TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/29 W164 2224162-2

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Veröffentlicht am 29.11.2021
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Entscheidungsdatum

29.11.2021

Norm

ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W164 2224162-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Hermann Stenitzer-Preininger, Graz, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse vom 30.03.2021, GZ: 11-2021-BE-VER10-00049, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Zur Vorgeschichte:

1. Mit Schreiben vom 10.04.2018 hat die Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: WGKK = belangte Behörde), nun Österreichische Gesundheitskasse, dem nunmehrigen Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) mitgeteilt, dass auf dem Beitragskonto der XXXX GmbH (im Folgenden: Primärschuldnerin) ein Rückstand iHv € 126.367,46 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen aushafte. Der nunmehrige BF hafte als ehemaliger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin nach Maßgabe des § 67 Abs. 10 ASVG. Der BF werde ersucht, den Rückstand bis spätestens 10.05.2018 zu begleichen bzw. innerhalb dieser Frist alle Tatsachen vorzubringen, die seiner Ansicht nach gegen eine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG sprechen. Die WGKK schloss diesem Schreiben einen entsprechenden Rückstandsausweis an. Dieses Schreiben wurde dem BF am 17.04.2018 nachweislich an die Adresse XXXX Wien, durch Hinterlegung zugestellt. Der BF beantwortete das Schreiben nicht.

2. Mit Bescheid vom 06.05.2019, GZ: 11-2017-BE-VER10-000TW, sprach die WGKK aus, dass der BF als Geschäftsführer der Primärschuldnerin der WGKK gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die von dieser Firma zu entrichten gewesenen Sozialversicherungsbeiträge iHv € 114.256,55 für die Zeiträume Jänner 2017 bis Dezember 2017 zuzüglich der ab 01.05.2019 auflaufenden Verzugszinsen in Höhe von 3,38% p.a. aus € 113.701,32 binnen vierzehn Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen habe. Dem Bescheid wurde ein Rückstandsausweis mit den entsprechenden Forderungen angeschlossen.

Begründend wurde ausgeführt, die Primärschuldnerin schulde aus den Beiträgen Jänner 2017 bis Dezember 2017 € 100.269,43 und weitere Verzugszinsen. Sämtliche Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Über das Vermögen der Primärschuldnerin sei am 16.10.2017 zu Az XXXX die Insolvenz eröffnet worden. Die Primärschuldnerin übe keine Tätigkeit mehr aus. Daher sei Uneinbringlichkeit gegeben. Der BF sei im gegenständlichen Zeitraum laut Firmenbuch handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Er hafte für diesen Betrag als die zur Vertretung der Primärschuldnerin berufene Person gemäß § 67 Abs. 10 ASVG. Die belangte Behörde führte zur Untermauerung ihrer Rechtsansicht die Erkenntnisse des VwGH 29.04.2010, 2008/15/0085 und vom 26.01.2011, 2007/13/0063 an.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde und führte aus, die belangte Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid auf steuerrechtliche, die BAO betreffende Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes gestützt. Diese würden in einem Verfahren nach dem ASVG nicht zur Anwendung gelangen. Der Gesetzgeber des ASVG habe es unterlassen, den Vertreten die Pflicht aufzuerlegen, dafür zu sorgen, dass die Beiträge entrichtet werden. Der BF hafte daher mangels Pflichtverletzung nicht. Das Schreiben vom 10.04.2018 sei dem BF nicht zugegangen.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10.07.2019, GZ: 11-2017-BE-VER10-000TW hat die WGKK diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, die im Ausgangsbescheid zitierte Judikatur beziehe sich zwar auf die §§ 9 und 80 BAO, jedoch sei die Haftungsbestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG der vorgenannten Haftungsbestimmung nachgebildet. Die aktuelle Judikatur des VwGH (beispielsweise Ra 2015/08/0038 von 11.04.2018) verwende gestützt auf § 67 Abs. 10 ASVG dieselbe Formulierung. Aus dem klaren Gesetzeswortlaut der §§ 67 Abs. 10 und 58 Abs. 5 ASVG ergebe sich, dass der BF als Vertreter einer juristischen Person insbesondere dafür Sorge zu tragen gehabt habe, dass die Beiträge bei Fälligkeit aus den Mitteln die er verwaltete, entrichtet werden. Das Schreiben der WGKK vom 10.04.2018 sei dem BF an seine im zentralen Melderegister ausgewiesene Adresse nachweislich am 17.04.2018 durch Hinterlegung zugestellt worden. Ortabwesenheit sei nicht vorgebracht worden.

5. Dagegen hat der BF durch seine Rechtsvertretung fristgerecht einen Vorlageantrag erhoben.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.02.2021, GZ: W164 2224162-2/2E wurde der Bescheid der WGKK vom 06.05.2019, GZ: 11-2017-BE-VER10-000TW, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 10.07.2019, GZ: 11-2017-BE-VER10-000TW behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Österreichische Gesundheitskasse zurückverwiesen. Der belangten Behörde wurde aufgetragen, die Art der dem BF zur Last gelegten Pflichtverletzung anzuführen, zu prüfen und, sollte dem BF Gläubigerungleichbehandlung vorgeworfen werden, diesem Gelegenheit zu gegeben, die Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen.

Zum nun anhängigen Verfahren:

7. Mit Schreiben vom 25.02.2021 hat die Österreichische Gesundheitskasse dem BF mitgeteilt, dass auf dem Beitragskonto der Primärschuldnerin ein Rückstand iHv € 65.570,24 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen aushafte. Der BF hafte als ehemaliger Geschäftsführer der Primärschuldnerin nach Maßgabe des § 67 Abs. 10 ASVG. Dem BF wurde Gläubigerungleichbehandlung zur Last gelegt; gleichzeitig wurde ihm die Möglichkeit gegeben, den Gegenbeweis anzutreten. Der BF wurde im Detail ersucht, bekannt zu geben und nachzuweisen, 1.) wie hoch die Gesamtverbindlichkeiten (ohne die Verbindlichkeiten gegenüber der ÖGK/WGKK) jeweils am 30.06.2017, am 31.07.2017 und am 31.08.2017 waren; 2.) wie hoch die Zahlungen (ausgenommen die Zahlungen an die ÖGK/WGKK) jeweils in den Monaten Juni 2017 bis 16.10.2017 (Insolvenzeröffnung) für diese fälligen Verbindlichkeiten an die Gläubiger (ohne die ÖGK) waren. Dies sei mit Girokontoauszügen zu belegen. Für die Stellungnahme und den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung werde eine Frist bis zum 25.03.2021 gesetzt. Die Österreichische Gesundheitskasse schloss diesem Schreiben einen Rückstandsausweis an, der folgende Forderungen auswies:

06/2017

NV Beitrag Rest

(01.06.2017-30.06.2017)

203,85

06/2017

Beitrag Rest

(01.06.2017-30.06.2017)

89,40

06/2017

Beitrag Rest

(01.06.2017-30.06.2017)

24.754,00

07/2017

Beitrag Rest

(01.07.2017-31.07.2017)

20.514,77

07/2017

NV Beitrag Rest

(01.07.2017-31.07.2017)

445,11

08/2017

Beitrag Rest

(01.08.2017-31.08.2017)

17.942,77

 

 

 

 

 

Summe der Beiträge

63.949,90

Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gerechnet bis 31.01.2021

1.620,34

 

 

 

Summe der Forderung

65.570,24

Bis zur Zahlung entstehen für jeden weiteren Tag Verzugszinsen:

Ab 01.02.2021 3,38 % p.a. aus € 63.949,90.“

8. In Beantwortung dieses Schreibens gab der BF mit Stellungnahme vom 25.03.2021 bekannt, dass er weder über Kontoauszüge, noch über sonstige Buchhaltungsunterlagen verfüge, zumal die gesamten Unterlagen vom alleinigen Gesellschafter der Primärschuldnerin, XXXX (im Folgenden G), mitgenommen worden seien. Weder der BF, noch die ehemalige Masseverwalterin hätten G postalisch erreichen können. Jedoch könnte nur G über den Verbleib der Buchhaltungsunterlagen und Kontoauszüge Auskunft geben. Die dem BF zur Last gelegte Gläubigerungleichbehandlung werde bestritten. Mangels Zugriff auf die Buchhaltungsunterlagen und Firmenunterlagen sei es dem BF allerdings nicht möglich anzugeben, wie hoch die Gesamtverbindlichkeiten am 30.06.2017, am 31.07.2017 sowie am 31.08.2017 waren. Vorgelegt wurden Kontoverdichtungverdichtungsblätter, zum Beweis dafür, dass in den fraglichen Zeiträumen Zahlungen an die WGKK erfolgt seien. Deshalb hätte diese dem BF keinesfalls auf Gläubigerungleichbehandlung zur Last legen dürfen; vielmehr sei dadurch geradezu das Gegenteil bewiesen. Es werde daher der Antrag gestellt, von einer Einhebung oder Haftung des BF mangels Pflichtverletzung Abstand zu nehmen und das Verfahren zur Einstellung zu bringen.

9. Mit Bescheid vom 30.03.2021, GZ: 11-2021-BE-VER10-00049, sprach die ÖGK aus, dass der BF als ehemaliger Geschäftsführer der Primärschuldnerin der ÖGK gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die von dieser Firma zu entrichten gewesenen Beiträge aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Juni 2017 bis August 2017 von € 65.570,24 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe von 3,38% p.a. aus € 63.949,90 binnen vierzehn Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen habe.

Dem Bescheid wurde ein Rückstandsausweis vom 30.03.2021 angeschlossen, der Forderungen wie folgt auswies:

06/2017

NV Beitrag Rest

(01.06.2017-30.06.2017)

203,85

06/2017

Beitrag Rest

(01.06.2017-30.06.2017)

89,40

06/2017

Beitrag Rest

(01.06.2017-30.06.2017)

24.754,00

07/2017

Beitrag Rest

(01.07.2017-31.07.2017)

20.514,77

07/2017

NV Beitrag Rest

(01.07.2017-31.07.2017)

445,11

08/2017

Beitrag Rest

(01.08.2017-31.08.2017)

17.942,77

 

 

 

 

 

Summe der Beiträge

63.949,90

Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gerechnet bis 31.01.2021

1.620,34

 

 

 

Summe der Forderung

65.570,24

Bis zur Zahlung entstehen für jeden weiteren Tag Verzugszinsen:

Ab 01.03.2021 3,38 % p.a. aus € 63.949,90.“

Begründend wurde ausgeführt, die Primärschuldnerin schulde aus den Beiträgen Juni 2017 bis August 2017 € 65.570,24 und weitere Verzugszinsen. Sämtliche Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Über das Vermögen der Primärschuldnerin sei am 16.10.2017 zu Az XXXX die Insolvenz eröffnet worden. Die Primärschuldnerin übe keine Tätigkeit mehr aus. Daher sei Uneinbringlichkeit gegeben. Der BF sei im gegenständlichen Zeitraum laut Firmenbuch handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Er hafte für diesen Betrag als die zur Vertretung der Primärschuldnerin berufene Person gemäß § 67 Abs. 10 ASVG. Dem BF werde Gläubbigerungleichbehandlung zur Last gelegt.

Das Vorbringen des BF im Schreiben vom 25.03.2021 entlaste den Geschäftsführer nicht vom Nachweis der Gläubigergleichbehandlung. Nach ständiger Rechtsprechung sei es dem Geschäftsführer „schon im Hinblick auf eine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich – spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften – jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht ermöglichen. Diese Darlegungspflicht treffe nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind“ (VwGH 28.10.1998, GZ 97/14/0160).

Die belangte Behörde bestätigte, dass beispielsweise die die in den vom BF vorgelegten Kontoverdichtungsblättern angeführten Zahlungen vom 06.07.2017, 11.07.2017 und 12.07.2017 bei der WGKK eingelangt seien. Diese seien zur Abdeckung rückständiger Beiträge aus 05/2017 und 06/2017 verwendet und im (dem Bescheid beiliegenden) Rückstandsausweis berücksichtigt worden. In den Beitragsmonaten 08 und 09/2017 seien seitens der Primärschuldnerin keine Zahlungen an die WGKK überwiesen worden. Es seien aber sowohl Gehälter bezahlt als auch Lieferanten bzw. Auftragnehmer befriedigt worden. Darüber hinaus seien erhebliche Barbehebungen vorgenommen worden. Wie hoch die Gläubigerungleichbehandlung gewesen sei, lasse sich mangels Nachweis der Gesamtverbindlichkeiten nicht berechnen. Eine Darlegung oder ein entsprechender Nachweis durch den Geschäftsführer sei nicht erfolgt. Es seien liquide Mittel im Unternehmen vorhanden gewesen, die Beiträge zur Sozialversicherung seien bei Fälligkeit aber nicht aus diesen Mitteln entrichtet worden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre ein Geschäftsführer im Falle der Behinderung durch andere Geschäftsführer, durch Gesellschafter oder durch dritte Personen verpflichtet, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden (VwGH 20.02.2008, GZ 2005/08/0129). Der Geschäftsführer einer GesmbH hafte auch dann für rückständige Sozialversicherungsbeiträge, wenn er aufgrund seiner rechtlichen und tatsächlichen Position keine Einflussnahmemöglichkeit auf die Erfüllung der Verbindlichkeiten hatte. Eine derartige faktische Behinderung seiner Geschäftsführerbefugnisse vermöge ihn nicht zu exkulpieren (VwGH 20.04.2005, GZ 2003/08/0243).

10. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde und führte aus, er habe sämtliche ihm zugängliche Unterlagen vorgelegt. Die gesamten Buchhaltungsunterlagen seien hingegen vom alleinigen Gesellschafter G verändert und entwendet worden.

Die belangte Behörde habe bei der Erhebung und Errechnung des vorgeschriebenen Betrages eine Zahlung vom 14.06.2017 in Höhe von € 38.000,- unberücksichtigt gelassen. Unabhängig davon sei aus dem bekämpften Bescheid nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zum vorgeschriebenen Betrag gekommen sei. Der ausgewiesene Betrag von € 65.570,24 bewirke nicht die Bestimmtheit eines Bescheides. Die belangte Behörde lasse ferner unberücksichtigt, dass mit Beschluss des HG Wien vom 16.10.2017 über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet wurde und der BF die innerhalb von 60 Tage vor Konkurseröffnungen getätigten Zahlungen gar nicht hätten vornehmen dürfen bzw. dass solche Zahlungen von der bestellten Masseverwalterin als Gläubigerbevorzugung bewertet und zurückgefordert worden wären. Die Behörde habe diesbezügliche Erhebungen unterlassen. Auch könne von keinem Verschulden des BF die Rede sein, da dieser im Juni 2017 und Juli 2017 beträchtliche Beträge an die ÖGK geleistet habe. Der BF beantragte, das Bundesverwaltungsgericht wolle der Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Bescheid vom 30.03.2021 ersatzlos beheben oder aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.

11. Die belangte Behörde legte den Bezug habenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht vor. Bezugnehmend auf das Beschwerdevorbringen führte die belangte Behörde aus, der BF habe nicht den erforderlichen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung erbracht. Die in der Beschwerde angeführte Zahlung vom 14,06,2017 in Höhe von € 38.000,- sei im Rückstandsausweis und im Haftungsbescheid berücksichtigt worden. Gemäß der Rechtsprechung bilde der Rückstandsausweis eine öffentliche Urkunde und müsse nicht alle Zahlungen bzw. Buchungen detailliert aufschlüsseln. Auf dem Beitragskonto „haben“, ON10, seien alle Zahlungen ersichtlich, auch jene vom 14.06.2017.

Dem Einwand des BF, wonach sämtliche Zahlungen 60 Tage vor Konkurseröffnung durch die Masseverwalterin hätten zurückgefordert werden können und der BF diese gar nicht für die Primärschuldnerin hätte vornehmen dürfen, werde entgegnet, dass zufolge § 31 der Insolvenzordnung 60 Tage vor Insolvenzeröffnung an die ÖGK getätigte Zahlungen nicht automatisch anfechtbar gewesen wären, sondern nur dann, wenn die ÖGK die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gekannt hätte oder hätte kennen müssen. Der BF verkenne mit seinem diesbezüglichen Einwand seine eigentliche Pflicht als Geschäftsführer. Zufolge § 69 Abs 2 und Abs 3 Insolvenzordnung hätte der BF als Geschäftsführer der Primärschuldnerin bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ohne schuldhaftes Verzögern, spätestens aber 60 Tage danach einen Insolvenzantrag stellen müssen. Die sei nicht geschehen. Den gegenständlichen Insolvenzantrag habe die ÖGK (damals WGKK) gestellt. Ebenso hätte der Geschäftsführer die Barbehebungen stoppen müssen, die den Haftungsfond der Insolvenzgläubiger (incl. ÖGK) erheblich geschmälert hätten. Es werde daher die Abweisung der Beschwerde beantragt.

12. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 27.10.2021 dem BF die Stellungnahme der ÖGK in der Beschwerdevorlage samt dem von der ÖGK darin angeführten Beitragskonto „haben“ (ON10) im Sinne des schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

13. Der BF hat von dieser Möglichkeit der Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF war von 03.12.2015 bis 11.04.2017 und von 27.05.2017 bis 16.10.2017 handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Er vertrat diese selbständig.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 16.10.2017, GZ XXXX , wurde über die Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 02.05.2019, GZ XXXX wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben. Mit 26.07.2019 wurde die Primärschuldnerin amtswegig gemäß § 40 FBG gelöscht.

Laut Rückstandsausweis vom 30.03.2021 haften folgende Forderungen aus Sozialversicherungsbeiträgen bei der Primärschuldnerin aus

06/2017

NV Beitrag Rest

(01.06.2017-30.06.2017)

203,85

06/2017

Beitrag Rest

(01.06.2017-30.06.2017)

89,40

06/2017

Beitrag Rest

(01.06.2017-30.06.2017)

24.754,00

07/2017

Beitrag Rest

(01.07.2017-31.07.2017)

20.514,77

07/2017

NV Beitrag Rest

(01.07.2017-31.07.2017)

445,11

08/2017

Beitrag Rest

(01.08.2017-31.08.2017)

17.942,77

 

 

 

 

 

Summe der Beiträge

63.949,90

Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gerechnet bis 31.01.2021

1.620,34

 

 

 

Summe der Forderung

65.570,24

Bis zur Zahlung entstehen für jeden weiteren Tag Verzugszinsen:

Ab 01.03.2021 3,38 % p.a. aus € 63.949,90.“

Die belangte Behörde hat den BF zur Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG herangezogen, ihm Gläubigerungleichbehandlung zur Last gelegt und hat ihm die Möglichkeit eingeräumt, den Gegenbeweis anzutreten. Der BF wurde im Detail aufgefordert, bekannt zu geben und nachzuweisen, 1.) wie hoch die Gesamtverbindlichkeiten (ohne die Verbindlichkeiten gegenüber der ÖGK/WGKK) jeweils am 30.06.2017, am 31.07.2017 und am 31.08.2017 waren; 2.) wie hoch die Zahlungen (ausgenommen die Zahlungen an die ÖGK/WGKK) jeweils in den Monaten Juni 2017 bis 16.10.2017 (Insolvenzeröffnung) für diese fälligen Verbindlichkeiten an die Gläubiger (ohne die ÖGK) waren.

Der BF hat dieser Aufforderung nicht entsprochen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes in Zusammenhalt mit der Beschwerde und ist, soweit entscheidungswesentlich, unbestritten. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erübrigt sich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Die vorliegende Angelegenheit ist nicht von dieser Bestimmung erfasst. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Im vorliegenden Fall wurde die Primärschuldnerin nach ihrer Liquidation amtswegig wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Somit liegt Uneinbringlichkeit vor. Der BF war im hier relevanten Beurteilungszeitraum, Juni 2017 bis August 2017, handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Er gehört zum Kreis der nach § 67 Abs. 10 ASVG haftenden Personen. Die nicht rechtzeitige Entrichtung der verfahrensgegenständlichen Beitragsverbindlichkeiten war kausal für deren spätere Uneinbringlichkeit.

Zur Frage der Pflichtverletzung:

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG in der anzuwendenden Fassung haben die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat.

Eine gemäß § 67 Abs. 10 ASVG relevante Pflichtverletzung kann unter anderem auch darin bestehen, dass der Haftende die Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, indem er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trägt (vgl. VwGH 2017/08/0070 vom 12.10.2017).

Wie ein Vertreter, dem gemessen an der Gesamtsumme aller Forderungen nur unzureichende Mittel zur Verfügung stehen, seiner Gleichbehandlungspflicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger konkret nachzukommen hat, ist nach der Zahlungstheorie zu beurteilen. Demnach ist der Vertreter nur dann exkulpiert, wenn er nachweist, im Beurteilungszeitraum entweder über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung die Versicherungsbeiträge ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger nicht oder nur zum Teil entrichtet zu haben, die Beiträge also nicht in Benachteiligung der Sozialversicherung in einem geringeren Ausmaß entrichtet zu haben als die Forderungen der anderen Gläubiger (vgl. VwGH 2017/08/0070 vom 12.10.2017).

Zur Ermittlung des Haftungsumfangs ist in einem ersten Schritt der Beurteilungszeitraum zu ermitteln, der mit der Fälligkeit der ältesten am Ende jenes Zeitraums noch offenen Beitragsverbindlichkeit beginnt und der mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (sofern keine Hinweise auf eine frühere allgemeine Zahlungseinstellung oder Beendigung der Vertreterstellung gegeben sind) endet. In einem zweiten Schritt sind einerseits das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen fälligen Verbindlichkeiten einschließlich der Beitragsschulden (allgemeine Zahlungsquote) sowie andererseits das Verhältnis der im selben Zeitraum erfolgten Zahlungen auf die Beitragsverbindlichkeiten zu den insgesamt fälligen Beitragsschulden (Beitragszahlungsquote) zu ermitteln. Das Produkt aus der Differenz der beiden Quoten und den insgesamt fälligen Beitragsschulden ergibt letztlich den Haftungsbetrag (vgl. VwGH 2017/08/0070 vom 12.10.2017).

Es ist Sache des als Verantwortlicher herangezogenen Vertreters der juristischen Person, jene Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. (vgl. VwGH 12.01.2016, Ra 2014/08/0028). Dabei hat der zur Haftung herangezogene nicht nur allgemein darzutun, dass er dem Benachteiligungsverbot Rechnung getragen habe. Vielmehr hat dieser die im Beurteilungszeitraum fälligen unberichtigten Beitragsschulden und die fälligen offenen Gesamtverbindlichkeiten sowie die darauf jeweils geleisteten Zahlungen darzulegen. Den zur Haftung herangezogenen trifft insoweit eine erweiterte Mitwirkungspflicht (vgl. VwGH 2015/08/0038 vom 11.04.2018).

Die belangte Behörde hat den zur Haftung herangezogenen Geschäftsführer einer GmbH im Haftungsverfahren Gelegenheit zu geben, bezogen auf den strittigen Zeitraum darzulegen und entsprechend unter Beweis zu stellen, welche Verbindlichkeiten der GmbH aushafteten, welche Mittel ihr an sich zur Verfügung standen und welche Zahlungen für sie jeweils geleistet wurden (vgl. VwGH 21.05.1996, 93/08/0221). Soweit der in Anspruch genommene Vertreter nicht sachkundig vertreten ist, trifft die Behörde eine Manuduktionspflicht (vgl. Mosler/Müller/Pfeil, der SV-Komm, Manz 2014, RZ 143 zu § 67 Abs. 10 ASVG).

Erfolgt eine solche Darlegung und ein entsprechender Nachweis konkreter, auf den genannten Zeitraum bezogener Berechnungsgrößen nicht, so ist die belangte Behörde ohne weiteres zur Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung mit der Konsequenz einer Haftung des haftungspflichtigen Geschäftsführers für die gesamten offenen Beitragsverbindlichkeiten berechtigt (vgl. VwGH Ra 2014/08/0028 vom 12.01.2016).

Der BF hat im vorliegenden Fall als Geschäftsführer der Primärschuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Primärschuldnerin, nämlich im Beobachtungszeitraum 06/2017 bis 08/2017 Zahlungen über offene Beitragsschulden geleistet. Die Beitragsschulden wurden mit diesen Zahlungen jedoch nur teilweise gedeckt. Es war daher die Gläubigergleichbehandlung iSd der oben dargelegten Judikatur zu prüfen, somit konkret, ob der BF, solange für die Primärschuldnerin noch Zahlungen getätigt werden konnten, Beitragsschulden schlechter behandelt hat, als sonstige Verbindlichkeiten.

Die ÖGK hat dem BF vor Erlass des gegenständlichen Bescheides die Möglichkeit eingeräumt, zum Vorwurf der mangelnden Gläubigergleichbehandlung Stellung zu nehmen und Nachweise vorzulegen. Der BF wurde aufgefordert, bekannt zu geben und nachzuweisen, 1.) wie hoch die Gesamtverbindlichkeiten (ohne die Verbindlichkeiten gegenüber der ÖGK/WGKK) jeweils am 30.06.2017, am 31.07.2017 und am 31.08.2017 waren; 2.) wie hoch die Zahlungen (ausgenommen die Zahlungen an die ÖGK/WGKK) jeweils in den Monaten Juni 2017 bis 16.10.2017 (Insolvenzeröffnung) für diese fälligen Verbindlichkeiten an die Gläubiger (ohne die ÖGK) waren.

Der BF ist dieser Aufforderung und damit seiner Mitwirkungspflicht im Sinne der oben dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht in geeigneter Weise nachgekommen. Auch im Beschwerdeverfahren legte der BF keine entsprechenden Aufstellung bzw. keine geeigneten Nachweise vor. Die vom BF vorgelegten Kontoverdichtungsblätter für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum bieten keine geeignete Grundlage um die dem BF zu Last gelegte Gläubigerungleichbehandlung entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entkräften zu können.

Soweit der BF in seiner Beschwerde darauf verweist, dass die gesamten Buchhaltungsunterlagen vom alleinigen Gesellschafter G verändert und entwendet worden seien, ist dem ferner die folgende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entgegenzuhalten:

Der Umstand, auf Grund von rechtlichen oder faktischen Einschränkungen daran gehindert gewesen zu sein, der Gleichbehandlungspflicht nachzukommen, könnte den Geschäftsführer nicht von vornherein exkulpieren. Dieser wäre im Falle der Behinderung seiner Vertretungsfunktion vielmehr verpflichtet gewesen, sofort entweder im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden. Bleibt der Geschäftsführer aber weiterhin tätig, obwohl er sich in seiner Pflichterfüllung behindert sieht, verletzt er (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Beiträge. Der Geschäftsführer hat es in der Hand, im Rechtsweg die Ausübung seiner Rechte zu erzwingen oder die Geschäftsführungsbefugnis zurückzulegen. Er muss es sich als Verschulden anrechnen lassen, wenn er sich an der Erfüllung der Aufgaben behindern ließ (vgl. VwGH 2012/08/0227 vom 29.01.2014). Ein für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG relevantes Verschulden liegt auch dann vor, wenn sich ein Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, welche die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung unmöglich macht (vgl. VwGH 2005/08/0129 vom 20.02.2008).

Der Beschwerdeeinwand, wonach der BF selbst über keinerlei Unterlagen verfüge und die gesamten Buchhaltungsunterlagen vom alleinigen Gesellschafter G verändert und entwendet worden seien, ist vor dem Hintergrund der eben dargelegten Judikatur daher nicht geeignet, das fehlende Verschulden des BF zu belegen.

Soweit der BF die Bestimmtheit des angefochtenen Bescheides in Zweifel zieht, ist dem die folgende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entgegenzuhalten:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 2014/08/0028 vom 12.01.2016 ausgeführt hat, entspricht die Aufschlüsselung des Haftungsbetrages nach dem rückständigen Betrag, der Art des Rückstandes samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld. Durch Zugrundelegung des Rückstandsausweises bringt die Behörde zum Ausdruck, auf welchen Sachverhalt sie die Vorschreibung gründet, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt.

Unter Berücksichtigung dieser Judikatur erfüllt der angefochtene Bescheid das gesetzliche Bestimmtheitserfordernis.

Soweit der BF in seiner Beschwerde behauptet, es sei eine konkrete Zahlung aus Juni 2017 im Rückstandsausweis nicht berücksichtigt worden, hat die belangte Behörde diesen Einwand im Zuge des Beschwerdeverfahrens entkräftet. Tatsächlich scheint die Zahlung auf dem Auszug des Beitragskontos (ON 10) auf und hat im gegenständlichen Rückstandsauseis Berücksichtigung gefunden. Der BF hat dem im Zuge des dazu gewährten Parteiengehörs vom 27.10.2021 nichts mehr entgegengesetzt.

Soweit der BF einwendet, er hätte 60 Tage vor Konkurseröffnung gar keine Zahlungen für die Primärschuldnerin an die WGKK tätigen dürfen, diese hätten andernfalls von der Masseverwalterin wegen Gläubigerbevorzugung angefochten werden können, ist dem entgegenzuhalten, dass aus einer allenfalls seinerzeit im Zuge des Insolvenzverfahrens betreffend die Primärschuldnerin drohenden Anfechtung gemäß § 31 IO für die nun zu behandelnde Frage der Gläubigergleichbehandlung iSd § 67 Abs 10 ASVG im hier relevanten Beobachtungszeitraum nichts Entscheidungswesentliches abzuleiten ist: § 31 IO dient dem Gesetzeszweck, dass die im Insolvenzverfahren zu verteilende Masse nicht kurz vor dessen Eröffnung durch einseitige Gläubigerbevorzugung bewusst geschmälert werden kann. Dagegen ist im hier gegenständlichen Verfahren über die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs 10 ASVG für (nach Verteilung der Masse) uneinbringlich gewordene Forderungen zu entscheiden. Der Beurteilungszeitraum der hier wesentlichen Pflichtverletzung ist Juni bis August 2018.

In diesem Zusammenhang ist weiters auf folgende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung 2000/14/0162 vom 16.09.2003 ausgesprochen hat, ergibt sich aus dem Vorliegen eines Anfechtungstatbestandes im Sinne der Konkursordnung keineswegs zwingend, dass der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer die Abgabenbehörde insgesamt bevorzugt befriedigt hätte. Die Anfechtungsbestimmungen der Konkursordnung richten sich gegen kurz vor der Konkurseröffnung vorgenommene Vermögensverschiebungen zu Gunsten einzelner Gläubiger. Dass durch derartige, der Anfechtung unterliegende Zahlungen an die Abgabenbehörde in der Vergangenheit gelegene und vom Vertreter zu verantwortende Versäumnisse bei der zeitgerechten Abgabenentrichtung nicht beseitigt werden können, liegt auf der Hand. Andernfalls läge es im Belieben des Vertreters, sich durch die Verwirklichung eines einzelnen Anfechtungstatbestandes jeder abgabenrechtlichen Geschäftsführerhaftung zu entledigen.

Diese §§ 9 und 80 BAO ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist auch für die Beurteilung des hier gegenständlichen Haftungstatbestandes einschlägig, da die Haftung gem. § 67 Abs 10 ASVG diesen Bestimmungen nachgebildet ist.

Zusammenfassend ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass der BF für die nicht abgeführten Beitragsrückstände im festgestellten Ausmaß gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haftet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben angeführte Judikatur des VwGH); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beitragsrückstand Geschäftsführer Gleichbehandlung Haftung Mitwirkungspflicht Nachweismangel Pflichtverletzung Rückstandsausweis Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W164.2224162.2.00

Im RIS seit

29.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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