020 wurde dem BF über seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter die Stellungnahme der belangten Behörde sowie die Neuberechnung des Haftungsbetrages zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs bis spätestens 31.01.2021 übermittelt.

13. Eine Stellungnahme langte am 02.02.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wird zusammengefasst ausgeführt, das „Erkenntnis“ des VwGH zur Zahl Ra 2016/08/0170 vom 19.08.2020 sei wegen der dort erfolgten Zurückweisung der Revision nunmehr nicht mehr als präjudiziell anzusehen.

Das weitere Erkenntnis des VwGH vom 27.04.2020, Ro 2020/08/0001, auf welches das Bundesverwaltungsgericht Bezug genommen habe, behandle lediglich die Frage, wie Zahlungen aus dem Insolvenzverfahren in Zusammenhang mit der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG zu behandeln seien. Gegenständlich sei aber eine ganz andere Rechtsfrage, nämlich, wie die Ungleichbehandlung von Gläubigern im Zuge einer Haftungsprüfung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG rechnerisch konkret zu ermitteln sei. An dieser Stelle werde ausdrücklich auf die Ausführungen in der Stellungnahme des BF vom 07.02.2017 verwiesen. Aus dem Erkenntnis des VwGH vom 27.04.2020 werde aber deutlich, dass – wie vom BF bereits ausgeführt – nach der in seiner Stellungnahme vom 07.02.2017 unter Punkt B.2. dargestellten Rechtsauffassung vorzugehen sei. Dennoch sei gegenständlich nach Ansicht des BF relevant, welche Quote die belangte Behörde zu bekommen gehabt hätte, wenn die tatsächlich vorhandenen finanziellen Mittel auf alle Gläubiger gleichförmig aufgeteilt worden wären („Mitteltheorie“). Dies führe dazu, dass wenn überhaupt gegenständlich ein Schaden von maximal EUR 2.246,49 festgestellt werden könne. Auch dem Grunde nach liege eine Haftung des BF schon deswegen nicht vor, weil er als Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Rahmen der Schlussbesprechung vom 10.01.2014 bei der durchgeführten GPLA die ursprünglich strittige Schuld auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt worden sei (durch einvernehmliche Einigung auf eine Nachversicherung aller betroffenen Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG und der entsprechenden Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen, Anm.), somit eine Novation vorliege und daher eine Haftung des BF als Geschäftsführer ausscheidet, weil ja nur gesetzliche Pflichtverletzungen zur Haftung des Vertreters gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zur Haftung führen würden und durch Novation eine gesetzliche Pflichtverletzung nicht angenommen werden könne.

Es werde beantragt, der Beschwerde stattzugeben.

14. Daraufhin erging seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mit Schreiben vom 11.03.2021 die Aufforderung an die belangte Behörde, näher dargestellte Unklarheiten in ihrer Neuberechnung zu erklären bzw. ergänzende Unterlagen vorzulegen.

15. Die mit 29.03.2021 datierte Stellungnahme der belangten Behörde samt entsprechend korrigierter Neuberechnung des Haftungsbetrages langte am 01.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

16. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.04.2021 wurde die Stellungnahme der belangten Behörde samt korrigierter Neuberechnung vom 29.03.2021 dem BF über seine Rechtsvertretung zum Parteiengehör binnen zwei Wochen übermittelt.

17. Daraufhin langten beim Bundesverwaltungsgericht seitens der Rechtsvertretung des BF mehrere Fristverlängerungsanträge ein, welchen insgesamt bis 06.07.2021 letztmalig entsprochen wurde.

18. Schließlich langte am 07.07.2021 eine mit 06.07.2021 datierte Stellungnahme der Rechtsvertretung des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass eine Rekonstruktion sämtlicher Daten für die Jahre 2013/2014 wegen eines Wechsels der Steuerberatung des BF sowie des Insolvenzverfahrens der Primärschuldnerin nicht gelungen sei. Es werde dennoch auf das bisherige Vorbringen des BF im Verfahren verwiesen. Es sei zu beachten, dass die verfahrensgegenständlichen Sozialversicherungsbeiträge sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht auf konkreten Beiträgen in unmittelbarem Zusammenhang mit konkreten Personen beruhen würden, sondern das Ergebnis eines im Zuge einer GPLA im Nachhinein geschlossenen Vergleiches seien und dem BF daher weder eine „gesetzliche Pflichtverletzung“ noch eine „Schuldhaftigkeit“ iSd § 67 Abs. 10 ASVG angelastet werden könne.

Der Antrag, der Beschwerde stattzugeben, wurde aufrechterhalten.

19. Mit Auskunftsersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.08.2021 wurde die belangte Behörde ersucht, dem Bundesverwaltungsgericht den genauen Kapitalanteil sowie den Anteil an Verzugszinsen des nunmehr errechneten Haftungsbetrages mitzuteilen.

20. Am 02.09.2021 langte die entsprechende Stellungnahme der belangten Behörde vom 31.08.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

21. Die Stellungnahme der belangten Behörde zur Aufteilung des Haftungsbetrages in Kapital- und Verzugszinsenanteil wurde dem BF über seinen Rechtsvertreter mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.09.2021 zur Stellungnahme binnen zwei Wochen übermittelt.

22. Am 28.09.2021 langte die Stellungnahme des BF mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 27.09.2021 ein. Darin wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe den Haftungsbetrag ausgehend von einer 47,94 % Differenzquote von einer Gesamtforderung in Höhe von EUR 108.942,30 mit EUR 52.228,40 falsch errechnet, da sich ein tatsächlicher Betrag von EUR 52.226,93 ergebe.

Außerdem wurde unsubstanziiert ausgeführt, dass eine nunmehrige Splittung des Betrages in Kapitalanteil und Verzugszinsenanteil nicht nachvollziehbar sei. Im Übrigen werde darüber hinaus auf das bisherige Vorbringen verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF vertrat die ehemals zur Firmenbuchnummer FN XXXX eingetragene „ XXXX “ (die Primärschuldnerin) mit Sitz in XXXX seit 28.09.2002 bis 09.07.2014 als deren einziger zur selbstständigen Vertretung befugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer. Ab 10.07.2014 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Insolvenzverfahrens der Primärschuldnerin mit 18.05.2016 wurde die Primärschuldnerin vom Insolvenzverwalter vertreten. Ab 19.05.2016 bis zur amtswegigen Löschung der Primärschuldnerin aus dem Firmenbuch mit 13.07.2016 vertrat wieder der BF die Primärschuldnerin als deren Geschäftsführer (vgl. Firmenbuchauszug zu FN XXXX vom 03.03.2021).

1.2. Über das Vermögen der Primärschuldnerin wurde am 09.07.2014 vor dem Landesgericht für XXXX zur Zahl XXXX ein Konkursverfahren eröffnet, welches mit Beschluss des Konkursgerichtes vom 15.04.2016 rechtskräftig nach der Schlussverteilung aufgehoben wurde. Die belangte Behörde meldete im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin Forderungen in Höhe von EUR 95.960,01 an. In diesem Insolvenzverfahren wurde ein Anfechtungsprozess des Insolvenzverwalters gegen die belangte Behörde geführt, in dessen Folge Zahlungen des BF an die belangte Behörde im Zeitraum Mai 2014 in Höhe von insgesamt EUR 3.908,75 für unwirksam erklärt wurden. Die Insolvenzquote betrug 9,33 % bzw. EUR 9.317,76. Gemäß IESG wurden tatsächlich EUR 26.408,24 bezahlt (vgl. ua. Vorlagebericht vom 16.12.2016; Firmenbuchauszug zu FN XXXX vom 03.03.2021; korrigierte Haftungsneuberechnung der belangten Behörde vom 29.03.2021; darüber hinaus insofern unbestritten).

1.3. Im relevanten Beurteilungszeitraum von 01.10.2013 bis 31.05.2014 ergeben sich zum 31.05.2014 Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen unter Berücksichtigung geleisteter Zahlungen der Primärschulderin von EUR 90.772,04. An Zahlungen leistete die Primärschuldnerin in diesem Zeitraum laut Daten des Bundesrechenzentrums (BRZ) bis zum 31.05.2014 insgesamt EUR 18.170,26, wovon jedoch im Insolvenzverfahren Zahlungen in Höhe von EUR 3.908,75 erfolgreich angefochten wurden (vgl. Berechnung Haftungsbetrag belangte Behörde vom 05.08.2016 samt entsprechender Korrektur vom 01.04.2021; korrigierte Haftungsneuberechnung der belangten Behörde vom 29.03.2021).

Insgesamt betrugen die Forderungen der belangten Behörde im Zeitraum 01.10.2013 bis 31.05.2014 somit EUR 108.942,30 (offene Beitragsverbindlichkeiten zum Ende des Beurteilungszeitraumes von EUR 90.772,04 zuzüglich in diesem Zeitraum geleistete Zahlungen in Höhe von insgesamt EUR 18.170,26).

Die Gesamtforderung in Höhe von EUR 108.942,30 beinhaltet dabei einen Kapitalanteil von 89,6 % und einen Verzugszinsenanteil von 10,4 % (vgl. dazu die Stellungnahme der belangten Behörde vom 31.08.2021 und der sich aus der Aufstellung ergebene rechnerische Kapital- und Verzugszinsenanteil).

Insgesamt leistete die Primärschuldnerin im Zeitraum 01.10.2013 bis 31.05.2014 auf Gesamtverbindlichkeiten (Verbindlichkeiten und Zahlungen an Dritte zuzüglich Verbindlichkeiten und Zahlungen bei der belangten Behörde) in Höhe von EUR 301.715,66 (diese errechnen sich aus fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten in Höhe von EUR 22.891,08 zuzüglich an Dritte im Beurteilungszeitraum geleistete Zahlungen in Höhe von EUR 169.882,28 sowie den bereits dargelegten Gesamtverbindlichkeiten gegenüber der belangten Behörde in Höhe von EUR 108.942,30) Zahlungen in Höhe von EUR 184.143,79 (EUR 169.882,28 an Dritte sowie EUR 14.261,51 (EUR 18.170,26 abzüglich angefochtener Zahlungen in Höhe von EUR 3.908,75)) (vgl. Stellungnahme der belangten Behörde vom 29.03.2021 sowie korrigierte Haftungsneuberechnung der belangten Behörde vom 29.03.2021).

1.4. Die Beitragsrückstände der Primärschuldnerin bei der belangten Behörde beruhen überwiegend auf einer im Jänner 2014 durchgeführten Beitragsprüfung, in deren Rahmen Auffassungsdifferenzen zwischen dem Prüfer der belangten Behörde und der Primärschuldnerin bzw. dem BF als deren Geschäftsführer zur Versicherungspflicht der bei der Primärschuldnerin beschäftigten Taxifahrer hervorgekommen sind. Während diese gemäß
§ 4 Abs. 4 ASVG als freie Dienstnehmer versichert waren, war der Prüfer der Auffassung, es würden tatsächlich Dienstverhältnisse gemäß § 4 Abs. 2 ASVG vorliegen. Die belangte Behörde und die Primärschuldnerin bzw. der BF als deren Geschäftsführer einigten sich auf Versicherungsverhältnisse gemäß § 4 Abs. 2 ASVG und trafen für den Zeitraum vor dem 01.01.2014 eine pauschale Einigung der Nachverrechnung. Ab Jänner 2014 wurden basierend auf einer Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 2 ASVG monatlich Beiträge fällig (vgl. entsprechend übersteinstimmendes Vorbringen beider Parteien; insbesondere auch in der Beschwerde, S 11).

Seitens der belangten Behörde wurde jedoch nicht geprüft, ob hinsichtlich der versicherungspflichtigen Dienstnehmer seitens der Primärschuldnerin bzw. des BF als deren Geschäftsführer ein Meldeverstoß gemäß § 111 ASVG vorlag (vgl. Vorlagebericht der belangten Behörde vom 16.12.2016, S 6 f). Auch wurden die Beitragsrückstände demnach erst mit Jänner 2014 am Beitragskonto belastet und wirkten auch erst ab diesem Monat beitragserhöhend (vgl. angefochtener Bescheid vom 05.08.2016, S 5; Berechnung Haftungsbetrag belangte Behörde vom 05.08.2016 samt entsprechender Korrektur vom 01.04.2021).

Eine Ratenvereinbarung wurde zwischen den Parteien unstrittig nicht getroffen.

1.5. Der Sachverhalt ist zudem im Wesentlichen unstrittig. Strittig sind hingegen die rechtliche Beurteilung zur Haftung des BF dem Grunde und der Höhe nach sowie insbesondere die korrekte Berechnung des Haftungsbetrages.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2. Die Feststellungen in Bezug auf die Primärschuldnerin und deren Insolvenzverfahren sowie die ausschließliche handelsrechtliche Geschäftsführungsbefugnis des BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Firmenbuchauszug sowie dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes. Diese blieben darüber hinaus auch unbestritten.

2.3. Die Feststellungen und Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin in den relevanten Zeiträumen ergeben sich aus der von der belangten Behörde nunmehr neu vorgelegten Berechnung des Haftungsrahmens und Haftungsbetrages zuletzt vom 29.03.2021, welche wiederum ihrerseits auf den vom BF im Ermittlungsverfahren der belangten Behörde schlussendlich selbst vorgelegten rechnerischen Entlastungsnachweisen und vorgelegten Saldenlisten sowie den von der belangten Behörde selbst verzeichneten Zahlungseingängen basieren. In der zugehörigen Stellungnahme vom 29.03.2021 hat die belangte Behörde infolge der entsprechenden Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes eine nachvollziehbare Korrektur eines irrtümlicherweise doppelt herangezogenen Betrages von EUR 16.239,54 sowohl als Zahlung als auch als Rückstand vorgenommen, sodass sich der ausgewiesene Betrag der Verbindlichkeiten bei Dritten zum 31.05.2014 nachvollziehbar auf EUR 22.891,08 reduzierte. Auch hat die belangte Behörde in eben jener Stellungnahme nachvollziehbar dargelegt, warum die in der Aufstellung des BF für Mai 2014 angeführten Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von EUR 88.753,09 (vgl. auch S 3 der Beilage ./4 zum Schreiben des Rechtsvertreters vom 04.07.2016, welche auf Berechnungen des damaligen Steuerberaters des BF bzw. der Primärschuldnerin basieren) da diese eben jene Sozialversicherungsverbindlichkeiten (in Höhe von insgesamt EUR 65.862,01) mitenthalten, die den Verbindlichkeiten bei der belangten Behörde zuzuzählen sind und nicht den Verbindlichkeiten gegenüber Dritten.

Darüber hinaus wurde eine Unrichtigkeit der der Haftungsberechnung zugrundeliegenden Beträge wurde nicht geltend gemacht und liegen seitens des Bundesverwaltungsgerichtes auch keine Hinweise darauf vor, dass diese nicht den Tatsachen entsprechen würden, sodass diese dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegt wurden. Sofern der BF in seiner Beschwerde den Rückstand der Primärschuldnerin gegenüber der belangten Behörde bestreitet, ist auf den Umstand zu verweisen, dass der Insolvenzverwalter diesen im Insolvenzverfahren – nachdem es zu Zahlungsanfechtungen und auch einer Schlussverteilung gekommen ist – offensichtlich anerkannt hat und wirkt dergleichen als Entscheidungssurrogat. Der Rückstand steht somit fest.

Strittig sind im Kern (abgesehen von der Frage des Verschuldens des BF) im Wesentlichen die konkrete Berechnungsmethode des Haftungsbetrages, welche Theorie (Zahlungs- versus Mitteltheorie) anwendbar ist und die Höhe des für die Berechnung der Zahlungsquote der belangten Behörde konkret heranzuziehenden Rückstände. Dabei handelt es sich aber um Rechtsfragen.

Insgesamt ergeben die vorliegenden Tatsachen und Beweise sowie mangelnde gegenteilige Beweise ein Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse. Aus den angeführten Gründen konnte der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Akteninhalt dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.

Darüber hinaus sind Rechtsfragen hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Haftung, der konkreten Berechnung des Haftungsbetrages und des Haftungsrahmens strittig. Diesbezüglich wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Anzuwendendes Recht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 2013/33 idgF. BGBl. I 2018/57, geregelt (§ 1 leg. cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Demzufolge hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde zu überprüfen. Verwiesen wird dabei auf die Bestimmung des § 9 VwGVG, der den Inhalt der Beschwerde beschreibt und hier insbesondere auf Abs. 1 Z 3 und Z 4 leg. cit. Dies betrifft die Angabe der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie das Begehren.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.2. Zur Haftung des BF dem Grunde nach:

3.2.1. Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG haben die Vertreter juristischer Personen, die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen und die Vermögensverwalter (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personengesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegen Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über die Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung.

Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei den „zur Vertretung berufenen“ um die gesetzlichen Vertreter, also um jene, ohne die das vertretene Rechtssubjekt nicht handeln kann, wie sich aus der insoweit ausdrücklichen Beschränkung bei den natürlichen Personen ergibt (VwGH 89/08/0223, ZfVB 1992/1033). Diese Ableitung scheint auch aus Gleichheitsgründen überzeugend (vgl dazu VwGH 94/08/0105, ZfVB 2000/1561 = SVSlg 45.037). Daher haften grds nicht Prokuristen iSd § 53 UGB (VwGH 89/08/0223, ZfVB 1992/1033;94/08/0105, ZfVB 2000/1561 = ARD 5134/35/2000 = SVSlg 45.037) und auch nicht Handlungsbevollmächtigte iSd § 54 UGB (vgl Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 67 ASVG Rz 94 (Stand 01.07.2014, rdb.at)).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (vgl. etwa VwGH vom 21.05.1996, 93/08/0221; vom 29.06.1999, 99/08/0075, uva.) ist die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat (VwGH vom 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).

3.2.2. Fallbezogen ergibt sich daraus:

Der BF war von 28.09.2002 bis 09.07.2014 (Tag der Konkurseröffnung über die Primärschuldnerin) im Firmenbuch unstrittig als einziger vertretungsbefugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer der BF eingetragen. Er ist somit als Geschäftsführer iSd
§ 67 Abs. 10 ASVG anzusehen.

Wesentliche (und primäre) sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs. 10 ASVG ist die objektive (gänzliche oder zumindest teilweise) Uneinbringlichkeit der betreffenden Sozialversicherungsbeiträge beim Primärschuldner. Erst wenn sie feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung nach dieser Bestimmung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (VwGH vom 29.03.2000, 95/08/0140 mit Hinweis auf E 09.02.1982, 81/14/0072, 0074-0077, VwSlg 5652 F/1982, E 16.09.1991, 91/15/0028).

Im konkreten Fall steht fest, dass über die Primärschuldnerin ein Konkursverfahren abgeführt wurde, dieses mit rechtskräftigem Beschluss des Insolvenzgerichtes vom 15.04.2016, nach Schlussverteilung aufgehoben wurde und die Primärschuldnerin bereits mit 13.07.2016 amtswegig gemäß § 40 FBG aus dem Firmenbuch gelöscht wurde. Die objektive Uneinbringlichkeit der aushaftenden Beträge bei der Primärschuldnerin liegt somit vor.

Die Heranziehung des BF als Vertreter der Primärschuldnerin zur Haftung für deren Beitragsschulden im relevanten Zeitraum erfolgte daher dem Grunde nach zu Recht.

3.3. Zur schuldhaften Verletzung der Gleichbehandlungspflicht bzw. Haftung der Höhe nach:

3.3.1. Der rezenten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge (vgl. VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038) wurde durch das SRÄG 2010, BGBl. I Nr. 62, der Anwendungsbereich des § 67 Abs. 10 ASVG dahingehend erweitert (vgl. zur vorangehenden Rechtslage VwGH (verstärkter Senat) 12.12.2000, 98/08/0191, VwSlg. 15528A), dass durch die Einfügung des § 58 Abs. 5 ASVG den dort angeführten Vertretern (u.a. von juristischen Personen) die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen der von ihnen Vertretenen übertragen wurde. Eine Verletzung der diesbezüglichen Pflichten ist daher nunmehr Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (vgl. VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0001). Eine solche die Haftung begründende Pflichtverletzung kann insbesondere darin bestehen, dass der Vertreter die fälligen Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, indem er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trägt (vgl. VwGH 7.10.2015, Ra 2015/08/0040). In subjektiver Hinsicht reicht für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit aus (vgl. VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).

Dieses Benachteiligungsverbot bedeutet zunächst, dass immer dann, wenn andere Forderungen zumindest teilweise erfüllt werden, im entsprechenden Prozentsatz auch die Forderungen des Versicherungsträgers teilweise erfüllt werden müssen (Gleichbehandlung nach der Zahlungstheorie). Daneben wurde in der Rechtsprechung vielfach auch die Auffassung vertreten, dass eine solche anteilige Leistung (zumindest) an den Versicherungsträger stets nach Maßgabe vorhandener Mittel zu leisten ist, und zwar in einem solchen Prozentsatz, der dem Verhältnis der Summe aller Forderungen zur Forderung des Versicherungsträgers entspricht (Gleichbehandlung nach der Mitteltheorie). Der VwGH hat sich in einem Judikat zur Parallelbestimmung in § 25a BUAG zur Zahlungstheorie bekannt (VwGH 2002/08/0213, VwSlg 16.532 A = RdW 2005/491, 444 = ZfVB 2006/1287) und so dem Vertreter die Möglichkeit eröffnet, zur Vermeidung der Verletzung von Gläubigerinteressen entweder die Zahlungen vorübergehend einzustellen, bis der Liquiditätsengpass überwunden ist (sofern darauf ernstlich Aussicht besteht) oder die Zahlungen vor Insolvenzeröffnung dauernd einzustellen und die liquiden Mittel letztlich zur gleichmäßigen Verteilung in der Insolvenzmasse zu belassen, ohne eine Haftung für den Beitragsausfall zu riskieren. Daher muss der Vertreter bei gänzlichem Aushaften von Beiträgen nicht die Mittellosigkeit des D nachweisen (so aber noch VwGH 94/08/0105, ZfVB 2000/1561 = ARD 5134/35/2000 = SVSlg 45.037) (vgl. Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 67 ASVG Rz 116 f (Stand 01.12.2020, rdb.at).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, trifft ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht den Vertreter die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. Stellt er dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen auf, so ist er zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern, wenn auf Grund dessen - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung des Bestehens einer Haftung möglich ist. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht entsprochen hat (vgl. VwGH 26.5.2004, 2001/08/0043; 26.1.2005, 2002/08/0213; 25.5.2011, 2008/08/0169). Der Vertreter haftet dann für die Beitragsschulden zur Gänze, weil ohne entsprechende Mitwirkung auch der durch sein schuldhaftes Verhalten uneinbringlich gewordene Anteil nicht festgestellt werden kann (vgl. VwGH vom 21.09.1999, 99/08/0065; vom 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Gläubigergleichbehandlung liegt dann vor, wenn das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen Verbindlichkeiten, die zu Beginn des Beurteilungszeitraumes bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraumes fällig wurden, unter Einschluss der Zuschlagsverbindlichkeiten (allgemeine Zahlungsquote) dem Verhältnis der in diesem Zeitraum erfolgten Zahlungen auf die Zuschlagsverbindlichkeiten zu den insgesamt fälligen Zuschlagsverbindlichkeiten (BUAK-Zahlungsquote) entspricht. Unterschreitet die BUAK-Zahlungsquote die allgemeine Zahlungsquote, so liegt eine Ungleichbehandlung, hier also eine Benachteiligung der BUAK vor. Es ist sodann der Haftungsbetrag in der Weise zu ermitteln, dass das Verhältnis der Summe aus Zuschlagszahlungen und Haftungsbetrag zu den insgesamt fälligen Zuschlagsverbindlichkeiten der allgemeinen Zahlungsquote entspricht. Zur Berechnung des Haftungsbetrags ist die Differenz aus allgemeiner Zahlungsquote und BUAK-Zahlungsquote mit dem Betrag der insgesamt im Beurteilungszeitraum fälligen Zuschlagsverbindlichkeiten zu multiplizieren bzw. ist - als gleichwertige Methode - die allgemeine Zahlungsquote mit dem Betrag der insgesamt im Beurteilungszeitraum fälligen Zuschlagsverbindlichkeiten zu multiplizieren und sind von diesem Produkt die tatsächlichen Zahlungen auf die Zuschlagsverbindlichkeiten abzuziehen (vgl. VwGH vom 29.01.2014, 2012/08/0227, zur Parallelbestimmung § 25a BUAG, welche nach der Entscheidung des VwGH etwa vom 07.10.2015, Ra 2015/08/0040, genauso für § 67 Abs. 10 ASVG anzuwenden ist).

Zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung im Hinblick auf die am Ende des Beurteilungszeitraumes unberichtigt gebliebenen Verbindlichkeiten hat der Vertreter jedenfalls die insgesamt fälligen Verbindlichkeiten im Beurteilungszeitraum sowie die im Beurteilungszeitraum darauf geleisteten Zahlungen nachvollziehbar darzustellen und zu belegen (vgl. VwGH vom 29.01.2014, 2012/08/0227, zur Parallelbestimmung § 25a BUAG).

Der im Hinblick auf die Gläubigergleichbehandlung zu beurteilende Zeitraum endet spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens; er endet bereits früher mit der Beendigung der Vertreterstellung oder auch mit einer früheren allgemeinen Zahlungseinstellung. Er beginnt mit der Fälligkeit der ältesten zum Ende des Beurteilungszeitraumes – unter Berücksichtigung allfälliger Anfechtungen – noch offenen Zuschlagsverbindlichkeit, wobei für die Ermittlung dieses Zeitraums alle Zuschlagszahlungen ungeachtet allfälliger Widmungen auf die jeweils älteste Forderung zu beziehen sind (VwGH vom 29.01.2014, 2012/08/0227).

Die nach dem Ende des Beurteilungszeitraumes erfolgte Zahlung einer Insolvenzquote hat keinen Einfluss auf die der Ermittlung des Haftungsbetrages zu Grunde zu legenden Verbindlichkeiten und Zahlungen; sie kann nur dazu führen, den tatsächlich eingetretenen Schaden (soweit sich dieser auf bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordene Verbindlichkeiten bezieht), der die äußerste Grenze der Haftung des Vertreters (Haftungsrahmen) bildet, zu reduzieren (vgl. insbesondere VwGH 29.1.2014, 2012/08/0227, Punkt 4.3. der Entscheidungsgründe). Ist also der eingetretene Schaden infolge der Zahlung einer Quote aus dem Insolvenzverfahren letztlich geringer als der errechnete Haftungsbetrag, so vermindert sich die Haftung insoweit, als sie sich auf den tatsächlich eingetretenen Schaden beschränkt. Hingegen gibt es keine rechtliche Grundlage dafür, die bezahlte Insolvenzquote auch dann, wenn der eingetretene Schaden nach deren Abzug noch über dem errechneten Haftungsbetrag liegt, dem Schuldner anteilsmäßig zugutekommen zu lassen; die gegenteilige Ansicht Müllers (Ausgewählte Fragen der Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG, in: Brameshuber/Aschauer (Hrsg), Jahrbuch Sozialversicherungsrecht 2017, 97 (106); Die Vertreterhaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, in: Konecny (Hrsg), Insolvenz-Forum 2016, 185 (201 f)) beruht auf dem Missverständnis, dass nach der soeben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zahlung aus dem Insolvenzverfahren jedenfalls - also auch dann, wenn der Ausfall unter Berücksichtigung dieser Zahlung noch den errechneten Haftungsbetrag übersteigt - und zur Gänze vom Haftungsbetrag abzuziehen wäre) (vgl. VwGH vom 27.04.2020, Ro 2020/08/0001).

Hinsichtlich der Zahlungen des Insolvenz-Entgelt-Fonds kann nichts anderes gelten: Gläubigergleichbehandlung liegt nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (nur) dann vor, wenn das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen Verbindlichkeiten, die zu Beginn des Beurteilungszeitraumes bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraumes fällig wurden, unter Einschluss der Beitragsverbindlichkeiten dem Verhältnis der in diesem Zeitraum erfolgten Zahlungen auf die Beitragsverbindlichkeiten zu den insgesamt fälligen Beitragsverbindlichkeiten entspricht. Spätere Zahlungen - von welcher Seite auch immer - können auf diese Quoten keinen Einfluss haben, sondern nur den tatsächlich eingetretenen Schaden und damit den Haftungsrahmen reduzieren. Die frühere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Zahlungen des Insolvenz-Entgelt-Fonds (beginnend mit VwGH 27.7.2001, 2001/08/0061) bezog sich demgegenüber nur auf Fälle einer Haftung allein wegen Verletzung der Pflicht zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeitragsanteile und nicht auf eine - hier zu beurteilende - Haftung wegen Verletzung der (allgemeinen) Pflicht zur Beitragsentrichtung (vgl. Julcher, Aktuelle Probleme der Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG, in: Pfeil/Prantner (Hrsg), Sozialversicherungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit (2016) 63 (70)) (vgl. VwGH vom 27.04.2020, Ro 2020/08/0001).

3.3.2. Fallbezogen ergibt sich aus der soeben dargestellten Judikatur Folgendes:

Entsprechend der Eintragung im Firmenbuch war der BF im Zeitraum 28.09.2002 bis 09.07.2014 (Tag der Konkurseröffnung über die Primärschuldnerin) alleiniger, selbstständig vertretender, handelsrechtlicher Geschäftsführer. Der Haftungszeitraum erstreckt sich vom ersten fälligen und offenen Beitragsrückstand bis zum letzten offenen Beitragsrückstand bzw. der Insolvenzeröffnung. Beurteilungszeitraum ist demgegenüber jener Zeitraum, in welchem die Gläubigergleichbehandlung zu beurteilen ist (vgl. VwGH Vom 29.01.2014, 2012/08/0227, Punkt 4.5 der Entscheidungsgründe). Im gegenständlichen Fall ist Beurteilungszeitraum der 01.10.2013 bis zum 31.05.2014.

Der BF war von 28.09.2002 bis 09.07.2014 (Tag der Konkurseröffnung über die Primärschuldnerin) im Firmenbuch unstrittig als einziger vertretungsbefugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer der BF eingetragen. Er ist somit als Geschäftsführer iSd
§ 67 Abs. 10 ASVG anzusehen.

Entsprechend der nunmehr vorliegenden, klarstellenden Rechtsprechung des VwGH ist im gegenständlichen Fall nunmehr zum Entscheidungszeitpunkt des erkennenden Gerichtes eine Beurteilung der Gleich-/Ungleichbehandlung der belangten Behörde mit den übrigen Gläubigern der Primärschuldnerin durch den BF wie folgt im Rahmen der Zahlungstheorie vorzunehmen:

Vorweg ist festzuhalten, dass die Fälligkeit bei Nachverrechnungen auf Grund einer Sozialversicherungsprüfung (§ 41a ASVG), die bei geleisteten, sozialversicherungsrechtlich relevanten Zahlungen vom Beitragsschuldner nicht ordnungsgemäß gemeldet wurden, die Fälligkeit dennoch gemäß § 58 Abs. 1 erster Halbsatz ASVG in der im gegenständlichen Zeitraum anzuwendenden Fassung fällig werden (VwGH 89/08/0331). Nachträglich vorgeschriebene Beiträge würden im Fall von Meldepflichtverletzungen daher auch bei einer Nachverrechnung dennoch jeweils am Letzten des Beitragsmonats fällig werden (vgl. auch Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG-Kommentar9 (2018), § 58 ASVG Rz 13).

Im Fall des BF bzw. der Primärschuldnerin wurde das Vorliegen von Meldeverstößen im Rahmen der gegenständlichen GPLA aber gar nicht geprüft (zugunsten des BF bzw. der Primärschuldnerin) und seitens der belangten Behörde die Nachverrechnung der Ergebnisse der Beitragsprüfung erst mit Jänner 2014 vorgenommen. Sofern der BF dazu ausführt, eine Gleichbehandlung wäre ihm aufgrund der rückwirkenden Feststellung der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 2 ASVG der Dienstnehmer der Primärschuldnerin mit der Beitragsprüfung vom Jänner 2014 für Zeiträume vor Jänner 2014 somit gar nicht möglich gewesen, da er ja nicht gewusst habe, dass es zu einer solchen kommen würde, und ihn demnach kein Verschulden an der Ungleichbehandlung treffe, so ist er darauf zu verweisen, dass die Fälligkeit der nachverrechneten Beiträge insgesamt zwar erst mit Jänner 2014 eingetreten ist, von der Primärschuldnerin zwischen Jänner und 31.05.2014 jedoch erhebliche Zahlungen an Dritte, dabei aber kaum Zahlungen an die belangte Behörde geleistet wurden. Unabhängig davon ist es gegenständlich auch unerheblich, wann konkret die Fälligkeit der aushaftenden (nachverrechneten) Beiträge im Beurteilungszeitraum eingetreten sind, da – wie auch der BF vorbrachte – ein Gesamtzeitraum zu bilden ist.

Wie sich aus den Feststellungen und den beweiswürdigenden Erwägungen ergibt, meldete die belangte Behörde EUR 95.960,01 an aushaftenden Sozialversicherungsbeiträgen im am 09.07.2014 eröffneten Insolvenzverfahren über die Primärschuldnerin an, im Laufe dessen Zahlungen an die belangte Behörde in Höhe von EUR 3.908,75 erfolgreich vom Insolvenzverwalter angefochten wurden und somit den angemeldeten Forderungen hinzuzurechnen sind. Davon erhielt die belangte Behörde im Insolvenzverfahren 9,33 % bzw. EUR 9.317,76 als Quote und seitens des IESG tatsächlich in Summe EUR 26.408,24, welche nach der unter Punkt 3.3.1. dargestellten Judikatur von den angemeldeten Forderungen jeweils abzuziehen sind, um den äußersten Haftungsrahmen, daher den tatsächlich bei der belangten Behörde eingetretenen Schaden, zu errechnen.

Der äußerste Haftungsrahmen beträgt gegenständlich somit EUR 64.142,76.

Zum 31.05.2014 bestand bei der Primärschuldnerin insgesamt ein Beitragsrückstand in Höhe von EUR 90.772,04. Bezahlt wurden auf diese aushaftenden Beiträge EUR 18.170,26, sodass sich Gesamtverbindlichkeiten gegenüber der belangten Behörde in Höhe von EUR 108.942,30 ergaben. Da jedoch erfolgte Zahlungen in Höhe von EUR 3.908,75 erfolgreich im Insolvenzverfahren angefochten wurden, sind diese von den geleisteten Zahlungen bei der Berechnung der Zahlungsquote abzuziehen. Die Zahlungsquote der belangten Behörde betrug im Beurteilungszeitraum daher 13,09 % (EUR 14.261,51 * 100 / EUR 108.942,30).

Zum diesbezüglichen Einwand des BF im gegenständlichen Verfahren, dass die belangte Behörde bei der Gleichbehandlungsprüfung fälschlicherweise vom Gesamtbeitragsrückstand im Beurteilungszeitraum ausgegangen sei, tatsächlich aber den geleisteten Zahlungen nur die im Haftungszeitraum neu zur Vorschreibung gelangten Beiträge zu berücksichtigen wären, sodass sich daraus eine viel höhere Zahlungsquote gegenüber der belangten Behörde ergebe, wird auf die bereits unter Punkt 3.3.1. dargestellte Judikatur des VwGH verwiesen, wonach Gläubigergleichbehandlung (nur) dann vorliegt, wenn das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen Verbindlichkeiten, die zu Beginn des Beurteilungszeitraumes bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraumes fällig wurden, unter Einschluss der Beitragsverbindlichkeiten dem Verhältnis der in diesem Zeitraum erfolgten Zahlungen auf die Beitragsverbindlichkeiten zu den insgesamt fälligen Beitragsverbindlichkeiten entspricht (vgl. VwGH vom 27.04.2020, Ro 2020/08/0001).

Demnach sind alle fälligen und noch unberichtigt aushaftenden Beiträge in die Gleichbehandlungsprüfung miteinzubeziehen und ist – entgegen der Ansicht des BF – bei der Berechnung der Zahlungsquote nicht nur auf die im jeweiligen Zeitraum neu anfallenden bzw. eingegangenen, vorgeschriebenen oder fällig gewordenen Beiträge bzw. Verbindlichkeiten abzustellen.

Insgesamt leistete die Primärschuldnerin im Zeitraum 01.09.2014 bis 28.02.2015 auf Gesamtverbindlichkeiten (Verbindlichkeiten an Dritte samt erfolgter Zahlungen zuzüglich Verbindlichkeiten bei der belangten Behörde samt erfolgter Zahlungen) in Höhe von EUR 301.715,66, Zahlungen in Höhe von insgesamt EUR 184.143,79. Die Gesamtzahlungsquote für den Beurteilungszeitraum beträgt somit 61,03 %.

Die Differenz zwischen allgemeiner Zahlungsquote 61,03 % und Zahlungsquote an die belangte Behörde von 13,09 % beträgt somit 47,94 % zu Lasten der belangten Behörde. Es ist daher im Beurteilungszeitraum zum Nachteil der belangten Behörde eine Ungleichbehandlung mit anderen Gläubigern in Höhe von 47,94 % aufgetreten.

Wie sich aus der oben angeführten Judikatur ergibt, sind Quoten- und IESG-Zahlungen nur bei der Bildung des äußersten Haftungsrahmens (= tatsächlich eingetretener Schaden) zu berücksichtigen und kommen dem betroffenen Geschäftsführer nur dann zugute, wenn der errechnete Haftungsbetrag den äußersten Haftungsrahmen übersteigen würde (was gegenständlich nicht der Fall ist). Insofern ist die Geschäftsführerhaftung mit der Höhe des äußersten Haftungsrahmens begrenzt (vgl. dazu noch einmal VwGH vom 27.04.2020, Ro 2020/08/0001, insbesondere Punkte 12. – 14. der Entscheidungsgründe.).

Ausgehend von einer Gesamtforderung der belangten Behörde in Höhe von EUR 108.942,30 beträgt der Haftungsbetrag für den Beurteilungszeitraum daher richtigerweise EUR 52.226,94 (EUR 108.942,30 * 47,94 %; statt den offenbar falsch errechnet EUR 52.228,40) und übersteigt somit den errechneten äußersten Haftungsrahmen mit EUR 64.142,76 nicht, sodass vom Haftungsbetrag weder die Insolvenzquote noch die IESG-Zahlungen abzuziehen sind. Auch sind im Insolvenzverfahren erfolgreich angefochtene Zahlungen bei der Ermittlung der Haftungssumme wegen Gläubigerungleichbehandlung nicht zu berücksichtigen. Zu Gute kommt dem BF die angefochtene Zahlung grundsätzlich insofern, als dadurch der äußerste Haftungsrahmen reduziert wird, was im konkreten Fall jedoch aufgrund des Umstandes, dass der errechnete Haftungsbetrag nicht den äußersten Haftungsrahmen (= tatsächlicher Schaden der Behörde) überschreitet, keine faktischen Auswirkungen für den BF hat.

Es liegt daher im Beurteilungszeitraum die dargestellte Ungleichbehandlung der belangten Behörde und damit auch eine schuldhafte Pflichtverletzung des BF vor.

Die vom BF dargelegte Rechtsansicht zur Berechnung des Haftungsbetrages entspricht im dargestellten Rechenweg (konkret insbesondere des Abzuges der IESG- und Quotenzahlungen vom Haftungsbetrag) nicht der nunmehr geltenden und ausführlich dargelegten Rechtsprechung. Die vom BF dargelegte Berechnung des Haftungsbetrages findet keine Grundlage in der höchstgerichtlichen Judikatur.

3.4. Die Haftung umfasst im Hinblick auf §§ 58 Abs. 5 und 83 ASVG auch die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 59 Absatz 1 ASVG (vergleiche VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038). Daher erfolgte auch der Ausspruch über die Haftung für die aufgelaufenen und noch auflaufenden Verzugszinsen zu Recht.

Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über die Haftung auch für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze. Weil die Pflichtverletzung des Vertreters dafür ursächlich ist, dass der Sozialversicherungsträger die Beitragszahlungen nicht ordnungsgemäß erhalten hat, hat dieser Vertreter auch die (anteiligen) Verzugszinsen als wirtschaftliches Äquivalent für die verspätete Zahlung - wie im vorliegenden Fall - zu tragen (vgl. Derntl a.a.O., § 67 Rz 104a).

Demnach haftet der BF als alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin für bei dieser im Zeitraum 01.10.2013 bis 31.05.2014 insgesamt aushaftenden und uneinbringlichen Beitragsrückständen mit einem Betrag in Höhe von EUR 52.226,94 zuzüglich Verzugszinsen aus dem Betrag von EUR 46.795,34.

Der Kapitalanteil in der Haftung in Höhe von EUR 46.795,34 im Verhältnis zu den Verzugszinsen wurde von der belangten Behörde anhand der Forderungsanmeldung (Kapitalbetrag durch Gesamtbetrag inklusive Zinsen und Nebengebühren) in der Insolvenz ermittelt, sodass Verzugszinsen nur von EUR 46.795,34 des Haftungsbetrages in Höhe von EUR 52.226,94, daher EUR 5.431,60 zu berechnen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden, zumal der Beschwerdeführer zuletzt in der Stellungnahme vom 06.07.2021 einräumte, dass weitere relevante Zahlen oder Buchhaltungsunterlagen nicht mehr hergestellt bzw. beschafft werden könnten. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH zur Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 iVm. § 58 Abs. 5 und § 83 ASVG vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Beitragsrückstand Berechnung Fälligkeit Geschäftsführer Haftung Pflichtverletzung Rückstandsausweis Uneinbringlichkeit Ungleichbehandlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G308.2142557.1.00

Im RIS seit

29.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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