TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/22 W222 2231003-2

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Veröffentlicht am 22.11.2021
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Entscheidungsdatum

22.11.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W222 2231003-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. OBREGON als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 46, 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am 27.08.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der BF zu seiner Person an, in XXXX , Indien, geboren zu sein und verheiratet zu sein. Seine Muttersprache sei Punjabi in Wort und Schrift, außerdem spreche er Hindi. Er sei Sikh und gehöre der Volksgruppe Punjabi an. Über eine Schul- und Berufsausbildung verfüge er nicht. Er sei zuletzt Hilfsarbeiter gewesen. Im Herkunftsland würden sich der Vater, die Mutter, die Ehefrau sowie zwei Söhne und zwei Schwestern befinden. Er habe zuletzt im Dorf XXXX , Stadt XXXX , Provinz Punjab, gewohnt. Des Weiteren gab er befragt an, immer schon nach Österreich zu wollen. Er habe gehört, dass es in Österreich Sicherheit gebe, Österreich sehr schön sein soll und er habe auch gehört, dass man in Österreich gut leben könne. Er sei vor ca. sechs Monaten mit einem Flugzeug aus Indien legal nach Russland ausgereist sei. Er sei legal aus der Heimat ausgereist. Sein indischer Reisepass sei von einem genannten Passamt ausgestellt worden. Befragt gab er ferner an, mit einem Reisedokument ausgereist zu sein. Zum Verbleib seiner Dokumente gab er an, seinen indischen Reisepass mit einem russischen Visum in Moskau seinem Schlepper gegeben zu haben.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF an, er habe für die Freiheit seiner Landsmänner gekämpft. Sie hätten ein freies und unabhängiges Khalistan wollen. Die Polizei habe ihn deswegen einsperren wollen. Daher habe er sein Land verlassen müssen. Er habe nun alle meine Fluchtgründe genannt. Andere Fluchtgründe habe er nicht. Befragt, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, gab er an, er habe Angst, dass er in Indien von der Polizei eingesperrt werde. Des Weiteren befragt, ob „es konkrete Hinweis, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe droh[e], [gibt]“, ob er „im Falle Ihrer Rückkehr in ihrem Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen [hätte], wenn ja welche“, gab er „Nein“ an. Den Dolmetscher verstehe er und habe er alles verstanden.

Mit Verfahrensanordnung vom 29.08.2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Slowakei angenommen werde.

Mit Aktenvermerk vom 03.10.2019 wurde das Asylverfahren des BF gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt, wurde am selben Tag ein Festnahmeauftrag erlassen, welcher jedoch am 14.10.2019 wieder widerrufen worden ist, da der BF u.a. einen Aufenthaltsort bekannt gegeben habe.

Am 14.10.2019 wurde das Verfahren des BF zugelassen.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge BFA) am 19.11.2019 gab der BF an (allfällige Rechtschreibfehler teilweise korrigiert):

„(…)

F: Die anwesende Dolmetscherin ist als Dolmetscherin für die Sprache Punjabi bestellt worden. Sind Sie dieser Sprache mächtig und damit einverstanden in dieser Sprache einvernommen zu werden?

A: Ja.

F: Sie werden darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und insbesondere auch nicht an Behörden des Herkunftsstaates weitergeleitet werden. Haben Sie das verstanden?

A: Ich nehme dies zur Kenntnis und habe alles verstanden.

F: Gibt es irgendwelche Gründe, die der heutigen Einvernahme entgegensprechen?

A: Nein, es gibt keine Gründe.

F: Werden Sie im gegenständlichen Asylverfahren vertreten?

A: Nein.

F: Wie heißen Sie, wann und wo sind Sie geboren?

A: Hr. XXXX , geb. XXXX , Geburtsort: XXXX , Geburtsland: Indien, StA.: Indien.

F: Wie stellt sich Ihr aktueller Gesundheitszustand dar?

A: Ich bin gesund und leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Manchmal leide ich an Herzschmerzen aber ich habe keine Befunde vorzulegen. Es sind Schmerzen die immer wieder auftauchen und wieder verschwinden. Befragt gebe ich an, dass ich mich in Indien nicht untersuchen ließ und deshalb auch nicht weiß, was ich genau habe.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch heute in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

A: Ja, es ist alles in Ordnung.

F: Entsprechen die Angaben, die Sie bei der Erstbefragung durch die LPD gemacht haben der Wahrheit?

A: Ja.

F: Können Sie Beweismittel – insb. auch heimatliche Personendokumente – in Vorlage bringen?

A: Ich habe keine Beweismittel vorzulegen.

F: Haben Sie einen Reisepass?

A: Mein Reisepass wurde mir vom Schlepper abgenommen.

F: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

A: Ich bin indischer Staatsangehöriger.

F: Wie heißt ihr Vater, wann ist er geboren und wo ist er aufhältig?

A: Mein Vater heißt XXXX , Alter ca. 70, Aufenthalt: XXXX .

F: Wie heißt Ihre Mutter, wann ist sie geboren und wo ist sie aufhältig?

A: Meine Mutter heißt XXXX Alter ca. 65, Aufenthalt: XXXX .

F: Haben Sie Geschwister? Wie viel Geschwister haben Sie?

A: Ja, ich habe zwei Schwestern. Meine Schwestern heißen:

XXXX , ca. 25 Jahre alt, Aufenthalt: XXXX .

XXXX , ca. 27 Jahre alt, Aufenthalt: XXXX .

F: Haben Sie Familienangehörige in Ihrem Herkunftsland zu welchen derzeit Kontakt besteht?

A: Meine Frau lebt mit meinen Eltern zusammen. Es besteht täglich Kontakt via Internet.

F: Sind Ihre Familienangehörigen selbsterhaltungsfähig?

A: Mein Vater übernimmt alle Kosten, er arbeitet in der Landwirtschaft. Es besteht ein gutes Verhältnis zu mir und meinem Vater.

F: Beschreiben Sie bitte die Wohnverhältnisse Ihrer Familienangehörigen im Herkunftsstaat?

A: Wir haben ein Haus, es hat drei Zimmer, alle Familienangehörigen leben in dem Haus.

F: Sind Sie verheiratet?

A: Ja, ich bin mit Frau XXXX , ca. 34 Jahre alt verheiratet. Wir haben traditionell vor ca. 10 Jahren in Indien geheiratet, seitdem leben wir zusammen..

F: Haben Sie Kinder?

A: Ja, ich habe zwei Söhne, meine Söhne heißen XXXX , ca. 8 Jahre alt, und XXXX ca. 2 Jahre alt. Meine Kinder leben mit meiner Ehefrau derzeit in XXXX .

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: Ich bin Punjabi.

F: Welche Religion haben Sie?

A: Sikh.

F: Welche Sprachen sprechen Sie?

A: Meine Muttersprache ist Punjabi, daneben spreche ich noch ein wenig Hindi.

F: Können Sie auf Ihrer Muttersprache lesen und schreiben?

A: Ich kann schreiben und zumindest unterschreiben, ich kann mich auf meiner Muttersprache verständigen.

F: Welche Schul-/Berufsausbildungen haben Sie?

A: Nein, ich ging nicht in die Schule. Ich habe auch keinen Beruf erlernt.

F: Welche Arbeitserfahrung können Sie bisher vorweisen?

A: Ich habe als XXXX in Indien gearbeitet für sechs Jahre.

F: Wie haben Sie Ihren Aufenthalt in Ihrem Herkunftsland bisher finanziert?

A: Ich konnte den Aufenthalt durch die Arbeit als XXXX finanzieren.

F: Wie sieht Ihr Privatleben aus? Was machen Sie in der Freizeit?

A: Eigentlich nichts, ich bin immer frei und allein.

F: Haben Sie bisher einen Deutschkurs mit Deutschprüfung nachweislich absolviert?

A: Nein.

F: Seit wann halten Sie sich im Bundesgebiet auf?

A: Seit der gegenständlichen Asylantragstellung vom 27.08.2019.

F: Gehören Sie in Österreich einem Verein oder einer sonstigen Organisation an?

A: Nein.

F: Wie finanzieren Sie sich den Aufenthalt in Österreich?

A: Ich arbeite als XXXX .

F: Führen Sie in Österreich ein Familienleben bzw. eine familienähnliche Beziehung?

A: Nein. Ich lebe ab und zu bei der XXXX oder bei verschiedenen Freunden.

Anm.: ZMR pos – XXXX .

F: Bestehen zu in Österreich lebenden Personen finanzielle oder sonstige Abhängigkeiten?

A: Nein.

F: Haben Sie weitere Familienangehörige im Bundesgebiet?

A: Nein.

F: Wann haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen? Wann sind Sie in Österreich eingereist? Geben Sie bitte Ihre Reiseroute an!

A: Vor acht bis neun Monaten verließ ich Indien auf legalem Wege, ich bin aus Indien nach Russland geflogen. Danach reiste ich schlepperunterstützt weiter nach Europa und reiste unrechtmäßig am 27.08.2019 in das Bundesgebiet ein.

F: Wie viel hat die Reise gekostet und wie viel haben Sie an den Schlepper bezahlt?

A: 5000 Euro hatte alles zusammen gekostet.

F: Wie konnten Sie die Ausreise finanzieren?

A: Durch den Verkauf in der Landwirtschaft. Mein Vater hat Mais, Reis also Getreide angebaut. Wir haben das dann verkauft und konnten so Geld ansparen. Ich habe auch die Grundstücke in der Landwirtschaft verkauft. Aber nicht alle. Wir haben noch zwei Grundstücke, mein Vater baut dort noch Getreide an und kann mein Vater von den Erlösen leben.

F: Sind Sie mit heimatlichen Gepflogenheiten (Kultur, Tradition, Bräuche, Festtage) vertraut?

A: Ja, das bin ich.

F: Waren Sie seit Ihrer Asylantragstellung in Österreich noch einmal in Ihrem Herkunftsland?

A: Nein.

F: Werden Sie von heimatlichen Behörden, Polizei, Gericht, Staatsanwaltschaft gesucht?

A: Ja.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen weiterhin zu beantworten?

A: Ja.

FLUCHTGRUND

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie mir bitte Ihre Fluchtgründe!

A: Ich bin Aktivist und Unterstützer der Khalestan Bewegung. Wir Punjabis möchten einen eigenen unabhängigen Staat gründen. Wir haben uns das Ziel gesetzt bis 2020 unseren Traum zu verwirklichen. Allerdings ist die indische Regierung dagegen, daher werden alle die die Khalestan Bewegung unterstützen angezeigt, unauffindbar gemacht oder verhaftet. Da mein Leben in Gefahr ist, bin ich von dort geflüchtet.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein. Wenn ich zurückkehre erwartet mich die Haftstrafe. Da ich die Khalestan Bewegung unterstütze und ich dagegen bin, werde ich eingesperrt.

V. Ihr Vorbringen ist vage und unkonkret. Können Sie fundierte Angaben zur Khalestan Bewegung machen bzw. Ihre Aktivisten und Unterstützerrolle näher erklären?

A: Unser Führer der Partei heißt XXXX .

F: Sind Sie Mitglied in der Partei?

A: Nicht offizielles Mitglied aber ich bin Unterstützer.

F: Machen Sie bitte konkrete Angaben zur Partei. Wann wurde die Partei gegründet, und wie sieht das gegenwärtige Parteiprogramm aus?

A: Ich habe mich mit der Partei seit dem Jahr 2011 verbunden.

F: Wiederholung der Frage!

A: Wir wollen ein unabhängiges Khalestan.

F: Wie heißt die Partei im Konkreten?

A: Das weiß ich nicht, ich kenne nur den Führer, er ist unser Führer.

F: Können Sie fundierte Angaben zu den Aktivitäten für ein unabhängiges Khalestan angeben?

A: Wir wollen Khalestan in der Region Punjab gründen.

F: Kennen Sie bekannte Sikh Gruppierungen welche in dieser Region aktiv sind?

A: Ich kenne eine, diese heißt XXXX , so heißt eigentlich der Führer der Gruppierung, aber der Khalestan Bewegung, ich kenne keine konkrete Gruppierung.

F: Was können Sie zur Khalestan Bewegung berichten und welche Rolle haben Sie dabei gespielt?

A: Ich habe für meine Partei geworben, wenn ich auf die Straße gegangen bin, dann habe ich mit Plakaten für unsere Partei geworben.

F: Sie haben in der Erstbefragung angegeben, dass Sie für die Freiheit ihrer Landsmänner gekämpft hatten. Wie sah dieser Kampf im Konkreten aus? Was können Sie darüber erzählen?

A: Ich habe nicht gesagt, dass ich gekämpft hatte, das ist falsch protokolliert worden.

F: Was haben Sie sonst gemacht, wie haben Sie sich eingesetzt?

A: Wir Punjabis, also diejenigen die für die Khalestan Bewegung sind, und dies offziell zugeben, werden vom Staat bzw. von der XXXX verfolgt angezeigt oder eingesperrt.

F: Können Sie konkrete Angaben zur XXXX machen?

A: Es ist eine hinduistische Partei, sie ist gegen die Hikhs, daher werden die Sikhs von den Hindus also von den Anhängern dieser Partei verfolgt.

F: Mehr können Sie mir dazu nicht berichten? Ihre Angaben sind vage und unkonkret!

A: Wie gesagt, wenn wir uns versammelt hatten und Meetings hatte, dann gab es Anschläge.

F: Machen Sie konkrete Angaben zu den Meetings, was wurde dabei inhaltlich besprochen?

A: Wir haben uns Ziele gesetzt. Wir haben darüber diskutiert ob es möglich ist, dass wir mehr Stimmen bekommen.

F: Wie viele Stimmen bräuchten Sie um eine Mehrheit im Parlament zu erlangen bzw. wie sieht die politische Ordnung derzeit aus?

A: Ich habe die Hoffnung, dass Khalestan gegründet wird.

F: Haben Sie weitere Fluchtgründe`?

A: Nein.

F: Gibt es einen Haftbefehl gegen Ihre Person?

A: Es gibt Anzeigen.

F: Können Sie diese heute vorlegen?

A: Ich habe diese nicht bei mir.

F: Waren Sie staatlichen Repressalien ausgesetzt und wenn ja, in welcher Form?

A: Ja war ich, mein Leben war in Gefahr, dass war auch der Grund weshalb ich geflüchtet bin.

V: Sie machen vage und unkonkrete Angaben. Führen Sie bitte detailliert und nachvollziehbar aus!

A: Bevor ich geschlagen oder inhaftiert werden konnte, bin ich geflüchtet. Es gibt jedoch Anzeigen gegen mich.

F: Was können Sie zu den Anzeigen angeben?

A: Es gab Anzeigen gegen mich, dann bin ich geflüchtet.

F: Wiederholung der Frage! Können Sie angeben gegen welche Rechtsgrundlage Sie verstoßen haben?

A: Ich wurde als Landesverräter beschuldigt, eine Art Krimineller, deshalb musste ich mein Land verlassen.

F: Wie konnte Sie dann eigentlich legal Indien mittels Flugzeug verlassen? Ihre Angaben sind nicht nachvollziehbar?

A: Ich bin aus XXXX ausgereist mit der Unterstützung des Schleppers.

F: Seit wann werden Sie durch staatliche Stellen bedroht?

A: 10 Tage vor meiner Ausreise war es äußerst gefährlich, also seit dem Zeitpunkt.

V: Sie gaben doch selbst an, seit 2011 als Unterstützer aktiv gewesen zu sein, warum werden Sie dann erst so spät durch staatliche Stellen verfolgt?

A: Die Wahlen finden demnächst statt, das heißt, dass man alle die für die Khalestan Bewegung sind, verschwinden lassen muss, damit die Wahl schlecht ausfällt und Khalestan nicht gegründet werden kann.

F: Weshalb sollten staatliche Stellen ausgerechnet nach Ihrer Person suchen, Sie besitzen kein fundiertes politisches Wissen und waren als Hilfsarbeiter beschäftigt.

Nehmen Sie bitte konkret Stellung dazu!

A: Das ist ihre Strategie, ihre Taktik damit wir verlieren und sie gewinnen. Alle die für Khalestan einstehen, werden unauffindbar gemacht.

F: Wie geht es Ihrer Familie derzeit in Indien?

A: Sie leben im Dorf, es geht ihnen gut. Befragt gebe ich an, dass sie nicht bedroht werden. Das Problem haben sie mit mir.

F: Können Sie konkret angeben, von wem Sie verfolgt werden?

A: Von der indischen Regierung, die indische Regierung ist das Monster.

V: Ihre Angaben sind äußerst vage und unkonkret. Können Sie mir nähere Angaben zu einer Verfolgung durch staatliche Stellen machen?

A: Wenn wir zum Beispiel für unsere Partei werben, wenn wir zu Familien gehen, und sie bitte ihre Stimme uns zu geben, wird die Polizei informiert und wir werden verjagt und geschlagen.

F: Wurden Sie bisher konkret durch staatliche Stellen bedroht?

A: Ja.

F: Wiederholung der Frage!

A: Immer wenn ich für die Partei geworben hatte, ist die Polizei aufgetaucht und wir wurden mit Schlagstöcken geschlagen und vertrieben.

F: Wurden Sie aufgrund Ihrer Religions- und oder Volksgruppenzugehörigkeit persönlich bedroht bzw. verfolgt?

A: Ich wurde auf Grund meiner Volksgruppe zu den Sikhs und meiner religiösen Gesinnung durch staatliche Stellen verfolgt.

F: Was war für Sie der ausschlaggebende Grund bzw. das fluchtauslösende Ereignis, dass Sie aus Ihrem Herkunftsland ausgereist sind?

A: Auf Grund der Anzeigen, ich habe Angst, dass ich zu Unrecht eingesperrt werden.

V: Weshalb haben Sie die Anzeigen in der Erstbefragung nicht erwähnt?

A: Das habe ich nicht erwähnt, ich hatte Angst hier, ich war neu hier.

F: Sie werden hiermit auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Möchten Sie Ihre Fluchtgründe ergänzen?

A: Nein.

F: Können Sie an einem anderen Ort in Ihrem Herkunftsstaat Unterkunft beziehen?

A: Nein.

F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?

A: Sobald ich in Indien ankomme, werde ich inhaftiert.

F: Wie sorgt Ihr Vater derzeit für die gesamte Familie?

A: Durch die Arbeit in der Landwirtschaft, durch die Grundstücke. Befragt gebe ich an, dass mein Vater alle sechs Monate Geld erhält aus der Arbeit/Saison erhält und lebt von den Ersparnissen die restlichen sechs Monate.

F: Was können Sie alles arbeiten?

A: Ich habe immer als XXXX gearbeitet und könnte auch jetzt als XXXX arbeiten.

Anm. Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderfeststellungen des BFA zu Indien Einsicht und Stellung zu nehmen. Die Feststellungsunterlagen werden Ihnen gegebenenfalls vom Dolmetscher vorgelesen! Möchten Sie das?

A: Nein, danke.

F: Hatten Sie ausreichend Zeit und Gelegenheit Ihr Anbringen vorzutragen?

A: Ja.

F: Konnten Sie sich während der Einvernahme konzentrieren?

A: Ja.

F: Wie haben Sie die Dolmetscherin verstanden? Vom Inhalt, als auch von der Sprache?

A: Ja.

F: Möchten Sie noch etwas angeben? Haben Sie noch Fragen zu Ihrem Asylverfahren?

A: Nein, danke.

F: Möchten Sie eine Kopie der Niederschrift übernehmen?

A: Ja.

(…)“

Mit der als „Bescheid“ titulierten Erledigung des BFA vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Schließlich wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2021 zur Zahl W169 2231003-1 gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen, da – im Wesentlichen – die dem BF zugegangene sonstige Ausfertigung im Sinne des § 18 Abs. 4 dritter Satz AVG der Erledigung des BFA vom XXXX weder eine Unterschrift des Genehmigenden noch eine Kanzleibeglaubigung aufgewiesen habe. Der von der belangten Behörde intendierte Bescheid sei als noch nicht erlassen anzusehen. Mangels Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung sei somit die dagegen erhobene Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz des BF sei nach wie vor beim BFA anhängig.

In der Folge wurde der BF erneut vom BFA am 22.07.2021 niederschriftlich einvernommen. Die Einvernahme gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt (allfällige Rechtschreibfehler teilweise korrigiert):

„(…)

F: Der anwesende Dolmetscher ist als Dolmetscher für die Sprache Punjabi bestellt worden. Sind Sie dieser Sprache mächtig und damit einverstanden in dieser Sprache einvernommen zu werden?

A: Ja.

F: Sie werden darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und insbesondere auch nicht an Behörden des Herkunftsstaates weitergeleitet werden. Haben Sie das verstanden?

A: Ich nehme dies zur Kenntnis und habe alles verstanden.

F: Gibt es irgendwelche Gründe, die der heutigen Einvernahme entgegensprechen?

A: Nein, es gibt keine Gründe.

F: Werden Sie im gegenständlichen Asylverfahren vertreten?

A: Ja, durch den Migrantinnenverein St. Marx. Ich bin einverstanden ohne meine Vertretung heute einvernommen zu werden, da diese anderweitig im Einsatz ist.

F: Wie heißen Sie, wann und wo sind Sie geboren?

A: Herr XXXX , StA.: Indien, Geburtsland: Indien.

F: Wie stellt sich Ihr aktueller Gesundheitszustand dar?

A: Ich bin gesund und leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch heute in der Lage, die gestellten Fragen zu beantworten?

A: Ja, es ist alles in Ordnung.

F: Entsprechen die Angaben, die Sie bei der Erstbefragung durch die LPD gemacht haben der Wahrheit?

A: Ja.

F: Können Sie Beweismittel – insb. auch heimatliche Personendokumente – in Vorlage bringen?

A: Nein.

F: Haben Sie einen Reisepass?

A: Ja, der Reisepass wurde sichergestellt.

F: Sie wurden zuletzt am 19.11.2019 beim BFA einvernommen. Mit Bescheid des BFA vom XXXX XXXX wurde Ihr Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung gegen Ihre Person erlassen und die Abschiebung nach Indien für zulässig erklärt. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2021 wurde Ihre Beschwerde gegen den Bescheid des BFA als unzulässig zurückgewiesen, dabei wurde angeführt, dass es sich bei dem Bescheid des BFA um keinen richtigen Bescheid in diesem Sinne handeln würde. Ihr Verfahren ist demnach immer noch beim BFA anhängig. Haben Sie dies verstanden?

A: Ich habe alles verstanden.

F: Hat sich seit der letzten Einvernahme vom 19.11.2019 etwas an Ihrem Privat- und Familienleben geändert?

A: Nein.

F: Seit wann leben Sie durchgehend in Österreich?

A: Seit 27.08.2019, dem Tag meiner Asylantragstellung.

F: Haben Sie eine Deutschprüfung nachweislich absolviert bzw. auf welchem Niveau sind Ihre Deutschkenntnisse?

A: Ich habe keine Deutschprüfung absolviert, Deutsch kann ich nicht, nur Punjabi.

F: Sind Sie Mitglied eines Vereins oder einer Organisation in Österreich?

A: Nein.

F: Haben Sie Familienangehörige in Österreich?

A: Nein.

F: Möchten Sie zu Ihrem Privat und Familienleben weiter Stellung nehmen?

A: Nein.

F: Bestehen seit der letzten Bescheiderlassung vom XXXX irgendwelche Nachfluchtgründe Ihren Herkunftsstaat Indien betreffend, die Sie nunmehr anführen möchten?

A: Es gibt keine neuen Fluchtgründe, ich habe bereits alles in der letzten Einvernahme beim BFA erzählt.

F: Möchten Sie Ihre Angaben ergänzen?

A: Nein.

F: Sie werden hiermit auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Haben Sie weitere Fluchtgründe?

A: Nein.

Anm. Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderfeststellungen des BFA zu Afghanistan Einsicht und Stellung zu nehmen. Die Feststellungsunterlagen werden Ihnen gegebenenfalls vom Dolmetscher vorgelesen! Möchten Sie das?

A: Nein, danke.

F: Hatten Sie ausreichend Zeit und Gelegenheit Ihr Anbringen vorzutragen?

A: Ja.

F: Konnten Sie sich während der Einvernahme konzentrieren?

A: Ja.

F: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden? Vom Inhalt, als auch von der Sprache?

A: Ja, ich habe alles gut verstanden.

F: Möchten Sie noch etwas angeben? Haben Sie noch Fragen zu Ihrem Asylverfahren?

A: Nein.

F: Möchten Sie eine Kopie der Niederschrift übernehmen?

A: Ja.

(…)“

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 22.07.2021 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, die Behauptungen des BF bezüglich seiner Fluchtgründe, wonach er in Indien aufgrund seiner politischen Gesinnung verlassen hätten, würden für unwahr erachtet werden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie der Religionszugehörigkeit als Sikh asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. diese künftig zu befürchten hätte. Es sei davon auszugehen, dass der BF bei einer Rückkehr nach Indien nicht in eine Notlage entsprechend Art. 2 bzw. Art 3 EMRK gelange. Ein Familienleben in Österreich habe nicht festgestellt werden können und bestünden keine substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens. Des Weiteren wurden durch das BFA Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, die vom BF vorgebrachte befürchtete Verfolgung durch staatliche Stellen in Indien sei auf die Khalistan-Bewegung zurückzuführen. Diesbezüglich seien dem BF konkrete Fragen zu mehreren Themenschwerpunkten (Khalistan-Bewegung, allgemeine politische Kenntnisse, persönliche Verfolgung, Haftbefehl/Anzeigen) gestellt worden. Das behauptete Fluchtvorbringen habe sich in einer Gesamtbeurteilung als nicht glaubhaft erwiesen, da der BF in der Einvernahme zu wesentlichen Punkte lückenhafte und unplausible Angaben gemacht habe. Dem BF sei es nicht gelungen, sein Vorbringen zu konkretisieren und seien seine Angaben, befragt, hinsichtlich der persönlichen Aktivität und der angeblichen Unterstützerrolle der Khalistan-Bewegung vage und unkonkret gewesen. Auch hätten die staatlichen Stellen kein besonderes Interesse an der Person des BF, zumal seine politischen Kenntnisse nicht über das elementare Grund- bzw. Allgemeinwissen hinausgehen würden. Der BF habe weder zur Khalistan-Bewegung noch zur politischen Ordnung in Indien fundierte Angaben machen können. Betreffend die staatliche Verfolgung habe der BF, neben äußerst unpräzise Angaben, weder relevante Beweismittel zu angeblichen Anzeigen vorlegen können, noch nachvollziehbar darlegen können, wie es ihm gelungen wäre, legal aus Indien auszureisen. Insgesamt lasse sich aufgrund seiner unkonkreten und unschlüssigen Angaben aus der Einvernahme nicht erkennen, dass er in Indien Verfolgung durch staatliche Stellen ausgesetzt gewesen sei oder diese zukünftig zu befürchten hätte. Hinsichtlich der Refoulement-Prüfung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der BF sei ein volljähriger, gesunder, erwerbsfähiger und arbeitswilliger Mann, der in Indien aufgewachsen sei und dort auch über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte verfüge. Er verfüge über eine langjährige Arbeitserfahrung und sei es ihm möglich gewesen, seine Existenz vor der Ausreise zu sichern. Ein reales Risiko, dass der BF im Falle der Rückkehr in eine ausweglose Situation zu gerate, bestehe nicht. Auch aus den sonstigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher gemäß § 8 AsylG zur Gewährung von subsidiärem Schutz führe, ergeben. Ein Privat- und Familienleben, das einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertige, sei nicht hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF im Wege seiner gewillkürten, im Spruch genannten Rechtsvertretung am 03.09.2021 fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen, nach Anführung des Fluchtvorbringens, vor, angebliche Divergenzen beim BFA gegenüber der polizeilichen Erstbefragung, würden sich als eine Präzisierung der bereits vorgebrachten Fluchtgründe darstellen. Das BFA habe es unterlassen, weitere Ermittlungen zu den Fluchtgründen des BF zu tätigen. Der BF habe in seinen Angaben genaue Zeit- und Ortsangaben gemacht, habe die Ereignisse chronologisch konsistent inklusive Erklärungen über sämtliche relevante Personen sowie auch scheinbar nebensächlichen Detailangaben geschildert. Die Behauptung des BFA, die Erklärungen des BF seien nicht erlebnisnahe gewesen, seien daher angesichts des Protokolls nicht nachvollziehbar, insbesondere in Hinblick auf seinen Bildungsgrad erklärlich. Der BF sei in seinen Wahrnehmungen aufgrund der Unübersichtlichkeit der Ereignisse überfordert gewesen, zumal dies natürlich auch traumatisierend gewesen sei. Dass jemand wie der BF den genauen Verlauf der Ereignisse nicht schildern könne, wäre ihm hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit allenfalls anzurechnen gewesen, da Asylwerber in der Einvernahme stets dazu angehalten würden, nichts dazu zu erfinden oder zu spekulieren, sondern zuzugeben, wenn sie über bestimmte Dinge keine Erinnerungen hätten. Die Angaben des BF würden genau dem entsprechen, was von jemanden in einer solchen Situation zu erwarten sei. Allein rückwirkend aus dem Überleben des BF und seiner gelungenen Flucht die Schlussfolgerung zu ziehen, er könne keiner Verfolgung unterlegen sein, würde das gesamte Asylrecht ad absurdum führen. Der BF habe ebenso durchaus angeführt, dass die Verfolgungshandlungen bis zur Flucht angedauert hätten und was die Gründe dafür gewesen seien. Hervorzuheben sei, dass die politisch motivierte Verfolgung, der der BF ausgesetzt gewesen sei, gerade auch von den indischen Behörden ausgegangen sei. Er habe erklärt, keinen Schutz von den indischen Behörden erhalten zu können, und sein Vorbringen hätte daher inhaltlich geprüft werden müssen. Sein Vorbringen sei durch Länderberichte belegt. Unzutreffend sei auch die Behauptung, in Indien gäbe es immer und für jeden eine innerstaatliche Fluchtalternative. Im Übrigen sei allenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren, zumal eine katastrophale Sicherheitslage bestehe und der BF einer hoffnungslosen Situation in Indien ausgesetzt wäre. Ein soziales Auffangnetz in der Heimat bestehe nicht mehr und könnten auch jüngere Leute lebenslange gesundheitliche Probleme von einer Infektion mit COVID-19, auch angesichts der diesbezüglichen unzureichenden medizinischen Infrastruktur in Indien, davontragen. Das Privat- und Familienleben des BF sei durch das BFA nur unzureichend berücksichtigt worden.

Am 01.10.2021 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Indien und wurde in Distrikt XXXX , Punjab, Indien geboren. Er ist Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der „Punjabi.“ Der BF ist traditionell verheiratet und hat zwei Söhne. Neben der Ehefrau und seinen Söhnen leben noch seine Eltern sowie zwei Schwestern in Indien. Seine Muttersprache ist Punjabi, die er in Wort und Schrift mächtig ist. Weiters spricht der BF ein wenig Hindi. Er verfügt über keine Schulbildung und hat auch keine Berufsausbildung absolviert. In Indien hat er sechs Jahre als XXXX gearbeitet.

Im Bundesgebiet verfügt der BF über keinerlei Familienangehörige, er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF die deutsche Sprache beherrscht oder sich sozial engagiert. Intensive sonstige soziale Kontakte im Bundesgebiet konnten nicht festgestellt werden. Der BF ist weitgehend gesund und arbeitsfähig.

Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Der BF ist mit dem Flugzeug aus Indien ausgereist und hat am 27.08.2019 im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

COVID-19

Letzte Änderung: 21.05.2021

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Menschen mit Beeinträchtigungen sind von coronabedingten Maßnahme wie Abriegelungen und sozialen Distanzierungen besonders betroffen. Der Zugang zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Gütern und der Ausübung sozialer Distanzierung, insbesondere für diejenigen, die persönliche Unterstützung für Aufgaben des täglichen Lebens erhalten (HRW 13.1.2021). Während der ersten Wochen der COVID-19 Pandemie, wurden Muslime für die Verbreitung des Coronavirus, auch von

Vertretern der Regierungsparteien verantwortlich gemacht (FH 3.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit COVID registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Die Lage in Indien, dass mit Bezug auf das Infektionsgeschehen (neben den USA und Brasilien) zu den am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Ländern weltweit zählt, hat sich gegenüber dem Sommer 2020 mit damals fast 100.000 Neuinfektionen pro Tag inzwischen etwas entspannt. Es erkranken offiziellen Angaben zufolge nach wie vor etwa 40.000 Menschen täglich am Virus. In den Ballungszentren kann die medizinische Versorgung weitestgehend aufrecht erhalten werden (GTAI 3.12.2020). Indiens Wirtschaft wurde durch die COVID19-Pandemie stark beeinträchtigt (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Das Land rutschte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020-21 erstmals in eine wirtschaftliche Rezession

(PRC 18.3.2021). Es wird allgemein erwartet, dass das Land ab 2021 zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren wird (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Nach dem zweimonatigen harten Lockdown im Frühjahr 2020 hat die indische Regierung das öffentliche Leben im Rahmen ihrer Unlock-Strategie schrittweise wieder hochgefahren. Die Bundesstaaten und Unionsterritorien haben dabei weitreichendere Entscheidungsbefugnisse, welche Lockerungen sie umsetzen und welche nicht. Mit den bestehenden Einschränkungen sollen vor allem Superspreader-Events wie religiöse Großveranstaltungen und Hochzeiten eingedämmt werden. Massentests, Kontaktnachverfolgung, Isolierung von Infizierten und die Abschottung von Gebieten mit hohen Fallzahlen (Containment Zones) sollen helfen, das Virus zurückzudrängen (GTAI 3.12.2020; vgl. WKO 13.1.2021). Es kann daher vereinzelt und regional sowie zeitlich begrenzt zu erneuten Lockdowns kommen. Eine Skizzierung in „Red Zone“, „Orange Zone“ und „Green Zone“ wird von der Regierung des Bundesstaates/Unionsterritoriums in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und der nationalen Regierung entschieden (WKO 13.1.2021).

Gegen regierungskritische Äußerungen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der Regierung im Umgang mit der COVID-19 Pandemie wurden mittels aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzen zur Staatsverhetzung und dem im Jahr 2000 erlassenen IT-Gesetz vorgegangen (FH 3.3.2021). Medienvertreter sehen sich Drohungen, Verhaftungen, Strafverfahren oder körperlichen Angriffen durch Mobs oder der Polizei wegen der Berichterstattung über die Pandemie ausgesetzt (HRW 13.1.2021). Mehrere von der Regierung zur Eindämmung einer Verbreitung der Pandemie getroffenen Maßnahmen wurden von Menschenrechtsanwälten als invasiv angesehen (FH 3.3.2021).

Im ersten Quartal 2021 wird Indien mit einem Anstieg der Fallzahlen vor einer zweiten COVID-19

Welle erfasst (TOI 21.3.2021; vgl. TFE 20.3.2021) und verzeichnete im Zeitraum ab April/Mai 2021 die höchsten Zahlen an täglichen Todesfällen wegen des Coronavirus seit Beginn der Pandemie (BAMF 3.5.2021). Kritik äußert sich aus dem Umstand heraus, dass Indien, ob seiner

Pharmaindustrie, als „Apotheke der Welt“ durch die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen an viele Länder der Welt genießt (FE 20.3.2021; vgl. TOI 21.3.2021), gleichzeitig jedoch bei der Durchimpfung der eigenen Bevölkerung landesweit lediglich einen Wert von rund zwei Prozent erreicht (HO 28.4.2021).

Auch der Umstand, dass im Zuge der Regionalwahlen in einigen Bundesstaaten große Kundgebungen mit zum Teil Zehntausender Besucher abgehalten wurden, wie auch die Durchführung des hinduistischen Festes Kumbh-Mela in Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand, an dem im Zeitraum von Jänner 2021 bis zum 27. April knapp 25 Millionen Hindus vor Ort teilgenommen haben, attestieren der indischen Regierung eine „praktizierte Sorglosigkeit“. Die Aussage der BJP bei einer Wahlveranstaltung im Bundestaat Assam in der verkündet wurde, „Wahlveranstaltungen und religiöse Zusammenkünfte tragen nicht zur Verbreitung von Covid-19 bei“, wird kritisiert (BAMF 3.5.2021; vgl. HO 28.4.2021).

Seit Mai 2021 sind alle Erwachsenen impfberechtigt, davor nur über 45-Jährige. In mehreren

Bundesstaaten des Landes ist der Impfstoff ausgegangen, Hilfsgüter aus mehreren Ländern wie Beatmungsgeräte, Anlagen zur Sauerstofferzeugung, Medikamente und Impfstoff werden Indien von der internationalen Staatengemeinschaft zur Verfügung gestellt. Medienberichten zufolge will Indien die eigene Impfstoffproduktion bis Juni 2021 erhöhen, von der staatlichen indischen Eisenbahngesellschaft gab bekannt, 4.000 Waggons mit einer Kapazität von 64.000 Betten als provisorische Stationen für Corona-Patienten bereitzustellen (BAMF 3.5.2021).

Alle Experten davon aus, dass kurzfristig die Fallzahlen wie auch die Zahlen der Toten weiter ansteigen werden, da das staatliche Gesundheitssystem in vielen Landesteilen schon jetzt an seine Grenzen gestoßen ist. Eine mittelfristige Prognose ist noch unklar. Eine Hoffnung stellt, bedingt durch den bereits erfolgten sehr breiten Ansteckung der Bevölkerung das Erreichen einer Herdenimmunität dar (HO 25.4.2021).

Quellen:

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.5.2021): Briefing Notes, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw18-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 7.5.2021

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.10.2020): https://www.bamf.d e/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw 42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicatio nFile&v=4 , Zugriff 12.10.2020

DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-infor mation-report-india.pdf, Zugriff 18.1.2021

FE – Financial Express (20.3.2021): Coronavirus Lockdown 2021 News Highlights: Only partial relaxation from lockdown in Nagpur from Monday, https://www.financialexpress.com/lifestyle/healt h/coronavirus-lockdown-2021-live-news-coronavirus-india-latest-march-20-updates-narendra-m odi-covid-lockdown-night-curfew-maharashtra-mumbai-pune-nagpur-uttar-pradesh-delhi-bengalu ru-hyderabad-punjab-gu/2216571/, Zugriff 22.3.2021

FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2046516.html, Zugriff 22.3.2021

GTAI – German Trade & Invest [Deutschland] (3.12.2020): Indien sieht erste Anzeichen einer

Konjunkturbelebung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/indien-sieht-erste-a nzeichen-einer-konjunkturbelebung-234424, Zugriff 18.1.2021

HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmelschreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutant en-und-himmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021

HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043608.html, Zugriff 18.1.2021

ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

PRC – Pew Research Center (18.3.2021): In the pandemic, India’s middle class shrinks and poverty spreads while China sees smaller changes, https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/03/18/inthe-pandemic-indias-middle-class-shrinks-and-poverty-spreads-while-china-sees-smaller-change s/, Zugriff 22.3.2021

TOI – Times of India (21.3.2021): Government failed to control Covid spread, must vaccinate all within months: Congress,

http://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/81618736.cms?utm_source=contentofinterest&utm

_medium=text&utm_campaign=cppst, Zugriff 22.3.2021

WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-indien.html, Zugriff 18.1.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 21.05.2021

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA 27.4.2021; vgl. AA 23.9.2020). Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt. Nachdem sich das Land während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profilierte, verfolgt es heute eine eindeutig pro-westliche Politik (BICC 1.2021).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 30.3.2021). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Ebene der

Bundesstaaten (AA 23.9.2020). Im Einklang mit der Verfassung haben die 28 Bundesstaaten und acht Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 30.3.2021).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 30.3.2021). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 1.2021a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 23.9.2020). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 23.9.2020). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 1.2021a).

Die Verfassung garantiert Rede- und Meinungsfreiheit (USDOS 30.3.2021). Unabhängigen Medien drücken eine große Bandbreite von Meinungen und Ansichten ohne Einschränkungen aus (USDOS 30.3.2021; vgl. FH 3.3.2021). Allerdings haben die Angriffe auf die Pressefreiheit unter der Regierung Modi zugenommen (FH 3.3.2021).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 23.9.2020).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis „National Democratic Alliance (NDA)“, mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (ÖB 9.2020; vgl. AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen v. a. im Bundesstaat Westbengal, korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore

(East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des

Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindu-nationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS [Rashtriya Swayamsevak Sangh], fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 1.2021a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW 27.2.2020). Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion New Delhi musste die Partei des Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi (AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).

Bei Regionalwahlen in vier indischen Bundesstaaten und einem Unionsterritorium hat die konservative Regierungspartei BJP von Premierminister Modi offenbar keine Zugewinne erzielt. In Westbengalen liegt die BJP deutlich hinter der Regionalpartei All India Trinamool Congress (TMC) von Chefministerin Mamata Banerjee. Auch in Assam, Tamil Nadu, Kerala und Puducherry fanden Wahlen statt. Nur in Assam konnte die BJP an der Macht festhalten, aber auch dort erzielte sie – wie in den anderen Bundesstaaten – keine Zugewinne. Der Wahlkampf fand inmitten der Corona-Pandemie zum Teil mit riesigen Wahlkundgebungen statt. Viele Experten sehen darin die Ursache für den dramatischen Anstieg der Infektionszahlen im Land. Modi hatte sich im Wahlkampf besonders in Westbengalen engagiert, das an der Grenze zu Bangladesch liegt und eine starke muslimische Minderheit hat. Die BJP versprach, hunderttausende Muslime auszuweisen, die vor Jahrzehnten aus Bangladesch nach Indien geflohen sind (DS 3.5.2021).

Trotz der Annäherung an die USA und der zunehmenden Spannungen mit China betont Indien weiterhin seine strategische Autonomie. Diese beinhaltet auch den Anspruch auf eine eigenständige Rolle im Kontext der geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA im Indo-Pazifik. So haben Indien und China in den letzten Jahren auch immer wieder kooperiert, zum Beispiel in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Innerhalb der Quad hat sich Indien für ein inklusives Verständnis des Indo-Pazifiks ausgesprochen, das im Unterschied zu den Vorstellungen der USA bislang immer die Einbeziehung Chinas beinhaltete (SWP 7.2020). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist weiterhin ein strategisches Ziel Indiens (GIZ 1.2021a).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local /2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lag e_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebu ngsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_19.07.2019.pdf , Zugriff 15.10.2020

AA – Auswärtiges Amt (11.2.2021): Indien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/ de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff 6.5.2021

BICC – Bonn International Centre for Conversion (1.2021): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http: //www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf , Zugriff 23.3.2021

CIA - Central Intelligence Agency (27.4.2021): The World Factbook – India, https://www.cia.gov/th e-world-factbook/countries/india/#people-and-society , Zugriff 6.5.2021

DS Der Standard (3.5.2021): Indien: Regionalwahl-Schlappe für Modi inmitten steigender CoronaZahlen, https://www.derstandard.at/story/2000126330932/indienregionalwahl-schlappe-fuer-modi -inmitten-steigender-corona-faelle, Zugriff 6.5.2021

DW – Deutsche Welle (27.2.2020): Sierens China: Schwieriges Dreiecksverhältnis, https://www.

dw.com/de/sierens-china-schwieriges-dreiecksverh%C3%A4ltnis/a-52556817 , Zugriff 28.2.2020

FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2020): Immer mehr Tote nach Unruhen in Delhi, https: //www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-tote-bei-gewalt-zwischen-hindus-und-muslimen-in-del hi-16652177.html , Zugriff 28.2.2020

FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2046516.html, Zugriff 6.5.2021

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (1.2021a): Indien, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/ , Zugriff 11.5.2021

KBS – Korean Broadcasting System (12.2.2020): Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, http://world.kbs.co.kr/service/contents_view.htmlang=g&board_seq=379626 , Zugriff 14.2.2020

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

Quantara.de (14.2.2020): Herbe Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, https://de.qantara.de/content/herbe-niederlage-fuer-indiens-regierungschef-modi-bei-wahl-i n-neu-delhi , Zugriff 20.2.2020

SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2020): Indisch-chinesische Konfrontation im Himalaya. Eine Belastungsprobe für Indiens strategische Autonomie, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/c ontents/products/aktuell/2020A63_IndienChina.pdf, Zugriff 11.5.2021

SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Indiens Ringen um die Staatsbürgerschaft, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A02_wgnArora_WEB.pdf , Zugriff 18.2.2020

SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Keine Ruhe in Kaschmir. Die Auflösung des Bundesstaats und die Folgen für Indien, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A45/ , Zugriff 16.1.2020

TG – The Guardian (26.2.2020): Anti-Muslim violence in Delhi serves Modi well, https://www.theg uardian.com/commentisfree/2020/feb/26/violence-delhi-modi-project-bjp-citizenship-law , Zugriff 28.2.2020

USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights

Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff am 6.5.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 28.05.2021

Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt. Nachdem sich das Land während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profilierte, verfolgt es heute eine eindeutig pro-westliche Politik. Das Land ist ein wichtiger Handelspartner der EU und der Vereinigten Staaten (BICC 1.2021).

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 1.2021a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 1.2021). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (bpb 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC

1.2021).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021) und der von separatistischen Gruppen b

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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