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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Entscheidung der unrichtig zusammengesetzten Landesberufungskommission über ein Arzthonorar aus einem Einzelvertrag hinsichtlich der Notwendigkeit der durchgeführten Krankenbehandlung; Mitwirkung eines nicht der Berufsgruppe der Ärzte angehörenden Beisitzers an der Entscheidung; keine Bedenken gegen die Regelungen über die Zusammensetzung und Kreation der belangten Behörde; keine Bedenken gegen die Regelung über die Notwendigkeit der KrankenbehandlungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird daher aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid der Landesberufungskommission Wien wurde über Antrag der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft wider den Antragsgegner Dr. Zew H. wegen einer Streitigkeit aus dem Einzelvertrag folgender Beschluß gefaßt:
"Die 10 vom Antragsgegner in Rechnung gestellten intravenösen Infusionen, Pos. 13b und 13d, betreffend den Patienten ... im
1. Quartal 1991, sind nicht zu honorieren."
Der Bescheid ist im wesentlichen wie folgt begründet:
"Die AStin begehrte die Feststellung, daß die vom AG verrechneten Sonderleistungen: 'intravenöse Infusion' nicht zu honorieren seien, weil die Applikation des Präparates 'Ulsal Amp.' in Form einer Infusion das Maß des Notwendigen übersteige.
Der AG verwies darauf, daß diese Therapie im Hinblick auf die Persönlichkeit des Patienten zweckmäßig gewesen sei und seiner Therapiefreiheit entspreche.
Gemäß §344 Abs3 ASVG ist wegen Stimmengleichheit bei der Paritätischen Schiedskommission die Zuständigkeit über Verlangen der AStin auf die Landesberufungskommission übergegangen.
Folgender Sachverhalt steht fest:
Der am 23.5.1942 geborene (Patient) ist ein
Kraftfahrzeugwerkstättenunternehmer mit einer
Wochenstundenleistung von durchschnittlich 50 bis 60 Stunden, der
entsprechend nervös ist und unter Streß leidet. Am 19.2.1991
wurde röntgenologisch ein kleines Ulcus ad pylorum und eine
mäßiggradige Schleimhautschwellung von Magen und Zwölffingerdarm
diagnostiziert. ... In der Folge erhielt er vom AG ... (zehn Mal)
... eine intravenöse Infusion ...
Mit einer einmaligen Gabe von ... 1x1 Tablette abends, wird
eine Heilungsrate nach 4 Wochen von mehr als 80 % erreicht. Die Raschheit des Heilungserfolges bei der oralen Therapie, der in diesem Fall der Vorzug zu geben ist, ist durchaus vertretbar und im Zweifelsfalle schneller als bei Infusionen. Die Nebenwirkungen sind erträglich und treten nicht häufiger auf als bei Infusionen, bei denen beispielsweise eine Venenentzündung auftreten könnte.
Durch eine Infusionstherapie wird weder der Prozentsatz der Heilungsrate gesteigert, noch kann die subjektive Schmerzperiode verkürzt werden. Die Infusionstherapie wird nur dann sinnvoll sein, wenn der Patient unfähig ist, zu schlucken oder bei Akutphasen ...
Die Feststellungen gründen sich auf den Akteninhalt und vor allem das Gutachten des med.Sachverständigen ...
Die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung zu den freiberuflich tätigen Ärzten werden durch privatrechtliche Verträge nach Maßgabe der Bestimmungen der §§193 GSVG, 338 ff ASVG geregelt. Der mit dem einzelnen Arzt abgeschlossene Einzelvertrag enthält zwingend gemäß §341 Abs3 ASVG auch den Inhalt des Gesamtvertrages. Daher sind auch die im Gesamtvertrag geregelten Rechte und Pflichten der Vertragsärzte Gegenstand des Einzelvertrages.
Die ärztliche Behandlung ist daher nicht dem Gutdünken des einzelnen Arztes überlassen, soweit sein Rechtsverhältnis zum Sozialversicherungsträger durch Einzelvertrag geregelt ist, sondern muß gemäß dem §133 Abs2 ASVG und §90 Abs2 GSVG entsprechenden §8 Abs2 des Generalvertrages ausreichend und zweckmäßig sein und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Durch freiwillige Unterwerfung unter den Einzelvertrag besteht durch die Verpflichtung zur Vertragstreue eine freiwillige Einschränkung der Behandlungsfreiheit, soweit dies den Vertragspartner betrifft. Die vertragsärztliche Behandlung hat in diesem Rahmen alle Leistungen zu umfassen, die auf Grund der ärztlichen Ausbildung und der dem Vertragspartner zu Gebote stehenden Hilfsmitteln sowie zweckmäßigerweise außerhalb einer stationären Krankenbehandlung durchgeführt werden können. Durch die Krankenbehandlung soll die Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden.
Als wesentlicher Inhalt des Gesamtvertrages bestimmt §342 ASVG u.a., daß die Gesamtverträge eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit enthalten sollen, daß Vorsorge zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Behandlung und Verschreibweise getroffen werden soll.
Entscheidendes Prinzip der Vertragsbeziehung im Honorierungssystem zwischen Ärzten und Sozialversicherungsträger ist die Kostenbegrenzungsregel des §342 Abs3 ASVG als Verpflichtung zur Kostenbegrenzung (Geppert in DRdA 1987, 186 f). Diese hat ihren Niederschlag in dem auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung erlassenen Gesamtvertrag (§8 Abs2 GV) gefunden, welche Bestimmung sich mit §133 Abs2 ASVG s. §90 Abs2 GSVG deckt. Die Krankenbehandlung darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Dies ist nicht nur im Sinne einer ärztlicherseits objektiv vertretbaren ausreichenden und zweckmäßigen Behandlung, sondern auch im Sinne einer objektiv wirtschaftlich vertretbaren Behandlungsweise zu verstehen.
Aus der Beschränkung der Behandlung auf das Maß des Notwendigen ist das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Behandlung abzuleiten (lo ObS 312/92 = JBl 1993, 467). Wenn auch der Patient Anspruch auf eine qualitativ und quantitativ einwandfreie medizinische Behandlung hat, so ist bei wirkungsgleichen diagnostischen und therapeutischen Verfahren das billigere zu wählen (Mazal, Krankheitsbegriff und Risikobegrenzung, 380). Gibt es daher eine medizinisch ausreichende und zweckmäßige bzw. notwendige Behandlung eines Leidens, die kostengünstiger vorgenommen werden kann und als solche genauso erfolgsversprechend ist wie eine kostenungünstigere, aber vielleicht für den Patienten bequemere Methode, so ist im Sinne dieses auch das Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Versicherungsträger prägenden Grundsatzes der Kostenminimierung nur die kostengünstigere Behandlung dem Sozialversicherungsträger gegenüber verrechenbar.
Dies muß umso mehr dann gelten, wenn im Einzelfall einer oralen Therapie gegenüber der Infusionsbehandlung der Vorzug zu geben ist, weil die orale Therapie in den Nebenwirkungen und im Heilungserfolg günstiger und eine Infusionsbehandlung im Einzelfall gar nicht indiziert war, weil ein Akutfall nicht vorlag.
Wenn der Arzt, weil er dem Patienten früher auch schon Infusionen verabreichte, auch im Anlaßfall die vom Patienten gewünschten Infusionen verabreicht, ohne daß sie medizinisch notwendig waren, dann entsprach diese Therapie nicht dem Gebot der Wirtschaftlichkeit.
Die schon durch die Unterwerfung unter den Einzelvertrag eingeschränkte Behandlungsfreiheit wird durch die Kostenminimierungspflicht ansonsten nicht wesentlich eingeschränkt, weil der medizinischen Beurteilung immer ein Spielraum offen bleibt. Der AST konnte daher 'behandeln, wie er wollte und brauchte sich nichts vorschreiben zu lassen', soferne medizinisch diese Behandlung zumindest zweckmäßig war. Es bleibt daher eine ärztliche Entscheidung, ob die Behandlung der Gesamtbetrachtung nach den Kriterien der ausreichenden, zweckmäßigen und notwendigen Krankenbehandlung entspricht. Erst wenn sie diesen Kriterien nicht entspricht, ist sie auch nicht ökonomisch. Ist die medizinische Gleichwertigkeit einer Behandlungsmethode gegeben, dann ist ohne Abwertung des Individuums und unter Wahrung der Humanität die Ökonomie entscheidend, weil dieser Maßstab der Zumutbarkeit der Kostentragung für die Versichertengemeinschaft die ärztliche Behandlungsfreiheit am wenigsten einschränkt und sachlich gerechtfertigt ist. Ansonsten - bei fehlender medizinischer Gleichwertigkeit der Behandlungsmethoden - entscheidet die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der Behandlung bei Verfolgung der Ziele der Krankenbehandlung. Ist die gewählte Therapie nicht zweckmäßig, weil die Nebenwirkungen einer anderen Therapie geringer, die Heilungsrate der anderen Therapie günstiger sind oder die gewählte Therapie medizinisch gar nicht indiziert ist, weil sie nur Akutfällen vorbehalten ist, dann hilft es auch nicht, wenn diese Therapie dem Wunsch des Patienten entspricht, dem der Arzt aus welchen - nicht im medizinischen Bereich liegenden Gründen - auch immer nicht entgegentreten wollte. Medizinische Gründe, die die Infusion gerechtfertigt hätten, kamen nicht hervor (Unfähigkeit zu schlucken, Akutfall). Der Wunsch des AG, sich zu überzeugen, daß der Patient das Medikament auch zu sich nimmt - diese Gewähr wäre bei einer unter seiner Aufsicht stattfindenden Infusion gegeben - entbehrte eines medizinischen Grundes, weil nach der Aussage des Sachverständigen für einen streßgeplagten Menschen eine 40-minütige Infusionszeit auch nicht Entspannung bedeutet und die Behandlungsvariante daher nicht persönlichkeitsbedingt war. Mangelnde Kooperationsbereitschaft eines mündigen Patienten kann kein medizinischer Grund für eine kostenintensivere Therapie sein.
Ist eine Therapie medizinisch nicht zweckmäßig, dann bedingt die mangelnde Honorierung im Rahmen des Einzelvertrages auch keine Beeinträchtigung der Behandlungsfreiheit, weil eine medizinisch gerechtfertigte Wahlmöglichkeit infolge der Unzweckmäßigkeit der gewählten Therapie gar nicht bestand.
Die Kosten der Infusionstherapie entsprechen daher nicht dem Gebot einer ausreichenden, zweckmäßigen und notwendigen Krankenbehandlung.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes sowie die Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit geltend gemacht und die Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1.1. Der Beschwerdeführer behauptet zunächst die Verfassungswidrigkeit des §345 ASVG, weil für die Mitglieder der Landesberufungskommission die nach Art6 EMRK geforderte Unabsetzbarkeit und damit deren Unabhängigkeit nicht garantiert sei; der Bundesminister für Justiz sei berechtigt, als ein Organ der Verwaltung Mitglieder der Landesberufungskommission ihres Amtes zu entheben, was gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung verstoße. Die Mitglieder der Berufungskommission könnten, wenn auch nur aus wichtigen Gründen, ihres Amtes enthoben werden; was einen wichtigen Enthebungsgrund darstelle, sei im Gesetz nicht festgelegt, sodaß §345 ASVG im Zusammenhang mit §346 Abs4 ASVG auch Art18 B-VG widerspreche.
3.1.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Bedenken des Beschwerdeführers gegen §345 und §346 Abs4 ASVG nicht. Er ist jedoch der Auffassung des Beschwerdeführers, daß die Landesberufungskommission den Anforderungen des Art6 EMRK zu entsprechen hat, da die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung zu freiberuflich tätigen Ärzten gemäß §338 Abs1 ASVG durch privatrechtliche Verträge zu regeln sind, und die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten in solchen Angelegenheiten Tribunalen im Sinne des Art6 EMRK vorbehalten ist. Denn dabei geht es, wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Vorjudikatur ausgesagt hat (vgl. zB VfSlg. 11729/1988, 12083/1989), um dem Kernbereich der "civil rights" zuzurechnende zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen. Daß die Landesberufungskommission, wie sie durch die 48. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 642/1989, eingerichtet wurde, den Anforderungen des Art6 EMRK, insbesondere was die gebotene Unparteilichkeit ihrer Mitglieder betrifft, entspricht, hat der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesagt (vgl. zB VfSlg. 12470/1990, VfGH 30.9.1993, B1136/92 und zuletzt am 4. Oktober 1994, B327/94). Der Verfassungsgerichtshof hegt aber auch nicht das Bedenken, daß §345 im Zusammenhang mit §346 Abs4 ASVG in die Unabhängigkeit der Mitglieder eingreife und im Hinblick darauf verfassungswidrig wäre, daß der Bundesminister für Justiz, und damit ein Organ der Verwaltung, berechtigt ist, ein Mitglied der Landesberufungskommission seines Amtes zu entheben. Denn eine solche Amtsenthebung ist nur in den in Z1 bis 4 des §346 Abs4 leg.cit. bestimmten Fällen zulässig. Eine Gefährdung der Unabhängigkeit ist schon deshalb zu verneinen, weil in den zitierten Bestimmungen die Enthebungsgründe hinreichend bestimmt umschrieben sind, sodaß eine Enthebung durch den Bundesminister für Justiz nur bei Vorliegen schlüssiger Gründe zulässig ist; zu Z4 (Beendigung der Berufstätigkeit und Übertritt in den Ruhestand) genügt es weiters, auf das Erkenntnis VfSlg. 11912/1988 zu verweisen, in welchem der Verfassungsgerichtshof eingehend dargelegt hat, daß die Enthebung eines Mitgliedes (damals der Bundesschiedskommission) nach §346 ASVG bei dessen Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben sachlich gerechtfertigt ist; gleiches gilt sinngemäß nach §345 Abs3 leg.cit. auch für die Landesberufungskommission. Unbedenklich erscheinen dem Verfassungsgerichtshof aber auch die Enthebungsgründe der Z1 des §346 Abs4 leg.cit. (Enthebung des Mitgliedes aus dem Richterstand, wenn die Voraussetzungen für seine Berufung nicht gegeben waren), der Z2 des §346 Abs4 leg.cit. (Enthebung eines Mitgliedes bei einer groben Verletzung oder dauernden Vernachlässigung seiner Amtspflicht) sowie der Z3 des §346 Abs4 leg.cit. (Enthebung bei Vorliegen eines Antrages der Österreichischen Ärztekammer oder des Hauptverbandes, weil bei von diesen entsendeten Mitgliedern ein wichtiger persönlicher Grund zur Enthebung vorliegt; ein wichtiger persönlicher Enthebungsgrund wird dann vorliegen, wenn von einem Mitglied entsprechende Umstände (zB dauernde Erkrankung) geltend gemacht werden). Der Verfassungsgerichtshof ist insbesondere auch nicht der Ansicht, daß die in §346 Abs4 ASVG aufgezählten Enthebungsfälle nicht hinreichend determiniert wären und diese Bestimmung deshalb zu Art18 B-VG im Widerspruch stünde; der Verfassungsgerichtshof hegt keine Zweifel, daß im Falle eines Enthebungsbescheides von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts das Vorliegen des Enthebungsgrundes am Gesetz gemessen werden kann.
3.2.1. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, der angegriffene Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Erwerbstätigkeit. Er vertritt die Rechtsansicht, daß der Vorwurf, er hätte das Maß notwendiger Krankenbehandlung überschritten, ihn im genannten Grundrecht verletze. Als Arzt treffe ihn die Rechtspflicht des §22 Abs1 Ärztegesetz auf gewissenhafte Behandlung seiner Patienten. Damit stehe aber das Gebot des §342 Abs2 ASVG (= §193 Abs3 GSVG) im Widerspruch, das eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung normiere. Auch diese Bestimmung verstoße gegen Art18 B-VG.
3.2.2. Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf §133 Abs2 ASVG und §90 Abs2 GSVG, in denen festgelegt ist, daß die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein müsse, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfe. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmungen wurden nicht geltend gemacht und sind aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles im Verfassungsgerichtshof auch nicht entstanden. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen könnte die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf freie Erwerbstätigkeit nur vorliegen, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte. Ein solcher Fall liegt offenkundig nicht vor. Wenn sich der Beschwerdeführer darauf beruft, gemäß §22 Abs1 Ärztegesetz treffe ihn die Rechtspflicht zur gewissenhaften Behandlung seiner Patienten, womit das Gebot des §342 Abs2 ASVG im Widerspruch stehe, so verkennt er die Rechtslage. Die darin getroffene Anordnung - die sich an die Partner der Gesamtverträge als Adressaten richtet -, daß die Gesamtverträge eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit enthalten sollen, ist nämlich nur dahin zu verstehen, daß im Sinne des §133 Abs2 ASVG und §90 Abs2 GSVG die Krankenbehandlung das Maß des Notwendigen nicht überschreiten soll. Das aber steht im Einklang mit §22 Abs1 Ärztegesetz 1984, wonach die gewissenhafte Betreuung der Patienten nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren hat. Die vom Beschwerdeführer - implizit - behaupteten Bedenken gegen §342 Abs2 ASVG treffen, selbst wenn die Bestimmung anzuwenden wäre, somit ebenfalls nicht zu.
3.3. Die Beschwerde ist im Ergebnis jedoch dennoch im Recht.
Wie sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1994, B327/94, ergibt, war die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nämlich nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt. §345 Abs1 ASVG zufolge hat die Landesberufungskommission aus einem Richter des Dienststandes als Vorsitzenden und aus vier Beisitzern zu bestehen. Je zwei Beisitzer müssen von der zuständigen Ärztekammer und dem Hauptverband entsendet sein. Wie im zitierten Erkenntnis vom 4. Oktober 1994, B327/94 eingehend begründet, müssen die Beisitzer, die von der Ärztekammer entsendet werden, ihre Berufstätigkeit ausübende Angehörige des Ärztestandes sein. Aus dem angefochtenen Bescheid und den vorgelegten Administrativakten ergibt sich, daß neben den bei der Wiener Gebietskrankenkasse tätigen Beisitzern Dir. Dr. R P und S K der Landesberufungskommission weiters die von der Ärztekammer genannten Personen Oberrat Dr. H H und Dir. Dr. L M als Beisitzer angehört haben, und daß der letztere (wie sich aus seiner Einberufung als Mitglied der Landesberufungskommission ergibt) Kammeramtsdirektor-Stellvertreter der Ärztekammer für Wien ist und nicht ein die Berufstätigkeit als Arzt ausübender Angehöriger des Ärztestandes. Damit war aber die belangte Behörde nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt.
Der Beschwerdeführer ist daher durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
4. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG; in den Kosten sind S 2.500,-- an Umsatzsteuer enthalten.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Sozialversicherung, Ärzte, Berufsrecht Ärzte, Erwerbsausübungsfreiheit, Krankenversicherung, Tribunal, Kollegialbehörde, BehördenzusammensetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:B1871.1993Dokumentnummer
JFT_10058871_93B01871_00